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Vorkaufsrecht – Erlöschen durch Zuschlag bei Zwangsversteigerung

OLG München – Az.: 34 Wx 61/16 – Beschluss vom 11.05.2016

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Laufen – Grundbuchamt – vom 15. Dezember 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist Eigentümerin von Grundbesitz, den sie im Wege des Zuschlags am 2.2.2005 erworben hatte. Im Zuschlagbeschluss ist als nach dem geringsten Gebot bestehenbleibendes Recht auch das in Abteilung II des Grundbuchs unter lfd. Nr. 5 unter Bezugnahme auf eine Bewilligung vom 12.9.1969 für Matthias H. eingetragene Vorkaufsrecht genannt.

Ziff. V. der in der Eintragung in Bezug genommenen notariellen Urkunde vom 12.9.1969, die zur Erfüllung von Vermächtnissen Vereinbarungen über einen Nachlass enthält, lautet:

… räumen sie hiermit Matthias H. persönlich an den vorgenannten Grundstücken der Gemarkung …, auf deren Übereignung Matthias H. verzichtet hat, diesem für den ersten Verkaufsfall das dingliche  Vorkaufsrecht ein.

Das Vorkaufsrecht gilt jeweils für den ersten Verkaufsfall, für den es nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt ausgeübt werden kann, erlischt also nicht bereits bei einem Veräußerungsfall, bei dem es nach dem Gesetz nicht ausübbar wäre, z.B. bei Erbauseinandersetzung, Tausch oder Schenkung.

Dieses Vorkaufsrecht ist nicht vererblich und nicht übertragbar.

Im übrigen gelten für das Vorkaufsrecht die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1094 ff BGB.

Am 7.12.2015 beantragte die Beteiligte die Löschung des Vorkaufsrechts. Dem ersten Verkauf stehe die Zwangsversteigerung im Februar 2005 gleich. Das Vorkaufsrecht sei im Rahmen der Zwangsversteigerung nicht ausgeübt worden, daher erloschen und aus dem Grundbuch zu löschen.

Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 15.12.2015 hat das Grundbuchamt beanstandet, dass zur Löschung des Vorkaufsrechts die Bewilligung des Berechtigten erforderlich sei. In der Zwangsversteigerung könne das Vorkaufsrecht nach den gesetzlichen Bestimmungen nämlich nicht ausgeübt werden.

Dagegen hat die Beteiligte am 29.1.2016 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Meinung, da das Vorkaufsrecht nur für den ersten Verkaufsfall bestellt gewesen sei, sei es mit Erteilung des Zuschlags hinfällig geworden und untergegangen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 GBO) statthafte und auch im Übrigen zulässig eingelegte Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG; § 71 Abs. 1, § 73 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) hat – jedenfalls vorläufig – Erfolg.

1. Die Zwischenverfügung ist aufzuheben, da die Voraussetzungen für ihren Erlass nicht vorlagen. Das Grundbuchamt nimmt nämlich einen Mangel an, der nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann.

Ist der Nachweis der Unrichtigkeit nicht geführt, ist die beantragte Löschung nur aufgrund einer Berichtigungsbewilligung oder einer Löschungsbewilligung möglich. Fehlt eine solche Bewilligung, muss das Grundbuchamt den Antrag sofort zurückweisen (BayObLG FGPrax 1998, 6; Demharter GBO 30. Aufl. § 18 Rn. 32; Wilke in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 18 Rn. 19). Eine Zwischenverfügung ist nicht zulässig, wenn der Mangel des Antrags nicht rückwirkend beseitigt werden kann, da andernfalls die Eintragung einen Rang erhielte, der ihr nicht gebührt (BGH NJW 2014, 1002 Rn. 6; BGHZ 27, 310/313; BayObLGZ 1984, 105/106 f.; Demharter § 18 Rn. 8 m. w. N.).

2. Für das weitere Verfahren ist – insofern nicht bindend – festzuhalten, dass die Löschung des Rechts ohne Bewilligung des Betroffenen nicht infrage kommt.

a) Mit dem Antrag begehrt die Beteiligte die Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 GBO.

Eine Grundbuchberichtigung ist ohne vorgelegte Berichtigungsbewilligung nur möglich, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GBO). An den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen; ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Der Antragsteller muss – in der Form des § 29 GBO – lückenlos ausräumen, was der begehrten berichtigenden Eintragung, hier also der Löschung des eingetragenen Vorkaufsrechts, entgegenstehen könnte. Freilich brauchen ganz entfernt liegende, nur theoretische Möglichkeiten nicht ausgeräumt zu werden (BayObLGZ 1988, 102/107; 1995, 413/416). Keiner Nachweisführung bedarf es dann, wenn sich die materielle Unrichtigkeit aus der Eintragung im Grundbuch selbst – einschließlich zulässiger Bezugnahmen (vgl. § 874 BGB) – ergibt. Auch was offenkundig ist, braucht nicht bewiesen zu werden (vgl. Demharter § 22 Rn. 37; Hügel/Holzer GBO 3. Aufl. § 22 Rn. 59, 61).

Nach diesen Maßstäben ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht nachgewiesen. Denn aus dem Inhalt des Grundbuchs und der in Bezug genommenen Bewilligungsurkunde ergibt sich nicht, dass die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes das materiell-rechtliche Erlöschen des Vorkaufsrechts (vgl. § 1094 Abs. 1 BGB) und damit die Unrichtigkeit des Grundbuchs bewirkt hätte.

b) Der Eintragungsvermerk enthält allein die Bestellung eines Vorkaufsrechts zugunsten einer begünstigten Person, allerdings ohne nähere Bezeichnung des Inhalts des Rechts. Zur näheren Darlegung des Inhalts ist jedoch in zulässiger Weise Bezug genommen auf die in der notariellen Urkunde enthaltene Eintragungsbewilligung vom 12.9.1969 (vgl. § 874 BGB).

aa) Die Bewilligung ist auslegungsbedürftig, da sie einerseits von einem dinglichen Vorkaufsrecht „für den ersten Verkaufsfall“ spricht, andererseits aber eine Regelung zur Frage enthält, was mit dem ersten Verkaufsfall gemeint ist. So soll das Vorkaufsrecht nicht bereits bei einem Veräußerungsfall erlöschen, bei dem es nach dem Gesetz nicht ausübbar wäre. Als Beispielsfälle sind Erbauseinandersetzung, Tausch oder Schenkung genannt.

Soweit die Bewilligungserklärung von der Bestellung des Rechts für den ersten Verkaufsfall spricht, scheint sie sich an dem gesetzlichen Regelfall zu orientieren. Nach § 1097 1. Halbsatz BGB beschränkt sich das Vorkaufsrecht auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört, oder durch dessen Erben. Allerdings kann es auch für mehrere Verkaufsfälle bestellt werden (§ 1097 2. Halbsatz BGB). Trotz des sachenrechtlichen Typenzwangs für zulässig gehalten wird daher eine Vereinbarung, die das Vorkaufsrecht nur für einen Verkauf gelten lässt, dies jedoch unabhängig davon, ob noch der Besteller der Verkäufer ist oder ein Sonderrechtsnachfolger, der das Grundstück anders als durch rechtsgeschäftliche Veräußerung erworben hat (KG OLGE 41, 21/23; MüKo/Westermann BGB 6. Aufl. § 1097 Rn. 2). Eine andere Ansicht hält eine derartige Vereinbarung ebenfalls für zulässig, legt sie jedoch nicht als Vorkaufsrecht nur für einen Verkaufsfall aus, sondern als ein solches, das für mehrere Verkaufsfälle bestellt ist (Staudinger/Schermaier BGB Bearb. 2009 § 1097 Rn. 13). Letztlich kommen jedoch beide Auffassungen zu demselben Ergebnis, dass das so verstandene und abweichend von dem gesetzlichen Regelfall des § 1097 BGB bestellte Vorkaufsrecht bei einer ersten Veräußerung, die keinen Vorkaufsfall darstellt, nicht erlischt.

bb) Für die Auslegung (§ 133 BGB) ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus dem Eintragungsvermerk einschließlich der Eintragungsbewilligung für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt; Umstände, die außerhalb der Bewilligung liegen, dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGHZ 92, 351/355; 113, 374/378; BGH ZWE 2013, 402/403; Demharter § 19 Rn. 28).

Die Auslegung der Bewilligungserklärung ergibt hier nach ihrem klaren Wortlaut eine vom gesetzlichen Inhalt des Vorkaufsrechts gemäß § 1097 BGB abweichende Regelung dahin, dass das Recht nicht erlöschen sollte und damit auch gegenüber einem späteren Eigentümer ausgeübt werden kann, wenn dieser das Grundstück auf eine Art erworben hat, die sich nicht als Verkaufsfall darstellt. Die in der Bewilligung genannten Fälle (“Erbauseinandersetzung, Tausch oder Schenkung“) sind als bloße Beispiele angeführt. Ein unbefangener Betrachter entnimmt der Bestimmung als nächstliegende Bedeutung daher, dass das Vorkaufsrecht auch in einer Zwangsversteigerung, sofern es in deren Rahmen nicht ausgeübt werden kann, nicht zum Erlöschen kommt.

c) Durch Nichtausübung erloschen wäre das Vorkaufsrecht nur, wenn die Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft oder auf Erbenantrag erfolgt wäre. In diesen Fällen hätte der Berechtigte nämlich sein Vorkaufsrecht ausüben können (Stöber ZVG 21. Aufl. § 81 Rn. 10 bei Anm. 10.2 b). Für andere Fälle der Zwangsversteigerung – wie hier durch einen Grundpfandrechtsgläubiger – ist die Ausübung des Vorkaufsrechts jedoch nach § 1098 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 471 BGB ausgeschlossen.

Ein Fall des Erlöschens durch den Zuschlag nach § 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das Vorkaufsrecht war im geringsten Gebot (§ 44 ZVG) benannt.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 22 Abs. 1, § 25 GNotKG).

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