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Beurkundung der Gründung einer deutschen GmbH durch einen Schweizer Notar

KG Berlin – Az.: 22 W 25/16 – Beschluss vom 24.01.2018

Der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 22. Januar 2016 wird aufgehoben und das Amtsgericht Charlottenburg angewiesen, die beantragte Eintragung der Beteiligten im Handelsregister vorzunehmen.

Gründe

I.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten übermittelte mit Schriftsatz vom 02. November 2015 die von der Lübecker Notarin Dr. S… zur UR-Nr. 255/2015 beglaubigte Anmeldung vom 09. September 2015 durch den Geschäftsführer der am 05. August 2015 gegründeten Beteiligten. Der Anmeldung beigefügt war eine mit Apostille versehene öffentliche Gründungsurkunde vom 05. August 2015 des schweizer Notars … W… mit Sitz in T… und eingetragen im Notariatsregister des Kantons Bern zu dessen Urschrift-Nr. 312. Dieser ist zu entnehmen, dass sowohl der Gesellschaftsvertrag – als Gegenstand der Urkunde – als auch die Urkunde selbst vom Notar dem Gesellschaftsgründer vorgelesen worden sind (vgl. Bl. 19, 21).

Mit Beschluss vom 22. Januar 2016 hat das Amtsgericht Charlottenburg die Anmeldung auf Eintragung der Gesellschaft zurückgewiesen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Beurkundung der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch einen Schweizer Notar nicht ausreiche, um die Form des § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG zu wahren. Es sei deutsches Recht anwendbar und allein die Einhaltung der schweizer ”Ortsform” im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB nicht ausreichend, sodass es auf die ”Geschäftsform” im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB ankomme. Diese sei jedoch nicht gewahrt, da das in dem schweizer Kanton Bern zu beachtende Beurkundungsverfahren derart von deutschen Rechtsstandards abweiche, dass nicht von einer Gleichwertigkeit der Beurkundung durch den Berner Notar gesprochen werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 22. Januar 2016 (Bl. 56 ff.) Bezug genommen.

Gegen den ihr am 25. Januar 2016 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2016, bei Gericht eingegangen am 19. Februar 2016, Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die einzig zu wahrende Form diejenige sei, die in der Schweiz notwendig sei, um eine GmbH zu gründen. Für die in Rede stehende Gründung einer deutschen GmbH reiche mithin die Ortsform des Kantons Bern aus. Die Beteiligte sei allein schon wegen der Wahrung dieser Ortsform antragsgemäß in das Berliner Handelsregister einzutragen. Überdies sei auch die Geschäftsform des Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB gewahrt, da Gleichwertigkeit mit der Beurkundung durch einen deutschen Notar vorliege, sodass die Eintragung selbst dann erfolgen müsse, wenn der Ansicht des Amtsgerichts, dass allein die Einhaltung der Ortsform nicht ausreiche, gefolgt werde. Wegen des weiteren Inhalts der Beschwerdebegründung wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 60 ff.) verwiesen.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Februar 2016 nicht abgeholfen und sie dem Senat als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Einhaltung der Ortsform nicht allein entscheidend sei. Es käme vielmehr maßgeblich auf die Einhaltung der Geschäftsform an. Diese sei jedoch insbesondere deshalb nicht gewahrt und das Verfahren nicht einer deutschen Beurkundung gleichwertig, weil die Verfahrensordnung des Kantons Bern keine vollständige Verlesung der notariellen Urkunde inklusive der Anlagen vorschreibe und somit keine Beurkundung im Sinne des § 3 Abs. 1 GmbHG vorliege.

II.

Die Beschwerde ist erfolgreich; sie ist zulässig und begründet.

1) Die Beschwerde ist statthaft und nach §§ 63, 64 FamFG form- und fristgemäß eingelegt und gemäß § 65 FamFG begründet. Die Beteiligte ist nach Zurückweisung ihres Eintragungsantrages gemäß § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt. Der Beschwerwert ist erreicht.

2) Die Beschwerde ist auch begründet.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat den Eintragungsantrag der Beteiligten vom 09. September 2015 zu Unrecht zurückgewiesen, weil die Beteiligte angeblich nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 9c Abs. 1 S. 1 GmbHG errichtet worden ist. Diese Annahme des Registergerichts trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu.

Nach § 2 Abs. 1 GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag einer GmbH der notariellen Form. Dieser Form ist hier – entgegen der Auffassung der Beteiligten – durch die Beurkundung der Gründung der Beteiligten, einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, durch einen schweizer Notar genügt.

a) Wie das Amtsgericht Charlottenburg zutreffend festgestellt hat, ist eine Beurkundung von Vorgängen einer GmbH deutschen Rechts durch einen ausländischen Notar nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

aa) Ein solcher Ausschluss folgt vorliegend nicht aus Art 1 Abs. 2 lit f) der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) (vom 17. Juni 2008; ABl. EU 2008, 177/6), da durch Art. 1 Abs. 2 lit f) Rom I-VO das internationale Gesellschaftsrecht aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen ist.

bb) Der Ausschluss einer ausländischen Beurkundung folgt hier ebensowenig aus Art. 11 EGBGB.

Das deutsche Beurkundungsrecht enthält keine Regelung über die örtliche Zuständigkeit für eine Beurkundung, so dass sich die Beteiligte grundsätzlich an einen beliebigen Notar zur Beurkundung ihres Gesellschaftsstatuts wenden konnte (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2015, 11 U 8/04, GmbHR 2005, 764, juris Rn. 76). Gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft grundsätzlich dann formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts erfüllt, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Alt. 1, Wirkungsstatut) oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (Alt. 2, Ortsstatut).

Allerdings ist die Frage, ob Art. 11 EGBGB auch auf gesellschaftsrechtliche Verträge Anwendung findet, umstritten (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2004, III ZR 172/03, GmbHR 2005, 53, juris Rn. 8 m.w.N.). Auf bestimmte gesellschaftsrechtliche Sachverhalte hatte die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des IPR-Gesetzes vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) den Art. 11 EGBGB angewendet (vgl. die Nachweise bei BGH a.a.O.). Der BGH hatte außerdem für die Auffassung, Art. 11 Abs. 1 S. 2 EGBGB gelte auch für gesellschaftsrechtliche Vorgänge, eine zustimmende Tendenz erkennen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.02.1981, II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 04.11.2004, III ZR 172/03, GmbHR 2005, 53, juris Rn. 8; vgl. auch Jakobs, MittRhNotK 1985, 57, 59).

Der Senat geht jedoch mit dem Amtsgericht Charlottenburg und der absolut h. M. davon aus, dass die Einhaltung der Ortsform im Sinne des Art. 11 Abs. 1 2. Alt EGBGB bei statusrelevanten gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, die die Verfassung der Gesellschaft betreffen, wie die Gründung, Satzungsänderung, Spaltung, Umwandlung oder Verschmelzung nicht ausreicht, um den jeweiligen Vorgang formwirksam vorzunehmen (vgl. dazu Goette, DStR 1996, 709, 711; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 2 Rn. 9; vgl. ferner die Nachweise bei MK-GmbHG/J. Mayer, 2. Aufl. 2015, § 2 Rn. 44 FN 232; dazu offenbar kritisch: BGH, Beschluss vom 04.11.2004, III ZR 172/03, GmbHR 2005, 53, juris Rn. 9). Dafür spricht, dass der Gesetzgeber in seiner Begründung des IPR-Gesetzes vom 25. Juli 1986 ausdrücklich festgestellt hat, dass sowohl Art. 11 EGBGB als auch der gesamte Gesetzesentwurf das Gesellschaftsrecht überhaupt nicht erfasst (vgl. BT-Drs 10/504, S. 49). Ausdrücklich stellt der Gesetzgeber zudem klar, dass Art. 11 Abs. 1 EGBGB ”nicht die Form von Vorgängen regelt, die sich auf die Verfassung von Gesellschaften und juristischen Personen beziehen” (BT-Drs. 10/504, S. 49). Aus dieser Gesetzesbegründung sowie aus der Systematik der Regelung des IPR-Gesetzes vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) wird deutlich, dass der Gesetzgeber für die die Verfassung von Gesellschaften und juristischen Personen betreffenden Angelegenheiten Art. 11 EGBGB nicht anwenden will (vgl. Goette, DStR 1996, 709, 711). Nach alledem scheidet die Anwendung von Art. 11 EGBGB auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge, die die Verfassung der Gesellschaft betreffen, die insbesondere durch das Erfordernis der Eintragung des Vorgangs ins Handelsregister gekennzeichnet sind (Goette, a.a.O., S. 711) und damit die Anwendung der Ortsform gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB aus (Goette, a.a.O., S. 711; MK-GmbHG/J. Mayer, a.a.O., § 2 Rn. 44, FN 232).

Soweit die Beschwerdeführerin die Auslegung des Art. 11 EGBGB streng nach dem Wortlaut damit begründet, dass die vom Registergericht aus dem Gesetzesentwurf entnommene Intention des Gesetzgebers, die Vorschrift solle eben nicht die Verfassung einer Gesellschaft betreffen, eindeutig nicht in Art. 11 EGBGB manifestiert worden sei, ist dem jedoch entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber auch keine Veranlassung dazu gesehen hat. Aus der Gesetzesbegründung geht eindeutig hervor, dass der Gesetzgeber davon ausging, der gesamte Gesetzesentwurf erfasse das Gesellschaftsrecht überhaupt nicht. Zur weiteren Argumentation des Gesetzgebers wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Vor diesem Hintergrund sah der Gesetzgeber offenbar keinen Grund, die Geltung der Vorschrift für gesellschaftsrechtliche Vorgänge ausdrücklich auszuschließen. Vielmehr ging er davon aus, dass sich dies ohne besondere Regelung ergebe. Der Fall liegt daher nicht so, dass eine ursprüngliche Intention letztlich keine Niederlegung im Gesetz gefunden hat, sodass die Vorschrift streng nach dem Wortlaut auszulegen wäre, sondern so, dass der Gesetzgeber keinerlei Anlass sah, dies explizit zu regeln.

Soweit sich die Beschwerdeführerin für ihre Auffassung auf höchstrichterliche Entscheidungen stützt, ist dem entgegenzuhalten, dass die Frage, ob die Gründung einer deutschen GmbH durch einen Schweizer Notar beurkundet werden kann, höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist. Der BGH hat zwar in der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung vom 16. Februar 1981 (BGH, Beschluss vom 16.02. 1981, II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, juris Rn. 5) formuliert, dass viel für die Ansicht spreche, Art. 11 Abs. 1 S. 2 EGBGB gelte generell, also auch für gesellschaftsrechtliche Vorgänge, allerdings hat der für das Gesellschafts- und das Registerrecht zuständige II. Zivilsenat die Frage ausdrücklich nicht entschieden. Bei seiner Prüfung hat er allein auf das Wirkungsstatut des Art. 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB abgestellt. Des Weiteren betraf die Entscheidung die Beurkundung einer Änderung des Gesellschaftervertrags durch einen Zürcher Notar. In seiner Entscheidung vom 22. Mai 1989 zeigt sich der BGH schon zurückhaltender und beantwortet die Frage der Wirksamkeit einer Abtretung von GmbH-Anteilen ganz unabhängig von der Frage, ob zur Wahrung der Form des § 15 Abs. 3 GmbHG die Ortsform des Art. 11 Abs. 1 2. Alt EGBGB genügt (BGH NJW-RR 1989, 1259, 1261). Auch hier ging es nicht um eine Gesellschaftsgründung.

Soweit die Beschwerdeführerin einen Vergleich zur Abtretung von Gesellschaftsanteilen zieht, ist dem entgegenzuhalten, dass Art. 11 Abs. 1 EGBGB im Interesse des internationalen Rechtsverkehrs eine möglichst weitgehende Wirksamkeit von im Ausland vorgenommen Rechtsgeschäften ermöglichen soll. Dazu hat der Gesetzgeber auch bewusst eine Beeinträchtigung der mit den nationalen Formvorschriften verfolgten Zwecke in Kauf genommen (MK-BGB/Spellenberg, 7.Aufl. 2015, Art 11 EGBGB Rn. 177). Abweichungen von diesem Grundsatz lassen sich jedoch bei organisationsrechtlichen Vorgängen, die unmittelbar in die Struktur der Gesellschaft eingreifen, wie etwa die Gründung an sich, rechtfertigen. Dies trifft jedoch nicht auf die Anteilsabtretung zu. Sie betrifft unmittelbar nur die an ihr beteiligten Personen. Zwar ändert sich damit auch der Gesellschafterkreis, was insbesondere auch Folgen für die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung haben kann. Jedoch sind diese Auswirkungen auf die Gesellschaftsstruktur nur mittelbarer Natur (Gätsch/Schulte ZIP 1999, 1954, 1956; Kröll ZGR 2000, 111, 123).

Sofern die Beschwerdeführerin anführt, Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ortsform sei, dass die Rechtsordnung des Staates vor Ort ein dem jeweils entsprechendes Rechtsgeschäft vorsieht, ist dem zuzustimmen. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass die vom Amtsgericht beispielhaft angeführte Gründung einer deutschen GmbH in den USA bei Anwendung der Ortsform daher nicht möglich wäre. Die Unterschiede der Rechtsformen in den USA bzw. in der Schweiz oder Österreich zur deutschen GmbH sind derart ausgestaltet, dass auf dieser Grundlage keine unterschiedliche Behandlung zu erfolgen hätte. Eine GmbH nach dem deutschen GmbHG existiert in keinem dieser Länder, sodass jeweils lediglich ein materieller Vergleich zwischen den Rechtsformen zu ziehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.11.2004, III ZR 172/03, GmbHR 2005, 53, juris Rn. 9). Soweit die Beschwerdeführerin die jeweiligen Formerfordernisse zur Gründung dieser Rechtsformen heranzieht, ist dem entgegenzuhalten, dass dies keine Rolle spielen darf. Es kommt allein auf die Ausgestaltung der Rechtsform an sich an. Um dann den verschiedenen Formerfordernissen Rechnung zu tragen, besteht ja gerade die Vorschrift des Art. 11 Abs. 1 2. Alt. EGBGB. Dementsprechend sind nicht bloß die schweizerische oder österreichische GmbH mit der deutschen vergleichbar, sondern auch jene Formen, die in den USA etc. existieren.

b) Im vorliegenden Fall ist aber dem notariellen Formerfordernis gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG genügt, weil die von dem schweizer Notar mit Sitz im Kanton Bern in seiner Urkunde Nr. 312 am 05. August 2015 vorgenommene Beurkundung – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Charlottenburg im angefochtenen Beschluss – mit der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist (Art. 11 Abs. 1 1. Alt. EGBGB).

Die Form des Wirkungsstatuts kann auch durch eine Beurkundung außerhalb seines räumlichen Geltungsbereiches im Ausland erfüllt werden, wenn Urkundsperson und Beurkundungsvorgang gleichwertig sind (BGH, Beschluss vom 17.12.2013, II ZB 6/13, NZG 2014, 219, juris Rn. 14 f.; OLG München, Urteil vom 19.11.1997, 7 U 2511/97, NJW-RR 1998, 758, juris Rn. 38; Goette, a.a.O., S. 712). Gleichwertigkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH stets dann gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt (vgl unten aa) und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten ist, das den tragenden Grundsätzen des Beurkundungsrechts entspricht (vgl. unten bb) (BGH, Beschluss vom 16.02.1981, II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, juris Rn. 5; vgl. auch die Nachweise bei Jakobs, MittRhNotK, 1985, 57, 61 zu FN 67 und 68).

aa) Hinsichtlich der persönlichen Anforderungen an den ausländischen Notar wird vielfach pauschal unterschieden einerseits zwischen den kontinental-europäischen und latein-amerikanischen Notaren, die beide zusammen das “lateinische Notariat” bilden, bei denen eine Gleichwertigkeit gegeben sei und andrerseits den Notaren des anglo-amerikanischen Rechtskreises, deren Gleichwertigkeit generell abgelehnt wird (Winkler, NJW 1972, 981, 985 m.w.N.; Jakobs, Gleichwertigkeit von Beurkundungen in der Schweiz, MittRhNotK 1985, 57, 61 m.w.N.).

Diese pauschale Annahme der persönlichen Gleichwertigkeit der schweizer als kontinental-europäischer Notare trägt jedoch nicht, weil gemäß Art. 55 des Schlusstitels zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch die einzelnen Kantone bestimmen, “in welcher Weise auf ihrem Gebiet die öffentliche Beurkundung hergestellt wird” und damit gerade keine bundeseinheitliche Regelung des Notariatswesens in der Schweiz besteht. Damit haben die Kantone das Recht und die Pflicht, für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet das Beurkundungswesen zu ordnen und damit die zur Errichtung einer öffentlichen Urkunde zuständigen Organe zu bezeichnen. Dieser Pflicht sind sämtliche Kantone in den Jahren 1907 bis 1912 nachgekommen und haben in ihren jeweiligen Einführungsgesetzen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch die Grundsätze des Beurkundungsrechtes niedergelegt (vgl. Santschi, Die Organe der öffentlichen Beurkundung in den schweizerischen Kantonen, DNotZ 1962, 626).

Der hier beurkundende Notar W… aus dem Kanton Bern übt eine nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion aus. Dies folgt bereits aus § 1 des Berner Notariatsgesetzes (NG) vom 22. November 2006 (Stand 01. Januar 2012). Nach dieser Vorschrift übt der Berner Notar einen freien, wissenschaftlichen und öffentlichen Beruf aus, den er nach Art. 3 NG unabhängig und auf eigene Rechnung betreibt. Gemäß Art. 5 NG wird das für die Ausübung des Notarberufs erforderliche Notariatspatent nur einer Person erteilt, die handlungsfähig ist und die bernische Notariatsprüfung bestanden hat. Nach Art. 5 Abs. 2 NG wird zur bernischen Notariatsprüfung nur zugelassen, wer a) das juristische Lizentiat oder Masterdiplom einer schweizerischen Hochschule oder ein gleichwertiges Hochschuldiplom eines Staates, mit dem die Schweiz die gegenseitige Anerkennung vereinbart hat und welcher für die Zulassung zur Notariatsprüfung Gegenrecht erhält, erworben hat und b) eine 24-monatige (vgl. Art. 7) praktische Ausbildung im Kanton Bern absolviert hat. Laut Art. 5 der Verordnung über die Notariatsprüfung (NPV) vom 25. Oktober 2006 wird im Kanton Bern zur praktischen Notar-Ausbildung nur zugelassen, wer das juristische Lizentiat oder Masterdiplom einer schweizerischen Hochschule erworben hat.

Die praktische Ausbildung beträgt gemäß Art. 11 NG für Personen, die das bernische Anwaltspatent besitzen, nur 18 Monate, Nach Art. 5 Abs. 5 NG darf die Inhaberin oder der Inhaber des Notariatspatents die Berufsbezeichnung Notarin oder Notar führen. Hier hat der beurkundende Berner Notar … W… ausweislich der Angaben auf der Website der Notariatskanzlei B… & W… Notariat in … T…, Kanton Bern in der Schweiz, ein juristisches Hochschulstudium und langjährige Praktika absolviert und anschließend ein Staatsexamen abgelegt, was den deutschen Anforderungen an einen deutschen Notar gleichwertig ist.

bb) Zudem ist für die Errichtung einer notariellen Urkunde im Kanton Bern ein Verfahrensrecht zu beachten, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht.

Zwar bestimmen gemäß Art. 55 des Schlusstitels zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch die einzelnen Kantone, “in welcher Weise auf ihrem Gebiet die öffentliche Beurkundung hergestellt wird”, weshalb gerade keine bundeseinheitliche Regelung des Notariatswesens in der Schweiz besteht (s.o. aa). Jedoch regelt das kantonale Recht nicht abschließend das Beurkundungswesen und die Pflichten der kantonalen Urkundspersonen (Schweizerisches Bundesgericht, BGE 99 II 159, S. 161, Erwägung 2; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2005, 11 U 8/04 (Kart), GmbHR 2005, 764, juris Rn. 81). Vielmehr sind der kantonalen Regelung durch das schweizerische Bundesrecht Grenzen gesetzt.

So beurteilt sich nach dem Bundesrecht, was unter der öffentlichen Beurteilung zu verstehen ist und welchen Mindestanforderungen sie zu genügen hat (Schweizerisches Bundesgericht, BGE 90 II 274, S. 280 f., Erwägung 5). Der durch das schweizerische Bundesrecht vorgegebene Beurkundungsbegriff und der deutsche Beurkundungsbegriff stimmen ebenso im Wesentlichen überein, wie der Zweck der notariellen Form in der Schweiz und der in Deutschland der notariellen Form beigemessene Zweck (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2005, 11 U 8/04 (Kart), GmbHR 2005, 764, juris Rn. 80; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.03.2011, NJW 2011, 1370, juris Rn. 17).

So bedeutet auch im schweizer Recht die öffentliche Beurkundung “das Herstellen eines Schriftstücks, das den Vertrag enthält, durch eine vom Staat mit dieser Aufgabe betraute Person, in der vom Staat geforderten Form und dem von ihm vorgeschrieben Verfahren” (Schweizerisches Bundesgericht, BGE 90 II 274, S. 281, Erwägung 6). Ist nach schweizer Bundesrecht die öffentliche Beurkundung eines Vertrages erforderlich, so wird damit der Zweck verfolgt, “die Vertragsparteien vor unüberlegten Entschlüssen zu bewahren und dafür zu sorgen, dass sie die Tragweite ihrer Verpflichtungen erkennen und dass ihr Wille klar und vollständig zum Ausdruck kommt” (Schweizerisches Bundesgericht, BGE 90 II 274, S. 282, Erwägung 6). Das schweizer Bundesrecht verlangt deshalb von der Urkundsperson, dass sie in der von ihr zu errichtenden Urkunde alle rechtserheblichen Tatsachen und rechtsgeschäftlichen Erklärungen feststellt, die für den materiell-rechtlichen Inhalt des zu beurkundenden Inhalt des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts wesentlich sind (Schweizerisches Bundesgericht, BGE 99 II 159, S. 161, Erwägung 5; BGE 106 II 147, S. 148; vgl. so auch OLG München, Urteil vom 19.11.1997, 7 U 2511/97, GmbHR 1998, 46, juris Rn. 40; OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2005, 11 U 8/04 (Kart), GmbHR 2005, 764, juris Rn. 81).

Zu den Anforderungen des schweizer Bundesrechts, die die Beurkundung durch einen schweizer Notar einer deutschen gleichwertig machen, gehören auch die persönliche Mitwirkung der Urkundsperson, die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beurkundung sowie die weitgehenden Interessengewährungspflichten bezüglich der Beteiligten, z.B. betreffend die Unparteilichkeit, die Pflicht zur Ermittlung der Identität der Beteiligten oder auch eine Beratungspflicht, die sich auch auf ausländisches Recht bezieht (OLG München, Urteil vom 19.11.1997, 7 U 2511/97, GmbHR 1998, 46, juris Rn. 40), weshalb der Einwand des Amtsgerichts Charlottenburg hinsichtlich der mangelnden deutschen Rechtskenntnisse (Beschluss vom 22.01.2016, 99 AR 9466/15, GmbHR 2016, 223, juris Rn. 27) nicht durchgreift. Verfügt ein Berner Notar nicht über deutsche Rechtskenntnisse, beurkundet er aber dennoch einen deutsch-rechtlichen Vorgang, setzt er sich auch nach Berner Recht Haftpflichtansprüchen der Beteiligten aus, da er laut Art. 59 NG zur Deckung “allfälliger Ansprüche” aus seiner vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit eine Sicherheit zu stellen und außerdem eine Berufshaftpflichtversicherung in angemessener Höhe abzuschließen hat.

Entscheidend für die Zulässigkeit der Beurkundung durch eine ausländische Urkundsperson sind die mit der Beurkundung verbundenen Zwecke. Sie dient in erster Linie der Rechtssicherheit und Transparenz, damit keine Unklarheiten über Annahme oder Ablehnung von Anträgen und die gestellten Anträge besteht (BGH, Urteil vom 21.10.2014, II ZR 330/13, NJW 2015, 336, juris Rn. 17). Mit der Fertigung einer notariellen Urkunde geht auch eine bessere Beweissicherung einher. Diesen Zwecken kann auch eine unabhängige ausländische Urkundsperson, deren Stellung mit der eines deutschen Notars vergleichbar ist, genügen (BGH, Urteil vom 21.10.2014, II ZR 330/13, NJW 2015, 336, juris Rn. 17).

Die sachliche Zuständigkeit der Berner Notare erstreckt sich auch auf die Ausübung staatlicher Befugnisse, wie die Vornahme von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit diese nicht durch die Gesetzgebung anderen Organen zugewiesen sind. Zu den Aufgaben der Berner Notare zählen ferner die Errichtung von im Privatrecht vorgesehenen öffentlichen Urkunden über Rechtsgeschäfte sowie Feststellungsurkunden. Nach Art. 35 NG belehren Notarin oder Notar die Urkundsparteien über Form und Inhalt der Urkunde und ihre rechtlichen Wirkungen. Sie sind laut Art. 36 NG zur Geheimhaltung und nach Art. 37 zur Interessenwahrung verpflichtet. Gemäß Art. 57 NG haften sie den Beteiligten für den Schaden, den sie oder er in Ausübung hauptberuflicher Pflichten rechtswidrig verschuldet haben, wobei sich die Haftung nach Art. 57 Abs. 5 NG bei Beglaubigungen von Unterschriften, Kopien und Abschriften nicht auf den Inhalt der Urkunden erstreckt. Laut Art. 59 NG haben die Notarin oder der Notar zur Deckung “allfälliger Ansprüche” aus ihrer oder seiner vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit eine Sicherheit zu stellen und außerdem eine Berufshaftpflichtversicherung in angemessener Höhe abzuschließen.

Zu den Aufgaben der Berner Notare gehört ferner die Verlesung der Urkunde, soweit sie Willenserklärungen enthält (Art. 46 Notariatsverordnung – NV – vom 24. Juni 2006 – BAG 06-059). Soweit das Registergericht dies für nicht ausreichend hält, kann hier im konkreten Fall festgestellt werden, dass es darauf nicht ankommt, weil laut Urkunde die gesamte Urkunde nebst Anlagen vorgelesen worden sind. Dies ist durch das Berner Recht nicht ausgeschlossen, so dass die Beurkundung nach Berner Recht rechtmäßig ist und auch dem deutschen Recht (§§ 13, 17 BeurkG) voll gerecht wird. Mit seiner Ansicht fehlender Gleichwertigkeit lässt das Registergericht im Übrigen außer Acht, dass auch den schweizer Notar nach schweizer Bundesrecht eine sich auch auf ausländisches – und damit auch deutsches – Recht beziehende Beratungspflicht bezieht (vgl. OLG München, Urteil vom 19.11.1997, 7 U 2511/97, GmbHR 1998, 46, juris Rn. 40), was im Übrigen auch für die aus Art. 35 NG folgende Belehrungspflicht des Notars über den Inhalt der Urkunde gilt.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Registergericht anzuweisen, die von der Beteiligten beantragte Eintragung in das Handelsregister vorzunehmen.

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da diese aus dem Gesetz folgt.

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