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Einzelvertretungsbefugnis im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses für ein Grundstücksgeschäft

OLG München – Az.: 34 Wx 376/11 – Beschluss vom 16.09.2011

I. Der Beschluss des Amtsgerichts Altötting – Grundbuchamt – vom 30. Juni 2011 wird aufgehoben.

II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Beteiligte zu 2 als Eigentümerin des Flurstücks xxx im Grundbuch einzutragen sowie über die Eintragung der Beteiligten zu 2 als Eigentümerin der Flurstücke xxx und xxx neu zu entscheiden.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist eine GmbH in Liquidation. Über ihr Vermögen wurde am 26.3.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet, das bislang noch nicht beendet ist.

Es sind zwei Geschäftsführer für die GmbH bestellt. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrags vom 4.8.2005 wird die Gesellschaft von den zwei Geschäftsführern gemeinschaftlich vertreten; die Gesellschafter können jedoch auch einen Geschäftsführer durch Beschluss zur Einzelvertretung ermächtigen.

Einzige Gesellschafterin der Beteiligten zu 1 ist eine GmbH, über deren Vermögen ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Für den Insolvenzverwalter dieser Alleingesellschafterin ist am 1.4.2009 eine Bescheinigung über dessen Ernennung ausgestellt worden.

Im Eigentum der Beteiligten zu 1 steht das im Grundbuch (Blatt 6099) eingetragene Grundstück FlSt. xxx, das mit Eintragung vom 29.6.2011 durch Verschmelzung aus den Flurstücken xxx und xxx entstanden ist. Hinsichtlich dieses Grundstücks wurde am 30.3.2009 ein Insolvenzvermerk eingetragen, der nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter am 5.8.2009 wieder gelöscht wurde.

Die Beteiligte zu 2 erteilte – noch unter ihrem früheren Namen – einerseits am 10.4.2009 an Frau F. eine Vollmacht zur Erklärung bzw. Entgegennahme der Auflassung sowie andererseits am 4.5.2009 an Dr. K. eine Vollmacht, die für den Erwerb von Vermögenswerten einschließlich Grundstücken der Beteiligten zu 1 erforderlichen Handlungen und Geschäfte in ihrem Namen auszuführen. Dr. K. gab am 27.5.2009 namens der Beteiligten zu 2 ein Angebot zum Kauf des gesamten Sacheinlagevermögens der Beteiligten zu 1 ab, insbesondere auch zum Ankauf der Flurstücke xxx, xxx, xxx und xxx.

Dieses Angebot vom 27.5.2009 nahm der Insolvenzverwalter der Beteiligten zu 1 mit notarieller Urkunde vom 28.5.2009 an. Daraufhin beantragte der Notar, der die Angebotsurkunde errichtet hatte, mit Schreiben vom 28.12.2010 die Eintragung der Beteiligten zu 2 als Eigentümerin.

Am 31.1.2011 übertrug das Grundbuchamt die Flurstücke xxx und xxx nach entsprechender Freigabe durch die Beteiligte zu 2 auf ein anderes Grundbuchblatt.

Mit Zwischenverfügung vom 3.3.2011 rügte das Grundbuchamt unter anderem die Formunwirksamkeit der Auflassung. Soweit es Eintragungshindernisse gegen einen weiteren Antrag aufzeigte, hat die Beteiligte zu 2 diesen inzwischen zurückgenommen.

Am 27.5.2011 bevollmächtigte einer der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 Frau G. zur Abgabe, Entgegennahme und Beurkundung einer Auflassungserklärung hinsichtlich der in Blatt 6099 des Grundbuchs eingetragenen Flurstücke (xxx, xxx, xxx und xxx). Mit schriftlichem Gesellschafterbeschluss gleichen Datums, der in unbeglaubigter Kopie mit vorgelegt wurde, hatte der Insolvenzverwalter der Alleingesellschafterin für alle Erklärungen im Zusammenhang mit der Übertragung des Eigentums an dem auf Blatt 6099 eingetragenen Grundstück, insbesondere die Abgabe und Beurkundung der Auflassungserklärung, diesem Geschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis erteilt.

Am 30.5.2011 erklärten Frau G. und Frau F. in notarieller Urkunde die Auflassung der Flurstücke xxx, xxx, xxx und xxx durch die Beteiligte zu 1 an die Beteiligte zu 2, wobei sie sich auf die ihnen erteilten Vollmachten beriefen. Diese Urkunde legte der Notar mit Schreiben vom 30.5.2011 zur Erledigung der Zwischenverfügung vom 3.3.2011 beim Grundbuchamt vor.

Mit Beschluss vom 30.6.2011 hat das Amtsgericht die Eintragungsanträge zurückgewiesen, da die Einzelvertretungsbefugnis des Geschäftsführers der Beteiligten zu 1 nicht in grundbuchmäßiger Form nach § 29 GBO nachgewiesen sei.

In der daraufhin mit Schriftsatz vom 28.7.2011 eingelegten Beschwerde wird die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses vom 30.6.2011 beantragt. Der Beschwerdeschrift liegt eine notariell beglaubigte Fassung eines Gesellschafterbeschlusses vom 19.7.2011 bei. Gleichzeitig enthält die Urkunde den notariellen Vermerk, dass der Insolvenzverwalter der Alleingesellschafterin im Rahmen der Beglaubigung das Original der Bescheinigung des Amtsgerichts vom 1.4.2009 über dessen Ernennung vorgelegt habe, wovon eine beglaubigte Ablichtung zu dieser Urkunde genommen wurde.

Der Beschwerde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.8.2011 nicht abgeholfen.

II.

Die nach § 71 Abs. 1, § 73 sowie § 15 Abs. 2 GBO zulässig vom beurkundenden Notar zugunsten der Beteiligten erhobene Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Eine Eintragung setzt nach §§ 20, 29 GBO eine wirksame und formgerechte Auflassungserklärung sowie den Nachweis der Eintragungsvoraussetzungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden voraus.

a) Zutreffend geht das Grundbuchamt davon aus, dass die Auflassung, die in der notariellen Urkunde vom 27.5.2009 durch die Beteiligte zu 2 angeboten und mit notarieller Urkunde vom 28.5.2009 angenommen wurde, nicht den Vorschriften des § 925 BGB i.V.m. § 20 GBO entspricht und daher nicht eingetragen werden konnte.

b) Zutreffend führt das Grundbuchamt zudem aus, dass die Auflassung des Grundstücks durch den Geschäftsführer oder einen von ihm Bevollmächtigten zu erfolgen hat. Nach Freigabe des Grundstücks liegt die Verfügungsbefugnis nämlich wieder bei der GmbH (vgl. auch LG Dessau-Roßlau NotBZ 2008, 351 und LG Berlin Rpfleger 2004, 564).

c) Nicht zu beanstanden ist zunächst auch die Auffassung des Grundbuchamtes, wonach die in der notariellen Urkunde vom 30.5.2011 erklärte Auflassung nicht eingetragen werden konnte, da die Wirksamkeit der Untervollmacht für die Erklärende, die Bevollmächtigte G., nicht in der Form der § 32 GBO nachgewiesen war. Wie in der Beschwerdeschrift angeführt wird, war ein Nachweis gemäß § 32 GBO mangels Eintragung im Handelsregister nicht möglich.

Auch der daneben mögliche Nachweis der wirksamen Erteilung der Vollmacht nach § 29 GBO war _ wie das Grundbuchamt zutreffend unter Verweis auf den fehlenden Nachweis der Einzelvertretungsbefugnis angeführt hat – zunächst nicht geführt.

Wie der Wortlaut des § 32 GBO zeigt („können … nachgewiesen werden“; „kann auch“) bietet diese Vorschrift nur eine Beweiserleichterung. Neben § 32 GBO bleibt daher die allgemeine Nachweisführung gemäß § 29 GBO möglich (Hügel/Otto GBO 2. Aufl. § 29 Rn. 2; Demharter GBO 27. Aufl. § 32 Rn. 16). Die Beteiligten legten mit der notariellen Auflassungserklärung vom 30.5.2011 allerdings einen schriftlichen Gesellschafterbeschluss vom 27.5.2011 vor, der die Voraussetzungen des § 29 GBO nicht erfüllte. Auch fehlte ein Nachweis über die fortbestehende Legitimation des Insolvenzverwalters, der (nur) zeit seines Amtes für die alleinige Gesellschafterin der Beteiligten zu 1 auftreten darf (§ 80 Abs. 1 InsO).

d) Nach den nunmehr vorgelegten, vom Senat als Tatsacheninstanz (vgl. § 74 GBO) zu berücksichtigenden, Unterlagen ist der Nachweis der wirksamen Erteilung der Vollmacht allerdings gemäß § 29 GBO geführt.

Denn mit der Beschwerde wurde ein Gesellschafterbeschluss vom 19.7.2011 vorgelegt, in der der Insolvenzverwalter der Alleingesellschafterin die dem handelnden Geschäftsführer mit Beschluss vom 27.5.2011 erteilte Einzelvertretungsbefugnis für das vorliegend einzutragende Grundstücksgeschäft bestätigt. Diese Erklärung des Insolvenzverwalters ist notariell beglaubigt. Gleichzeitig wurde eine beglaubigte Ablichtung der Bescheinigung der Ernennung des Insolvenzverwalters der Alleingesellschafterin vom 1.4.2009 vorgelegt. In dem Beglaubigungsvermerk zur Urkunde selbst bescheinigt der Notar, dass ihm das Original dieser Bescheinigung vom 1.4.2009 vorgelegt worden war. Damit ist auch der hinreichende Nachweis geführt, dass der Insolvenzverwalter noch befugt war, für die Alleingesellschafterin aufzutreten (vgl. Hügel/Wilsch GBO Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren Rn. 67). Denn damit steht fest, dass er sich noch im Besitz des maßgeblichen Legitimationspapiers befand.

Die Vorlage des Gesellschafterbeschlusses genügt, um den Nachweis der Einzelvertretungsbefugnis für das gegenständliche Geschäft zu erbringen. Der Beschluss vom 19.7. 2011 beseitigt nicht generell die Gesamtvertretung, sondern ermächtigt den handelnden Geschäftsführer nur zur Vornahme einzelner, genau bezeichneter Geschäfte im Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung an dem Grundbesitz. Eine solche Einzelermächtigung bedarf der Eintragung ins Handelsregister nicht (so für den Fall der Einzelermächtigung unter Gesamtvertretern: Roth/Altmeppen GmbHG 6. Aufl. § 39 Rn. 4 und § 35 Rn. 57; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbH-Gesetz 17. Aufl. § 35 Rn. 32). Sie kann als gewillkürte Vertretungsmacht für den Einzelfall nicht nur durch die übrigen gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer, sondern – erst recht – auch durch die Gesellschafter im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses erteilt werden. Wollte man dennoch § 39 GmbHG anwenden, liegt in der Erteilung einer Einzelermächtigung keine Satzungsänderung, so dass die Eintragung nur deklaratorisch wirkt (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG 19. Aufl. § 39 Rn. 24; Roth/Altmeppen § 39 Rn. 5). Trotz fehlender Eintragung würde daher der Beschluss rechtliche Wirkung entfalten, nachdem er allen am Eintragungsverfahren Beteiligten bekannt gemacht ist (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack § 39 Rn. 24).

e) Auch die Unterbevollmächtigung von Frau G. ist durch beglaubigte Unterschrift des demnach vertretungsberechtigten Geschäftsführers in der Urkunde vom 27.5.2011 nachgewiesen.

2. Die weiteren Eintragungsvoraussetzungen, wie Antrag und Voreintragung, liegen hinsichtlich des Flurstücks xxx vor.

3. Die in der Auflassung bezeichneten Flurstücke xxx und xxx wurden mittlerweile von Blatt xxx abgeschrieben. Auch insofern hat das Grundbuchamt die Eintragung unter Hinweis auf den fehlenden Nachweis der Einzelvertretungsbefugnis abgelehnt.

Der Antrag, die Eintragungen hinsichtlich sämtlicher (ursprünglich vier) Grundstücke vorzunehmen, steht nicht unter dem (zulässigen) Vorbehalt des § 16 Abs 2 GBO. Ein solcher Vorbehalt kann – wie hier nicht – ausdrücklich erklärt werden; auch ein stillschweigender Vorbehalt ist nicht ersichtlich (vgl. Demharter § 16 Rn 11).

Da durch das Beschwerdegericht nicht geklärt werden kann, ob die beantragte Eintragung – trotz vermutlich zwischenzeitlich erfolgter Umschreibung auf einen anderen Eigentümer oder zumindest möglicherweise vorliegender Eintragungsanträge – noch vorgenommen werden kann, ist das Verfahren dem Grundbuchamt insoweit zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der dem Beschluss zugrundeliegenden Auffassung des Beschwerdegerichts zurückzuleiten.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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