OLG Jena – Az.: Lw W 292/16 – Beschluss vom 05.08.2016
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Erfurt vom 08.01.2016 – Nichtabhilfeentscheidung vom 13.05.2016 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig abgewiesen wird.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,- € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen die Erteilung eines Zeugnisses nach § 5 GrdstVG (im folgenden Negativattest) für den im Betreff bezeichneten Grundstückskaufvertrag über das Grundstück in der Gemarkung H, Flur 1, Flurstück 22/4. Der Antragsteller ist als hauptberuflicher Gärtner tätig und betreibt auf dem in seinem Eigentum stehenden Nachbargrundstück seinen Gärtnereibetrieb. Er nutzt auf unklarer Rechtsgrundlage eine Teilfläche des verkauften Grundstücks für seinen Betrieb und sieht deren weitere Nutzung für den Fortbestand seines Betriebes als unabdingbar an. Versuche, die Teilfläche oder das Grundstück insgesamt anzupachten, scheiterten in der Vergangenheit. Nachdem der Urkundsnotar bei der Beteiligten zu 2 die grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigung des Vertrages beantragt hatte, erteilte die Genehmigungsbehörde ein Negativattest. Sie ging davon aus, bei der verkauften Fläche handele es sich nicht um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, so dass eine Genehmigungspflicht nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nicht bestehe.
Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht W. erhoben und beantragt, die grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigung unter Aufhebung des Negativattests zu versagen.
Er meint, bei dem verkauften Grundstück handele es sich – für die Genehmigungsbehörde erkennbar – um eine landwirtschaftliche Fläche, so dass die Veräußerung genehmigungspflichtig sei. Das Negativattest sei mithin ein rechtswidriger Verwaltungsakt, den das Landwirtschaftsamt – unabhängig von der Antragsberechtigung des Antragstellers – zurücknehmen müsse. Der Vertrag sei nicht genehmigungsfähig, weil der Käufer Nichtlandwirt sei und mit dem Antragsteller ein erwerbswilliger und -fähiger Haupterwerbslandwirt vorhanden sei, der das Grundstück dringend für seinen Betrieb benötige. Es liege mithin der Versagungsgrund der ungesunden Bodenverteilung vor.
Die Genehmigungsbehörde hält den Antragsteller für nicht antragsberechtigt.
Das Verwaltungsgericht hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 30.09.2015 die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges festgestellt und die Sache an das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Erfurt verwiesen. Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 08.01.2016 – nach den Entscheidungsgründen als unbegründet – abgewiesen. Der Antragsteller sei als nicht an dem Kaufvertrag beteiligter Dritter weder nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 22 GrdstVG) noch nach Sinn und Zweck der vom Antragsteller als verletzt angesehenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG berechtigt, Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Der Versagungsgrund der ungesunden Bodenverteilung bezwecke nach der ganz einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung den Schutz und die Verbesserung der Agrarstruktur allein im öffentlichen Interesse, diene aber nicht dem Schutz einzelner Landwirte. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten nimmt der Senat Bezug auf die angefochtene Entscheidung und die Schriftsätze.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Die Auffassung des Landwirtschaftsgerichts würde bedeuten, dass der Antragsteller als tatsächlicher Nutzer des Grundstücks durch die rechtswidrige Erteilung des Negativattests, das schon die Einleitung des Genehmigungsverfahrens und die damit verbundene Prüfung des Versagungsgrundes der ungesunden Bodenverteilung von vornherein unterbinde, völlig rechtlos gestellt werde. Es bestünde danach in derartigen Fällen keine Möglichkeit, das dem Schutz der Agrarstruktur zuwider laufende Handeln der Genehmigungsbehörde einer Prüfung zu unterziehen. Das stehe weder mit der Verpflichtung der Behörde zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte (§ 48 ThürVwVfG) noch mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in Einklang. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Beschwerdebegründung. Die anderen Beteiligten verteidigen, soweit sie von ihrer Stellungnahmemöglichkeit Gebrauch gemacht haben, die angefochtene Entscheidung. Das Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.
Der Senat hat den Beteiligten zu 4 als zuständige Berufsvertretung am Beschwerdeverfahren beteiligt; er hat sich mit Schriftsatz vom 27.07.2016 zur Sache geäußert, hält die Erteilung des Negativattests für rechtswidrig und rügt mangelnde Sachaufklärung sowie Verfahrensfehler der Genehmigungsbehörde. Zur Frage der Antragsberechtigung des Antragstellers verhält sich der Schriftsatz, auf den der Senat hinsichtlich der Einzelheiten Bezug nimmt, nicht.
Die Beschwerde ist nach den §§ 9 LwVG, 58 ff. LwVG an sich statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Landwirtschaftsgericht hat den Antragsteller zutreffend als nicht berechtigt angesehen, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Das führt allerdings entgegen der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts nicht zur Unbegründetheit, sondern zur Unzulässigkeit des Antrags; das hat der Senat klarstellend ausgesprochen. Die vom Landwirtschaftsgericht unterlassene, aber nach § 32 Abs. 1 LwVG gebotene Beteiligung der zuständigen Berufsvertretung hat der Senat im Beschwerdeverfahren nachgeholt.
Das Landwirtschaftsgericht geht mit zutreffenden Erwägungen davon aus, dass der Antragsteller nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht berechtigt ist, das erteilte Negativattest durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung anzufechten; das ergibt sich unzweideutig aus § 22 Abs. 1 GrdstVG. Das Antragsrecht steht danach – für den Fall der Versagung der Genehmigung, der Genehmigung unter Auflagen oder Bedingungen und der Verweigerung eines Zeugnisses nach § 5 bzw. § 6 Abs. 3 GrdstVG – nur den Beteiligten des Genehmigungsverfahrens zu. Beteiligte des Genehmigungsverfahrens sind indessen neben dem Landwirtschaftsamt als Genehmigungsbehörde nur die Vertragsparteien sowie – als Anhörungsberechtigte – die nach Landesrecht zuständige Berufsvertretung. Eine Beteiligung und damit die Antragsberechtigung Dritter, insbesondere möglicherweise erwerbsinteressierter Landwirte oder derjenigen, die das betroffene Grundstück tatsächlich nutzen, sieht das Gesetz nicht vor.
Aus sonstigen – auch entsprechend anwendbaren – Vorschriften lässt sich die Antragsberechtigung des Antragstellers ebenfalls nicht ableiten. Die Entscheidung über die grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigung bzw. über die Erteilung des Negativattests stellt einen Verwaltungsakt dar. Soweit die Verfahrensregeln für dessen Erlass und die Anfechtung nicht schon im dritten Teil des Grundstücksverkehrsgesetzes abschließend geregelt sein sollten, käme für die Genehmigungsbehörde die ergänzende Heranziehung der Bestimmungen des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes in Betracht, während für die Anfechtung im Wege des Antrags auf gerichtliche Entscheidung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung das Landwirtschaftsverfahrensgesetz (§ 1 Nr. 2 LwVG) und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten (§ 9 LwVG). Handelt es sich wie hier um ein Verfahren, das nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eingeleitet wird und fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung der Antragsberechtigung, steht sie nur den materiell Berechtigten, also den natürlichen und juristischen Personen zu, die durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in ihren Rechten berührt werden können (Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 23 Rn. 25 m.w.N.). Daran fehlt es bei dem Antragsteller, weil die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG nach der ganz einhelligen Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte allein dem öffentlichen wirtschafts- und agrarpolitischen Interesse der Allgemeinheit dient, durch eine sachgerechte Regelung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken die Agrarstruktur der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern. Sie bezweckt hingegen nicht (auch) den Schutz privater Dritter, die am Erwerb oder der Nutzung des Grundstücks interessiert, aber an dem betroffenen Kaufvertrag nicht beteiligt sind (BGH BzAR 2006, 206 f.; BVerwG RdL 1996, 109 f. jeweils m.w.N.). Dem schließt sich der Senat an; die Beschwerde zeigt keine Argumente auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Der Aspekt, dass in der vorliegenden Sache nicht die Erteilung der Genehmigung, sondern ein Negativattest betroffen ist, ändert daran nichts, weil das Negativattest der Genehmigung nach § 5 S. 2 GrdstVG gleich steht. Auch der Umstand, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht nur am Erwerb interessiert ist, sondern das Grundstück tatsächlich für seinen Betrieb nutzt, führt nicht dazu, dass er durch die Erteilung des Negativattests und die damit im Ergebnis verbundene Genehmigung der rechtsgeschäftlichen Veräußerung des Grundstücks in seiner rechtlichen Position beeinflusst wäre. Das gilt unabhängig davon, ob und ggf. welche rechtliche Grundlage für die Nutzung des Grundstücks besteht. Fehlte es an einer solchen überhaupt, bestünde von vornherein keine schützenswerte Rechtsposition. Erfolgte die Nutzung aufgrund rechtsgeschäftlicher Abreden oder durch konkludentes Verhalten gegen Entgelt, würde ein Landpachtvertrag vorliegen, in den der Erwerber nach den §§ 593b, 566 BGB eintreten würde. Die Konditionen und insbesondere die Beendigungsmöglichkeiten dieses Vertrages gegen den Willen des Antragstellers würden sich durch die Veräußerung nicht ändern. Läge schließlich eine zwar durch Vereinbarung legitimierte aber unentgeltliche Nutzung vor, würde es sich um ein Leihverhältnis handeln, das, wenn eine konkrete Zeit nicht vereinbart ist, wofür hier jeder Anhaltspunkt fehlt, ohnehin jederzeit beendet werden kann, § 604 Abs. 3 BGB.
Auf die vom Antragsteller problematisierte Rücknahme der Genehmigung nach § 48 ThürVwVfG ist das Landwirtschaftsgericht nicht eingegangen; das stellt seine Entscheidung im Ergebnis aber nicht in Frage. Der Senat kann offen lassen, ob die Genehmigungsbehörde das Negativattest als einen im Verhältnis zu den Vertragsbeteiligten begünstigenden Verwaltungsakt zurücknehmen dürfte oder sogar hierzu verpflichtet wäre. Auch insoweit fehlt dem Antragsteller die Befugnis, dies durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend zu machen. Bei der Entscheidung über die Rücknahme handelt es sich ihrerseits um einen Verwaltungsakt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl., § 48 Rn. 172 m.w.N.) dessen Anfechtung bzw. die gerichtliche Verpflichtung zu seinem Erlass ebenfalls die Antragsbefugnis und damit eine Beeinträchtigung der Rechtsposition des Antragstellers voraussetzt (vgl. für das verwaltungsgerichtliche Verfahren § 42 Abs. 2 VwGO). Auch aus dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) kann der Antragsteller seine Antragsbefugnis nicht ableiten; der Einzelne hat keinen von seinen subjektiven Rechten losgelösten Anspruch auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln, sondern darauf, dass seine eigenen Rechte nicht durch rechtswidriges Verwaltungshandeln verletzt werden (Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl., § 42 VwGO Rn. 43 m.w.N.). Für eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes durch die Verneinung der Antragsbefugnis des Antragstellers ist weder nach dem Beschwerdevorbringen noch sonst nach Aktenlage ein Anhaltspunkt ersichtlich; auch sonstige Grundrechte sind hierdurch nicht verletzt (BGH, a.a.O.).
Der Beschwerde ist zuzugeben, dass diese Beurteilung dazu führen kann, dass im Einzelfall ungerechtfertigt Negativatteste oder Genehmigungen erteilt werden, die zur Beeinträchtigung der Belange der Agrarstruktur führen, ohne dass – abgesehen von der Aufsichtstätigkeit der übergeordneten Behörde der Genehmigungsbehörde – Überprüfungsmöglichkeiten, insbesondere durch Anrufung der Gerichte bestehen. Das ist indessen dem sämtlichen Verfahrensordnungen innewohnenden Grundsatz des deutschen Verfahrensrechts geschuldet, dass die Antrags- bzw. Klagebefugnis – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – in der Regel zumindest die Möglichkeit einer Beeinträchtigung einer subjektiven Rechtsposition des Betroffenen voraussetzt, sogenannte Popularklagen daher grundsätzlich nicht zulässig sind.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 44, 45 LwVG. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem vereinbarten Kaufpreis, § 76 Nr. 4 GNotKG.). Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor. Die Entscheidung des Senats steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung; dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Erteilung der Genehmigung, sondern ein Negativattest ist, ändert daran nichts, weil das Gesetz das Negativattest der Genehmigung ausdrücklich gleichstellt, § 5 S. 2 GrdstVG. Dieser Beschluss ist daher mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.