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Eintragung Grunddienstbarkeit über Gestattung und Duldung eines Tiefgaragenüberbaus

Komplexitäten Eigentumsrechtlicher Abgrenzung: Das OLG Frankfurt und die Tiefgaragenüberbauung

Der vorliegende Fall betrifft ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (Az.: 20 W 296/19) vom 22. Juli 2020. Es geht um die Eintragung einer Grunddienstbarkeit in Bezug auf die Gestattung und Duldung eines Überbaus einer Tiefgarage. Das Hauptproblem in diesem Rechtsfall ist die Bestimmung und Einhaltung von Eigentumsrechten im Kontext von architektonischen und baurechtlichen Komplikationen.

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Die Herausforderungen des Eigentumsrechts

Das Grundbuchamt hatte die Eintragung der Grunddienstbarkeit abgelehnt, da es der Auffassung war, dass das Recht eines Grundstückseigentümers, sein eigenes Grundstück zu bebauen, diesen Fall nicht abdeckt. Es ging in erster Linie um die Frage, ob das Wohngebäude, trotz der statischen Verzahnung mit dem Tiefgaragenbaukörper, als ein eigenständiges Bauwerk oder als ein wesentlicher Bestandteil des dienenden Grundstücks betrachtet werden sollte. Die rechtliche Herausforderung bestand darin, das Eigentumsrecht an dem neu errichteten Wohngebäude trotz der Verbindung mit der Tiefgarage zu erhalten.

Verhinderung des Anwachsens des Eigentums

Das eigentliche Ziel der Grunddienstbarkeit war es, zu verhindern, dass das Eigentum an dem geplanten Wohngebäude aufgrund der statischen Verzahnung mit dem Tiefgaragenkörper zum Bestandteil des Tiefgaragenbaukörpers wird. Die Sorge war, dass die Ablehnung der Eintragung der Grunddienstbarkeit zu rechtlichen Unsicherheiten über das Schicksal des Wohngebäudes führen könnte, sollte es zu einer Teilungsanforderung kommen.

Die Rolle des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht entschied, dass das Grundbuchamt die Eintragung der Grunddienstbarkeit zu Unrecht versagt hatte. Es stellte fest, dass das Recht, ein eigenes Grundstück zu bebauen, nicht die einzige Eigentümerpflicht ist. Es kam zu dem Schluss, dass eine Duldungspflicht des dienenden Grundstücks zur Bebauung, welche eine Tiefgarage auf dem herrschenden Grundstück errichtet hatte, durch eine Grunddienstbarkeit geregelt werden kann.

Das endgültige Urteil

Letztendlich stellte das OLG fest, dass die Ablehnung des Grundbuchamts die Eintragungsfähigkeit der Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtigt. Das Gericht entschied, dass es keiner weiteren Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens oder einer Wertfestsetzung bedurfte. Ebenso war keine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde notwendig, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung von Eigentumsrechten, selbst in komplexen baulichen Zusammenhängen, und betont die Rolle des Rechtssystems bei der Gewährleistung ihrer Einhaltung.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 296/19 – Beschluss vom 22.07.2020

Der Beschluss vom 07.11.2019 wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag vom 01.07.2019 nicht aus den Gründen des Zurückweisungsbeschlusses vom 07.11.2019 zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Eintragung einer Grunddienstbarkeit.

Im Grundbuch von Wiesbaden, Amtsgericht Wiesbaden, Blatt 45…, sind unter laufender Nummer … des Bestandsverzeichnisses die Flurstücke Gemarkung Wiesbaden, Flur 8…, Flurstück …03, Verkehrsfläche T.straße, und Flurstück …05/1, Gebäude- und Freifläche, T.straße, C.berg, verzeichnet. Als Eigentümer ist in Abt. I, laufende Nummer …, die Beschwerdeführerin zu 1) eingetragen.

Im Grundbuch von Wiesbaden-Innen, Amtsgericht Wiesbaden, Blatt 32…, ist unter laufender Nummer … des Bestandsverzeichnisses das Grundstück Gemarkung Wiesbaden, Flur 8…, Flurstück …06, Gebäude- und Freifläche, C.berg, verzeichnet. Als Eigentümerin ist in Abt. I, laufende Nummer …, die Beschwerdeführerin zu 2) eingetragen.

Auf den Flurstücken …03 und …05/1 errichtet die Beschwerdeführerin zu 1) eine Tiefgarage nebst Zufahrt, deren Gebäudekörper sich im Wege eines Überbaus auch auf weitere Flurstücke, darunter auch auf das im Eigentum der Beschwerdeführerin zu 2) stehende Flurstück …06 erstreckt. Der Überbau und der Betrieb der Tiefgarage ist durch die Eintragung von entsprechenden Grunddienstbarkeiten (Überbaudienstbarkeiten) rechtlich gewährleistet, die betreffend das Grundstück Flurstück …06 in Abt. II des Blattes 32… unter laufender Nummer … verzeichnet ist. Diese lautet:

Grunddienstbarkeit (Überbau- Gestattung und Duldung der ober- und unterirdischen Überbauung mit einer Tiefgarage) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Flur 8… Flurstücke …03 und …05/1 (Gemarkung Wiesbaden Blatt 45…, BV-Nr. …); Gleichrang mit Abt. II Nr. …; gemäß Bewilligung vom 25.02./21.03.2019 (UR-Nr. …2/19 und …5/19 Notar I. W.; Frankfurt am Main) eingetragen und nach § 9 GBO vermerkt am 23.05.2019.

In der der Eintragung zugrundeliegenden, noch in den Grundakten des Grundbuchs Gemarkung Wiesbaden, Blatt 40…, befindlichen Bewilligung vom 25.02.2019 (UR-Nr. …2/19) ist Folgendes vermerkt:

2.1.

Jeder der jeweiligen Eigentümer der Flurstücke …04, …05/2, …06 und …07 (dienende Grundstücke) gestattet die ober-/unterirdische Errichtung einer Tiefgarage durch den Eigentümer der Flurstücke …03 und …05/1 (herrschendes Grundstück) auf der in Anlage 4 blau markierten, maßstabsgetreu eingezeichneten Fläche und wird diesen Über-/Unterbau jeweils zu Lasten seines Flurstücks dulden.

Bei Errichtung der Tiefgarage sind folgende maximalen Höhen/Tiefen einzuhalten: …

Flurstück …06:

tiefster Punkt: Sohle Fundament QTG Ebene -1 = – 2,975m +119,63m üNN

höchster Punkt: Attika Verbindungsbau Ebene 7 = +21,40m = + 144,00m üNN

3.1

Jeder der jeweiligen Eigentümer der Flurstücke …04, …05/2, …06 und …07 (dienende Grundstücke) gestattet dem Eigentümer der Flurstücke …03 und …05/1 (herrschendes Grundstück), die mit dem Tiefgaragenbaukörper überbaute Grundstücksfläche des jeweils dienenden Grundstücks, welche in der Anlage 4 blau markiert eingezeichnet ist, zum Betrieb einer Parkgarage zu nutzen, insbesondere zum Begehen sowie Befahren und Abstellen von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern. Die Ausübung des jeweiligen Rech tes kann von dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks Dritten, wie z. B. beauftragen Unternehmen, Mietern oder Kunden, überlassen werden.

Der genannten Urkunde ist als Anlage 4 ein Lageplan beigefügt, aus dem sich die Lage der Tiefgarage ergibt.

In der ebenso in den Grundakten der Grundbuchs Gemarkung Wiesbaden, Blatt 40…, befindlichen Bewilligung vom 21.03.2019 (UR-Nr. …5/19) ist sodann Folgendes ergänzt:

2.1

Der 1. Absatz der Ziffer 2.1 der Bestellungsurkunde wird um Folgendes Satz ergänzt:

Die blau eingezeichnete Fläche bezeichnet Lage und Grenzen des Tiefgaragenbaukörpers auf dem herrschenden Grundstück und den dienenden Grundstücken.

Weges des weiteren Inhalts der Urkunden UR-Nr. …2/19 und …5/19 wird auf Bl. 11/1 ff. und 11/6 ff. der Grundakten der Grundbuchs Gemarkung Wiesbaden, Blatt 40… verwiesen.

Gemäß der Gesamtplanung beabsichtigt die Beschwerdeführerin zu 2), auf ihrem Grundstück ein zu Wohnzwecken bestimmtes Gebäude (Villa 5C5) zu errichten, das sich fast vollständig auf der Decke des Tiefgaragenkörpers befindet, so dass die Tiefgaragendecke bautechnisch das Gründungsfundament des geplanten Gebäudes Villa 5C5 bildet. Abgesehen von dieser statischen Verzahnung soll das Gebäude Villa 5C5 in seiner Funktion (Haustechnik, Versorgung ect.) völlig autark sein und keine weiteren notwendigen Verbindungen bautechnischer oder funktionaler Art zum Tiefgaragenkörper aufweisen.

Mit Antrag vom 01.07.2019 legte der beurkundende Notar dem Grundbuchamt des Amtsgerichts die Bestellung einer „Aufbaudienstbarkeit“ vom 25.06.2019, UR-Nr. 4…/2019, vor und beantragte, die Grunddienstbarkeit gemäß Ziffer 2.1. der vorbezeichneten Urkunde in Blatt 45… – einschließlich des Herrschervermerks in Blatt 32… – einzutragen.

§ 2 der genannten Urkunde lautet:

2.1 Q… KG und I… GmbH sind sich darüber einig, dass zu Lasten des Grundstücks Flurstück …03 und …05/1 (dienendes Grundstück) und zu Gunsten des Eigentümers des Flurstücks …06 (herrschendes Grundstück) eine Grunddienstbarkeit des Inhalts bestellt wird, wonach der Eigentümer des herrschenden Grundstücks berechtigt ist, innerhalb der in der Anlage 2 blau umrandeten und schraffierten Fläche von 225 m2 auf der Decke des Tiefgaragenbauwerkes ein Wohngebäude mit bis zu sechs Vollgeschossen zu errichten und zu halten. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks ist verpflichtet, den Aufbau und die Nutzung dieses Gebäudes auf dem in seinem Eigentum stehenden Tiefgaragenbaukörper zu dulden.

2.2. Q… KG als Eigentümer des dienenden Grundstücks bewilligt und I… GmbH als Eigentümer des herrschenden Grundstücks beantragt, vorstehende Grunddienstbarkeit zu Lasten des dienenden Grundstücks und zu Gunsten des herrschenden Grundstücks in das Grundbuch des dienenden Grundstücks einzutragen.

Die Grunddienstbarkeit ist auf dem Grundbuchblatt des herrschenden Grundstücks zu vermerken

2.3. Q… KG als Eigentümer des dienenden Grundstücks verzichtet auf eine Überbaurente. Die Eintragung des Verzichts auf die Überbaurente in das Grundbuch des dienenden Grundstücks wird allseits bewilligt und beantragt.

2.4. Die Grunddienstbarkeit soll Rang vor allen Eintragungen der Abteilung III des Grundbuchs haben. In Abteilung Il wird das Recht an rangbereiter Stelle eingetragen. Ist diese Rangstelle nicht sofort erreichbar, so ist der Notar berechtigt, die Eintragung zunächst an nächstoffener Rangstelle zu beantragen. Die Beteiligten beantragen und bewilligen die Eintragung der Rangverhältnisse.

2.5. Die gemäß § 1022 BGB bestehende Verpflichtung des Eigentümers des dienenden Grundstücks zur Unterhaltung des Tiefgaragenbauwerks als tragende Anlage im Interesse des Eigentümers des herrschenden Grundstücks bleibt unberührt. Gleiches gilt für die gesetzliche Unterhaltungspflicht des Eigentümers des herrschenden Grundstücks für seine Anlage gemäß § 1020 Satz 2 BGB.

Der Jahreswert der Grunddienstbarkeit beträgt 10.000,- €.“

Der Urkunde sind als Anlage 1 und Anlage 2 Lagepläne beigefügt, aus denen sich die genaue Lage der Flurstücke, der Tiefgarage und des Gebäudes 5C5 ergibt. Weges des weiteren Inhalts der Urkunde wird auf Bl. 12/1 ff. d.A. Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 07.11.2019 (Bl. 12/13 d.A.) hat das Amtsgericht – Grundbuchamt – den Antrag der Beschwerdeführerin zu 1) auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die beantragte Dienstbarkeit sei nicht eintragungsfähig. Die Befugnis des Grundstückseigentümers des Grundstücks Flur 8… Flurstück …06 (Blatt 32…) dieses zu bebauen, sei Bestandteil seiner Eigentümerrechte. Eine Duldungspflicht des Grundstücks Flur 8… Flurstücke …03 und …05/1 (Bl. 45…) zu dieser Bebauung, auch wenn dieses Grundstück im Wege des Überbaurechts berechtigt ist, auf dem in Blatt 32… eingetragenen Grundstück eine Tiefgarage zu errichten, sei hier nicht durch eine Dienstbarkeit auf dem dienenden Grundstück absicherbar.

Mit an das Oberlandesgericht gerichtetem Schriftsatz vom 06.12.2019 hat der beurkundende Notar im Namen der Beschwerdeführerin zu 1) und zu 2) Beschwerde gegen den Beschluss vom 07.11.2019 eingelegt.

Zur Begründung hat er Folgendes ausgeführt: Das die Eintragung ablehnende Grundbuchamt verkenne, dass es vorliegend nicht um die Duldung der Bebauung auf dem eigenen Grundstück des Eigentümers des herrschenden Grundstücks gehe, sondern um die eigentumsrechtliche Abgrenzung des zu errichtenden Wohngebäudes von einem Baukörper, der als wesentlicher Bestandteil eigentumsrechtlich zum dienenden Grundstück gehöre. Hierbei sei entscheidend, dass auf dem herrschenden Grundstück ein Bauwerk gar nicht errichtet werden könne, ohne den nicht im Eigentum des herrschenden Grundstücks stehenden Tiefgaragenkörper in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der Verzahnung würde das Wohngebäude in das Eigentum des dienenden Grundstücks gelangen (§§ 94, 93 BGB), jedenfalls dann, wenn dem Grundsatz einheitlichen Eigentums an einer Sache gegenüber der Bindung des Eigentums an einem Gebäude an das Eigentum an einem Grundstück der Vorzug zu geben sei. Die Grunddienstbarkeit solle das Anwachsen des Eigentums an dem geplanten Gebäude an den Tiefgaragenkörper verhindern, weil hierdurch das Wohngebäude trotz statischer Verzahnung mit dem Tiefgaragenbaukörper rechtlich nicht Bestandteil des Tiefgaragenbaukörpers und damit nicht rechtlicher Bestandteil des dienenden Grundstücks (§ 95 Abs. 1 S. 2 BGB) werde. Die Vorschriften der §§ 93, 94 und 95 Abs. 1 S. 2 BGB gälten nämlich nicht nur für die Verbindung eines Bauwerks mit einem Grundstück, sondern auch für die Verbindung eines Bauwerks mit einem Gebäude, das wesentlicher Bestandteil eines Grundstückes sei. Zwar bestünde mit Ausnahme der Verzahnung mit dem Tiefgaragenbaukörper keine weitere funktionale Einheit mit diesem, gleichwohl bestünden Zweifel, ob es unabhängig von der körperlichen bautechnischen Beschaffenheit für die Eigentumszuordnung nur auf die Betrachtung einer funktionalen Einheit ankomme. Vorliegend mache der Eigentümer nicht alleine von seiner eigentumsrechtlichen Berechtigung Gebrauch, sein eigenes Grundstück zu bebauen, sondern es gehe darum, den Verlust seines Eigentums an dem von ihm geplanten Wohngebäude infolge der statischen, für die Gründung existenziellen Verzahnung zu verhindern. Im schlimmsten Falle könne das Ergebnis dahingehend lauten, dass einem sich ausschließlich auf den Tiefgaragenbaukörper beziehenden Teilungsantrag nicht stattgegeben werde und das sachenrechtliche Schicksal der Villa 5C5 in Folge der Nichteintragung der Aufbaudienstbarkeit in der Schwebe bleibe.

Nachdem der Senat die Sache zur Entscheidung über die Abhilfe an das Amtsgericht – Grundbuchamt – gegeben hat, hat dieses mit Beschluss vom 17.12.2019 (Bl. 16/2 d.A.) der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beantragte Grunddienstbarkeit sei nicht eintragungsfähig. Das Recht zur Bebauung sei Bestandteil der Eigentümerrechte und nicht durch eine Grunddienstbarkeit zusätzlich absicherbar. Zudem sei eine Duldungspflicht des dienenden Grundstücks zur Bebauung, welches im Wege des Überbaurechts auf dem herrschenden Grundstück eine Tiefgarage errichtet habe, nicht durch eine Grunddienstbarkeit absicherbar.

Die Beschwerdeführer haben innerhalb gesetzter Frist zum Nichtabhilfebeschluss keine Stellung mehr genommen mit der Begründung, dass dieser keine neuen Gründe erkennen lasse.

II.

Die Beschwerde, über die gemäß §§ 72, 75 GBO nach der hier erfolgten Nichtabhilfeentscheidung durch die Rechtspflegerin des Grundbuchamts der Senat als Beschwerdegericht zu entscheiden hat, ist zulässig.

Das Amtsgericht – Grundbuchamt – hat zu Unrecht die Eintragung der verfahrensgegenständlichen Grunddienstbarkeit mit der Begründung versagt, sie sei aufgrund des Umstands, dass es Bestandteil der Eigentümerrechte sei, das eigene Grundstück zu bebauen, nicht eintragungsfähig, und auch eine Duldungspflicht des dienenden Grundstücks zur Bebauung, welches im Wege des Überbaurechts auf dem herrschenden Grundstück eine Tiefgarage errichtet habe, sei nicht durch eine Grunddienstbarkeit absicherbar.

Im Ausgangspunkt ist dem Grundbuchamt dabei zu folgen, dass nach der Gesetzeskonzeption einer Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB Berechtigter einer solchen der Eigentümer eines anderen Grundstücks ist (Palandt/Herrler, BGB, 79.Aufl. 2020, § 1018 Rn. 3), folglich sich etwa die Ausübungsstelle einer Grunddienstbarkeit regelmäßig auf dem anderen, dem dienenden Grundstück befindet, das somit dem herrschenden Grundstück einen Vorteil verschafft (§ 1019 BGB). Vorliegend ist die Ausübungsstelle der begehrten Dienstbarkeit zugunsten der Beschwerdeführerin zu 2) auf ihrem eigenen Grundstück liegend. Sie ist auch grundsätzlich – wie das Grundbuchamt zu Recht angeführt hat – berechtigt, ihr eigenes Grundstück zu bebauen, ohne dies durch eine Grunddienstbarkeit absichern zu müssen.

Auch die Voraussetzungen, unter denen die Eintragung einer Eigentümergrunddienstbarkeit zulässig wären, liegen nicht vor. Dafür müsste ein Eigentümer eines seiner eigenen Grundstücke zugunsten eines anderen, in seinem Eigentum stehenden Grundstücks belasten wollen (BGH, Urteil vom 08.04.1988, V ZR 120/87 – juris; Jauernig/Berger, 17. Aufl. 2018, § 1018, Rn. 8; beck-online-GROSSKOMMENTAR/Kazele, Stand 01.05.2020, § 1018, Rn. 182; zu den übrigen Voraussetzungen der Eigentümergrunddienstbarkeit vgl. Kazele, a.a.O., Rn. 183 ff. m.w.N.). Das ist aber vorliegend nicht der Fall, denn die Eigentümer der Flurstücke …03 und …05/1 sowie des Flurstücks …06, die Beschwerdeführerinnen zu 1) und zu 2), sind nicht identisch.

Gleichwohl erscheint es vorliegend sachgerecht und zulässig, die begehrte „Aufbau“-Grunddienstbarkeit zugunsten des im Eigentum der Beschwerdeführerin zu 2) stehenden Grundstücks Flur …06 als herrschendem Grundstück in das Grundbuch von Wiesbaden, Blatt 45…, gemäß Bewilligung vom 25.06.2019 (UR-Nr. 4…/2019 W) als dienendem Grundstück einzutragen und diese Grunddienstbarkeit im Grundbuch des herrschenden Grundstücks (Grundbuch von Wiesbaden-Innen, Bl. 32…) zu vermerken.

Vorliegend wird auf den Flurstücken …03 und …05/1 durch die Beschwerdeführerin zu 1) eine Tiefgarage nebst Zufahrt erbaut, deren Gebäudekörper sich im Wege eines Überbaus auch auf das im Eigentum der Beschwerdeführerin zu 2) stehende Flurstück …06 erstreckt. Der Überbau und der Betrieb der Tiefgarage ist durch die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit rechtlich gewährleistet, die betreffend das insoweit dienende Grundstück Flurstück …06 in Abt. II des Blattes 32… unter laufender Nummer … verzeichnet ist.

Nach h.M. fällt ein durch die vorherige Eintragung einer Grunddienstbarkeit abgesicherter Überbau als rechtmäßiger (anfänglich gestatteter) Überbau in das Eigentum des Eigentümers des Stammgrundstücks als dessen wesentlicher Bestandteil (§§ 94 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn Rechte i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB sind gerade Grunddienstbarkeiten (Ellenberger in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 95 BGB Rn. 5, m.w.N.). Wurde die Grunddienstbarkeit vor Baubeginn eingeräumt, so bewirkt sie nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass der übergebaute Gebäudeteil Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks ist und er wesentlicher Bestandteil des Gesamtgebäudes bleibt, auch wenn Gebäudeteile nicht auf dem Stammgrundstück, sondern allein auf dem Nachbargrundstück gelegen sind (OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.07.2011, 8 W 229/11, Rn. 18 m.w.N.). Daher spricht – ohne dass dies hier abschließend beurteilt werden kann – vorliegend viel dafür, dass der Tiefgaragenbaukörper wesentlicher Bestandteil des Grundstücks Flurstück …03-…05/1 sein wird.

Ob daraus auch folgt, dass der beabsichtigte Aufbau auf die Tiefgarage mit der Villa 5C5 durch deren Verbindung (Verzahnung) wesentlicher Bestandteil der Tiefgarage gemäß § 94 BGB wird und damit ins Eigentum der Eigentümerin des insoweit herrschenden Grundstücks, also der Beschwerdeführerin zu 1) fällt, wie die Beschwerdeführerinnen befürchten und zu verhindern trachten, kann vorliegend nicht beantwortet werden. Denn dies hängt u.a. auch von der tatsächlichen Bauausführung ab. Zur Beantwortung der Frage, ob ein einheitliches Gebäude und damit ein Überbau oder selbstständige Gebäude vorliegen, kann es neben der körperlichen bautechnischen Beschaffenheit auch auf die funktionale Einheit ankommen (BGH NJW-RR 1989, 1039; BGH NJW 2008, 1810; je m.w.N.), was demgemäß vor der Fertigstellung der Gebäude, die im Bau oftmals auch bautechnische Änderungen erfahren, nicht beurteilt werden kann.

Fest steht allerdings, dass die Eigentümerin des Flurstücks …06, also die Beschwerdeführerin zu 2), das Gebäude der Tiefgarage beeinträchtigen wird, sobald sie die darauf aufbauende Villa 5C5 mit dem Baukörper der Tiefgarage verzahnt. Insofern wird ihr die begehrte Dienstbarkeit gestatten, das Gebäude wie geplant auf der Tiefgarage zu errichten, was ihr – obwohl die Tiefgarage sich auf ihrem eigenen Grundstück befindet – ohne Eingriff in die Rechte der (etwaigen) Eigentümerin der Tiefgarage, der Beschwerdeführerin zu 1), nicht möglich wäre. Insoweit greift die Argumentation des Grundbuchamts, dem Eigentümer eines Grundstücks sei stets erlaubt, sein Grundstück zu bebauen, zu kurz. Vorliegend wird die Beschwerdeführerin zu 2) mit dem Bau der Villa 5C5 und deren Verzahnung in die aus der bereits eingetragenen Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Beschwerdeführerin zu 1) folgenden Rechte an der Tiefgarage eingreifen, was durch die begehrte Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Beschwerdeführerin zu 2) abgesichert werden kann. Ein Urteil darüber, in wessen Eigentum die Tiefgarage oder das darauf zu errichten beabsichtigte Gebäude steht, ist – wie bereits ausgeführt – damit nicht gesprochen. Die Eintragung der begehrten „Aufbau“-Grunddienstbarkeit wird jedoch dazu dienen, Zweifel an der Berechtigung der Beschwerdeführerin zu 2) bzw. des jeweiligen Eigentümers des Flurstücks …06 zum Aufbau der Villa 5C5 zu beheben und künftige Streitigkeiten über die Duldungspflicht der Beschwerdeführerin zu 1) bzw. des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Flur …03-…05/1 auszuschließen (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 15.11.2013, V ZR 24/13, Rn. 9), was zur Eintragungsfähigkeit der begehrten Grunddienstbarkeit ausreicht.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde bedarf es weder einer Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens noch einer Wertfestsetzung. Auch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst. Im Übrigen hätten auch die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen.

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