OLG Hamm – Az.: I-15 W 409/18 – Beschluss vom 15.02.2019
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 6. November 2018 abgeändert.
Die Kostenberechnung des Notars O aus I vom 6. Juli 2018 (Nr. …) wird aufgehoben.
Der Beteiligte zu 2) trägt die Gerichtskosten der ersten und zweiten Instanz sowie die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 1) in beiden Instanzen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit der eingangs genannten Kostenberechnung nimmt der Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) als Kostenschuldner für die Erstellung eines Urkundenentwurfs in Anspruch.
Der Beteiligte zu 2) vertrat den Beteiligten zu 1) in den Jahren 2015 bis 2018 anwaltlich in familiären Angelegenheiten. Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer eines Hofgrundstücks in I. Den Hof hatte der Beteiligte zu 1) an seinen Sohn verpachtet, der eine Übertragung des Hofes auf sich wünschte. Der Beteiligte zu 1) stand einer Hofübertragung ablehnend gegenüber und hatte den Pachtvertrag mit seinem Sohn gekündigt. Am 26. Juli 2017 kam es zu einem Gesprächstermin in den Räumlichkeiten der Landwirtschaftlichen Buchstelle e.V. I, an dem die Beteiligten sowie der Sohn des Beteiligten zu 1), Herr S, sowie ein Mitarbeiter der Buchstelle, Herr L, teilnahmen. In diesem Termin ging es u.a. erneut um die Frage der Weiterbewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes und Übertragung des Hofes.
Nach dem Termin fertigte der Beteiligte zu 2) den Entwurf eines Hofübertragungsvertrages nebst Auflassung. Für diese Tätigkeit stellte er dem Beteiligten zu 1) unter dem 6. Juli 2018 Kosten in Höhe von insgesamt 971,04 EUR in Rechnung.
Der Beteiligte zu 1) hat eine Entscheidung des Landgerichts beantragt. Er ist der Auffassung, nicht Kostenschuldner des Notars zu sein, weil er – wie er behauptet – keinen Auftrag zur Fertigung eines Urkundenentwurfs erteilt habe. Er habe eine Hofübertragung vielmehr stets abgelehnt.
Das Landgericht hat die Beteiligten persönlich angehört und den Sohn des Beteiligten zu 1), Herrn S, sowie den Zeugen L als Zeugen gehört. Es hat sodann mit dem angefochtenen Beschluss die Einwendungen des Beteiligten zu 1) gegen die Kostenberechnung des Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.
Gegen diesen dem Beteiligten zu 1) am 9. November 2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 16. November 2018 beim Landgericht eingegangene Beschwerde des Beteiligten zu 1), der weiterhin die Aufhebung der Kostenberechnung beantragt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Beteiligten zu 2) verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist gemäß § 129 Abs. 1 GNotKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie nach § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit den §§ 63 Abs. 1 und 3, 65 Abs. 1 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg,
1.
Der Beteiligte zu 1) ist nicht Kostenschuldner der in Rechnung gestellten Gebühren für ein nicht beendigtes Beurkundungsverfahren, weil er dem Notar die Notarkosten nicht aus § 29 Nr. 1 GNotKG – der allein in Betracht kommenden Haftungsnorm – schuldet.
a)
Kostenschuldner ist nach dieser Vorschrift, wer dem Notar den Auftrag erteilt oder den Antrag gestellt hat. Unter dem – hier interessierenden – Begriff des Auftrags ist jedes an den Notar gerichtete Ansuchen zu verstehen, das auf die Vornahme einer notariellen Amtstätigkeit gerichtet ist. Einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es nicht. Der Beurkundungsauftrag kann auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden. Maßgeblich ist, ob das Verhalten für den Notar nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) den Schluss zulässt, es werde ihm ein Auftrag mit der gesetzlichen Kostenfolge erteilt; dies kann nur unter Heranziehung und Wertung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. zuletzt BGH NJW-RR 2017, 631-632 mwN).
Einen Auftrag erteilt regelmäßig jedenfalls derjenige, der durch sein Ansuchen unmittelbar die notarielle Amtstätigkeit veranlasst, etwa indem er den Notar um die Fertigung eines Entwurfs oder erstmals um einen Beurkundungstermin bittet.
b)
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten sowie des Ergebnisses der in erster Instanz vorgenommenen Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass das Verhalten des Beteiligten zu 1) aus objektiver Sicht des Notars dahingehend verstanden werden konnte und musste, dass dieser einen eigenen Auftrag zur Erstellung eines Urkundenentwurfs erteilen wollte.
Schon der Notar selbst hat in seiner persönlichen Anhörung nicht behauptet, dass es der Beteiligte zu 1) war, der ihm ausdrücklich den Auftrag zur Fertigung eines Urkundsentwurfs erteilt habe. Vielmehr hat er erklärt, dass es Ergebnis des damaligen Gesprächs gewesen sei, dass am Ende ein Entwurf gemacht werden solle. An genaue Worte konnte er sich nicht erinnern. Aus diesen Angaben ergibt sich weder eine ausdrückliche Auftragserteilung durch den Beteiligten zu 1), noch lassen sich daraus Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Notar aus dem Verhalten des Beteiligten zu 1) den Schluss hätte ziehen können, dass dieser eine für ihn kostenpflichtige Tätigkeit des Notars wünschte.
Auch die Zeugen L und S haben eine Auftragserteilung durch den Beteiligten zu 1) nicht bezeugt. Vielmehr haben beide Zeugen übereinstimmend geschildert, dass am Ende des Gesprächs der Notar selbst den Vorschlag unterbreitet habe, zunächst einmal einen Entwurf eines Übertragungsvertrages zu fertigen, auf dessen Grundlage die Beteiligten dann weiter miteinander sprechen könnten. Wie der Beteiligte zu 1) auf diesen Vorschlag reagiert habe, konnten beide Zeugen nicht bekunden.
Nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme kann danach – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – festgestellt werden, dass der Vorschlag, einen Urkundsentwurf zu fertigen, durch den Notar selbst erfolgt ist und eine ausdrückliche Zustimmung des Beteiligten zu 1) auf dieses Anerbieten nicht erfolgte. Auf dieser Tatsachengrundlage lässt sich jedoch – entgegen der Auffassung des Landgerichts – keine Beauftragung durch den Beteiligten zu 1) feststellen. Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung meint, dem Schweigen des Beteiligten zu 1) könne die konkludente Beauftragung des Notars durch den Beteiligten zu 1) entnommen werden, vermag der Senat sich nicht anzuschließen.
Zwar kann unter bestimmten Umständen eine konkludente Willenserklärung auch in bloßem „Schweigen“ bestehen (BGH NJW 2002, 3629 [3631]). Regelmäßig ist aber bloßes Schweigen keine Willenserklärung. Wer schweigt, setzt im Allgemeinen keinen Erklärungstatbestand, er bringt weder Zustimmung noch Ablehnung zum Ausdruck (Palandt/Ellenberger, 78. Auflage, 2019, Einf. § 116, Rn. 7). Etwas anderes kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden, wenn dem Schweigen aufgrund konkreter Umstände ein objektiver Erklärungswert beizumessen ist (sog. beredtes Schweigen). Dies kann dann der Fall sein, wenn die Parteien das Schweigen vorab als Erklärungszeichen verabredet haben oder die Indizien so eindeutig sind, dass im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Willen geschlossen werden kann. Allerdings ist bei der Interpretation des Schweigens als Willenserklärung Vorsicht geboten, weil aufgrund der latenten Mehrdeutigkeit des Schweigens die Gefahr von Fehldeutungen besonders groß ist. Schweigen als Erklärungshandlung ist daher nur in besonderen Fällen anzuerkennen. Im gegebenen Fall liegen keine hinreichende Umstände vor, aufgrund derer der Beteiligte zu 2) das Schweigen des Beteiligten zu 1) dahingehend verstehen konnte, dass dieser ein notarielles Tätigwerden durch ihn auf seine Kosten wünschte. Weder war das Schweigen zwischen den Beteiligten vorab als Zustimmungserklärung vereinbart, noch konnte der Beteiligte zu 2) das Schweigen des Beteiligten zu 1) auf sein Anerbieten als Zustimmung verstehen, weil etwa ein Tätigwerden durch ihn in dessen erkennbaren Interesse lag (so zB OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 1164; vgl. auch BGH NJW 2000, 276, 277) oder sich der Beteiligte zu 1) bereits zuvor – rechtlich noch unverbindlich – entsprechend zustimmend geäußert hätte. So lag der Fall hier gerade nicht. Das Gegenteil war der Fall. Allen Gesprächsteilnehmern war bekannt, dass der Beteiligte zu 1) einer Übernahme des Hofes ablehnend gegenüber stand. Schon der Gesprächstermin selbst war nicht auf dessen Betreiben zustande gekommen, was auch dem Beteiligten zu 2) bekannt war. Wenn er, der Beteiligte zu 1), sich in einer solchen Situation darauf beschränkte, sich gar nicht zu dem Anerbieten des Notars zu äußern, kann darin eine konkludente Zustimmung nicht erkannt werden. Allein der Umstand, dass der Beteiligte zu 1) – wie der Zeuge L bekundet hat – im Verlauf des Gesprächs zugänglicher geworden war, genügt nicht, dessen fehlenden Widerspruch gegen ein Tätigwerden des Notars als Beauftragung zu bewerten. Nach den Umständen konnte daraus allenfalls geschlossen werden, dass der Beteiligte zu 1) keine Einwände dagegen hatte, dass der Notar einen Entwurf fertigte; dass er aber dieses Tätigwerden als Auftraggeber in kostenpflichtiger Weise veranlassen wollte, lässt sich diesem Verhalten nicht entnehmen.
Dem Schweigen des Beteiligten zu 1) auf den Vorschlag des Notars, einen Vertragsentwurf zu erstellen, kann auch nicht die Wirkung einer Erklärung beigemessen werden. Zwar kann ein Schweigen – wenn es auch nicht als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden kann – gleichwohl die Wirkung einer Willenserklärung haben, wenn der Schweigende verpflichtet gewesen wäre (Palandt/Ellenberger aaO, Rn. 8) bzw. eine entsprechende Obliegenheit bestand (Staudinger/Singer, BGB (2017) Vorbem. zu §§ 116-144, Rn. 77 ff), seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen (sog. Schweigen an Erklärungs Statt oder normiertes Schweigen) (Palandt/Ellenberger aaO, Rn. 8). Eine solche Verpflichtung bzw. Obliegenheit zum ausdrücklichen Widerspruch lag vorliegend jedoch ersichtlich nicht vor.
Auf der Grundlage der von dem Landgericht verfahrensfehlerfrei vorgenommenen Beweisaufnahme kann danach eine Beauftragung durch den Beteiligten zu 1) nicht festgestellt werden. Eine erneute Anhörung der Beteiligten oder eine Vernehmung der vom Landgericht vernommenen Zeugen durch den Senat ist nicht erforderlich. Das Landgericht hat die Beteiligten sowie die Zeugen ausführlich gehört und eingehend bis in die Details befragt.
2.
Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG waren die Kosten erster Instanz dem Notar aufzuerlegen, weil seine Kostenberechnung keinen Bestand hat.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 81 FamFG in Verbindung mit § 130 Absatz 3 Satz 1 GNotKG. Auch hier ist maßgeblich, dass der Beteiligte zu 2) aufgrund der aufzuhebenden Kostenberechnungen Anlass zu dem vorliegenden gerichtlichen Verfahren gegeben hat und im Beschwerdeverfahren unterlegen ist.
Eine Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist entbehrlich, da gemäß KV GNotKG Nr. 19110 eine wertunabhängige Pauschalgebühr anfällt.