Namensänderung bei Erwachsenenadoption: Die Änderung des Vornamens im Fall einer Annahme als Kind
In einem aktuellen Fall musste sich das Oberlandesgericht Bamberg mit der Frage befassen, ob im Rahmen einer Erwachsenenadoption auch die Änderung des Vornamens des Anzunehmenden zulässig ist. Die Anzunehmende, eine erwachsene Frau mit Migrationshintergrund, hatte ihre Adoption durch ein deutsches Ehepaar beantragt und gleichzeitig eine Änderung ihres Vornamens gewünscht. Das Landgericht hatte die Adoption zwar ausgesprochen, die Namensänderung jedoch abgelehnt. Eine Änderung des Vornamens sei bei der Annahme eines Volljährigen nicht vorgesehen und auch nicht nötig. Dagegen legten das Ehepaar und die Anzunehmende Beschwerde ein.
Direkt zum Urteil Az: 2 UF 94/21 springen.
Übersicht
Argumentation für die Namensänderung
Das Ehepaar und die Anzunehmende argumentierten, dass die Änderung des Vornamens auch bei Volljährigen zulässig sein sollte und begründeten dies mit der persönlichen Verbundenheit der Anzunehmenden zu den Annehmenden. Die Anzunehmende habe den Wunsch geäußert, mit dem neuen Vornamen ihre Zugehörigkeit zu der Familie der Annehmenden zum Ausdruck zu bringen. Zudem erhoffe sie sich von der Änderung ihres Vornamens, Nachstellungen seitens ihrer Familie und der Familie ihres geschiedenen Mannes zu vermeiden.
Oberlandesgericht Bamberg entscheidet zugunsten der Namensänderung
Das Oberlandesgericht Bamberg gab der Beschwerde statt und änderte den angefochtenen Beschluss des Landgerichts ab. Die Richter führten aus, dass es im deutschen Adoptionrecht keine speziellen Regelungen für die Namensänderung bei Volljährigen gebe. Allerdings spreche die Regelung in §§ 1767, 1757 BGB dafür, dass eine Änderung des Vornamens auch bei Volljährigen zulässig sein sollte.
Die Entscheidung legt nahe, dass die Namensänderung sittlich gerechtfertigt sein muss, was im vorliegenden Fall gegeben war. Die Anzunehmende wollte mit dem neuen Vornamen ihre persönliche Verbundenheit zu den Annehmenden ausdrücken und zugleich persönlichen Nachstellungen vorbeugen.
Kostenentscheidung und Verfahrenswert
Das Oberlandesgericht entschied zudem, von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen und auch keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen. Die Frage der Namensänderung bei Erwachsenenadoption sei in der Literatur umstritten und durch die obergerichtliche Rechtsprechung nicht geklärt. Daher bestünde keine Veranlassung, die notwendigen Auslagen auf die Staatskasse umzulegen. Der Verfahrenswert wurde auf den Auffangwert nach § 42 Abs. 3 FamGKG festgesetzt.
Bedeutung des Urteils für andere Fälle
Das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg klärt die bislang umstrittene Frage, ob bei Erwachsenenadoptionen eine Namensänderung zulässig ist. Damit dürfte es auch für andere Fälle von Bedeutung sein, in denen sich Adoptierte und Adoptierende über das Namensrecht streiten. Allerdings muss für die Zulässigkeit der Namensänderung jeweils eine sittliche Rechtfertigung vorliegen, die im Einzelfall zu prüfen ist.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 16 UF 1318/20 – Beschluss vom 20.01.2021
1. Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Eggenfelden vom 28.09.2020, Az.: 1 F 146/20, wird in Ziffer 3 dahingehend abgeändert, dass die Anzunehmende mit Wirkung ab 29.09.2020 anstelle des Vornamens „I.“ die Vornamen „E. E.“ trägt.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,– € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Anzunehmende ist libanesische Staatsangehörige. Sie wurde durch Beschluss des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 22.05.2020, rechtskräftig spätestens seit 26.06.2020, Az.: 8 C 27/18 -45, geschieden. Aus der Ehe der Anzunehmenden sind zwei Kinder hervorgegangen, H. A., geboren 20.03.2012, und H. A., geboren 17.02.2014. Diese haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Anzunehmenden.
Mit Antrag vom 12.03.2020 beantragten die Annehmenden sowie die Anzunehmende beim zuständigen Familiengericht auszusprechen: „W. E. und E. E. nehmen I. C. als Kind an“.
Weiterhin beantragten sie den Vornamen der Anzunehmenden von „I.“ in „E. E.“ zu ändern. Diesen Antrag begründeten sie zum einen mit der Verbundenheit der Anzunehmenden zu den Annehmenden, zum anderen mit dem Schutzbedürfnis der Anzunehmenden vor Nachstellungen durch die Herkunftsfamilie der Anzunehmenden und die Herkunftsfamilie des geschiedenen Ehemanns der Anzunehmenden. Dieser war zuletzt durch das Oberlandesgericht Linz wegen nachhaltiger Gewalttaten zum Nachteil der gemeinschaftlichen Kinder und der Anzunehmenden zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 07.11.2019, Az.: 7 Bs 168/19 A, verwiesen.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Eggenfelden entschied nach ergänzenden Ermittlungen sowie Anhörung des Sohnes des Annehmenden (die Tochter der Annehmenden reagierte auf das Anschreiben des Gerichts nicht) durch Beschluss vom 28.09.2020, dass die Annahme der Anzunehmenden I. C. durch die Ehegatten W. E. und E. E. ausgesprochen wird. Weiterhin entschied das Amtsgericht – Familiengericht – Eggenfelden, dass die Angenommene nunmehr den Geburtsnamen E. führe. Den Antrag auf Abänderung des Vornamens der Anzunehmenden wies das Amtsgericht – Familiengericht – Eggenfelden durch Beschluss vom 28.09.2020 zurück. Hierzu führte das Amtsgericht – Familiengericht – Eggenfelden aus, dass es der in weiten Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, dass die Änderung des Vornamens eines Volljährigen sittlich nicht gerechtfertigt sei, folge. Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Annehmenden zugestellt am 29.09.2020. Gegen den Beschluss richtet sich deren Beschwerde, die auch für die Anzunehmende eingelegt wurde, vom 29.10.2020, eingegangen beim Amtsgericht – Familiengericht – Eggenfelden am gleichen Tag. Mit der Beschwerde verfolgen die Beteiligten den Antrag auf Änderung des Vornamens der Angenommenen von „I.“ in „E. E.“ weiter. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 29.10.2020 verwiesen.
Der Senat hat die Annehmenden und die Anzunehmende darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung die Beschwerde Aussicht auf Erfolg habe. Weiterhin hat es die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Dem sind die Beteiligten nicht entgegengetreten.
Einer Anhörung der Tochter des Annehmenden, für die die Rechtsanwälte V. und H. dem Amtsgericht Eggenfelden gegenüber erstmals mit Schriftsatz vom 10.11.2020 die Vertretung angezeigt haben, ist nicht veranlasst. Durch die Änderung der Vornamen der Anzunehmenden können rechtliche Interessen der Tochter der Annehmenden nicht berührt werden, zumal diese über einen anderen Vornamen verfügt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Es ist in der Literatur umstritten, ob im Fall der Annahme eines Volljährigen mit schwacher Wirkung, die durch das Amtsgericht – Familiengericht – Eggenfelden antragsgemäß ausgesprochen worden ist, der Vorname des volljährigen Anzunehmenden geändert werden kann.
Hiergegen wird eingewandt, dass das Ziel des § 1757 Abs. 3 Nr. 1 BGB im Fall der Erwachsenenadoption nicht erreicht werden könne. Die Möglichkeit, auf Antrag auch den Vornamen des Anzunehmenden zu ändern, diene dazu, dass die Bindung der Annehmenden zu dem Anzunehmenden gefestigt werden könne. Dieses Ziel sei im Fall der Volljährigenadoption durch die Änderung des Vornamens aber nicht mehr erreichbar (vgl. hierzu BeckOGK/Löhnig, 01.11.2020, § 1757 BGB Rn. 35; MünchKomm BGB/Maurer, 8. Aufl. 2020, § 1770 Rn. 19).
Die Vertreter der entgegengesetzten Auffassung verweisen darauf, dass § 1767 BGB auch auf § 1757 Abs. 3 Nr. 1 BGB verweise und daher auch bei der Annahme eines Volljährigen der Vorname des Anzunehmenden geändert werden könne (Staudinger/Helms, Bearbeitung 2019, § 1777 BGB Rn. 10; Erman/Teklote, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1770 Rn. 2).
Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Für diese spricht, dass § 1767 BGB ohne Einschränkung auch auf die Bestimmung des § 1757 Abs. 3 BGB verweist. Die Vorschriften über die Annahme von Volljährigen enthalten spezielle Regelungen zu den namensrechtlichen Folgen der Annahme (§ 1767 Abs. 2 BGB). Hinsichtlich des Rechts, durch übereinstimmende Erklärung den Vornamen des Anzunehmenden zu ändern, sind jedoch in § 1767 BGB und auch an anderer Stelle keine Modifikationen vorgesehen. Der systematische Zusammenhang der §§ 1767, 1757 BGB spricht daher dafür, dass für die Annahme eines Volljährigen das Recht, auf Antrag des Annehmenden und mit Einwilligung des Anzunehmenden den Vornamen des Anzunehmenden zu ändern, nicht ausgeschlossen werden sollte.
Weiterhin spricht hierfür auch die Entstehungsgeschichte von § 1757 Abs. 3 Nr. 1 BGB. In seiner heutigen Form lässt das Gesetz die Änderung des Vornamens eines minderjährigen Kindes bereits dann zu, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Mit der Erleichterung der Zulässigkeit der Änderung des Vornamens kann den Fällen Rechnung getragen werden, in denen es den Annehmenden erschwert ist, sich mit dem von den Eltern des anzunehmenden Kindes gewählten Vornamen zu identifizieren. Andererseits wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass minderjährige Kinder sich ab einem gewissen Alter über den ihnen mit der Geburt erteilten Vornamen identifizieren. Dies kann im Einzelfall einer Änderung des Vornamens entgegenstehen (vgl. hierzu Staudinger/Helms, Bearbeitung 2019, § 1757 BGB Rn. 49 m.w.N.).
Das Zusammenspiel der Regelungen zeigt, dass das Recht der Beteiligten, mit dem Ausspruch der Annahme auch den Vornamen des Kindes zu ändern, nur dahingehend beschränkt werden sollte, dass dies nur zulässig ist, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Im Fall der Erwachsenenadoption besteht keine Veranlassung, die Änderung des Vornamens unter diesen Vorbehalt zu stellen. Vielmehr ist es Sache des erwachsenen Anzunehmenden, zu entscheiden, ob er dem Antrag auf Änderung des Vornamens zustimmt, indem er gemeinschaftlich mit dem Annehmenden einen entsprechenden Antrag an das zuständige Familiengericht richtet.
Hierfür spricht weiter der Vergleich der Voraussetzungen gemäß § 1767 Abs. 1 BGB mit § 1741 Abs. 1 BGB. Während die Annahme eines Minderjährigen als Kind zulässig ist, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht, ist die Annahme eines Volljährigen an die Voraussetzung geknüpft, dass diese sittlich gerechtfertigt ist, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Während für die Annahme eines Minderjährigen also kumulativ sowohl eine positive Kindeswohlprüfung als auch eine positive Prüfung bzw. Prognose der Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses erforderlich ist, reicht es für die Annahme eines Volljährigen aus, dass der Ausspruch der Annahme sittlich gerechtfertigt erscheint, was bereits dann gegeben ist, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist.
Es liegt nahe, dies auch auf die Zulässigkeit der Änderung des Vornamens zu übertragen. Folgt man dieser Auffassung, ist zu prüfen, ob die Änderung des Vornamens sittlich gerechtfertigt erscheint. Maßgeblich hierfür sind die Motive, die die Beteiligten zur Änderung des Vornamens veranlassen.
Die Prüfung ergibt, dass im vorliegenden Fall die Änderung des Vornamens der Anzunehmenden sittlich gerechtfertigt erscheint.
Die Anzunehmende möchte mit dem neuen Vornamen ihre persönliche Verbundenheit zu der Annehmenden zu 2), die ebenfalls Erika heißt, sowie zu dem Annehmenden zu 1), dessen Mutter E. hieß, zum Ausdruck bringen. Gerade im süddeutschen Raum ist es nicht selten, dass Kinder die Vornamen der Eltern oder naher Verwandter tragen, um deren Zugehörigkeit zur Familie Ausdruck zu verleihen.
Weiterhin ist der Antrag auf Änderung des Vornamens dadurch motiviert, dass die Anzunehmende Nachstellungen seitens ihrer Familie, aber auch der Familie des von ihr geschiedenen Mannes befürchtet. Die Zugehörigkeit zur Herkunftsfamilie und die durch die Ehe begründeten Bindungen an die Familie des geschiedenen Ehemannes der Anzunehmenden stellen sich daher als Bedrohung und Belastung für die Anzunehmende dar. Es erscheint sittlich gerechtfertigt, dass sie den hiermit verbundenen erheblichen Risiken zusätzlich durch eine Änderung ihres Vornamens vorbeugen möchte. Die beantragte Änderung des Vornamens führt dazu, dass die Anzunehmende anhand ihres Namens nicht mehr als dem arabischen Rechtskreis zugehörig identifiziert werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, von der Erhebung der Gerichtskosten für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens abzusehen. Die Beschwerde der Annehmenden und der Anzunehmenden hatte in der Sache Erfolg.
Weiterhin entspricht es billigem Ermessen, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen. Die Frage, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen beim Ausspruch der Annahme eines Volljährigen auch der Vorname des Anzunehmenden geändert werden kann, ist in der Literatur umstritten. Durch die obergerichtliche Rechtsprechung ist die Frage nicht geklärt. Es besteht daher keine Veranlassung insoweit die notwendigen Auslagen der Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf § 42 Abs. 3 FamGKG.
Der Senat hat hierbei berücksichtigt, dass das wirtschaftliche Interesse an der Änderung des Vornamens deutlich hinter dem Interesse an dem Ausspruch der Annahme zurückbleibt.
Im Hinblick darauf, dass keine weiteren Anhaltspunkte bestehen, die es erlauben würden, ein vermögensrechtliches Interesse an der Abänderung des Vornamens zu schätzen, setzt der Senat den Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren in Höhe des Auffangwertes gemäß § 42 Abs. 3 FamGKG fest.