KG Berlin – Az.: 9 W 96/21 – Beschluss vom 29.11.2021
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. August 2021 – 80 OH 171/20 – abgeändert und die Kostenberechnung Nr. 1602012 des Antragsgegners vom 3. November 2016 über 10.062,64 Euro aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens erster wie zweiter Instanz hat der Antragsgegner zu tragen.
Gründe
I.
Auf Anforderung der Antragstellerin fertigte der Antragsgegner den Kaufvertragsentwurf und übersandte diesen per E-Mail vom 28. April 2014 an die Antragstellerin. Unter dem 3. November 2016 übersandte der Antragsgegner der Antragstellerin hierzu die beanstandete Kostenberechnung.
Unter dem 6. Februar 2017 ließ der Antragsteller der Antragsgegnerin eine vollstreckbare Ausfertigung der beanstandeten Kostenberechnung zustellen.
Mit Auftrag vom 1. Dezember 2020, eingegangen beim Gerichtsvollzieher am 7. Dezember 2020, beauftragte der Antragsgegner den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung der Kostenforderung. Ein bereits 2018 erteilter Vollstreckungsauftrag war zurückgenommen worden.
Die Antragstellerin behauptet, sie sei nur als Maklerin tätig geworden. Kostenschuldner seien die damaligen potentiellen Kaufvertragspartner (F… P… P… GmbH & Co KG als Verkäuferin sowie v… S… B… GmbH als Käuferin). Die Antragstellerin selbst habe jedenfalls keinen Auftrag erteilt.
Die am 6. Februar 2017 erfolgte Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der beanstandeten Kostenberechnung hält die Antragstellerin für unwirksam. Insbesondere sei die Zustellurkunde von dem die Zustellung ausführenden Mitarbeiter der Post nur mit einer Paraphe unterzeichnet. Darüber hinaus habe die Kostenberechnung den formellen Anforderungen des § 19 Absatz 3 Nr. 1 GNotKG nicht genügt.
Die Antragstellerin erhebt die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat den Antrag insoweit zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die sich allein noch gegen die Kostenberechnung Nr. 1602012 vom 3. November 2016 über 10.062,64 Euro für die Fertigung eines Entwurfes für einen Grundstückskaufvertrag richtet. Wegen weiterer Kostenforderungen hat sich das Verfahren bereits in erster Instanz erledigt.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Die Kostenberechnung des Antragsgegners war aufzuheben, weil der geltend gemachte Kostenanspruch des Antragsgegners verjährt ist.
1. Die von der Antragstellerin gegen die beanstandete Kostenberechnung erhobene Einwendung der Verjährung ist zulässig. Insbesondere steht § 127 Absatz 2 Satz 1 GNotKG der Verjährungseinrede nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift können Anträge auf gerichtliche Entscheidung gegen Kostenberechnungen nicht mehr gestellt werden nach Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Jahr folgt, in dem die vollstreckbare Ausfertigung der Kostenberechnung zugestellt ist.
Ob die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der beanstandeten Kostenberechnung am 6. Februar 2017 tatsächlich und wirksam erfolgt ist – was zwischen den Beteiligten streitig ist – kann vorliegend dahingestellt bleiben, denn nach § 127 Absatz 2 Satz 2 GNotKG können Einwendungen gegen den Kostenanspruch, die auf Gründen beruhen, die nach der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung entstanden sind, auch nach Ablauf der Frist nach § 127 Absatz 2 Satz 1 GNotKG geltend gemacht werden.
Letzteres trifft auf die von der Antragstellerin geltend gemachte Verjährung des Kostenanspruchs des Antragsgegners zu. Diese konnte vorliegend erst nach der vom Antragsgegner behaupteten Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der Kostenberechnung am 6. Februar 2017 geltend gemacht werden (vgl. Sikora in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, § 127 Rn. 23).
Gemäß § 6 Absatz 1 Satz 3 GNotKG verjähren Ansprüche auf Zahlung von Notarkosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kosten fällig geworden sind. Nach § 10 GNotKG werden Notargebühren mit der Beendigung des Verfahrens oder des Geschäfts fällig, eine Entwurfsgebühr also mit Fertigstellung des Entwurfs. Wann der Entwurf „fertig“ ist, entscheidet dabei der Notar unter verständiger Würdigung des ihm erteilten Auftrags (Diehn in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Auflage 2021, § 10 Rn. 29; Hey’l in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, § 10 Rn. 8).
Vorliegend hat Rechtsanwalt M… als Notarvertreter des Antragsgegners per Mail vom 28. April 2014 den Kaufvertragsentwurf „zur gefälligen Verwendung“ an die Antragstellerin übersandt (vgl. Notarnebenakten). Er hat damit zum Ausdruck gebracht, seine Entwurfstätigkeit abgeschlossen zu haben. Danach begann die Verjährung des dadurch begründeten Kostenanspruchs des Antragsgegners mit Ablauf des Jahres 2014 und lief zunächst bis Ende 2018. Die Verjährung des mit der beanstandeten Kostenberechnung geltend gemachten Kostenanspruchs konnte also jedenfalls erst nach der vom Antragsgegner behaupteten Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung am 6. Februar 2017 eintreten.
2. Die Antragstellerin ist berechtigt, die Zahlung der mit der beanstandeten Kostenberechnung geltend gemachten Notarkosten zu verweigern, da der zugrunde liegende Gebührenanspruch des Antragsgegners verjährt ist (§ 214 BGB in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 GNotKG).
a) Verjährung ist jedenfalls im November 2020 eingetreten.
Wie oben bereits ausgeführt, begann die Verjährung des Kostenanspruchs des Antragsgegners mit Ablauf des Jahres 2014. Die gemäß § 6 Absatz 1 Satz 3 GNotKG vierjährige Verjährungsfrist begann gemäß § 6 Absatz 3 Satz 2 GNotKG bereits mit Zugang der unter dem 3. November 2016 an die Antragstellerin übersandten Kostenberechnung erneut.
Nach dieser Vorschrift beginnt die Verjährung durch „die Aufforderung zur Zahlung“ erneut. Grundsätzlich ist jede Zahlungsaufforderung, auch eine einfache Mahnung, geeignet, den Neubeginn der Verjährung gemäß § 6 Absatz 3 Satz 2 GNotKG herbeizuführen. Auch die erstmalige Übersendung einer Notarkostenberechnung stellt deshalb eine Zahlungsaufforderung im Sinne dieser Vorschrift dar. Hierbei ist der Zugang der Zahlungsaufforderung ausreichend, eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich.
Der Antragsteller hat vorgetragen, die Kostenberechnung bereits am 3. November 2016 an die Antragstellerin übersandt zu haben. Die Antragstellerin hat dies nicht in Abrede gestellt (vgl. Schriftsatz vom 11. Juni 2021, S. 5, Ziff. 3). Auch die Notarnebenakten bestätigen die Übersendung der Kostenberechnung an die Antragstellerin unter dem 3. November 2016.
Die Verjährung ist danach – ausgehend von einem Neubeginn zeitnah nach dem 3. November 2016 – jedenfalls im November 2020 eingetreten.
b) Die Verjährung konnte anschließend nicht erneut gemäß § 6 Absatz 3 Satz 2 GNotKG neu beginnen.
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner auf die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung der beanstandeten Kostenberechnung vom 6. Februar 2017, um einen Neubeginn der Verjährung im Sinne von § 6 Absatz 3 Satz 2 GNotKG darzulegen. Die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung vom 6. Februar 2017 konnte jedoch nicht mehr zu einem Neubeginn der Verjährung führen, weil der Antragsgegner bereits die Antragstellerin mit der übersandten Kostenberechnung vom 3. November 2016 zur Zahlung aufgefordert und damit erstmalig einen Neubeginn der Verjährung herbeigeführt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 07. Juli 2004 – V ZB 61/03 –, Rn. 21, juris), die in der Literatur einhellig anerkannt ist, (Neie in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Auflage 2021, § 6 Rn. 34; Otto in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, § 6 Rn. 13; Klahr in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, 35. Edition Stand: 01.10.2021, GNotKG Rn. 203), kann ein Notar den Neubeginn der Verjährung nicht durch wiederholt erfolgende Zahlungsaufforderungen immer wieder erneut herbeiführen. Deshalb führt nur die erste Zahlungsaufforderung zum Neubeginn der Verjährung. Eine erneute Zahlungsaufforderung kann ausnahmsweise nur dann zu einem Neubeginn der Verjährung führen, wenn die erste Zahlungsaufforderung im Jahr der Fälligkeit der Kosten erfolgt ist, weil die Verjährung nicht neu beginnen kann, wenn sie noch gar nicht zu laufen begonnen hat (BGH, a.a.O. Rn. 25, juris; Neie in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Auflage 2021, § 6 Rn. 37; Otto in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, § 6 Rn. 18; Klahr in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, 35. Edition Stand: 01.10.2021, GNotKG Rn. 204).
Da die Kostenberechnung der Antragstellerin im November 2016 zugegangen ist, hat die Verjährung, die nach den obigen Ausführungen mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen hatte, bereits im Zeitpunkt dieses Zugangs der Notarkostenberechnung, erstmalig neu begonnen. Ein erneuter Neubeginn gemäß § 6 Absatz 3 Satz 2 GNotKG konnte daher nicht mehr durch die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung am 6. Februar 2017 erfolgen. Auf die – zwischen den Beteiligten umstrittene – Wirksamkeit dieser Zustellung kommt es daher nicht an. Auch kann offenbleiben, ob die Kostenberechnung den formellen Anforderungen des § 19 Absatz 3 Nr. 1 GNotKG genügt.
c) Ein Neubeginn der Verjährung konnte auch nicht mehr gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 212 Absatz 1 Nr. 2 BGB durch den Vollstreckungsauftrag des Antragsgegners vom 1. Dezember 2020 (eingegangen beim Gerichtsvollzieher am 7. Dezember 2020) erfolgen, da Verjährung in diesem Zeitpunkt bereits eingetreten war.
Soweit der Gerichtsvollzieher nach Angaben der Antragstellerin auch bereits 2018 „betreffend hier maßgeblichen Notarkostenberechnungen“ tätig gewesen ist (Bl. 16), konnte auch dies nicht gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 212 Absatz 1 Nr. 2 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung führen, da der Vollstreckungsauftrag zurückgenommen worden ist. Gemäß § 212 Absatz 3 BGB gilt der erneute Beginn der Verjährung durch den Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung als nicht eingetreten, wenn der Antrag vor der Vollstreckungshandlung zurückgenommen wird.
d) Schließlich konnte auch eine Hemmung analog gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 204 Absatz 1 BGB den Ablauf der Verjährung im November 2020 nicht mehr hindern.
Der Antrag der Antragstellerin gemäß § 127 Absatz 1 GNotKG stammt vom 23. Dezember 2020, ist mithin erst nach Eintritt der Verjährung im November 2020 erfolgt. Ohnehin führt nicht die Antragstellung des Kostenschuldners zu einer Hemmung. Hemmung kann nur eintreten, wenn der Notar entweder selbst den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt oder dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Kostenschuldners im gerichtlichen Verfahren entgegentritt, also Zurückweisung des Antrages beantragt (Otto in: Korintenberg, GNotKG, 21. Auflage 2020, § 6 Rn. 11; Klahr in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, 35. Edition Stand: 01.10.2021, GNotKG Rn. 180). Dies muss vorliegend zwingend nach dem 23. Dezember 2020 erfolgt sein.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 130 Abs. 3 GNotKG in Verbindung mit § 81 Absatz 1 FamFG. Es entspricht regelmäßig der Billigkeit im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Kostenentscheidung am Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten zu orientieren, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände eine abweichende Kostenentscheidung rechtfertigen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. März 2015 – 9 W 42 – 46/14 -, Rn. 26 ff., juris). Billigkeitsgründe, die gegen eine Kostenlast des Antragsgegners sprechen, sind nicht ersichtlich.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 130 Abs. 3 GNotKG in Verbindung mit § 70 Absatz 2 FamFG nicht zuzulassen.