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Nachschussklausel in Grundstückskaufvertrag – Wirksamkeit

LG Limburg – Az.: 1 O 362/16 – Urteil vom 11.05.2017

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 565.714,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 08.04.2016 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag i.H.v. 5.458,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 20.12.2016 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dem Beklagten bleibt die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der klägerische Verband macht im Wege einer Klage im Urkundenprozess einen nachschüssig zu zahlenden Kaufpreisanspruch aus einem notariellen Grundstückskaufvertrag geltend.

Der Kläger war Eigentümer eines Grundstücks das früher Bestandteil des Schulgeländes war.

Der Beklagte war Inhaber der , geschäftsansässig in der Das Betriebsgelände des Beklagten grenzt an das zuvor genannte Grundstück an.

Nachdem bekannt wurde, dass das Grundstück des Klägers nicht mehr für die Verwendung als Schulgrundstück benötigt wurde, erkundigte sich der Beklagte als Inhaber der Fa. mit Schreiben vom 16.05.1995 (Bl. 14 d.A.) bei dem Kläger nach der Möglichkeit eines Erwerbs des Grundstücks. Mit Schreiben vom 29.06.1995 (Bl. 15 d.A.) erklärte der Kläger, das Grundstück könne dem Beklagten zum Kauf angeboten werden. Da der Beklagte das Grundstück als Bauland nutzen wollte, ließ er eine Begutachtung durch das Ortsgericht vornehmen. Insofern wird auf das Gutachten vom 31.08.1995 (Bl. 17 ff. d.A.) verwiesen. Ausweislich des Gutachtens handelte es sich zum damaligen Zeitpunkt um Ackerland bzw. Grünland.

Mit Schreiben vom 21.09.1995 (Bl. 20 d.A.) wandte sich der Notar, der ebenfalls an einem Erwerb des Grundstücks interessiert war, an den Kläger und erklärte, er habe sich bereits bei den zuständigen Behörden erkundigt, ob und unter welchen Bedingungen eine Teilfläche bebaut werden dürfte. Danach könne zurzeit mit irgendwelchen Ausnahmegenehmigungen nicht gerechnet werden; falls sich der Kläger zum Verkauf entschließen könne, sei er bereit, für den Fall, dass doch in einigen Jahren eine Baugenehmigung erteilt werde, dann noch den Baulandpreis, der im Zeitpunkt der Baugenehmigung für gleichwertiges Bauland gefordert wird, nachzuzahlen. Der Kläger antwortete dem Notar mit Schreiben vom 10.10.1995 (Bl. 21 d.A.), dass das Grundstück zurzeit nicht veräußert werden solle, weil eine bauliche Nutzung aufgrund des derzeitigen Planungsstandes nicht möglich sei. Entsprechend informierte der Kläger auch die weiteren Kaufinteressenten. Erneut wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 12.01.1996 (Bl. 22 d.A.) an den Kläger und wies darauf hin, dass die planungstechnischen Voraussetzungen zum Verkauf des Grundstücks zustimmend abgeschlossen worden seien und einem Verkauf, ungeachtet des auszuhandelnden Preises, nichts mehr im Wege stehe. Der Kläger fragte sodann mit Schreiben vom 02.02.1996 (Bl. 23 d.A.) beim Ortsgericht nach, ob die im Gutachten vom 31.08.1995 angesetzten Grundstückswerte im Hinblick darauf, dass die bauplanungstechnischen Voraussetzungen mittlerweile zustimmend abgeschlossen worden seien, noch aktuell seien oder ob das Grundstück neu zu bewerten sei. In dem Antwortschreiben vom 12.02.1996 (Bl. 24 d.A.) teilte das Ortsgericht mit, dass eine rechtliche Genehmigung betreffend die teilweise Bebaubarkeit des betroffenen Grundstücks gemäß der Bauvoranfrage des Anliegers beim Bauamt noch nicht vorliege. In der Folgezeit wurden die Voraussetzungen für eine Veräußerung des Grundstücks zwischen den Parteien verhandelt.

Nachdem der Verwaltungsausschuss des klägerischen Verbandes die Veräußerung des Grundstücks befürwortet hatte (vgl. Vorlage vom 01.03.1996, Bl. 25 d.A.) schlossen die Parteien am 17.09.1996 einen notariellen Kaufvertrag. Insofern wird Bezug genommen auf Bl. 28 ff. d.A. Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages betrug der Kaufpreis 149.202,00 DM (entspricht 27,- DM/qm). In § 2 Abs. 7 bis 11 des Vertrages wurde eine Nachschussklausel folgenden Inhalts vereinbart: „Wird innerhalb von 20 Jahren, gerechnet vom Tage des Vertragsabschlusses, das Grundstück im Rahmen der Bauleitplanung als Gewerbe-, Misch-, Sonder- oder Wohngebiet ausgewiesen, so stritt an die Stelle des in dieser Urkunde vereinbarten Kaufpreises von 27,00 DM je qm der dann zu erzielende Kaufpreis. Der Käufer ist verpflichtet, im Falle des Eintritts einer wirksam werdenden Bauleitplanänderung dem Käufer dies innerhalb von 2 Monaten anzuzeigen. Es ist dann das zuständige Ortsgericht oder der Gutachterausschuss zu beauftragen, den neuen Wert des Grundstücks zu ermitteln. Die Kosten dieser Wertermittlung sind vom Käufer zu tragen. Nach Vorliegen der Schätzurkunde oder des Wertgutachtens hat der Käufer den sich hieraus ergebenden Grundstückswert gegenüber dem in diesem Vertrage vereinbarten Kaufpreis von 27,00 DM je qm innerhalb eines Monats an den Verkäufer nachzuentrichten. Der Käufer verpflichtet sich, diese Verpflichtung einem etwaigen Sonderrechtsnachfolger aufzuerlegen und diesem die Weiterverpflichtung aufzuerlegen.“

In einem Schreiben vom 05.12.1996 (Bl. 192 d.A.) wies der Magistrat der Stadt darauf hin, dass das Grundstück derzeit im Flächennutzungsplan als Fläche für Landwirtschaft ausgewiesen sei, jedoch der größte Teil des Grundstücks in einem Entwurf eines im Aufstellungsverfahrens befindlichen Gesamtflächennutzungsplans als Mischgebiet vorgesehen sei; ein Bebauungsplan bestehe nicht.

Im Jahr 1998 erfuhr der Kläger von bautechnischen Vorgängen auf dem Grundstück und wandte sich mit Schreiben vom 16.12.1998 (Bl. 34 d.A.) an die Firma des Beklagten und fragte unter Verweis auf die vereinbarte Nachschussklausel nach der rechtlichen Grundlage der Baumaßnahme. Der Magistrat der Stadt teilte gegenüber der Schule mit Schreiben vom 29.03.1999 (Bl. 35 d.A.) mit, dass das Grundstück nach wie vor als Fläche für Landwirtschaft ausgewiesen und baurechtlich dem Außenbereich zuzuordnen sei.

Im Anzeiger findet sich am 09.12.2010 eine amtliche Bekanntmachung betreffend das „Versorgungsgebiet“ (vgl. Bl. 133, 180 d.A.).

Am 05.05.2011 trat der Bebauungsplan „Versorgungsgebiet“ (vgl. Bl. 36 d.A.) in Kraft. In diesem ist das streitgegenständliche Grundstück als Mischgebiet ausgewiesen. Mit Schreiben vom 11.06.2014 (Bl. 37 d.A.) erinnerte der Kläger den Beklagten an seine sich aus der vereinbarten Nachschussklausel ergebenden Pflichten. Unter dem 20.06.2014 teilte der Beklagte mit, ihm sei eine Bauplanänderung für das Grundstück nicht bekannt (Bl. 38 d.A.). Mit Schreiben vom 07.08.2014 (Bl. 39f. d.A.) wurde dem Kläger von Seiten des Magistrats der Stadt mitgeteilt, dass für das Grundstück der Bebauungsplan „Versorgungsgebiet“ aufgestellt worden sei, wonach das streitgegenständliche Grundstück als Mischgebiet ausgewiesen sei. Zudem erfuhr der Kläger durch dieses Schreiben, dass das Grundstück inzwischen geteilt und ein Teilstück an die Familie des seinerzeit beurkundenden Notars veräußert worden sei.

Im Auftrag des Beklagten erstellte der Gutachterausschuss für Immobilienwerte für den Bereich des Landkreises Limburg-Weilburg ein Gutachten betreffend die beiden streitgegenständlichen Flurstücke. Dem Gutachten vom 22.01.2016 (Bl. 41 ff. und Bl. 67 ff. d.A.) zufolge wurde ein Gesamtwert für das an den Beklagten veräußerte Grundstück i.H.v. 642.000,00 EUR, berechnet auf den Folgetag des Inkrafttretens des Bebauungsplans am 06.05.2011), ermittelt. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 09.03.2016 (Bl. 96 d.A.) gegenüber dem Beklagten, dass die Gutachten als Grundlage für die Feststellung des Wertzuwachses akzeptiert werden und erklärte sich damit einverstanden, dass der sich daraus ergebende Nachschussbetrag i.H.v. 565.714,23 EUR erst zum 07.04.2016 fällig werde. Der Kläger setzte dem Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 03.05.2016 (Bl. 97 ff. d.A.) eine Zahlungsfrist bis zum 22.05.2016. Unter dem 18.11.2016 machte der Magistrat der Stadt gegenüber dem Kläger schriftliche Ausführungen zu der Historie des streitgegenständlichen Grundstücks (vgl. Bl. 190 d.A.).

Der Kläger behauptet, die Vereinbarung einer Nachschussklausel für den Fall einer bauplanungsrechtlichen Änderung sei seitens des Beklagten vorgeschlagen worden. Der Beklagte habe den Notar mit der Erstellung des notariellen Kaufvertrages beauftragt.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 565.714,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 08.04.2016 zu zahlen, und den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag i.H.v. 5.458,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Der Beklagte behauptet, die Nachschussklausel sei einseitig von dem Kläger gestellt worden. Er habe keine Möglichkeit gehabt, auf die Klausel, insbesondere deren Inhalt, Einfluss zu nehmen und sich letztlich nur mit der Klausel einverstanden erklären können. Demgegenüber sei dem Kläger das Instrument einer Preisanpassungs- /Nachschussklausel bereits zuvor bekannt gewesen.

Er – der Beklagte – habe den Kaufvertrag als Privatperson unterschrieben.

Der vereinbarte Kaufpreis von 27,00 DM je qm habe deutlich über dem üblichen Preis für Ackerland gelegen.

Die Voraussetzungen der Nachschussklausel seien auch gar nicht ausgelöst, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien, insbesondere sei das Grundstück baurechtlich nicht erschlossen. Bereits im Zeitpunkt des Kaufvertrags sowie bei der Beschlussfassung habe es sich bei den Flächen, für die der Bebauungsplan gelten solle, um Mischgebiet gehandelt. Das Stadtbauamt sei bei Anwendung des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB nicht nach den gesetzlichen Anforderungen vorgegangen. Es fehle an einer wirksamen und veröffentlichten Beschlussfassung bezüglich einer Änderung hinsichtlich des Bebauungsplans „Versorgungsgebiet“.

Weiterhin macht der Kläger geltend, die in den Gutachten festgestellten Grundstückswerte seien zu hoch. Darüber hinaus seien die Gutachten mangelhaft, weil keine Vergleichswerte herangezogen worden seien.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei der Nachschussklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, da ein Aushandeln i.S.e. Individualvereinbarung nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht stattgefunden habe. Das bloße Erörtern einer Klausel mache sie noch nicht zu einer Individualvereinbarung. Die Klausel sei unwirksam, insbesondere gemäß § 307 BGB. Denn sie sei zu unbestimmt und benachteilige ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Des Weiteren sei die Klausel auch deshalb unwirksam, weil sie dem Käufer kein Rücktrittsrecht einräume. Schließlich sei der Vertrag auch sittenwidrig.

Schließlich beruft sich der Beklagte auf die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren zur Akte gereichten Urkunden wird auf Bl. 129-180 d.A., 205 ff. d.A. verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das Urkundenverfahren ist gemäß § 592 ZPO statthaft. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Urkundenverfahrens gemäß §§ 593 ff. ZPO sind erfüllt. Insbesondere hat der klägerische Verband der Klageschrift alle streiterheblichen Urkunden in Abschrift beigefügt. Sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen können vorliegend durch Urkunden bewiesen werden.

Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 565.714,23 EUR aus § 2 des notariellen Kaufvertrages vom 17.09.1996 zu.

Die Regelung in § 2 des notariellen Kaufvertrages ist wirksam.

Sie ist insbesondere nicht nach §§ 307 ff. BGB unwirksam. Denn es handelt sich bei der Nachschussklausel schon nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Da sich der Beklagte darauf beruft, die Nachschussklausel sei gemäß § 307 BGB unwirksam, trägt dieser hinsichtlich seiner Behauptung, es handele sich um AGB, die Darlegungs- und Beweislast. Wer sich auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft, muss beweisen, dass die zum Vertragsinhalt gemachten Klauseln AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB sind (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB 75. Aufl. 2016, § 305 Rn. 23 m.w.N.). Dies ist prima facie anzunehmen, wenn ein gedruckter oder sonst vervielfältigter Text des anderen Teils verwandt worden ist oder wenn sich aus der Fassung der Klauseln die Absicht einer mehrfachen Verwendung ergibt (Grüneberg, aaO.). Die ist zum Beispiel der Fall, wenn der Vertrag zahlreiche formularmäßige Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist (Grüneberg, aaO.). Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der notariell beurkundete Vertragstext von dem Kläger vorformuliert wurde oder der Kläger beabsichtigt, den Vertragstext mehrfach zu verwenden. Zwar können grundsätzlich auch Teile eines notariell beurkundeten Vertrages Allgemeine Geschäftsbedingungen sein (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 19.12.2000, Az. 3 U 273/00, Rz. 22). Doch weder aus den zur Akte gelangten Unterlagen noch aus dem Sachvortrag des Beklagten geht hervor, dass der Vertragstext von dem Kläger vorformuliert wäre. Der Beklagte hat diesbezüglich nur vorgetragen, der Kläger habe die Klausel einseitig gestellt, er habe sich lediglich damit einverstanden erklärt; die Klausel sei nicht ausgehandelt und individuell vereinbart worden. Dass die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden wäre ist schon nicht vorgetragen. Die bloße Behauptung des Beklagten, dem Kläger sei das Instrument einer Preisanpassungsklausel bereits zuvor bekannt gewesen – was tatsächlich aus dem Schreiben des Notars vom 21.09.1995 abgeleitet werden könnte – genügt insofern nicht. Des Weiteren hat der Beklagte seine diesbezüglichen Behauptungen auch nicht – insbesondere nicht mit den im Urkundenverfahren zulässigen Mitteln – unter Beweis gestellt. Da der Kläger insofern behauptet, der Beklagte habe die vereinbarte Nachschussklausel vorgeschlagen und den Notar mit der Vertragsaufsetzung beauftragt, wäre unter Beweis gestellter substantiierter Sachvortrag des Beklagten erforderlich gewesen. Ein rechtlicher Hinweis des Gerichts war insofern nicht erforderlich. So hat bereits der Kläger mit Schriftsatz vom 15.02.2017 auf die Beweislast des Beklagten hingewiesen.

Es handelt sich auch nicht um einen Fall des § 310 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB. Denn der Beklagte hat das Rechtsgeschäft als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB abgeschlossen. Zwar hat der Beklagte selbst den notariellen Kaufvertrag unterschrieben, in dem sich keine Zusätze befinden, die auf seine unternehmerische Tätigkeit hinweisen. Indes war der Beklagte als Inhaber der Firma tatsächlich Unternehmer. Dass er den Kauf des Grundstücks auch in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit abgeschlossen hat, ergibt sich aus dem Schriftverkehr der Parteien. So hat der Beklagte selbst die Kaufanfragen vom 16.05.1995 sowie 12.01.1996 unter seiner Firmierung “ “ samt Firmenanschrift vorgenommen. Zudem hat er sich in seinem Schreiben vom 16.05.1995 als „“ bezeichnet. Angrenzend befand sich jedoch nicht sein Wohnhaus, sondern das Betriebsgelände seiner Firma. Er wollte das Grundstück zur Erweiterung seines Betriebes erwerben, wie aus dem Gutachten vom 31.08.1995 hervorgeht.

Angesichts dessen kommt es auf die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz sowie des Landgerichts Hanau, nach der die streitgegenständliche Klausel – würde es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln – gemäß § 307 BGB unwirksam wäre, nicht an. Auch wenn die getroffenen vertraglichen Vereinbarungen von gesetzlichen Regelungen abweichen, eine Rücktrittsmöglichkeit für den Käufer und eine Begrenzung der Erhöhungsspanne fehlt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarungen. Denn nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann individualvertraglich grundsätzlich alles, was gesetzlich zulässig ist, vereinbart werden. Soweit der Beklagte geltend macht, die Nachschussklausel sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, da sittenwidrig, ist sein diesbezüglicher Sachvortrag nicht ausreichend. Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. Ellenberger in Palandt, aaO., § 138 Rn. 2). Inwiefern die Nachschussklausel diese Voraussetzungen erfüllen soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere besteht kein erhebliches Ungleichgewicht unter den gegenseitigen Leistungspflichten. Die Klausel ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht einseitig lediglich positiv für den Kläger. Denn sie sieht eine Anpassung des Kaufpreises nur für den Fall vor, dass sich die bauplanungsrechtliche Situation des Kaufgrundstücks ändert. In dem Fall erfährt das Grundstück jedoch eine Wertsteigerung, die sich zugunsten des Käufers auswirkt. Auch erhält der Kläger keinen Einfluss auf die Höhe der Wertsteigerung, da diese vom Gutachterausschuss oder vom zuständigen Ortsgericht festgestellt werden soll. Angesichts dessen stellt die vereinbarte Nachschussklausel einen Ausgleich dafür dar, dass das Grundstück im Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht bebaut werden konnte, aber nicht ausgeschlossen war, dass sich die planungsrechtlichen Umstände künftig zugunsten des Beklagten ändern würden. Dafür spricht auch, dass der Beklagte das Grundstück zum Zwecke der Bebauung erwerben wollte. Dies geht aus den Erläuterungen des von dem Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens des Ortsgerichts vom 31.08.1995 hervor. Hiernach „möchte Herr das Grundstück erwerben, unter der Voraussetzung, dass seinem Antrag, den Bebauungsplan dahingehend zu ändern, dass er ein Teil der Grundstücksfläche zu seiner Betriebserweiterung nutzen kann. (…)“.

Des Weiteren ergibt sich aus dem Schreiben des Magistrats der Stadt vom 05.12.1996, dass der größte Teil des Grundstücks in einem Entwurf eines im Aufstellungsverfahrens befindlichen Gesamtflächennutzungsplan als Mischgebiet „vorgesehen“ sei. Schließlich hat der Beklagte unstreitig im Jahr 1998 bautechnische Vorgänge auf dem Grundstück vorgenommen, sodass sein Wunsch, das Grundstück zu bebauen, auch manifestiert wurde.

Die getroffene Vereinbarung ist auch nicht unklar oder missverständlich, woraus sich eine Sittenwidrigkeit ergeben könnte. Denn es ist für einen objektiven Empfänger der Erklärungen nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien vorhersehbar, unter welcher Bedingung die Kaufpreiserhöhung eintritt. Auch ist der dann vom Käufer nachzuzahlende Betrag bestimmbar, da sich dieser aus einem einzuholenden Gutachten ergeben soll. Dass bei dem Beklagten selbst Klarheit darüber bestanden hat, was Folge der Änderung der Bauleitplanung ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er selbst, nachdem der Kläger ihn im Jahr 2014 angeschrieben hat, ein Gutachten über den Grundstückswert beim Gutachterausschuss eingeholt hat.

Auch bestehen keine Anhaltspunkte für ein Wuchergeschäft i.S.v. § 138 Abs. 2 BGB. Da die Nachschussklausel keinen konkreten Grundstückspreis für den Fall einer bauplanungsrechtlichen Änderung vorsieht, sondern der dann zu zahlende Kaufpreisdifferenz von einer öffentlichen Stelle (Gutachterausschuss oder Ortsgericht) festgestellt werden soll, kommt ein Wucher nicht in Betracht.

Die Bedingung i.S.v. § 2 Abs. 7 des Kaufvertrages ist eingetreten. Die Voraussetzungen der notariell vereinbarten Nachschussklausel sind damit erfüllt.

Das Grundstück wurde erstmals mit Bestandskraft des Bebauungsplanes „Versorgungsgebiet“ vom 05.05.2011 als Mischgebiet ausgewiesen. Dies ist nachgewiesen durch die eingereichten Urkunden. Zwar ergibt sich aus keinem der Dokumente wörtlich, dass das streitgegenständliche Grundstück mit Inkrafttreten des Bebauungsplanes erstmals als Mischgebiet ausgewiesen worden ist. Dies ergibt sich jedoch aus einer Gesamtschau der eingereichten Urkunden.

Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses im Jahr 1996 war eine Bebauung des Grundstücks nicht zulässig. Zwar ist der Beklagte, wie sich aus seinem Schreiben vom 12.01.1996 ergibt, zunächst davon ausgegangen, dass die planungstechnischen Voraussetzungen zum Verkauf des Grundstücks zustimmend abgeschlossen worden seien. Aus den Schreiben des Ortsgerichts vom 12.02.1996 sowie aus den Schriftstücken des Magistrats der vom 05.12.1996 und 29.03.1999 geht jedoch eindeutig hervor, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs ein Bebauungsplan für den Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks nicht bestand, sodass es dem Außenbereich i.S.v. § 35 BauGB zuzuordnen und als Fläche für Landwirtschaft ausgewiesen sei. So war das Grundstück auch im Grundbuch von 1995 als Ackerland / Grünland eingetragen (Bl. 17 d.A.). Auch das Ortsgericht ging im Rahmen der Begutachtung im Jahr 1995 davon aus, dass das Grundstück – auch nicht hinsichtlich eines Teils – bebaut werden könne. Schließlich hat der Magistrat der Stadt unter dem 18.11.2016 mitgeteilt, dass das Grundstück am 16.09.1996 als Fläche für Landwirtschaft ausgewiesen sei und ein Bebauungsplan nicht vorgelegen habe, sodass das Grundstück nach § 35 BauGB zu beurteilen sei. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Katasteramtsauszug von 1997 (Bl. 205 d.A.) ergibt sich keine Ausweisung des Grundstücks als Mischgebiet, vielmehr ist dort eingetragen: „GF-Mischnutz“, womit keine Aussage darüber getroffen ist, wie der Bereich bauplanungsrechtlich einzuordnen war.

Dass die Parteien selbst übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass das Grundstück im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nicht als Mischgebiet ausgewiesen war, ergibt sich auch bereits aus der vereinbarten Nachschussklausel selbst, nach welcher ein Ausweisen des Grundstücks als Mischgebiet von den Parteien als bauleitplanerische Änderung angesehen wurde.

Dass das Grundstück durch die Aufstellung des Bebauungsplanes „Versorgungsgebiet“ als Mischgebiet ausgewiesen worden ist, geht unzweifelhaft aus der als Anlage K13 (Bl. 36 d.A.) eingereichten Urkunde hervor. Dem entspricht auch der Inhalt der vom Beklagten eingereichten Bekanntmachung im Anzeiger vom 09.12.2010 (Bl. 180 d.A.). Dieser ist – anders als der Beklagte meint – nicht zu entnehmen, dass der Bereich, in den sein Grundstück fällt, schon vor der Bauleitplanung mit dem „Versorgungsgebiet“ als Mischgebiet ausgewiesen war. Vielmehr geht daraus hervor, dass die Fläche „ansonsten“ komplett als Mischgebiet ausgewiesen ist. Durch die Aufstellung des Bebauungsplanes soll die Ansiedlung von Fachhandel auch in dem weiteren Bereich ermöglicht werden. Auch ergibt sich die Aufstellung des Bebauungsplanes, nach dem das Grundstück als Mischgebiet ausgewiesen ist, aus den Schreiben des Magistrats der Stadt vom 07.08.2014 und 18.11.2016. Nach dem Schreiben des Magistrats der Stadt vom 18.11.2016 hat ein Gesamtflächennutzungsplan der Stadt am 28.12.2001 Rechtwirksamkeit erlangt, nach dem der Grundstücksbereich als Mischgebiet ausgewiesen wird und am 05.05.2011 hat der Bebauungsplan „Versorgungsgebiet“ Rechtswirksamkeit erlangt. Der Beklagte hat die inhaltliche Richtigkeit der vom Kläger eingereichten Urkunden nicht in Abrede gestellt. Auch geht aus den vom Beklagten eingereichten Urkunden zur Bauleitplanung der Stadt (Bl. 167 f., 176 d.A.) nichts Gegenteiliges hervor. Die Ausführungen des Beklagten, das Grundstück sei (nach wie vor) baurechtlich nicht erschlossen, sind nicht nachvollziehbar, aber auch unerheblich. Denn ein ordnungsgemäßer Beweisantritt fehlt. Der Beklagte hat seine Behauptung mit „Flurkarte und Auskunft des zuständigen Bauamtes / Amt für Bodenmanagement, nachzureichen im Bestreitensfall“ (vgl. Bl. 122, 125 d.A.) unter Beweis gestellt. Ein ordnungsgemäßer Beweisantritt i.S.v. § 595 Abs. 3 ZPO liegt damit jedoch nicht vor, da eine entsprechende Urkunde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zur Akte gereicht worden ist. Überdies kommt es darauf aber auch gar nicht an, weil der Bedingungseintritt der Nachschussklausel ausweislich ihres Wortlautes nicht die baurechtliche Erschließung, sondern das Ausweisen des Grundstücks im Rahmen der Bauleitplanung als (…) Mischgebiet voraussetzt.

Soweit der Beklagte Fehler im verwaltungsrechtlichen Erlassverfahren geltend macht, kommt es darauf nicht an. Denn der Bebauungsplan hat inzwischen jedenfalls Bestandskraft erlangt. Des Weiteren erscheint fraglich, ob es dem Beklagten nicht auch nach § 242 BGB verwehrt wäre, sich auf einen entsprechenden Fehler zu berufen, nachdem er selbst bautechnische Veränderungen an dem Grundstück vorgenommen hat.

Soweit der Beklagte die inhaltliche Richtigkeit der von ihm selbst eingeholten Wertgutachten bemängelt, findet sich dazu keine Regelung in dem Kaufvertrag. Dem Beklagten war freigestellt, ein Gutachten des Gutachterausschusses oder des Ortsgerichts einzuholen. An das Ergebnis des von ihm eingeholten und dem Kläger vorgelegten Wertgutachtens ist der Beklagte nach der dazu eindeutigen Vertragsvereinbarung gebunden.

Der notarielle Kaufvertrag datiert vom 17.09.1996. Die vereinbarte Bedingung – Änderung der Bauleitplanung – ist innerhalb von 20 Jahren nach dem Kaufvertragsabschluss durch Aufstellen des Bebauungsplanes im Jahr 2011 eingetreten. Damit sind sämtliche Voraussetzungen von § 2 des Vertrages, welche die Zahlungspflicht des Beklagten auslösen, eingetreten.

Der Anspruch des Klägers ist schließlich auch durchsetzbar und nicht verjährt.

Die Verjährung richtet sich vorliegend nach §§ 195, 199 BGB. Danach beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Diese Kenntnis erlangte der Kläger nach eigenem Vortrag erst durch das Schreiben des Magistrats der Stadt vom 07.08.2014. Eine frühere Kenntnis hat der insofern beweispflichtige Beklagte nicht dargetan. Dementsprechend war die Klageforderung im Zeitpunkt der Klageerhebung Ende des Jahres 2016 nicht verjährt. Angesichts dessen kann es dahinstehen, wie es sich auswirkt, dass der Beklagte den Kläger entgegen der Absprache in § 2 des notariellen Vertrages nicht über die bauplanungsrechtlichen Änderungen informierte.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 2, 288 Abs. 2 BGB.

Der Nachschussbetrag war nach § 2 Abs. 10 des Kaufvertrages binnen eines Monats nach Vorlage der Schätzurkunde oder des Wertgutachtens an den Kläger zu zahlen. Der Kläger hat dem Beklagten jedoch mit Schreiben vom 09.03.2016 eine Verlängerung der Zahlungsfrist bis zum 07.04.2016 eingeräumt, sodass der Anspruch ab dem 08.04.2016 zu verzinsen ist.

Der Zinssatz beträgt gemäß § 288 Abs. 2 BGB 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, da der Beklagte das Rechtsgeschäft – wie bereits erörtert – als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB abgeschlossen hat.

Der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren besteht gemäß §§ 286, 280 BGB. Der diesbezügliche Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

Dem Beklagten war gemäß § 599 Abs. 1 ZPO die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 599 Abs. 3, 708 Nr. 4, 711 ZPO.

 

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