KG Berlin – Az.: 1 W 233/18 – Beschluss vom 11.09.2018
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Anträge vom 24. Juli 2017 – jeweils eingegangen bei dem Grundbuchamt am 27. Juli 2017 – auf Eigentumsumschreibung an die Beteiligten zu 2 und 3 zu vollziehen.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 war Eigentümerin zweier Grundstücke, an denen sie Wohnungseigentum errichtete und veräußerte. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die daraus entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaften. Neben der Beteiligten zu 1 sind als Mitglied der Beteiligten zu 2 spätestens seit dem 6. Juli 2017 (Grundbuch von Prenzlauer Berg Blatt 3… N), als Mitglied der Beteiligten zu 3 spätestens seit dem 11. Dezember 2017 (Grundbuch von Prenzlauer Berg Blatt 3… N) weitere Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
In notariellen Verhandlungen vom 8. Juni 2017 (UR-Nr. 2X…/2… und 2Y…/2… des Notars D… C… ) ließ die Beteiligte zu 1 weitere Flurstücke, die an die jeweiligen Grundstücke der Beteiligten zu 2 und 3 angrenzen, an diese auf. Die Beteiligten zu 2 und 3 wurden dabei jeweils von der H… WEG-Verwaltungs GmbH, diese vertreten durch ihren Geschäftsführer A… W…, vertreten.
Auf die Anträge der Beteiligten zu 1 auf Eintragung der Eigentumswechsel hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 16. Oktober 2017 um Mitteilung gebeten, ob auf Seiten der Erwerberinnen neben der Beteiligten zu 1 bereits weitere Eigentümer als Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaften eingetragen seien. Außerdem hat das Grundbuchamt aufgegeben, die Vertretungsmacht der H… WEG-Verwaltungs GmbH für die Auflassung nachzuweisen.
Die Beteiligte hat daraufhin das Protokoll der Eigentümerversammlung der Beteiligten zu 2 vom 11. Dezember 2017 und das Protokoll der Eigentümerversammlung der Beteiligten zu 3 vom 13. Dezember 2017 vorgelegt.
Das Protokoll vom 11. Dezember 2017 enthält unter TOP 6 die Beschlussniederschrift, dass Frau S…, Herr J… und Herr B… zum Verwaltungsbeirat gewählt wurden. Unter TOP 8 enthält es die Beschlussniederschrift, dass die Erklärungen, die A… W… in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der H… WEG-Verwaltungs GmbH in der UR-Nr. 2X…/2… des Notars D… C… für die Beteiligte zu 2 abgegeben hat, genehmigt werden. Das Protokoll ist von dem Versammlungsleiter, von N… S… mit dem Zusatz “Wohnungseigentümer” und von C… J… mit dem Zusatz “Wohnungseigentümer/Beirat Vorsitzender” unterzeichnet. Sämtliche Unterschriften sind öffentlich beglaubigt. C… J… ist seit dem 23. August 2018 auf Blatt 3… N, 3… N, 3… N und 3… N des Grundbuchs von Prenzlauer Berg als Bruchteilseigentümer der Teileigentumseinheiten Nr. 105 und 106 und der Stellplätze Nr. 45 und 65 in der Anlage der Beteiligten zu 2 eingetragen. Seit dem 3. September 2015 waren entsprechende Eigentumsübertragungsvormerkungen eingetragen. Für N… S… sind seit dem 24. August 2015 Eigentumsübertragungsvormerkungen für die Wohnung Nr. 119 und den Stellplatz Nr. 3 in der Anlage der Beteiligten zu 2 auf Blatt 3… N und 3… N des Grundbuchs von Prenzlauer Berg eingetragen.
Das Protokoll vom 13. Dezember 2017 für die Versammlung der Beteiligten zu 3 enthält unter TOP 6 die Beschlussniederschrift, dass Frau P…, Herr F… und Herr B… zum Verwaltungsbeirat gewählt wurden. Unter TOP 8 enthält es die Beschlussniederschrift, dass die Erklärungen, die A… W… in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der H… WEG-Verwaltungs GmbH in der UR-Nr. 2Y…/2… des Notars D… C… für die Beteiligte zu 3 abgegeben hat, genehmigt werden. Das Protokoll ist von dem Versammlungsleiter, von T… P… mit dem Zusatz “Wohnungseigentümer/Beirat – Vorsitzende – ” und von P… P… mit dem Zusatz “Wohnungseigentümer/Beitrat” unterzeichnet. Sämtliche Unterschriften sind öffentlich beglaubigt. P… P… ist seit dem 11. Dezember 2017 auf Blatt 3… N des Grundbuchs von Prenzlauer Berg als Eigentümer der Wohnung Nr. 8 und des Stellplatzes Nr. 106 in der Anlage der Beteiligten zu 3 eingetragen. Für T… P… ist für die Wohnung Nr. 15 und den Stellplatz Nr. 118 in der Anlage der Beteiligten zu 3 auf den Grundbuchblättern 3… N und 3… N des Grundbuchs von Prenzlauer Berg jeweils seit dem 23. Juni 2015 eine Auflassungsvormerkung eingetragen.
Mit Verfügung vom 29. Mai 2018 hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass die vorgelegten Protokolle nicht den Erfordernissen des § 26 Abs. 3 WEG entsprächen. Bislang sei keine Eintragung eines Eigentümers bei den Beteiligten zu 2 bzw. 3 erfolgt, so dass auch kein Eigentümer den Beschluss wirksam habe unterzeichnen können.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Grundbuchamt die Eintragungsanträge zurückgewiesen, weil die in den Zwischenverfügungen vom 16. Oktober 2017 und 29. Mai 2018 aufgezeigten Hindernisse nicht behoben worden seien. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und begründet. Die Anträge sind zu vollziehen, denn die Voraussetzungen für die beantragten Eintragungen der Eigentumswechsel liegen vor.
Antrag (§ 13 GBO) und Bewilligung (§ 19 GBO) sind jeweils von der Beteiligten zu 1 als der eingetragenen Eigentümerin erklärt. Die steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen liegen vor.
Die Beteiligten zu 2 und 3 sind jeweils als teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaften entstanden, weil außer der Beteiligten zu 1 als teilender Eigentümerin bereits weitere Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind. Dies war für das Grundbuchamt bzw. den im Grundbuchverfahren an seine Stelle tretenden Senat aus dem Grundbuch selbst festzustellen, auch wenn es die Sachbearbeitung erleichtert hätte, wenn die Beteiligte zu 1 auf die Anfrage des Grundbuchamts vom 16. Oktober 2017 entsprechende Grundbuchblätter mitgeteilt hätte.
Die Beteiligten zu 2 und 3 waren bei der Auflassung jeweils wirksam vertreten, denn sie haben die Erklärungen des Vertreters jeweils durch Beschluss genehmigt. Die Beschlüsse sind in einer für das Grundbuchverfahren gemäß § 29 GBO i.V.m. § 26 Abs. 3 WEG tauglichen Weise nachgewiesen.
Soweit die Verwaltereigenschaft durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden muss, genügt gemäß § 26 Abs. 3 GBO die Vorlage einer Niederschrift über den Bestellungsbeschluss, bei der die Unterschriften der in § 24 Abs. 6 WEG bezeichneten Personen öffentlich beglaubigt sind. Die Vorschrift ist auf einen Beschluss, durch den dem Verwalter Vollmacht zu einem Immobilienerwerb erteilt oder bestätigt werden soll, entsprechend anzuwenden (OLG Hamm, Rpfleger 2010, 583; Abramenko in Riecke/Schmid, WEG, 4. Aufl., § 26 Rdn. 96).
Gemäß § 24 Abs. 6 S. 2 WEG ist die Niederschrift von dem Vorsitzenden und einem Wohnungseigentümer und, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter zu unterschreiben. Diese Voraussetzungen sind hier mit den Besonderheiten, die sich aus den anerkannten Rechtsfiguren der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft und des werdenden Wohnungseigentümers ergeben, erfüllt.
Die Bedenken des Grundbuchamts, dass bisher “kein” Eigentümer eingetragen sei und den Beschluss wirksam unterzeichnen könne, sind bezogen auf die Beteiligte zu 3 schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil P… P… seit dem 11. Dezember 2017 als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen war.
Aber auch N… S… konnte als werdende Wohnungseigentümerin das Protokoll der Beteiligten zu 2 mit der Beweiskraft des § 26 Abs. 3 WEG unterzeichnen.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 177, 53; 193, 219; 206, 281) bilden bereits vor Entstehung einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach Teilung gemäß § 8 WEG die Erwerber, für die eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist und denen der Besitz an der erworbenen Wohnung übergeben worden ist, eine sogenannte werdende Gemeinschaft. Auf diese sind im Innenverhältnis zwischen dem teilenden Eigentümer und den Ersterwerbern bereits die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes anzuwenden, weil die Wohnanlage in der Übergangsphase zwischen Übergabe verkaufter Wohnungen und rechtlicher Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Grundbucheintragung eines ersten Erwerbers als Eigentümer bereits bewirtschaftet und verwaltet werden muss. Dies sollte sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer überlassen bleiben, sondern unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer nach den Regeln erfolgen, deren Geltung die Beteiligten ohnehin anstreben (BGHZ 177, 53). In zeitlicher Hinsicht ist eine vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes geboten, sobald der Käufer eine rechtlich verfestige Erwerbsposition besitzt und infolge des vertraglich vereinbarten Übergangs von Lasten und Nutzungen der Wohnung ein berechtigtes Interesse daran hat, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnanlage vorzeitig auszuüben. Beides ist anzunehmen, wenn ein wirksamer, auf Übereignung von Wohnungseigentum gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist (BGH a.a.O.). Von diesem Zeitpunkt an ist im Verhältnis zu dem teilenden Eigentümer und den übrigen Mitgliedern der werdenden oder gegebenenfalls inzwischen bereits entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaft nur noch der werdende Wohnungseigentümer verpflichtet, entsprechend § 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten des künftigen gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen (BGH a.a.O). Stimmberechtigt ist in der Wohnungseigentümerversammlung ebenfalls nur noch der werdende Wohnungseigentümer (BGHZ 193, 219). Aus diesem Grunde muss als “Wohnungseigentümer” im Sinne des § 24 Abs. 6 S. 2 WEG auch der werdende Wohnungseigentümer gelten (Schultzky in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 24 Rdn. 141). Eine andere Auslegung könnte dazu führen, dass §§ 24 Abs. 6 S. 2, 26 Abs. 3 WEG nicht erfüllt und Beschlüsse wie die Bestellung eines Verwalters nicht ordnungsgemäß dokumentiert und nachgewiesen werden können, wenn der teilende Eigentümer in der Phase der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft zum Beispiel sämtliche Wohnungen bereits verkauft und übergeben hat oder aus sonstigen Gründen nicht an der Wohnungseigentümerversammlung teilnimmt (Stöhr, RNotZ 2012, 568).
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob und wie im Grundbuchverfahren die Stellung als werdender Wohnungseigentümer nachgewiesen werden kann und muss. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass § 26 Abs. 3 WEG nicht den Nachweis erfordert, dass die in § 24 Abs. 6 S. 2 WEG bezeichneten Personen die dort genannten Funktionen innehaben; es genügt – außer bei begründeten Zweifeln -, wenn erkennbar ist, in welcher Funktion der Unterzeichner an der Versammlung teilgenommen hat (Merle in Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 24 Rdn. 128; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 29 Rdn. 10; Heggen, NotBZ 2009, 401; Hertel in Meikel, GBO, 11. Aufl., § 29 Rdn. 94).
Dieser Grundsatz ist allerdings für die Funktionen des Beirats(vorsitzenden) und des Vorsitzenden der Versammlung entwickelt worden, weil diese wiederum nur durch einen Beschluss nachgewiesen werden könnte, wodurch sich eine “Nachweisspirale” ergäbe. Im Unterschied dazu kann dem Grundbuch entnommen werden, ob die als Eigentümer bezeichnete Person bereits das Eigentum erworben hat.
Hat ein werdender Wohnungseigentümer als alleiniger Inhaber des Stimmrechts für sein zukünftiges Wohnungseigentum an der Wohnungseigentümerversammlung teilgenommen und das Protokoll unterzeichnet, so hat er hingegen keine Möglichkeit, seine Stellung als werdender Wohnungseigentümer in grundbuchtauglicher Form nachzuweisen. Denn die Übergabe des Besitzes an der Wohnung ist regelmäßig nicht durch öffentliche Urkunde zu belegen. Wegen eines solchen fehlenden Nachweises für den Besitzübergang hat das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 15. August 2012 (FGPrax 2013, 16) die Nachweistauglichkeit eines Beschlussprotokolls verneint, das von einem noch nicht als Eigentümer eingetragenen, nur durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Erwerber unterzeichnet worden war.
Der Senat ist demgegenüber der Ansicht, dass bei einem Ersterwerber, für den bereits eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und der das Protokoll einer Wohnungseigentümerversammlung unterzeichnet, wiederum der Grundsatz eingreift, dass das Grundbuchamt zur Vermeidung unerfüllbarer Nachweisanforderungen nur begründeten Zweifeln nachzugehen hat. Allein die Tatsache, dass ein Erwerber noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, begründet dann keine Zweifel daran, dass er jedenfalls werdender Wohnungseigentümer ist (so auch Merle/Becker in Bärmann a.a.O. § 26 Rdn. 305). Für diese Verteilung der Prüfungspflichten des Grundbuchamts und Nachweispflichten der Wohnungseigentümergemeinschaft spricht auch, dass die Prüfung, ob ein Erwerber bereits Inhaber des Stimmrechts und demgemäß auch zur Unterschrift unter dem Versammlungsprotokoll befugt ist, bereits im Rahmen der Versammlung und Abstimmung erforderlich ist. Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, für die Wohnungseigentümergemeinschaft sei die Besitzübergabe von dem Bauträger an den Ersterwerber typischerweise anhand äußerer Merkmale feststellbar (BGHZ 206, 281). Die Tatsache, dass die Gemeinschaft einen Erwerber in der Versammlung abstimmen lässt und ihm auch die Unterzeichnung des Protokolls als “Eigentümer” überlässt, bezeugt dann, dass sie von einem Besitzübergang und damit auch der Stellung als werdender Eigentümer ausgeht. Dies hat keine geringere Richtigkeitsgewähr als die Bezeichnung eines Eigentümers als Beiratsvorsitzender.
Aus den vorbezeichneten Gründen waren auch J… und P… zur Unterzeichnung der Protokolle als Beiratsvorsitzende berechtigt.