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Notarhaftung – zwischen Pflichtverletzung und Schaden kein Ursachenzusammenhang

Kein Ursachenzusammenhang bei Notarhaftung

Das Oberlandesgericht Dresden wies die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig zurück, welches ihnen keinen Schadensersatz gegenüber der beklagten Notarin zusprach. Die Klage betraf die Beurkundung eines Kaufangebots für eine Eigentumswohnung. Das Gericht fand keinen ausreichenden Ursachenzusammenhang zwischen einer möglichen Pflichtverletzung der Notarin und dem geltend gemachten Schaden der Kläger.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 17 U 1717/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Zurückweisung der Berufung: Das OLG Dresden bestätigt die Entscheidung des Landgerichts Leipzig, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
  2. Kein Schadensersatzanspruch: Die Kläger haben keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Notarin.
  3. Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel: Die im Kaufangebot enthaltene Fortgeltungsregelung ist aufgrund eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB unwirksam.
  4. Kein Nachweis eines Ursachenzusammenhangs: Es konnte kein direkter Zusammenhang zwischen der Handlung der Notarin und dem Schaden der Kläger nachgewiesen werden.
  5. Prüfung der Amtspflichtverletzung: Ob die Notarin ihre Amtspflicht verletzt hat, bleibt ungeklärt, da kein Schaden nachweisbar ist.
  6. Keine Beweislastumkehr: Die Grundsätze der Beweislastumkehr im Bereich der Anlageberaterhaftung sind nicht auf die Notarhaftung übertragbar.
  7. Möglicher Neuabschluss des Kaufvertrags: Selbst wenn die Notarin auf das mögliche Erlöschen des Angebots hingewiesen hätte, wäre wahrscheinlich ein identischer Neuabschluss des Kaufgeschäfts erfolgt.
  8. Haftungsprivileg des Notars: Das Haftungsprivileg nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO wurde vom Landgericht erwähnt, jedoch war dessen Anwendung aufgrund des fehlenden Schadennachweises nicht entscheidend.

Der Fall des Wohnungserwerbs und die Notarhaftung

Im Kern des Falls steht der Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Kläger im Jahr 2007 für 75.998 Euro in einem denkmalgeschützten Anwesen in L. Der Kauf wurde über einen Kredit finanziert, mit dem Ziel, Mieteinnahmen zu generieren und Steuern zu sparen. Der Vertrag enthielt eine Bindefrist von vier Wochen und eine unbefristete Fortgeltungsregelung, die bis zu einem Widerruf des Angebots durch die Käufer Gültigkeit besaß. Die Notarin, gegen die sich die Klage richtet, beurkundete die Annahmeerklärung der Verkäuferin, indem sie feststellte, dass das Angebot aufgrund des ausbleibenden Widerrufs noch gültig sei.

Streit um die Gültigkeit der Fortgeltungsklausel

Die rechtliche Kontroverse entzündete sich an der Frage der Gültigkeit der Fortgeltungsklausel im Kaufvertrag. Die Kläger argumentierten, diese Klausel sei als allgemeine Geschäftsbedingung der Verkäuferin aufgrund unangemessener Benachteiligung der Verwendungsgegner unwirksam, wodurch das Kaufangebot zum Zeitpunkt der Annahme bereits erloschen gewesen sei. Sie forderten Schadenersatz, hauptsächlich in Form der Rückzahlung des Kaufpreises und der damit verbundenen Kosten.

Das Urteil des OLG Dresden: Kein Schadensersatzanspruch

Das Oberlandesgericht Dresden entschied, dass die Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Notarin haben. Es bestätigte, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ein Angebot unbefristet fortbestehen lassen, auch wenn sie widerruflich sind, nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam sind. Allerdings konnte das Gericht keinen direkten Ursachenzusammenhang zwischen einer möglichen Pflichtverletzung der Notarin und einem entstandenen Schaden der Kläger feststellen.

Rechtliche Erwägungen und Entscheidungsgründe

Die Notarin hätte möglicherweise eine Amtspflicht verletzt, indem sie die Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel im Kaufangebot nicht erkannte. Jedoch stellte das Gericht fest, dass selbst wenn sie auf das mögliche Erlöschen des Angebots hingewiesen hätte, dies wahrscheinlich zu einem identischen Neuabschluss des Kaufgeschäfts geführt hätte. Die Kläger hätten ihrerseits keinen Gebrauch von ihrem Widerrufsrecht gemacht. Zudem wären sie vermutlich nicht von ihrem Kaufentschluss abgerückt, selbst wenn sie erneut mit der Entscheidung konfrontiert worden wären. Das Gericht wies darauf hin, dass die Kläger bereits die Finanzierung des Kaufpreises gesichert hatten und keine Anzeichen für eine rasch eingetretene Kaufreue vorlagen.

In diesem komplexen rechtlichen Szenario wurde die Berufung der Kläger zurückgewiesen, und es wurde bestätigt, dass sie keinen Anspruch auf Schadensersatz haben. Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit einer genauen Prüfung der Vertragsklauseln und der daraus resultierenden rechtlichen Verpflichtungen, sowohl für Notare als auch für die Vertragsparteien.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was versteht man unter Notarhaftung im Kontext der Beurkundung von Kaufverträgen?

Die Notarhaftung bezieht sich auf die Haftung eines Notars für Schäden, die aus einer Pflichtverletzung bei der Ausführung seiner amtlichen Tätigkeiten entstehen. Im Kontext der Beurkundung von Kaufverträgen kann dies beispielsweise der Fall sein, wenn der Notar es unterlässt, die Vertragsparteien über bestimmte Aspekte, wie etwa bestehende grundbuchrechtliche Eigentumsbelastungen, aufzuklären.

Die Notarhaftung ist im Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt, insbesondere der § 19 BNotO ist relevant, der die Haftung bei Amtspflichtverletzungen normiert. Um Schadensersatzansprüche gegen einen Notar geltend zu machen, müssen die betroffenen Personen nachweisen oder glaubhaft machen, dass ein Schaden aufgrund einer Pflichtverletzung des Notars entstanden ist.

Ein Beispiel für eine solche Pflichtverletzung wäre, wenn ein Notar bei der Beurkundung eines Kaufvertrags über eine Immobilie es unterlässt, die Käufer auf das Risiko hinzuweisen, dass sie gegenüber dem Bauträger eine ungesicherte Vorleistung zu erbringen haben.

Ein weiteres Beispiel wäre, wenn der Notar bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags es unterlässt, mit den Beteiligten die Notwendigkeit von Leitungs- und Wegerechten zu erörtern, wenn das zu verkaufende Grundstück nicht an eine öffentliche Straße angebunden ist.

Die Berufshaftpflichtversicherung muss sämtliche Fälle, die aufgrund von Pflichtverletzungen des Notars entstehen, abdecken. Das betrifft beispielsweise auch die Haftung für Mitarbeiter des Notariats. Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Notar gemäß § 19 Absatz 1 Bundesnotarordnung nur dann, wenn Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

Es ist zu betonen, dass die Klägerseite beweisen muss, dass der Notar seine Beurkundungs- und Sorgfaltspflichten verletzt hat und genau dies zu einem Schaden geführt hat.

Inwiefern kann eine Pflichtverletzung seitens des Notars zu Schadensersatzansprüchen führen?

Eine Pflichtverletzung seitens des Notars kann zu Schadensersatzansprüchen führen, wenn der Notar vorsätzlich oder fahrlässig seine Amtspflichten verletzt. Dies ist in § 19 der Bundesnotarordnung (BNotO) festgelegt.

Ein Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass der Notar eine Pflichtverletzung begangen hat und dass dem Betroffenen durch diese Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Die Pflichten eines Notars bei der Ausübung seines Amtes können § 14 BNotO und der einschlägigen Rechtsprechung entnommen werden.

Ein Beispiel für eine solche Pflichtverletzung wäre, wenn der Notar eine gebotene Belehrung und Aufklärung unterlässt. Ein weiteres Beispiel wäre, wenn der Notar einen Kaufvertrag vollzieht, ohne vorherige Abklärung mit den Käufern.

Die Haftung des Notars ist jedoch subsidiär, das heißt, sie tritt erst dann ein, wenn keine andere Ersatzmöglichkeit besteht. Ein weiterer Haftungsausschluss besteht, wenn der Geschädigte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Es ist zu erwähnen, dass Notare für vorsätzliche oder fahrlässige Amtspflichtverletzungen haften und entsprechend zum Schadensersatz verpflichtet sind. Bei Fahrlässigkeit ist der Schadensersatzanspruch insoweit begrenzt, als nicht auf andere Weise Ersatz möglich ist.

Insgesamt zeigt sich, dass die Pflichtverletzung eines Notars zu erheblichen Schadensersatzansprüchen führen kann, die sowohl den Notar als auch die betroffenen Parteien erheblich belasten können. Daher ist es für Notare von großer Bedeutung, ihre Amtspflichten sorgfältig und gewissenhaft zu erfüllen.

Was bedeutet der Ursachenzusammenhang im Rahmen der Notarhaftung?

Der Begriff „Ursachenzusammenhang“ im Rahmen der Notarhaftung bezieht sich auf die Verbindung zwischen der Pflichtverletzung des Notars und dem entstandenen Schaden. Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen muss nachgewiesen werden, dass der Schaden tatsächlich durch die Amtspflichtverletzung des Notars verursacht wurde. Dieser Nachweis ist Teil der haftungsausfüllenden Kausalität. Der Geschädigte muss darlegen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars genommen hätten und wie sich seine Vermögenslage darstellen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht stattgefunden hätte.

Im juristischen Kontext wird oft von einer „haftungsausfüllenden Kausalität“ gesprochen, die den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden beschreibt. Dem Geschädigten kommt dabei die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute, was bedeutet, dass er nicht den vollen Beweis im Sinne einer absoluten Gewissheit erbringen muss, sondern es genügt, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs dargelegt wird.

In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde beispielsweise festgestellt, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung des Notars nicht kausal für einen Schaden des Käufers war, da nicht angenommen werden konnte, dass zwischen ihm und den Verkäufern ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen wäre, selbst wenn der Notar pflichtgemäß gehandelt hätte. In einem anderen Fall wurde klargestellt, dass die Frage, wie sich der Auftraggeber des Notars bei amtspflichtgemäßem Handeln verhalten hätte, vollständig zu dem vom Kläger zu beweisenden Ursachenzusammenhang gehört.

Welche Rolle spielt das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO in der Notarhaftung?

Das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO spielt eine wichtige Rolle in der Notarhaftung. Es besagt, dass ein Notar nur dann für fahrlässige Amtspflichtverletzungen haftet, wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Dies wird als subsidiäre Haftung bezeichnet.

Dieses Haftungsprivileg bedeutet, dass der Notar nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn keine andere rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit besteht, Ersatz zu erlangen. Beispielsweise könnte der Geschädigte möglicherweise Ersatz durch die Geltendmachung von Ansprüchen wegen vertraglicher Pflichtverletzungen gegen andere Beteiligte, wie Rechtsanwälte oder Steuerberater, erlangen.

Ein weiterer Aspekt dieses Haftungsprivilegs ist, dass der Geschädigte darlegen muss, dass keine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht. Im Streitfall hat er dies als negative Anspruchsvoraussetzung zu beweisen.

Es ist auch zu beachten, dass ein weiterer Haftungsausschluss besteht, wenn der Geschädigte es schuldhaft versäumt hat, den Schaden durch den rechtzeitigen Gebrauch von Rechtsmitteln abzuwenden.

Insgesamt dient das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO dazu, die Haftung des Notars auf Fälle zu beschränken, in denen der Geschädigte sonst keinen Ersatz für seinen Schaden erhalten könnte. Es stellt sicher, dass der Notar nicht für Schäden haftet, die der Geschädigte durch andere Mittel ausgleichen könnte.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 17 U 1717/14 – Urteil vom 30.03.2015

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 28.10.2014 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und nunmehr auch das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

– Streitwert der Berufung: bis 80.000,00 € –

Gründe

I.

Die nahe S. wohnhaften Kläger erwarben im Jahre 2007 eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 75.998,00 € in einem denkmalgeschützten Anwesen in L.. Dieses hatte die Verkäuferin, die E. … GmbH mit Sitz im niedersächsischen G., im September 2006 gemäß § 8 WEG in 19 Wohnungseigentumseinheiten aufgeteilt und war seinerzeit noch zu sanieren. Der kreditfinanzierte Erwerb sollte dazu dienen, Mieteinnahmen zu erzielen und Steuern zu sparen. Die Kläger gaben ihr Kaufangebot mit einer vereinbarten Bindefrist von vier Wochen und einer unbefristeten Fortgeltungsregelung nach Ablauf der Bindefrist (bis zu einem käuferseitigen Widerruf des Angebots) am 22.11.2006 vor einer Stuttgarter Notarin ab. Die Beklagte beurkundete am 16.01.2007 die Annahmeerklärung der Verkäuferin. Dabei stellte sie ausdrücklich fest, dass das Angebot mangels erklärten Widerrufs noch wirksam sei. Geraume Zeit später wurden die Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Unter Hinweis auf jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und das durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig gewordene Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 05.10.2012 – 3 U 42/12 (juris) meinen die Kläger, die Beklagte habe mit der Beurkundung der Annahme gegen ihre auch ihnen gegenüber obliegenden Amtspflichten verstoßen. Die im Kaufangebot enthaltene Fortgeltungsregelung sei als allgemeine Geschäftsbedingung der Verkäuferin aufgrund unangemessener Benachteiligung der Verwendungsgegner unwirksam, das Kaufangebot daher im Zeitpunkt der Annahme bereits erloschen gewesen. Die Kläger verlangen von ihr Schadenersatz in Gestalt vornehmlich der Erstattung des Kaufpreises (75.998.00, EUR) nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung des Wohnungseigentums, daneben Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten (3.989,48 EUR)

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und den getroffenen Feststellungen wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagten komme das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO zugute, weil sie keinesfalls vorsätzlich Amtspflichten verletzt habe und den Klägern zuzumuten sei, zunächst die solvente Verkäuferin in Anspruch zu nehmen. Überdies bestünden erhebliche Bedenken, ob die Kläger Anfang 2007 tatsächlich vom Abschluss des Kaufvertrages Abstand genommen hätten, wären sie von der Beklagten darauf aufmerksam gemacht worden, dass ihr Kaufangebot aus Rechtsgründen – wegen Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel – erloschen sei.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgen die Kläger ihre abgewiesenen Klageanträge unverändert weiter. Sie beanstanden die Erwägungen des Landgerichts sowohl zu § 19 Abs. 2 S. 2 BNotO als auch zur Kausalität.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und die Protokolle der Verhandlungen vor dem Landgericht und dem Senat Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Schäden.

1. Seit dem Jahre 2013 ist höchstrichterlich geklärt, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen das Angebot des anderen Teils unbefristet fortbesteht und vom Verwender jederzeit angenommen werden kann, auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar sind, wenn das Angebot nicht langfristig bindend, sondern widerruflich ist (grundlegend BGH, Versäumnisurteil vom 07.06.2013 – V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 und seither ständig). Hieran gemessen ist die in der Angebotsurkunde vom 22.11.2006 enthaltene Fortgeltungsregelung aufgrund Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Denn aufgrund ihrer gleichlautenden Verwendung in etlichen dem Senat bekannten Angeboten Dritter aus dem gesamten Bundesgebiet, die von derselben Verkäuferin etwa zur selben Zeit eine Wohnung gekauft haben, besteht kein Zweifel am Vorliegen einer von der Verkäuferin stammenden allgemeinen Geschäftsbedingung; das stets wortgleiche Wiederkehren derselben Fortgeltungsregelung war weder Zufall noch gar Ergebnis offener Gespräche zwischen jeweiligem Käufer und Verkäuferin. Dementsprechend war das Angebot der Kläger vom 22.11.2006 mit Ablauf der – für sich betrachtet rechtlich unbedenklichen (vgl. BGH NJW 2010, 2873) – Angebotsbindefrist von vier Wochen bereits im Dezember 2006 erloschen und konnte am 16.01.2007 nicht mehr angenommen werden. Den Geschäftsbedingungscharakter der Fortgeltungsklausel konnte die Beklagte erkennen, zumal aufgrund ihrer wiederholten Beurkundungen von Annahmeerklärungen der Verkäuferin.

2. Dies vorweggeschickt kann dahinstehen, ob die Beklagte, indem sie am 16.01.2007 die Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel im Kaufangebot nicht erkannte und deshalb eine Annahmeerklärung beurkundete, ohne die Vertragsparteien zuvor oder in der Annahmeurkunde darauf hinzuweisen, dass das angenommene Angebot womöglich schon erloschen war, eine ihr (gerade auch) den Klägern gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat und, wenn ja, ob sie insoweit ein Verschulden trifft. Denn der geltend gemachte Schadensersatzanspruch, als dessen Grundlage allein § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO in Frage kommt, scheitert in jedem Falle daran, dass der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht festgestellt werden kann.

a) Ob und welchen Schaden eine Amtspflichtverletzung zur Folge hat, beantwortet sich danach, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars genommen hätten und wie die Vermögenslage des Geschädigten sein würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen hätte. Besteht die behauptete Pflichtverletzung (schwerpunktmäßig) in einem Unterlassen des Notars – hier in dem Unterlassen eines Hinweises an die Verkäuferin und die Kläger, dass das Angebot möglicherweise schon mit Ablauf der Bindefrist im Dezember 2006 erloschen war -, so ist zu untersuchen, wie die Dinge sich bei pflichtgemäßem positiven Handeln des Notars – hier also Erteilung dieses Hinweises – entwickelt hätten. Die erforderliche Feststellung des Ursachenzusammenhangs gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, so dass dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zugute kommt. Schuldet der Notar einen bestimmten Hinweis oder eine Belehrung, so streitet der erste Anschein dafür, dass die Beteiligten dem gefolgt wären. Das gilt allerdings nur dann, wenn bei ordnungsgemäßem Notarverhalten nach der Lebenserfahrung lediglich eine bestimmte Reaktion nahe gelegen hätte oder sämtliche vernünftigen Verhaltensmöglichkeiten identische Schadensbilder ergeben hätten. Besteht dagegen nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern kommen verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht und bergen sämtliche gewisse Risiken in sich, ist für einen Anscheinsbeweis kein Raum; dann greift die Vermutung für sog. beratungsgerechtes Verhalten nicht ein (BGH NJW-RR 2009, 199; OLG Hamm, Urteil vom 23.03.2012 – 11 U 72/11, juris).

Die letztgenannte Einschränkung macht der Bundesgerichtshof für die Haftung von Anlageberatern seit Kurzem nicht mehr. Zur Begründung hat er ausgeführt, bei der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens handele es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung. Diese greife bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein. Das Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonflikts sei mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren. Der Zweck der Aufklärungs- und Beratungspflichten, nämlich den Anlegern eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluss bestimmter Geschäfte zu ermöglichen, werde nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung bedingt seien, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gingen und dieser die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung zu beweisen habe (BGHZ 193, 159).

Diese modifizierte höchstrichterliche Rechtsprechung im Bereich der Anlageberaterhaftung lässt sich nicht auf die Notarhaftung übertragen. Bereits im Ausgangspunkt geht der Bundesgerichtshof bei der Notarhaftung (lediglich) vom Eingreifen eines Anscheinsbeweises aus, wonach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sich der Beratene beratungsgerecht verhält. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 193, 159 die Abkehr von seiner bisherigen Linie ausdrücklich auf den Bereich der Kapitalanlageberatung beschränkt und durch die Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten, wie z.B. zum Arzthaftungsrecht, deutlich gemacht, dass insoweit (unverändert) andere Maßstäbe gelten mögen. Schließlich steht einer Übertragbarkeit auf die Notarhaftung entgegen, dass die notariellen Aufklärungs- und Beratungspflichten im Regelfall – und so auch hier – gerade nicht die wirtschaftlichen Risiken des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts erfassen; dies ist bei den (Kapital-)Anlageberatern grundlegend anders.

Mit dieser Sichtweise liegt der Senat auf einer Linie mit den beiden den Parteien bekannten Urteilen des Oberlandesgerichts Celle vom 05.10.2012 – 3 U 42/12 und vom 19.12.2012 – 3 U 102/12 zu Konstellationen der vorliegenden Art. Auch Schick (ZNotP 2013, 362 ff.), der beim Bundesgerichtshof dem für Notarhaftungssachen zuständigen III. Zivilsenat vorsitzt, hat die unveränderte Gültigkeit der bisherigen Rechtsprechung bekräftigt. Zu der zur Sondervorschrift des § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG ergangenen Entscheidung des III. Zivilsenats vom 07.02.2013 (BGHZ 196, 166) hat er erläutert, die dortigen Kläger wären bei Einhaltung der Regelfrist mutmaßlich „zur Besinnung gekommen“, was sich daran zeige, dass sie schon kurze Zeit nach der Beurkundung eine Rückgängigmachung des Vertrages angestrebt hätten (ZNotP 2013, 364). Eine Beweislastumkehr gibt es nach seinen Ausführungen dagegen nicht. Vielmehr würden Klagen gegen den Notar vielfach deshalb abzuweisen sein, weil sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lasse, dass der Verbraucher bei Einhaltung der zweiwöchigen Regelfrist den Vertrag nicht wie geschehen abgeschlossen hätte (ZNotP 2013, 366). Der für die Haftung der Rechts- und Steuerberater zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs schließlich hat jüngst, kurz und bündig im Rahmen der Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde, ebenfalls entschieden, dass sich Beweiserleichterungen für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung (dort eines Rechtsberaters) und Schaden nach wie vor nach den bewährten Grundsätzen des Anscheinsbeweises bestimmen (BGH, Beschluss vom 15.05.2014 – IX ZR 267/12, NJW 2014, 2795).

b) Hätte die Beklagte im Januar 2007 – anders als in vergleichbaren Fällen die ganz große Mehrzahl der Notare, der Grundbuchämter und der sonstigen Rechtsgelehrten – die Unwirksamkeit der Fortgeltungsklausel im Kaufangebot der Kläger ernstlich für möglich gehalten und hierauf, nach damaligem Erkenntnis- und Meinungsstand durchaus mutig, zunächst die Verkäufer- und dann gegebenenfalls auch die Käuferseite hingewiesen, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Scheitern, sondern zu einem identischen „Neuabschluss“ des Kaufgeschäftes gekommen.

Keinesfalls war die Beklagte seinerzeit gehalten, die eine oder die andere Vertragspartei über mögliche wirtschaftliche Vor- und Nachteile des zu beurkundenden Geschäfts aufzuklären. Abzuverlangen war ihr in der damaligen Situation allenfalls der Hinweis, dass die Regelung zur Fortgeltung des Angebots nach Ablauf der Bindefrist (bis zu einem Widerruf der Kläger) als Formularklausel unwirksam, das Angebot deshalb bereits erloschen gewesen sein konnte. Hätte sie diesen Hinweis gegeben, wären weder die zweifellos unverändert verkaufsinteressierte Verkäuferin noch die Kläger von ihrem jeweils durch Abgabe notariell beurkundeter Vertragserklärungen dokumentierten Verkaufs- bzw. Kaufentschluss abgerückt. Namentlich die Kläger hätten zwar nochmals Gelegenheit gehabt, ihren Erwerbsentschluss zu überdenken, wären dabei aber voraussichtlich zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Die im Kaufangebot vom 22.11.2006 vorgesehene Möglichkeit des Widerrufs nach Ablauf der vierwöchigen Bindefrist hatten sie weder zur Weihnachtszeit noch zu Beginn des neuen Jahres genutzt. Für eine rasch eingetretene Kaufreue gibt es keine Anhaltspunkte. Das zu behebende „Vertragsabschlussproblem“ wäre im Falle seiner Bekanntgabe auch keines gewesen, das ihnen zu gesteigertem Misstrauen gegenüber der Verkäufer- und/oder Vermittlerseite Anlass hätte geben können. Vielmehr hätte es sich vom Vertrieb ohne Weiteres als eine unverhoffte gewisse Schwierigkeit beschreiben lassen, auf die nur besonders kluge und vorsichtige Juristen kommen könnten. Den ursprünglichen Kaufentschluss zu revidieren, wäre den Klägern auch im Übrigen nicht ernstlich in den Sinn gekommen, hätten sie sich im Januar 2007 von Neuem mit der/einer Kaufentscheidung konfrontiert gesehen. Ihr erster Entschluss war, legt man die eigenen Angaben des angehörten Klägers in der Berufungsverhandlung zugrunde, keineswegs von heute auf morgen gefallen, sondern über ungefähr vier Wochen hinweg gereift: Dem ersten Anruf der Vermittlungsfirma und dort des Mitarbeiters B. folgten zwei Termine im Büro des Herrn B., wobei der Kläger den ersten allein und den zweiten zusammen mit seiner Ehefrau wahrnahm. Erst danach kam es zur Beurkundung des Kaufangebotes. Gegen eine hypothetische Abstandnahme der Kläger vom Kaufgeschäft spricht weiter, dass sie in der Zeit von Ende November 2006 bis Mitte Januar 2007 anscheinend die Finanzierung des Kaufpreises bei der (heute so firmierenden) P. .. GmbH zugesagt erhalten hatten. Bei Nichtabnahme dieses Darlehens hätte ihnen gegenüber dem Kreditinstitut eine Entschädigungsverpflichtung gedroht. Aus Gründen, die im Kaufobjekt selbst oder in Modellrechnungen der Vermittlerfirma wurzelten, hätten die Kläger bei nochmaligem Überdenken ebenfalls keine andere Entscheidung getroffen. Die Wohnung war, wie sie spätestens seit Angebotsabgabe wussten, zusammen mit dem insgesamt zu sanierenden denkmalgeschützten Anwesen, das sich in guter bis sehr guter Lage von L. befindet, voraussichtlich frühestens Ende 2007 vermietungsfähig. Eine Besichtigung vor Ort hätte also nur wenig Erkenntnisse gebracht; eine solche hatten sie denn auch vor dem 22.11.2006 nicht vorgenommen und haben es erst mehrere Jahre später erstmals getan. Da die Wohnung im Januar 2007 unvermietet war, hätten die Kläger auch nicht einen tatsächlich vereinbarten Mietzins mit demjenigen Ansatz abgleichen können, der in Berechnungsbeispielen der Vermittlerfirma enthalten gewesen sein mag. Ob die erhofften Steuervorteile im beworbenen Umfang eintreten würden, hätten sie ohne Hinzuziehung fachkundigen Rates (die Klägerin selbst begann später, im Jahr 2008, ihre Ausbildung zur Steuerberaterin), den sie vor Abgabe des (Erst-)Angebots nicht eingeholt hatten, im Januar 2007 schwerlich beurteilen können. Denn der genaue Umfang erzielter Steuervorteile lässt sich erst anhand später ergehender Einkommensteuerbescheide im Nachhinein ablesen bzw. nachvollziehen. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat schließlich auch sonst nichts Greifbares benennen können, was dafür spricht, dass er und seine Ehefrau, wären sie im Januar 2007 von der Beklagten auf ein Erloschensein des Kaufangebotes hingewiesen worden, vom Erwerb Abstand genommen hätten.

3. Ist das Schadensersatzbegehren der Kläger schon aus dem vorbezeichneten Grunde unberechtigt, kommt es nicht mehr darauf an, ob zugunsten der Beklagten, wie das Landgericht gemeint hat, das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO eingreifen würde.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), gibt es nicht.

 

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