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Voraussetzungen der Löschung eines Nacherbenvermerks

OLG München – Az.: 34 Wx 151/11

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim – Grundbuchamt – vom 10. März 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 60.000 €.

Gründe

I.

Der 1945 verstorbene Theaterintendant Otto F. war Eigentümer eines Grundstücks. Nach dessen Tod wurde auf der Grundlage eines Erbscheins vom 14.3.1946 dessen Witwe Lily F. als Grundstückseigentümerin und in der Zweiten Abteilung des Grundbuchs zugleich folgender Nacherbenvermerk eingetragen:

„Nacherben des Otto F. sind die Söhne

a) Harald F., …

b) Otto F., z.Zt. noch in Kriegsgefangenschaft.

Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tod der Vorerbin. Die Nacherben sind auf dasjenige eingesetzt, was beim Tod der Vorerbin vom Nachlass übrig ist. Sollte einer der Nacherben vor der Witwe versterben, so soll sein Erbteil dem Bruder zufallen. Sollte einer der Brüder eheliche Leibeserben haben, so sollen diese an deren Stelle treten.“

Bei den beiden als Nacherben bezeichneten Personen handelt es sich um Söhne des Erblassers aus dessen erster Ehe, also um Stiefkinder der Vorerbin. Lily F. überließ mit Vertrag vom 19.2.1947 das Grundstück schenkungsweise an Babette Sp.; in der Urkunde ist als Motiv aufgeführt:

„Die Schenkung erfolgt mit Rücksicht darauf, dass die Beschenkte den verstorbenen Ehemann der Erbin während der langen Dauer seiner schweren Krankheit in vorbildlicher Weise sich seiner angenommen hat.“

Weiter heißt es, die Beteiligten wüssten, dass mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbfolge zwischen Schenkung und Eigentumsübertragung die Genehmigung der beiden Nacherben erforderlich sei. Ferner ist festgehalten:

„Frau F. erklärte zu vorstehender Schenkung, dass ihr verstorbener Mann wiederholt den Wunsch geäußert hat, dass im Fall einer Veräußerung des Vertragsgrundstücks dieses an Fräulein Sp. schenkungsweise übergehen soll.“

Die 1950 in das Grundbuch als Eigentümerin eingetragene Babette Sp. ist verstorben und wurde von Gertraud D. beerbt, die ihrerseits ins Grundbuch eingetragen wurde. Gertraud D. verstarb am 18.10.2007. Als Eigentümer des Grundstücks sind seit 17.6.2008 die Beteiligten zu 1 bis 4 in Erbengemeinschaft eingetragen. Eingetragen ist noch der Nacherbenvermerk.

Am 23.9.2010 haben die Beteiligten zu 1 bis 4 Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks gestellt. Sie halten das Rechtsgeschäft aus dem Jahr 1947 gegenüber den Nacherben für wirksam. Im Übrigen hätten die beiden nachkommenslosen und unverheirateten Nacherben den Nacherbfall nicht erlebt. Otto F. sei aus dem Zweiten Weltkrieg nicht heimgekehrt. Harald F. sei im Juli 1983 in Düsseldorf unverheiratet und ohne Leibesnachkommen verstorben. Spätestens mit dem Tod dieses letzten Nacherben sei die 1986 verstorbene Lily F. Vollerbin geworden.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 10.3.2011 den Antrag zurückgewiesen. Lily F. sei (befreite) Vorerbin gewesen; der Nachweis einer Anstandsschenkung sei nicht erbracht. Die Frage sei vielmehr unter den Beteiligten höchst umstritten gewesen. Von Vollerbschaft der Lily F. könne nicht ausgegangen werden. Hinsichtlich des 1983 verstorbenen Nacherben Harald F. ergebe sich aus den Nachlassakten, dass dieser ledig war und keine Abkömmlinge hatte. Für den im Zweiten Weltkrieg verschollenen Otto F. fehle zu Tod und Todeszeitpunkt eine Todeserklärung. Auch fehle der Nachweis, dass keine ehelichen Abkömmlinge vorhanden seien.

Hinsichtlich des Nacherben Harald F. sei das Nacherbenrecht grundsätzlich vererblich (vgl. § 2108 Abs. 2 BGB). Ob dies der Fall sei, wäre vom Nachlassgericht im Fall der Erteilung eines Erbscheins zu klären. Aus dem ursprünglichen – mit Beschluss vom 6.5.1986 als unrichtig eingezogenen – Erbschein vom 14.3.1946 gehe das nicht hervor. Der Nacherbe Harald F. habe in seinem Testament seine Stiefschwester als Alleinerbin eingesetzt, die allerdings die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen habe, indessen aber grundsätzlich anfechtungsberechtigt sei und als Erbin in Frage käme. Nur wenn ein unbedingter Vollerbschein vorgelegt werde, könne der Nacherbenvermerk gelöscht werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Sie meinen, es liege eine – nachgewiesene – Anstandsschenkung vor. Überdies habe der Nacherbe Harald F. die Schenkung später anerkannt. Der Übertragungsanspruch dürfte auch verjährt sein. Die Schenkende sei überdies Vollerbin geworden, weil die Nacherben vor ihr verstorben seien. Die Nacherbschaft sei auf die beiden Söhne und deren leibliche Nachkommen beschränkt gewesen. Leibliche Nachkommen gebe es nicht. Auf den Tod von Harald F. im Jahr 1983 und auf den Tod von Lily F. am 8.4.1986 habe sich niemand gemeldet.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beteiligten haben im Beschwerdeverfahren noch eine Erklärung der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht vom 18.4.2011 vorgelegt, nach der der gesuchte Otto F. durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg von Berlin vom 23.5.1967 für Tod erklärt worden sei. Überdies lagen dem Senat die Nachlassakten betreffend den Erblasser Otto F., dessen Ehefrau Lily (Anita) F. und den (Stief-) Sohn Harald F. vor.

II.

Die statthafte (§ 71 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässige (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Nach § 51 GBO ist bei der Eintragung eines Vorerben zugleich das Recht des Nacherben und, soweit der Vorerbe von den Beschränkungen seines Verfügungsrechts befreit ist, auch die Befreiung von Amts wegen einzutragen. Das Grundbuchamt hat dies auf der Grundlage des ursprünglich der Witwe Lily F. erteilten und mittlerweile eingezogenen Erbscheins vom 14.3.1946 abschließend vorgenommen. Der Erbschein, dem nach § 35 GBO volle Beweiskraft zukam, bewies das Bestehen des Erbrechts in dem bezeugten Umfang, in diesem Fall das Erbrecht des Vorerben (vgl. BayObLG JFG 6, 135/137; Demharter § 35 Rn. 29). Wird er später – etwa wie hier wegen Eintritts des Nacherbfalls – als unrichtig eingezogen, ist es Sache der Beteiligten, eine Grundbuchberichtigung herbeizuführen (vgl. OLG Köln FGPrax 2006, 85/86). Durch Löschung des Nacherbenvermerks berichtigt werden kann das Grundbuch grundsätzlich nur dann, wenn entweder derjenige sie bewilligt, dessen Recht von der Löschung betroffen ist (§ 19 i.V.m. § 22 Abs. 1 GBO), oder wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird (§ 22 Abs. 1 GBO).

a) Mit dem im Grundbuchverfahren in Gegenstand und Form limitierten Beweismitteln (§ 29 GBO) haben die Beteiligten den Nachweis nicht erbracht, dass die damalige Schenkung der Vorerbin an Babette Sp. eine solche war, durch die einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wurde (§ 2113 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. BGB). Die Schenkungsurkunde mit den darin enthaltenen Erklärungen der Veräußerin belegen deren Motivation für das Rechtsgeschäft, sind als solche jedoch nicht geeignet, den entsprechenden Nachweis zu führen. Das Grundbuchamt stellt zutreffend darauf ab, dass schon seinerzeit Streit zwischen dem Nacherben Harald F. und seiner Stiefmutter bzw. der Beschenkten bestand, inwieweit es sich bei der Überlassung des 1870 m² großen als Bauplatz ausgewiesenen Grundstücks um eine Anstandsschenkung handelte.

b)Ebenso wenig ist mit grundbuchtauglichen Mitteln (§ 29 GBO) nachgewiesen, dass die Nacherben der Verfügung zugestimmt hätten (vgl. Demharter § 51 Rn. 42 m.w.N.) oder dass der Übertragungsanspruch inzwischen verjährt wäre (vgl. § 2109 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

c) Der Nachweis, dass die Schenkerin, weil sie die Nacherben überlebt habe, Vollerbin geworden ist, ist nicht geführt. Dafür bedürfte es eines (neuen) Erbscheins nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO. Der der Vorerbin seinerzeit erteilte Erbschein aus dem Jahr 1946 war schon nicht geeignet, den Eintritt der Vollerbschaft zu beweisen. Überdies ließ sich jenem Erbschein auch nicht entnehmen, dass das Nacherbenrecht nicht vererblich ist. Die Unvererblichkeit wäre, als Ausnahme von der Regel des § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB, zu vermerken gewesen (OLG Köln NJW 1955, 633/635; Lang in Burandt/Rojahn § 2363 BGB Rn. 7). Daran ändert nichts der Umstand, dass als Nacherben die Söhne des Erblassers bestimmt waren (BGH NJW 1963, 1150/1151). In diesem Fall spricht allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Ausschluss und das vorrangige Motiv des Erblassers, den Nachlass über den Nacherbfall hinaus innerhalb der Familie zu halten, zumal hier keine Anhaltspunkte erkennbar sind, eine Regelung im eigenen Interesse der unmittelbar berufenen Abkömmlinge treffen zu wollen.

d) Indessen ist es dem Grundbuchamt hier versagt, im Berichtigungsverfahren eine derartige Auslegung zugunsten der Unvererblichkeit des Nacherbenrechts über den Kreis ehelicher Leibeserben hinaus vorzunehmen. Dies scheitert daran, dass die Erbfolge nach Otto F. auf einem privatschriftlichen Testament beruht. In diesem Fall ist der Nachweis der Erbfolge in Form eines Erbscheins gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO grundsätzlich zwingend (vgl. Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. § 35 Rn. 28/29). Eine Ausnahme wird etwa dann als zulässig erachtet, wenn die Erbfolge beim Grundbuchamt offensichtlich ist (vgl. Bauer/von Oefele § 35 Rn. 42/43; Demharter § 35 Rn. 8; unentschieden BayObLGZ 1989, 8/12 f.). Davon kann hier keine Rede sein. Dass die an einem Erbschein interessierten Beteiligten hier selbst nicht berechtigt sind, diesen zu beantragen (vgl. § 2353 BGB; dazu Palandt/Weidlich § 2353 Rn. 12/13), ändert daran nichts.

e) Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn das Grundbuchamt von einem Ausschluss der Vererblichkeit des Nacherbenrechts ausgehen könnte, zudem noch abschließend zu klären wäre, ob Nacherben bzw. die im Nacherbenvermerk bezeichneten Ersatznacherben vorhanden sind. Zwar mag für den Nacherben Harald F. deren Nichtvorhandensein aufgrund der Ermittlungen im dortigen Nachlassverfahren feststehen. Hinsichtlich des Nacherben Otto F. ist dies jedoch unbekannt und bisher nicht aufgeklärt. Der Nacherbenvermerk weist aus, dass Otto F. sich seinerzeit, d.h. bei Erteilung des Erbscheins am 14.3.1946, noch in Kriegsgefangenschaft befunden habe. Er soll entsprechend einem nun vorgelegten Schreiben der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht durch gerichtlichen Beschluss vom 23.5.1967 für tot erklärt worden sein. Dieser Beschluss selbst liegt nicht vor; der Todeszeitpunkt, der im Beschluss über die Todeserklärung festzustellen ist (§ 9 VerschG), ist unbekannt. Deshalb steht bereits nicht fest, ob Otto F. überhaupt den Erbfall erlebt hat und, sollte dies nicht der Fall sein, die testamentarische Regelung auch für diesen Fall eine (Ersatz-) Nacherbenregelung enthält. Überdies ist bislang nicht belegt, dass Otto F. keine ehelichen Leibeserben hatte und diese als Ersatznacherben in Frage kommen.

2. Der Senat sieht noch Anlass, anzumerken:

Es erscheint nicht ausgeschlossen, den fraglichen Nacherbenvermerk im Verfahren nach §§ 84 ff. GBO wegen Gegenstandslosigkeit zu löschen, wenn die Nacherbfolge nicht mehr besteht (siehe Hüger/Zeiser GBO 2. Aufl. § 84 Rn. 13) oder Berechtigte nicht zu ermitteln sind (Demharter § 84 Rn. 15; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 385). Das Grundbuchamt ist dabei im Amtserfahren nicht auf Nachweise beschränkt, die Beteiligte im Antragsverfahren vorlegen (Hügel/Zeiser § 84 Rn. 3). Es kann deshalb auch von Amts wegen (§ 26 FamFG) beispielsweise Sterbeurkunden beschaffen und die Erbfolge nach dem Sohn Otto F. klären. Für die Einleitung eines amtswegigen Verfahrens bedarf es zwar besonderer äußerer Umstände (vgl. § 85 Abs. 1 GBO), zu denen jedoch auch die Anregung von Beteiligten oder aber ein erfolgloser Berichtigungsantrag Anlass geben kann. Hier wird es eine Rolle spielen, dass die Beteiligten ohne vorwerfbares Verhalten ihrerseits offensichtlich außerstande sind, im Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO den erforderlichen Urkundennachweis zu erbringen (siehe auch Peter BwNotZ 1983, 49), etwa einen neuen Erbschein nach dem Erblasser Otto F. (senior) vorzulegen, der die (Voll-) Erbschaft der Lily F. bezeugt. Zudem besteht nach dem derzeitigen Kenntnisstand auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Amtsverfahren zur Löschung führen wird (Demharter § 85 Rn. 3). Zwar wird eine Löschung nach § 87 Buchst. a GBO voraussichtlich ausscheiden, weil sich die Gegenstandslosigkeit nicht aus Urkunden i.S.v.§ 29 GBO ergeben dürfte; indessen kommen in diesem Fall die Voraussetzungen nach § 87 Buchst. b und c GBO in Betracht.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO i.V.m. § 30 Abs. 1 KostO und orientiert sich am mutmaßlichen Grundstückswert.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 78 Abs. 2 GBO) nicht vorliegen.

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