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Grundbuchverfahren – Umfang der Vollmacht einer Notariatsangestellten

OLG München – Az.: 34 Wx 358/12 – Beschluss vom 18.10.2012

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Sonthofen – Grundbuchamt – vom 4. September 2012 aufgehoben.

Gründe

I.

Im Grundbuch ist als Bruchteilsmiteigentümer von Wohnungs- und Teileigentum der am 30.5.2004 verstorbene Peter W. eingetragen. Dieser wurde beerbt durch die drei Beteiligten zu je 1/3. Mit notariellem Erbauseinandersetzungsvertrag vom 30.5.2012 haben diese das Bruchteilseigentum an der Wohnung Nr. c5 (1/11) und an der Tiefgarage Nr. D (1/440) auf die Beteiligte zu 1 übertragen. Unter IV. 3. des Vertrags haben die Beteiligten mehreren Notariatsangestellten jeweils unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Vollmacht erteilt, weitere Erklärungen abzugeben, insbesondere zum Zwecke der Ergänzung oder Berichtigung. Die Vollmacht sollte im Außenverhältnis gegenüber dem Grundbuchamt, Behörden oder Dritten nicht beschränkt sein und nur gelten, wenn der amtierende Notar oder dessen amtlich bestellter Vertreter die Willenserklärung beurkundet oder beglaubigt, wobei der Notar Sorge zu tragen hat, dass von der Vollmacht nur „im Sinne dieses Rechtsgeschäfts“ Gebrauch gemacht wird.

Mit Schreiben vom 3.7.2012 hat der Notar Umschreibung des Eigentums beantragt.

Das Grundbuchamt hat darauf hingewiesen, dass der Erblasser Bruchteilsmiteigentümer weiterer Miteigentumsanteile an dem in der Urkunde genannten Grundbesitz gewesen sei, so an der Wohnung Nr. c1 (1/11) und an der Tiefgarage Nr. D (1/440), aus der Urkunde sei nicht ersichtlich, welcher 1/440-Anteil übertragen werden solle. Daraufhin hat der Notar eine Nachtragserklärung vom 13.8.2012 vorgelegt, in der die Notariatsangestellte Ulrike B.-S. als Vertreterin der Beteiligten des Erbauseinandersetzungsvertrages diesen dahingehend berichtigte und ergänzte, dass insgesamt je zwei Miteigentumsanteile von 1/11 und von 1/440 auf die Beteiligte zu 1 übergehen sollen.

Mit Zwischenverfügung vom 21.8.2012 hat das Grundbuchamt Frist zur Vorlage neuer Auflassungen der drei Erben in grundbuchmäßiger Form für den weiteren Grundbesitz gesetzt. Die vorgelegte Nachtragserklärung reiche nicht aus. Eine Auflassungserklärung könne nicht berichtigt oder ergänzt, sondern müsse neu erklärt werden. Die den Notariatsangestellten erteilte Vollmacht ermächtige nicht zur Erklärung von (weiteren) Auflassungen.

Der Notar hat in der Folge darauf hingewiesen, dass eine Auflassungserklärung ergänzt oder berichtigt werden könne, nämlich dann, wenn eine falsa demonstratio vorliege. Die Urkunde vom 13.8.2012 enthalte eine Auflassung. Die den Notariatsangestellten erteilte Vollmacht reiche zur Erklärung der Auflassung auch aus. Sie sei nämlich im Außenverhältnis gegenüber dem Grundbuchamt nicht beschränkt. Das Grundbuchamt hat daraufhin am 4.9.2012 mit neuer Fristsetzung eine weitere Zwischenverfügung desselben Inhalts wie die vorangegangene, nun jedoch mit Rechtsmittelbelehrung versehen, erlassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

II.

Die nach § 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1 GBO statthafte und formgerecht eingelegte Beschwerde (vgl. § 15 Abs. 2, § 73 GBO) hat vorläufigen Erfolg. Der Senat geht davon aus, dass ihr Gegenstand die Zwischenverfügung vom 4.9.2012 ist, die diejenige vom 21.8.2012 ersetzen sollte.

1. Die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) ist aufzuheben, unabhängig davon, ob man die Rechtsansicht des Grundbuchamts teilt. Folgt man dieser nämlich, so liegt ein nicht behebbares Eintragungshindernis vor mit der Folge, dass der Antrag sofort zurückzuweisen wäre (BayObLG Rpfleger 1986, 176; vgl. Demharter GBO 28. Aufl. § 18 Rn. 12 und 32). Das Grundbuchamt verlangt eine weitere Auflassung. Die Zwischenverfügung mit ihrer rangwahrenden Wirkung dient aber nicht dazu, erst die Schaffung der Eintragungsgrundlage zu ermöglichen.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat – nicht bindend – darauf hin, dass im Ergebnis die Ansicht des Grundbuchamts zutreffend sein dürfte.

a) Die ursprüngliche Urkunde vom 30.5.2012 enthält eine insoweit aus sich heraus eindeutige Auflassungserklärung hinsichtlich 1/11 einer Eigentumswohnung und 1/440 einer Tiefgarage. Eine Auslegung über den eindeutigen Sinn dieser Erklärung hinaus ist nicht möglich (vgl. Senat vom 27.6.2012, 34 Wx 184/12, bei juris). Denn die Urkunde enthält als Objekt der Auflassung und der sonstigen zum Grundbuchvollzug notwendigen Erklärungen ausschließlich nur die genannten Anteile an Wohnung und Tiefgaragenstellplatz, nicht weitere (Bruchteils-) Miteigentumsanteile.

b) Es kann dahinstehen, ob ein Fall der falsa demonstratio vorliegt, die Vertragsparteien also den Vertragsgegenstand lediglich – übereinstimmend – irrtümlich falsch bezeichnet haben oder ihn – im Zusammenhang mit der Auflassung anderer Grundbesitzes – lediglich zu erwähnen vergessen haben. Dann wären zwar (materiell-rechtlich) alle übereinstimmend gemeinten Grundstücke aufgelassen (vgl. BGHZ 87, 150/155; Palandt/Bassenge BGB 71. Aufl. § 925 Rn. 14). Das Grundbuchamt prüft aber gemäß § 20 GBO nicht die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Auflassung, sondern nur, ob die Voraussetzungen des Eigentumsübergangs, nämlich die Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) und die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen mit dem zweifelsfrei bezeichneten Vertragsgegenstand (vgl. § 28 GBO), durch – formell wirksame – öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen sind (§ 29 Abs. 1 GBO; Palandt/Bassenge § 925 Rn. 30). Das heißt, dass dem Grundbuchamt der vom Wortlaut abweichende übereinstimmende Wille der Vertragsparteien in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen werden muss. Wenn dieser Nachweis nicht geführt werden kann, kommt zur Klarstellung nur eine erneute Auflassung in Betracht (vgl. Senat vom 23.9.2008, 34 Wx 76/08 = FGPrax 2009, 11/12; Demharter § 20 Rn. 31).

c) Die Nachtragserklärung vom 13.8.2012 beseitigt das Eintragungshindernis nicht. Zwar dürfte nun eine Auflassungserklärung über sämtliche Grundbesitzanteile des Erblassers vorliegen. Denn es wird ausdrücklich die Einigkeit über den Eigentumsübergang an den nun ausreichend bezeichneten (§ 28 GBO) Anteilen erklärt (§ 925 Abs. 1 BGB). Das Grundbuchamt hat aber auch die Wirksamkeit und den Umfang der Vollmacht (§§ 164, 167 BGB) der die Beteiligten vertretenden Notariatsangestellten zu überprüfen (vgl. Demharter § 20 Rn. 21). Gegebenenfalls ist der Umfang der Vollmacht durch Auslegung zu ermitteln, wofür dieselben Grundsätze wie für die Auslegung von Grundbucherklärungen gelten (OLG München – 32. Zivilsenat – vom 14.3.2006, 32 Wx 29/06 = Rpfleger 2006, 392; Demharter § 20 Rn. 21 mit § 19 Rn. 28 und 75).

(1) Demnach gilt § 133 BGB entsprechend, wenn nicht die Eindeutigkeit eine Auslegung ausschließt, wobei aber zu beachten ist, dass der das Grundbuchverfahren beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz und das Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen der Auslegung Grenzen setzen. Auf die Auslegung kann nur zurückgegriffen werden, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Bei der Auslegung einer Vollmacht ist, wie bei der von Grundbucheintragungen, auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie es sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (vgl. z. B. Demharter § 19 Rn. 28 und 75; aus der Rechtsprechung BGHZ 113, 374/378). Im Zweifel gilt bei Vollmachten der geringere Umfang, wenn sich der größere nicht nachweisen lässt (BayObLG Rpfleger 1996, 332).

(2) Die Beteiligten gehen von einer im Außenverhältnis völlig unbeschränkten (General-) Vollmacht aus. Damit wäre dann allerdings auch jede Verfügung über Grundbesitz mitumfasst. Diese Auslegung begegnet erheblichen Bedenken:

Die Bevollmächtigten sollen rechtlich in der Lage sein, zu dem Vertrag „weitere“ Erklärungen abzugeben, wobei das Wort „weitere“ auf das konkrete Geschäft als Rahmen Bezug nimmt. Soweit die Vollmacht „insbesondere“ zum Zwecke der Ergänzung oder Berichtigung erteilt ist, hat dies ersichtlich seinen Grund darin, dass zur Erreichung des Vertragszwecks möglicherweise außer ergänzenden und berichtigenden noch andere Erklärungen in Betracht kommen können. Daraus lässt sich aber nicht – zumindest nicht zwingend – schließen, dass auch Erklärungen, die über den zuvor gezogenen Rahmen hinausgehen, gemeint sind. Nur in diesem Rahmen ist die Vollmacht – zweifelsfrei – unbeschränkt gegenüber Grundbuchamt, Behörden oder Dritten. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die Beteiligten ihnen unbekannten Notariatsangestellten darüber hinaus unbeschränkte Vertretungsmacht einräumen wollten.

Etwas anderes dürfte sich auch nicht aus der weiteren Sicherung ergeben, dass nämlich die Vollmacht nur gilt, wenn der amtierende Notar oder dessen amtlich bestellter Vertreter die Willenserklärung beurkundet oder beglaubigt, welcher Sorge zu tragen hat, dass von der Vollmacht nur „im Sinne dieses Rechtsgeschäfts“ Gebrauch gemacht wird. Daraus lässt sich nicht schließen, dass nach außen alle anderen möglichen Rechtsgeschäfte umfasst sein sollen, wobei lediglich der Notar die Interessen der Beteiligten überwacht. Für eine so weit gehende Vertretungsbefugnis bestand im Rahmen des konkreten Erbauseinandersetzungsvertrages kein Bedarf. Unbeschränkt sollte die Vollmacht erkennbar deswegen sein, damit Zweifel an deren Umfang dem Grundbuchvollzug des in der Ausgangsurkunde konkretisierten Geschäfts nicht entgegenstehen. Der Notar soll auch nicht etwa dafür Sorge tragen, dass die Willenserklärung nur den gegenständlichen Vertrag betrifft – dies wird vielmehr gerade vorausgesetzt -, sondern dass nur „im Sinne dieses Rechtsgeschäfts“ von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird.

Das in Bezug genommene Rechtsgeschäft betrifft die in der Vorbemerkung zum Erbauseinandersetzungsvertrag vom 30.5.2012 aufgezählten (Bruchteils-) Miteigentumsanteile an Wohnungs- und Teileigentum, nicht weiteren Grundbesitz. Dass der Erblasser Eigentümer weiterer Anteile war, kann versehentlich in der Aufzählung ausgelassen worden sein, war aber möglicherweise den Urkundsbeteiligten und dem Notar auch gar nicht bekannt. Für Letzteres spricht, dass in der Vorbemerkung ausdrücklich darauf hingewiesen ist, dass der Notar das Grundbuch nicht eingesehen hat. Dem entspricht – ohne dass dies für die Auslegung noch von Bedeutung wäre -, dass der Notar auf den Hinweis des Grundbuchamtes hin zunächst um Übermittlung eines Grundbuchauszuges gebeten hat. Das Vorhandensein weiterer Miteigentumsanteile würde, wenn sie beim Abschluss des ersten Vertrages den Beteiligten nicht bekannt waren, auch die vereinbarte Gegenleistung berühren.

 

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