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Grundbuchverfahren  – Bestimmtheitsgrundsatz bei Eintragung eines Warenvertriebsverbots

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 268/11 – Beschluss vom 16.06.2011

Die Zwischenverfügung vom 20.05.2011 wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 04.04.2011 mit Ergänzung vom 18.05.2011 auf Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (Warenvertriebsverbot) nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung vom 20.05.2011 zurückzuweisen.

Gründe

Die Antragstellerin zu 1) ist unter der Firma „A-AG“ als Eigentümerin des betroffenen Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen. Zu UR-Nr. …/2010 des Verfahrensbevollmächtigten vom ….2010 schloss sie mit dem Antragsteller zu 2) einen Kaufvertrag mit Auflassung über das im Bestandsverzeichnis als lfde. Nr. 21 eingetragene Grundstück. Die Vertragsbeteiligten trafen unter § 10 Ziff. 2 der Urkunde eine schuldrechtliche Vereinbarung, wonach auf dem Kaufgrundstück u. a. jedweder Verkauf von Lebensmitteln, Speisen, Getränken, Tabak- und Presseerzeugnissen, sowie sog. tankstellenspezifischer Shop-Artikel wie Karten, Geschenkartikel etc. durch den Grundstückeigentümer oder durch Dritte nicht gestattet sind. Unter § 11 der Urkunde bewilligten und beantragten die Vertragsparteien die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten der Antragstellerin zu 1) und zu Lasten des Verkaufsgegenstandes.

Unter dem 04.04.2011 haben die Antragsteller u. a. die Eintragung der Dienstbarkeiten gemäß § 11 der Urkunde zu Lasten des Kaufgrundstücks beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 11.04.2011 hat die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt die Berichtigung der Urkunde hinsichtlich des Begriffs „sog. tankstellenspezifische Shop-Artikel“ als nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechend verlangt. In Erledigung dieser Zwischenverfügung hat der Verfahrenbevollmächtigte eine von ihm beglaubigte Erklärung eines in der Urkunde vom ….2010 bevollmächtigten Notariatsangestellten eingereicht, wonach in der Vereinbarung § 10 Ziff. 2 des Vertrages vom ….2010 der Passus “ sowie sog. tankstellenspezifischer Shop-Artikel“ ersatzlos entfällt.

Mit Zwischenverfügung vom 20.05.2011 hat die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt erneut die Änderung der Bewilligung dahingehend verlangt, dass entweder die Bezeichnung „Geschenkartikel“ aus der Bewilligung herausgenommen oder ein allumfassendes Warenvertriebsverbot vereinbart wird. Da das Wort „Geschenkartikel“ keinen eindeutig bestimmbaren Warenbestand bezeichne, entspreche auch die neu bewilligte Dienstbarkeit nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz, wie sich aus der beigefügten Anlage ergebe.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 25.05.2011, mit der geltend gemacht wird, auf Grund der Abstraktheit des dinglichen Rechtsgeschäfts und der zur Wirksamkeit der Dienstbarkeit nur erforderlichen schlagwortartigen Inhaltsangabe komme es auf die konkrete Bestimmung einzelner Artikel nicht an.

Der Beschwerde „des Notars B“ hat die Grundbuchrechtspflegerin nicht abgeholfen, da trotz schlagwortartiger Eintragung im Grundbuch der Inhalt der Bewilligung, die durch Bezugnahme zum Grundbuchinhalt werde, bestimmt sein müsse.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 Abs. 1, 73 GBO), wobei mangels konkreter Angabe des Notars, für wen er Beschwerde einlegt, davon auszugehen ist, dass die Beschwerde für alle Antragsteller eingelegt worden ist und nicht durch den Notar in eigenem Namen, wie im Tenor der Abhilfeentscheidung missverständlich formuliert worden ist. Auch der Notar, der eine zur Eintragung erforderliche Erklärung beurkundet oder beglaubigt hat, kann eine Beschwerde nur im Namen eines Beteiligten einlegen (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 71, Rdnr. 74 und § 15 Rdnr. 20).

Die Zwischenverfügung vom 20.05.2011 war bereits aus formellen Gründen zu beanstanden, da nach ganz herrschender Meinung eine Zwischenverfügung grundsätzlich nur bei einem mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung heilbaren Eintragungshindernis zulässig ist (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 18, Rdnr. 8; Meikel/Böttcher: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 18, Rdnr. 36; Hügel/Zeiser: GBO, 2. Aufl., § 18, Rdnr. 17; vgl. Nachweise bei Bauer/von Oefele: GBO, 2. Aufl., § 18, Rdnr. 16, Fußnote 35; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 434, Fußnote 21). Auch soweit eine abweichende Auffassung vertreten wird, soll dies jedenfalls nicht für in der Zwischenverfügung benannte Heilungsmöglichkeiten gelten, die den ursprünglichen Antrag inhaltlich ändern. Durch Zwischenverfügung kann deshalb grundsätzlich nicht die zur Eintragung erforderliche Eintragungsbewilligung des unmittelbar Betroffenen verlangt werden (Demharter, aaO., § 18, Rdnr. 12).

Darüber hinaus ist die Zwischenverfügung vom 20.05.2011 auch inhaltlich nicht gerechtfertigt.

Zwar trifft die Begründung des Nichtabhilfebeschlusses zu, dass der Inhalt der Eintragungsbewilligung bestimmt sein muss, weil sie auf Grund der Bezugnahme in dem Eintragungstext im Grundbuch maßgeblich ist für den Inhalt der Grunddienstbarkeit, während die schlagwortartige Bezeichnung nur für den Eintragungsvermerk selbst ausreichend ist. Der Auffassung, der Eintragung der zum Vollzug beantragten Dienstbarkeit stehe hinsichtlich des Verkaufsverbots von Geschenkartikeln der Bestimmtheitsgrundsatz entgegen, kann dagegen nicht gefolgt werden.

Entsprechend dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheits- und Publizitätsgrundsatz ist der Rechtsinhalt einer Grunddienstbarkeit gemäß den §§ 1018, 1090 BGB so genau zu bezeichnen, dass der Umfang der Belastung erkennbar und auf Grund objektiver Umstände, sei es auch erst in einem Rechtsstreit, bestimmbar ist (Oberlandesgericht München MDR 2011, 592; Oberlandesgericht Brandenburg FGPrax 2009, 100; Demharter, aaO., Anhang zu § 44, Rdnr. 15). Sofern die höchstmögliche Belastung für einen Dritten erkennbar ist, lässt es die Rechtsprechung im Allgemeinen genügen, dass der Umfang eines Rechts durch einen objektiv bestimmbaren Bedeutungsinhalt umrissen wird. Dabei stehen Unsicherheiten im Einzelfall dem Bestimmtheitserfordernis nicht entgegen (BayObLGZ 2004, 103, 106=Rpfleger 2004, 561).

Die Zulässigkeit der dinglichen Vereinbarung eines Bezugs- oder Betriebsverbotes für bestimmte Warengattungen ist in Rechtsprechung und Literatur seit langem anerkannt (vgl. BGH NJW 1962, 486 –Verkaufsstelle für Flaschenbier-; BayObLG ZfIR 1997, 343, 345 – Vertrieb von Weißbieren -; Bauer/von Oefele: GBO, 2.Aufl., AT III, Rdnr. 299; Joost in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 1090, Rdnr. 18).

Als derartige Warengattung ist nach Auffassung des Senats der Begriff “ Geschenkartikel“ ausreichend bestimmbar. Auch wenn sich die Bestimmung der jeweiligen Warengattung nahezu beliebig „atomisieren“ ließe (wie es von Joost, aaO. anschaulich ausgedrückt wird), muss es den Vertragsparteien überlassen bleiben, ob sie dies wollen oder eine Bezeichnung wählen, die im Streitfall zu einer eindeutigen Definition erst im Rechtsweg führen kann.

Bei jedem Gattungsbegriff verbleibt ein Definitionsspielraum. Auch wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt ein dann eindeutiger Begriff gewählt wird, schließt dies einen Bedeutungswandel nicht aus. So kann sich die Frage stellen, ob auch Dosenbier unter das Verkaufsverbot von Flaschenbier fällt oder auch Hygieneartikel zu den Lebensmitteln zählen. Daher genügt für die Zulässigkeit einer Grunddienstbarkeit die Bestimmbarkeit des Rechtsinhalts auf Grund objektiver Umstände, notfalls in einem Rechtsstreit mit sachverständiger Hilfe. Dass in einer von der Rechtspflegerin ohne Quellenangabe zitierten Ausarbeitung zum Begriff „Geschenkartikel“ ausgeführt wird, darunter falle ein nur vage definiertes Sortiment, für das in Deutschland keine konforme statistische Markterhebung existiere, steht dem nicht entgegen.

Da die Beschwerde erfolgreich war, bedurfte es weder einer Kostenentscheidung, noch einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

 

 

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