OLG Frankfurt – Az.: 20 W 365/15 – Beschluss vom 29.12.2016
Der angefochtene Beschluss sowie die Kostenrechnung des Amtsgerichts Offenbach am Main – Grundbuchamt – vom 28. Juli 2015 betreffend die Eintragungsgebühr von 26.585,– EURO werden aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der verfahrensbevollmächtigte Notar beantragte unter anderem für die beiden Kostenschuldnerinnen als Grundstückseigentümerinnen des eingangs bezeichneten Grundbesitzes die Eintragung einer Gesamtgrundschuld über 481.072.200,00 EURO auf einer Vielzahl von Grundstücken, die bei insgesamt 14 Grundbuchämtern registriert sind. Der Antrag wurde am 10. Juni 2015 vorab bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main – Grundbuchamt – eingereicht und unter entsprechendem Nachweis am Folgetag jeweils sowohl bei dem hier betroffenen Grundbuchamt Offenbach am Main als auch bei den übrigen Grundbuchämtern.
Die mit dem Antrag eingereichte Grundschuldbestellungsurkunde UR-Nr. …/2015 des verfahrensbevollmächtigten Notars, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, enthält folgende Ziffer 6.2 :
„Mehrere Anträge/Mehrere Pfandobjekte
Die vorgenannten Anträge sowie etwaige weitere in dieser Urkunde gestellten Anträge auf Eintragung oder Löschung sind nicht als einheitliche Anträge zu behandeln. Soweit der Belastungsgegenstand aus mehreren Pfandobjekten besteht und die gleichzeitige Eintragung nicht möglich ist, wird getrennte Eintragung bewilligt und beantragt. Jede weitere Eintragung soll dann eine Einbeziehung in die Mithaft für die bereits eingetragene Grundschuld darstellen, so dass dadurch eine Gesamtgrundschuld entsteht.“
Nachdem auf Anfrage eines der beteiligten Grundbuchämter mitgeteilt hatte, dass dort noch ein Eintragungshindernis bestand, bat der Notar mit Schreiben vom 7. Juli 2015 unter Hinweis auf Ziffer 6.2 der Grundschuldbestellungsurkunde um kurzfristige Eintragung der Grundschuld. Die Grundschuld wurde sodann bei dem Grundbuchamt Offenbach in den beiden betroffenen Grundbuchblättern von Stadt1, Blatt … und … jeweils mit Hinweis auf die wechselseitige Gesamthaft am 13. Juli 2015 eingetragen. Bei den übrigen Grundbuchämtern erfolgte die Eintragung in der Zeit zwischen dem 15. Juni 2015 und 22. September 2015.
Durch die angefochtene Kostenrechnung vom 28. Juli 2015 wurde den beiden Kostenschuldnerinnen durch das Grundbuchamt Offenbach am Main – neben einer ausdrücklich nicht angefochtenen Gebühr für einen Grundbuchauszug – für die Eintragung der beiden Gesamtgrundschulden in den beiden Grundbuchblättern von Stadt1, Blatt … und … aus dem Gebührenhöchstwert von 60 Mio EURO eine Gebühr von 26.585,00 EURO gemäß gemäß KV Nr. 14121 in Rechnung gestellt.
Gegen die Erhebung dieser Eintragungsgebühr in der Kostenrechnung haben die Kostenschuldnerinnen mit am 25. August 2015 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten Erinnerung erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, für die Eintragung der Gesamtgrundschuld sei nur durch das zuerst befasste Grundbuchamt eine Gebühr nach Nr. 14121 KV zum GNotKG zu erheben, welche nach Nr. 14122 KV zum GNotKG um 0,2 für jedes weitere beteiligte Grundbuchamt zu erhöhen sei. Dementsprechend sei für die Eintragung der Gesamtgrundschuld durch das zuerst befasste Grundbuchamt Frankfurt am Main die in Kopie vorgelegte und bereits beglichene Kostenrechnung vom 21. Juli 2015 über den Gesamtbetrag von 95.726,00 EURO erteilt und auch bereits beglichen worden, so dass durch das Grundbuchamt Offenbach am Main nicht noch zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 14121 zu erheben sei.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (fol. 80/45) wies die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes mit Beschluss vom 21. September 2015 „die Erinnerung des Kostenschuldners A vom 24.08.2015“ zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, spätestens mit dem Schreiben vom 7. Juli 2015 habe ein Antrag auf Eintragung der Grundschuld als Einzelrecht vorgelegen, welche die kostenrechtliche Folge aus KV Nr. 14121 auslöse.
Gegen diesen Beschluss legten die Kostenschuldnerinnen mit am 23. Oktober 2015 eingegangenem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde ein, wegen deren Begründung dieser auf die bisherigen Ausführungen im Erinnerungsverfahren verwies und mit Schriftsatz vom 8. September 2016 (fol. 80/69), auf den Bezug genommen wird, weitere Ausführungen machte.
Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes hat „der Beschwerde des Kostenschuldners Notar A“ mit Beschluss vom 26. November 2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Bezirksrevisor hat auf seine früheren Stellungnahmen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung der Grundbuchrechtspflegerin, über welche nach der erfolgten Nichtabhilfeentscheidung gemäß § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG die Einzelrichterin des Senates zu entscheiden hat, ist gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 GNotKG zulässig. Die Formulierung des Zurückweisungsbeschlusses vom 21. September 2015 gibt Anlass darauf hinzuweisen, dass die Beschwerde nicht von dem Notar in eigener Person eingelegt wurde, dem hierfür auch das Beschwerderecht fehlen würde, sondern dass nach der eindeutigen Formulierung des Schriftsatzes vom 22. Oktober 2015 die Beschwerde durch den verfahrensbevollmächtigten Notar ausdrücklich für die beiden Kostenschuldnerinnen als hier betroffene Grundstückseigentümerinnen eingelegt wurde.
Die zulässige Beschwerde der Kostenschuldnerinnen führt auch in der Sache zum Erfolg.
Für die Eintragung der Gesamtgrundschuld in sämtlichen betroffenen Grundbuchblättern der insgesamt 14 beteiligten Grundbuchämter ist zu erheben eine 1,0 Gebühr nach Nr. 14121 KV zum GNotKG sowie zusätzlich eine Erhöhungsgebühr von 0,2 nach Nr. 14122 KV zum GNotKG für jedes weitere beteiligte Grundbuchamt, was im vorliegenden Fall dazu führt, dass die Erhöhungsgebühr im Hinblick auf die weiteren befassten 13 Grundbuchämter 2,6 (0,2 x 13) beträgt. Hierbei ist jeweils der Gebührenhöchstwert von 60 Mio EURO nach der Tabelle B gemäß § 35 Abs. 2 GNotKG zugrunde zu legen. Zuständig für die Erhebung der Kosten für die Eintragung eines Gesamtrechtes ist im Fall der Nr. 14122 KV gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 GNotKG das Gericht, bei dessen Grundbuchamt der Antrag zuerst eingegangen ist.
Eine diesen Anforderungen exakt entsprechende Kostenrechnung wurde im vorliegenden Fall durch das Amtsgerichts Frankfurt am Main, dessen Grundbuchamt mit der Sache zuerst befasst war, unter dem 21. Juli 2015 erstellt.
Entgegen der Auffassung des Kostenbeamten des Grundbuchamtes Offenbach und des Bezirksrevisors kommt die zusätzliche Erhebung einer Gebühr nach Nr. 14121 für die dort vorgenommene Eintragung der Gesamtgrundschuld nicht in Betracht.
Das GNotKG sieht – wie im Übrigen früher auch §§ 62, 63 KostO – für die Eintragung einer Gesamthypothek bzw. einer Gesamtgrundschuld ausdrücklich eine Gebührenprivilegierung vor, die von der Ansetzung einer Grundgebühr, wie sie auch für eine Grundschuld oder Hypothek ohne Mithaft fällig wäre, ausgeht und sodann im Hinblick auf die Eintragung eines Gesamtrechts eine Erhöhung vornimmt, wenn das Gesamtrecht bei unterschiedlichen Grundbuchämtern einzutragen ist (sog. „wachsende Einheitsgebühr“, vgl. hierzu Korintenberg/Hey’l, GNotKG, 19. Aufl. , Nr. 14120 – 14125 KV Rn. 43).
Voraussetzung für eine derartige Gebührenberechnung nach Nr. 14122 KV ist, dass es sich um die Ersteintragung eines Gesamtrechtes handelt. Ein Gesamtrecht liegt vor, wenn mehrere Grundstücke im Rechtssinne mit einem einheitlichen Recht für den gleichen Berechtigten (oder für mehrere Berechtigte im gleichen Beteiligungsverhältnis) belastet werden und die Bedingung des Rechts (abgesehen von Ausnahmen bezüglich des Rangs oder gesetzlicher Löschungsansprüche) einheitlich sind. Weiteres Merkmal für das Vorliegen eines Gesamtrechtes ist des Weiteren, dass eine Veränderung des Inhaltes – vom Rang abgesehen – entweder insgesamt oder aber überhaupt nicht erfolgen kann (vgl. Korintenberg/Hey’l, a.a.O., Nr. 14120 – 14125 KV Rn. 36). Ein solches Gesamtrecht in Gestalt einer Gesamtgrundschuld war hier in der UR-Nr. …/2015 des verfahrensbevollmächtigten Notars bewilligt und beantragt.
Weitere Voraussetzung für die Anwendung der Gebührenprivilegierung nach Nr. 14122 ist weiterhin, dass der Antrag für mehrere Grundbuchämter gleichzeitig bei einem Grundbuchamt gestellt wird oder bei gesonderter Antragstellung die Anträge innerhalb eines Monats bei den beteiligten Grundbuchämtern eingehen. Die zweite Alternative ist hier erfüllt, da der Antrag zunächst am 10. Juni 2015 bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main gestellt wurde und bei den übrigen 13 Grundbuchämtern sodann am Folgetag des 11. Juni 2015 eingereicht wurde.
Die Gebührenprivilegierung für die Ersteintragung einer Gesamtgrundschuld stellt in Nr. 14122 KV somit nur auf einen notwendigen zeitlichen Zusammenhang bei der Antragstellung ab, nicht jedoch auf den Zeitpunkt der jeweiligen Eintragung der Gesamtgrundschuld in den einzelnen Grundbuchblättern bei den verschiedenen Grundbuchämtern.
An dem Umstand, dass es sich vorliegend um die Eintragung eines Gesamtrechtes im Sinne der Nr. 14122 KV zum GNotKG handelt, ändert auch die eingangs wiedergegebene Formulierung in Ziffer 6.2 der Grundschuldbestellungsurkunde nichts. Denn damit soll lediglich sichergestellt werden, dass der Pfandrechtsgläubiger auch bei nicht gleichzeitiger Eintragung möglichst früh eine Sicherheit erhält (vgl. hierzu Amann/Beck’sches Notarhandbuch, 5. Aufl., Abschnitt A VI – Grundschulden Rn. 81; Albrecht/Reithmann, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 8. Aufl., Rn. 808; BGH DNotZ 1975, 152). Auch wenn hiermit auf eine zeitgleiche Erledigung der Eintragungsanträge verzichtet wird, bleibt es jedoch dabei, dass eine Gesamtgrundschuld bewilligt und sukzessive auch bei den verschiedenen Grundbuchämtern und auf den einzelnen Grundbuchblättern eingetragen wurde. Dabei beruht die – allerdings nicht sehr gelungene – Formulierung im Schreiben des Notars vom 7. Juli 2015, wonach die Grundschuld zunächst als Einzelrecht eingetragen werden und die Einbeziehung der weiteren Pfandgrundstücke in die Mithaft nachträglich erfolgen sollen, ersichtlich auf dem Umstand, dass nach überwiegender Auffassung das Gesamtrecht im Zweifel erst mit der Eintragung auf dem letzten Grundstück insgesamt zur Entstehung gelangt (vgl. OLG Düsseldorf DNotZ 1973, 613 ; OLG München DNotZ 1966, 371; Leesmeister/Ramm, Materielles Liegenschaftsrecht im Grundbuchverfahren, S. 218/219). Zudem ist zu berücksichtigen, dass durch den Notar damit nicht einen von der Urkunde abweichenden und anderen Antrag im Sinne der Eintragung eines Einzelrechtes statt des in der Urkunde bewilligten und beantragten Gesamtrechts gestellt werden sollte, sondern ausdrücklich auf Ziffer 6.2 der Grundschuldbestellungsurkunde Bezug genommen wurde. Damit ergibt die gebotene Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit, dass es bei der Bewilligung und Beantragung der Eintragung einer Gesamtgrundschuld, wie sie in der Urkunde bestellt wurde, auch bei zeitlich gestaffelter Eintragung bei den verschiedenen Grundbuchämtern verbleiben sollte. Dementsprechend ist durch die bei sämtlichen 14 beteiligten Grundbuchämtern in der Zeit vom 15. Juni 2015 bis 22. September 2015 erfolgten Eintragungen auch eine Gesamtgrundschuld entstanden.
Die hierfür anfallenden Gebühren wurden durch das Amtsgericht Frankfurt am Main – Grundbuchamt – mit der Kostenrechnung vom 21. Juli 2015 korrekt angesetzt.
Für eine zusätzliche weitere Kostenberechnung im Sinne eines Einzelrechtes gemäß KV Nr. 14121 durch das Grundbuchamt Offenbach am Main für die dort vorgenommene Eintragung besteht kein Raum.
Deshalb war der angefochtene Beschluss über die Zurückweisung der Erinnerung sowie die vom Grundbuchamt Offenbach am Main erstellte Kostenrechnung vom 28. Juli 2015 – mit Ausnahme der ausdrücklich nicht angefochtenen Gebühr für die Grundbuchabschrift – aufzuheben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 81 Abs. 8 GNotKG.