Rechtliche Aspekte der Vollstreckungsklauselumschreibung: Erben gegen Notariatsverwalter
Der Fall dreht sich um die juristischen Konsequenzen der Ausstellung von Vollstreckungsklauseln und dem damit verbundenen Anspruch der Erben gegenüber einem Notariatsverwalter. Zentral ist die Frage, ob und inwiefern der Umschreibungsanspruch von Notarkostenrechnungen im Zuge einer Erbschaft auf die Erben übergeht. Diese komplexe Thematik des Erbrechts und Notarrechts wurde vom LG Hanau im Beschluss 8 T 35/20 vom 02.07.2020 behandelt.
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Übersicht
Das Notariatsverfahren und der Erbenanspruch
Im Kern der Streitigkeit steht ein ausgeschiedener Notar, der sich selbst Vollstreckungsklauseln für Notariatsrechnungen erteilt hat. Dabei wurde jedoch kein Versuch unternommen, die Gebühren zwangsweise einzutreiben, insbesondere keine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Gebührenschuldner. Nach dem Toddes Notars wurden die Erben von dem Notariatsverwalter über diesen Sachverhalt informiert und ihnen die vollstreckbaren Notariatskostenrechnungen überlassen.
Notarkostenrechnungen und die Rolle des Notariatsverwalters
Die Erben legten dem Notariatsverwalter die vollstreckbaren Notariatskostenrechnungen und eine Ausfertigung des Erbscheins vor. Sie stellten den Antrag, die vom ausgeschiedenen Notar selbst erteilten Vollstreckungsklauseln auf sie umzuschreiben. Die Begründung der Erben: Als gesamtrechtsnachfolgende Erben seien sie nun Inhaber dieser Forderungen und möchten die Zwangsvollstreckung betreiben und die Forderungen zum Nachlass ziehen.
Der Standpunkt der Beschwerdeführer
Die Beschwerdeführer argumentierten, dass die Vollstreckungsklausel des Notars auf sie umgeschrieben werden sollte, da sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Inhaber der Forderungen des verstorbenen Notars geworden waren. Sie wollten lediglich die Zwangsvollstreckung betreiben und die Forderungen zum Nachlass ziehen. Dabei beriefen sie sich auf § 89 GNotKG und § 19 GNotGK.
Die rechtliche Einschätzung des LG Hanau
Die rechtliche Einschätzung des LG Hanau konzentriert sich auf die Frage, wer die Kostenberechnung und die Vollstreckungsklausel erteilen darf. In Anlehnung an die §§ 19 und 89 GNotKG ist in diesem Fall der Amtsnachfolger des verstorbenen Notars bzw. der die Akten des ausgeschiedenen Notars verwahrende Notar zuständig. Das Gericht stellte fest, dass die Vollstreckung durch den ausgeschiedenen Notar oder seine Erben erfolgen kann, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung der Kostenberechnung vorliegt. Die Rechtsansicht der Erben wurde in diesem Beschluss unterstützt.
Das vorliegende Urteil
LG Hanau – Az.: 8 T 35/20 – Beschluss vom 02.07.2020
Der Beschwerdegegner wird angewiesen, die von dem ausgeschiedenen Notar XXX sich selbst erteilten Vollstreckungsklauseln betreffend die Notariatsrechnungen
1) vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 13.09.2018 (Az.: XXX, UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX;
2) vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 13.09.2018 (Az.: XXX, UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX;
3) vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 17.07.2018 (UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX;
4) vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 13.09.2016 (UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX und Frau XXX
auf die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) – in Erbengemeinschaft – umzuschreiben.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.
Beschwerdewert: 5.263,31 Euro.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer sind die gesetzlichen Erben des am 22.07.2019 verstorbenen Notars XXX (im folgenden Erblasser). Der Beschwerdegegner ist dessen amtlich bestellter Notariatsverwalter.
Der Erblasser erteilte sich selbst noch zu Lebzeiten die im Rubrum aufgeführten vollstreckbaren Notariatskostenrechnungen. Diese wurden den Kostenschuldnern jeweils per Gerichtsvollzieher zugestellt. In zwei Fällen sicherte der Erblasser seine Gebührenforderungen durch Eintragung von Zwangssicherungshypotheken. Weitere Versuche einer zwangsweisen Beitreibung der Gebühren und insbesondere Versuche einer Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Gebührenschuldner hat der Erblasser nicht unternommen.
Im Zuge der Abwicklung des Notariats wurden die Beschwerdeführer von dem Beschwerdegegner über den vorstehenden Sachverhalt informiert und die genannten vollstreckbaren Notariatskostenrechnungen den Beschwerdeführern von dem Beschwerdegegner überlassen.
Mit Antragsschrift vom 06.04.2020 haben die Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner die im vorstehenden Antrag aufgeführten vollstreckbaren Notariatskostenrechnungen und die die Rechtsnachfolge der Beschwerdeführer nach dem Erblasser ausweisende Ausfertigung des Erbscheins des Amtsgerichts Gelnhausen vom 10.09.2019, Az.: 31 VI 862/19 B, vorgelegt, jeweils verbunden mit dem förmlichen Antrag, die von dem ausgeschiedenen Notar XXX sich selbst erteilten Vollstreckungsklauseln auf die Beschwerdeführer – in Erbengemeinschaft – umzuschreiben.
Wegen der Einzelheiten der Antragsschrift wird auf Bl. 12 ff. Bezug genommen.
Dies lehnte der Beschwerdegegner mit notariellem Bescheid vom 15.04.2020 ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Kostenforderungen nach § 1922 BGB materiell-rechtlich zwar den Antragstellern zustünden und die Gesamtrechtsnachfolge auch nachgewiesen sei. Gemäß § 89 GNotKG stehe das Beitreibungsrecht allerdings nur dem Notar persönlich zu. Die Übertragung „Titels“ auf dessen Erben durch eine Rechtsnachfolgeklausel halte er für ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Bescheids wird auf Bl. 12 f. d. A. Bezug genommen.
Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass ein Notar zur Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf die Erben verpflichtet sei, da sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Inhaber dieser Forderungen geworden seien. Die Beschwerdeführer wollten lediglich die Zwangsvollstreckung betreiben und die Forderungen zum Nachlass ziehen.
Sie beantragen, der Beschwerdegegner wird angewiesen, die von dem ausgeschiedenen Notar XXX sich selbst erteilten Vollstreckungsklauseln betreffend die Notariatsrechnungen
1. vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 13.09.2018 (Az.: XXX, UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX;
2. vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 13.09.2018 (Az.: XXX, UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX;
3. vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 17.07.2018 (UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX;
4. vollstreckbare Notariatskostenrechnung vom 13.09.2016 (UR-Nr. XXX) gegen Herrn XXX und Frau XXX
auf die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) – in Erbengemeinschaft – umzuschreiben.
Der Beschwerdegegner nimmt Bezug auf seinen notariellen Bescheid vom 20.04.2020 und lehnt eine Umschreibung der Vollstreckungsklauseln ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf seinen Schriftsatz vom 06.05.2020 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist gemäß §§ 127, 128 GNotKG zulässig. Insbesondere ist er form- und fristgerecht erhoben worden.
In der Sache hat der Antrag mit dem beschlossenen Inhalt Erfolg.
Den Beschwerdeführern steht als Erben des verstorbenen Notars XXX gegen den Notariatsverwalter ein Anspruch auf Umschreibung der Vollstreckungsklauseln der Kostenrechnungen vom 13.09.2018, 17.07.2018 und 13.09.2016 zu.
Die Kammer verkennt nicht, dass gem. § 89 GNotKG die Kosten und die auf diese entfallenden Zinsen aufgrund einer mit der Vollstreckungsklausel des Notars versehenen Ausfertigung der Kostenrechnung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung beigetrieben werden und gem. § 19 GNotGK das Beitreibungsrecht dem Notar nur persönlich zusteht. Dieser Umstand berücksichtigt jedoch nicht den vorliegenden Fall, wonach die Gebührenforderungen des verstorbenen Notars auf die Beschwerdeführer als Erben übergegangen sind.
Nach § 58 Abs. 2 Satz 2, 3, Abs. 3 BNotO ist der Notar als Notarverwalter des verstorbenen Notars XXX verpflichtet, die vollstreckbare Ausfertigung der in dem Tenor aufgeführten Kostenberechnungen auf die Beschwerdeführer umzuschreiben.
Dem ausgeschiedenen Notar bzw. dessen Erben verbleiben die Kostenforderungen, die durch seine Amtstätigkeit entstanden sind. Bei den noch laufenden Geschäften entscheidet der Zeitpunkt der Beendigung des gebührenpflichtigen Geschäfts, zu dem die Gebühren fällig werden (Schippel/Bracker, Bundesnotarordnung, Kommentar, 9. Auflage, § 58 Rn 15).
Die Vollstreckung kann durch den ausgeschiedenen Notar, gegebenenfalls durch seine Erben, erfolgen, wenn der ausgeschiedene Notar bereits eine vollstreckbare Ausfertigung der Kostenberechnung erteilt hat, § 89 GNotKG, oder sie vom Notariatsverwalter erteilt wird (Schippel/Bracker, a.a.O.).
Für die Erteilung der Kostenberechnung und der Vollstreckungsklausel hinsichtlich des dem Rechtsnachfolger eines verstorbenen Notars zustehenden Kostenanspruchs ist in entsprechender Anwendung der §§ 19, 89 GNotKG der Amtsnachfolger des verstorbenen Notars bzw. der die Akten des ausgeschiedenen Notars verwahrende Notar zuständig (LG Passau, Beschluss vom 22.12.1978, Az.: 3 T 363/78, juris).
Das Verfahren vor dem Landgericht ist gerichtsgebührenfrei (vgl. Korintenberg, GNotKG, 20. Auflage, § 127, Rn 52 a, beck-online). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet; die Voraussetzungen der §§ 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit 81 FamSG sind nicht gegeben (vgl. Korintenberg, GNotKG, 20. Auflage, § 127, Rn 52 b, beck-online).
Die Festsetzung des Gegenstandswertes orientiert sich an der Höhe der von den Antragstellern begehrten Forderung.