Amtsgericht Lemgo – Az.: 12 VI 760/20 – Beschluss vom 03.02.2021
Die für den Hilfsantrag vom 06.10.2020 (gemeinschaftlicher Erbschein für die Miterben S., C. und F.) erforderlichen Tatsachen werden – unter gleichzeitiger Zurückweisung des Erbscheinsantrags vom 14.09.2020 – für festgestellt erachtet.
Die Verfahrenskosten trägt der Antragsteller. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die sofortige Wirkung des Beschlusses wird ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
Der Verfahrenswert wird auf 1.594.689,42 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Nachlass ist werthaltig und nicht überschuldet. Bei werthaltigen Nachlässen ist § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB nach Auffassung des Gerichts einschränkend auszulegen. Für die Wirksamkeit der Ausschlagung der minderjährigen C., geb. am.., bedarf es der familiengerichtlichen Genehmigung (vgl. Eue: Die „Doppelausschlagung“ auch für minderjährige Kinder bei werthaltigem Nachlass ZEV 2018, 624 mwN). Diese liegt nicht vor.
Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die wertbildenden Faktoren lange Zeit nicht einmal vom Testamentsvollstrecker ermittelt werden konnten. Der Schutzzweck von § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB würde in diesem Fall verfehlt, da die Anfechtung der Annahme der Erbschaft für das minderjährige Kind (bei einem Abwarten) durch die Eltern durch das Genehmigungserfordernis erheblich erschwert wäre.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Erbschaftsausschlagung Minderjähriger: Was Sie wissen müssen
Die Erbschaftsausschlagung Minderjähriger ist ein komplexer Prozess, der sowohl rechtliche als auch finanzielle Aspekte berücksichtigt. Es handelt sich dabei um die formelle Ablehnung einer Erbschaft durch die gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Kindes, in der Regel die Eltern.
Prozess der Erbschaftsausschlagung
Die Erbschaftsausschlagung ist formbedürftig. Die Erklärung zur Erbschaftsausschlagung kann entweder direkt beim zuständigen Nachlassgericht zur Niederschrift abgegeben werden oder in öffentlich beglaubigter Form durch einen Notar erfolgen. Sind die Eltern gemeinsam gesetzliche Vertreter (gemeinsames Sorgerecht), müssen beide die Erbschaft für das minderjährige Kind ausschlagen. Die Ausschlagung nur eines Elternteils ist in diesem Fall nicht ausreichend. Bei Eltern, die das alleinige Sorgerecht innehaben, reicht die Ausschlagung durch das sorgeberechtigte Elternteil.
Gerichtliche Genehmigung
Grundsätzlich muss die Ausschlagung der Eltern für das minderjährige Kind durch das Familiengericht genehmigt werden. Eine Ausnahme besteht, wenn das minderjährige Kind nur Erbe geworden ist, weil ein Elternteil bereits für sich die Ausschlagung erklärt hat. In diesem Fall können die Eltern ohne gerichtliche Genehmigung sowohl für sich als auch für die Kinder die Ausschlagung erklären. In allen anderen Fällen wird das Familiengericht die Genehmigung erteilen, wenn der Nachweis der Überschuldung des Nachlasses erbracht ist, also das minderjährige Kind aus der Erbschaft wirtschaftliche Nachteile befürchten muss.
Fristen und Folgen
Die Ausschlagungsfrist beträgt 6 Wochen. Sie beginnt im Falle von Minderjährigen zu dem Zeitpunkt zu dem die gesetzlichen Vertreter, also beide Eltern, vom Anfall der Erbschaft und vom Grund der Berufung zum Erben Kenntnis erlangen. Durch die Erbausschlagung geht die Erbschaft automatisch auf den nächsten Erbberechtigten über. Dies ist diejenige Person, die geerbt hätte, wenn der ausschlagende Erbe nicht gelebt hätte.
Bezug zum Urteil
In Bezug auf das Urteil ist es wichtig zu beachten, dass die Erbschaftsausschlagung unwiderruflich ist. Ausnahmsweise kann jedoch sowohl die Annahme der Erbschaft als auch deren Ausschlagung binnen einer Frist von sechs Wochen gem. § 1954 Abs.1 BGB angefochten werden, wenn sich der Erklärende in einem Erklärungsirrtum befand.
Zusammenfassend ist die Erbschaftsausschlagung Minderjähriger ein komplexer Prozess, der sorgfältige Überlegung und rechtliche Beratung erfordert. Es ist wichtig, die finanziellen Auswirkungen, die rechtlichen Anforderungen und die Fristen zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die besten Interessen des minderjährigen Kindes gewahrt werden.