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Erforderlichkeit einer Eigentümerzustimmung trotz Eigentumsaufgabe durch bisherigen Eigentümer

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 162/11 – Beschluss vom 05.01.2012

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 3.000,– EURO.

Gründe

I.

Als Eigentümerin des eingangs bezeichneten Grundstückes war seit 1986 Frau A1 im Grundbuch eingetragen. Unter dem 28. Januar 2009 wurde im Grundbuch in Abt. I vermerkt, dass A1 das Eigentum an dem Grundstück durch Verzicht (§ 928 Abs. 1 BGB) aufgegeben hat.

In Abt. III des Grundbuches sind insgesamt sechs Grundschulden für die Antragstellerin eingetragen.

Unter dem 04. März 2011 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte für die Antragstellerin unter Vorlage einer von der Antragstellerin erteilten Löschungsbewilligung, die in Abt. III lfd. Nr. … eingetragene Buchgrundschuld über 15.338,76 EUR zu löschen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin betreibe seit Juli 2010 das Zwangsversteigerungsverfahren aus dem Recht Abt. III lfd. Nr. …, wobei zur Vertreterin gemäß § 787 ZPO Frau Rechtsanwältin B 1 bestellt sei. Die Löschung des Rechts werde beantragt, um die Zwangsversteigerung ohne das in Abt. III lfd. Nr. … bestehen bleibende Recht zu gewährleisten.

Mit Zwischenverfügung vom 22. März 2011 beanstandete die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes:

– zum Nachweis der anwaltlichen Vertretungsberechtigung sei eine Vollmacht vorzulegen;

– da das Grundstück durch Eigentumsverzicht herrenlos sei, könne die nach § 27 GBO erforderliche Eigentümerzustimmung nicht vorgelegt werden. Da jedoch das Aneignungsrecht des Landesfiskus nach § 928 Abs. 2 BGB gegeben sei, bestehe ein schutzwürdiges Interesse im Sinne des § 27 GBO fort. Die nach § 787 im Zwangsvollstreckungsverfahren bestellte Vertreterin sei zur Zustimmung nach § 27 GBO nicht befugt. Eine Pflegerbestellung gemäß § 1913 BGB werde in den Kommentierung überwiegend abgelehnt.

In Betracht komme aber eventuell die Möglichkeit im Klagewege die Zustimmung des § 27 GBO ersetzen zu lassen. Zur Vorlage des erforderlichen Dokumentes werde unter Androhung der Antragszurückweisung eine Frist von einem Monat gesetzt.

Hiergegen hat die Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, mit der geltend gemacht wird, § 27 GBO sei eine Schutznorm zu Gunsten des Eigentümers, die im hier vorliegenden Falle der Herrenlosigkeit wegen fehlender schutzwürdiger Interessen des Eigentümers unbeachtlich sei. Die Löschung der Grundschuld müsse hier auch ohne Eigentümerzustimmung möglich sein, da anderenfalls der Löschungsanspruch der Gläubigerin durch Aufgabe des Eigentums zunichte gemacht werden könne. Das Grundbuchamt verweise zu Unrecht auf die Möglichkeit, im Klageweg die Zustimmung nach § 27 GBO ersetzen zu lassen; da es keinen Eigentümer gebe, könne ein solcher auch nicht auf Zustimmung im Klagewege in Anspruch genommen werden.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 14.April 2011 „der sofortigen Beschwerde der C1-gesellschaft mbH“ nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung, über die nach der hier erfolgten Nichtabhilfe gemäß §§ 72, 75 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig (§§ 71 Abs. 1, 73 GBO). Hierzu ist im Hinblick auf die Formulierung der Nichtabhilfeentscheidung klarzustellen, dass gegen Entscheidungen des Rechtspflegers nach der Abschaffung der Durchgriffserinnerung und Neufassung des § 11 RpflegerG durch das Gesetz vom 06. August 1998 (BGBl. I S. 2030) das Rechtsmittel gegeben ist, welches nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs. 1 RpflegerG). Dies ist in Grundbuchsachen die Beschwerde gemäß § 71 Abs. 1 GBO (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 71 Rn. 5; Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 71 Rn. 2). Des Weiteren ist entgegen der Annahme des Nichtabhilfebeschlusses Beschwerdeführer hier nicht der Rechtsanwalt, dem für eine Beschwerdeeinlegung im eigenen Namen die Beschwerdebefugnis fehlen würde, sondern es ist im Wege der gebotenen Auslegung davon auszugehen, dass die Beschwerdeeinlegung durch den Rechtsanwalt hier für die antragsberechtigte Antragstellerin erfolgte, für die ersichtlich auch bereits der Löschungsantrag gestellt worden war.

In der Sache führt die zulässige Beschwerde nicht zum Erfolg.

Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Grundbuchrechtspflegerin den schriftlichen Nachweis der Vollmacht des Verfahrensbevollmächtigten gefordert hat. Zwar gelten nach § 30 GBO für den Eintragungsantrag sowie für die Vollmacht zur Stellung eines solchen die Vorschriften des § 29 GBO nur, wenn durch den Antrag zugleich eine zu der Eintragung erforderliche Erklärung ersetzt werden soll. Ein Vollmachtsnachweis in der Form des § 29 GBO wurde hier mit der Zwischenverfügung jedoch nicht gefordert und ist auch nicht notwendig, da die Löschungsbewilligung der Antragstellerin selbst in der gebotenen Form des § 29 GBO vorgelegt wurde und es sich bei der Antragstellung somit um einen sog. reinen Antrag handelte (vgl. hierzu Demharter, GBO, 27. Aufl., § 30 Rn. 3). Da der hier bei der Antragstellung tätig gewordene Rechtsanwalt im Unterschied zu einem Notar sich nicht auf die Vorschrift des § 15 GBO berufen kann, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Grundbuchamt den Nachweis einer schriftlichen Vollmacht fordert, wie dies auch für die Antragstellung selbst nach § 13 GBO vorgesehen ist (vgl. Demharter, a.a.O., § 30 Rn. 5).

Trotz der insoweit etwas unklaren Formulierung legt der Senat den übrigen Inhalt der Zwischenverfügung dahingehend aus, dass mit ihr die Vorlage einer gerichtlichen Entscheidung über die Erteilung einer Eigentümerzustimmung gefordert wird. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der Zwischenverfügung, da dort zunächst die sich im Zusammenhang mit der nach § 27 GBO erforderlichen Eigentümerzustimmung ergebenden Probleme aufgrund der vorausgegangenen Dereliktion erörtert und inhaltlich die Auffassung vertreten wird, dass weder ein vollständiger Verzicht auf eine Eigentümerzustimmung, noch eine Erklärung durch die im Zwangsversteigerungsverfahren nach § 787 ZPO bestellte Vertreterin noch eine Pflegerbestellung nach § 1913 BGB in Betracht kommen, während anschließend die Ersetzung der Zustimmung im Klageweg als möglich angesehen wird und sodann die Vorlage eine solchen Dokumentes gefordert wird.

Mit diesem Inhalt ist der zweite Teil der Zwischenverfügung auch rechtlich nicht zu beanstanden.

Da die Bewilligung der Gläubigerin als unmittelbar Betroffener vorliegt, konnte die Vorlegung der zu ersetzenden Zustimmung des Eigentümers als mittelbar Betroffenem im Wege der Zwischenverfügung aufgegeben werden (vgl. Demharter, a.a.O., § 18 Rn. 12; BayObLG Rpfleger 1997, 154; OLG Zweibrücken Rpfleger 1999, 533), da eine sofortige Antragszurückweisung insoweit nicht geboten war.

Die Löschung einer Grundschuld erfordert neben einem Antrag nach § 13 Abs. 1 GBO, der gestellt ist, und der nach § 19 GBO erforderlichen Bewilligung durch den Gläubiger, welche hier in der gebotenen Form des § 29 GBO vorliegt, zusätzlich nach § 27 Satz 1 GBO auch die Zustimmung des Eigentümers des Grundstückes. Eine Ausnahme ist in § 27 Satz 2 GBO nur für den hier nicht gegebenen Fall vorgesehen, dass für eine Löschung zum Zwecke der Berichtigung die Zustimmung dann entbehrlich ist, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird.

Da im vorliegenden Falle die Aufgabe des Eigentums durch die frühere Eigentümerin im Grundbuch eingetragen und diese gerötet ist, sich aus dem Grundbuch des Weiteren nicht ergibt, dass der Fiskus bisher wirksam von seinem gesetzlichen Aneignungsrecht nach § 928 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht hat, wird durch das Grundbuch derzeit verlautbart, dass das Grundstück herrenlos ist (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 928 Rn. 3).

Hieraus kann jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass in diesem Falle die Zustimmung des Eigentümers ersatzlos entfallen kann und die beantragte Löschung allein auf Grund der Bewilligung des Gläubigers zu erfolgen hätte.

Mit dem Erfordernis der Eigentümerzustimmung in § 27 Satz 1 GBO soll das möglicherweise bestehende Interesse des Eigentümers an dem Fortbestand oder der Anwartschaft auf den Erwerb eines Eigentümergrundpfandrechtes geschützt werden (vgl. Demharter, a.a.O., § 27 Rn. 2; Hügel/Holzer, GBO, 2.Aufl., § 27 Rn. 2 jeweils m.w.N.). Auch wenn das Grundbuch eine Fremdgrundschuld ausweist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der (frühere) Grundstückseigentümer bereits ganz oder teilweise eine Zahlung auf die Grundschuld geleistet hat und sich diese somit gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1143 BGB entsprechend außerhalb des Grundbuches in eine Eigentümergrundschuld umgewandelt hat (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 1191 Rn. 10 und 35 m.w.N.; BGH NJW-RR 2003, 11). Wäre auf diesem Wege vor der Dereliktion bereits eine Eigentümergrundschuld außerhalb des Grundbuches im materieller Hinsicht entstanden, so wird diese durch die Dereliktion nach herrschender Auffassung, der sich auch der Senat anschließt, zur Fremdgrundschuld des früheren Eigentümers, weil sich der Verzicht im Sinne des § 928 Abs. 1 BGB nur auf das Eigentum selbst bezieht und damit nicht auf andere Rechte des Eigentümers erstreckt (so Palandt/Bassenge, a.a.O., § 928 Rn. 3; Kanzleiter/ MünchKommBGB, 5.Aufl., § 928 Rn. 11; Staudinger/Pfeifer, BGB, Neubearb. 2011, § 928 Rn. 27; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 928 Rn. 2; Erman/Lorenz, BGB, 13. Aufl., § 928 Rn. 7; nach anderen Mindermeinungen soll eine Eigentümergrundschuld mit der Dereliktion als gläubigerlos erlöschen oder zunächst gläubigerlos werden und mit dem Aneignungsrecht des § 928 Abs. 2 BGB unterfallen, siehe hierzu Kanzleiter/MünchKomm, a.a.O., § 928 Rn. 11 Fußnote 3).

Da das grundbuchrechtliche Erfordernis der Eigentümerzustimmung nach § 27 GBO diesen möglicherweise betroffenen rechtlichen Interessen Rechnung tragen soll, erachtet der Senat es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht für vertretbar, im Falle einer Dereliktion die Löschung einer Grundschuld allein auf Grund der Bewilligung des eingetragenen Gläubigers vorzunehmen.

Allerdings könnte im Hinblick auf die obigen Ausführungen zur materiellen Rechtswirkung der Dereliktion auf eine außerhalb des Grundbuches entstandene Eigen-tümergrundschuld in Erwägung gezogen werden, für die Löschung einer als Fremdrecht eingetragenen Grundschuld die Zustimmung des früheren Eigentümers, der das Eigentum aufgegeben hat, zu fordern. Dem steht jedoch entgegen, dass die Regelung des § 27 GBO in Anknüpfung an das formelle Konsensprinzip im Grundbuchrecht auf die Eigentümerstellung zum Zeitpunkt der Löschung abstellt (vgl. Bauer/von Oefele/Kohler, GBO, § 27 Rn. 28; Hügel/Holzer, a.a.O., § 27 Rn. 3 und 8 jeweils m.w.N.).

Deshalb ist der Senat mit dem Grundbuchamt der Auffassung, dass die Zustimmung nach § 27 GBO, die von einem Eigentümer wegen der vorübergehenden Herrenlosigkeit derzeit nicht erklärt werden kann, im Klageverfahren zu ersetzen und einzuholen ist, wobei gemäß § 58 ZPO für den derzeit nicht vorhandenen Eigentümer ein Pfleger bestellt werden kann. Nur durch eine solche Verfahrensweise lässt sich ausschließen, dass etwaige Interessen des früheren Eigentümers, des Aneignungsberechtigten oder etwa ablösungsberechtigter Dritter, die bereits Zahlungen auf die Grundschuld geleistet haben, bei der Löschung völlig unberücksichtigt bleiben.

Nach § 58 Abs. 1 ZPO hat der Vorsitzende des Prozessgerichts auf Antrag einen Vertreter zu bestellen, dem bis zur Eintragung eines neuen Eigentümers die Wahrnehmung der sich aus dem Eigentum ergebenden Rechte und Verpflichtungen im Rechtsstreit obliegt, wenn ein Recht an einem Grundstück im Wege der Klage geltend gemacht werden soll, das von dem bisherigen Eigentümer nach § 928 BGB aufgegeben und von dem Aneignungsberechtigten noch nicht erworben worden ist. Der insoweit zu bestellende Vertreter hat die sich aus dem Eigentum ergebenden Rechten und Pflichte während des Verfahrens wahrzunehmen (vgl. Staudinger/Pfeifer, BGB, Neubearb. 2011, § 928 BGB Rn. 35).

Als eingetragene Gläubigerin der betroffenen Grundschuld ist die Antragstellerin im Sinne des § 58 ZPO antragsberechtigt (vgl. Wieczorek/Schütze/Hausmann, Großkomm. ZPO, 3. Aufl., (1994) § 58 Rn. 3). Die Regelung des § 58 ZPO soll gerade sicherstellen, dass die Inhaber dinglicher Rechte während der gegebenenfalls länger andauernden Zeitspanne, in der unklar ist, ob der Fiskus sein Aneignungsrecht ausübt, keine rechtlichen Nachteile erleiden (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., (2004) § 58 Rn. 1). Mit der in Abt. III Nr. … eingetragenen Grundschuld, um deren Löschung es der Antragstellerin hier geht, kann mit der Klage ein dingliches Recht an dem Grundstück geltend gemacht werden.

Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Nr. 2 GBO zugelassen, da die Frage einer Eigentümerzustimmung nach § 27 GBO nach Dereliktion gemäß § 928 BGB bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt ist.

 

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