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Eintragungsfähigkeit einer Grundschuld mit variablem Zinssatz

OLG München – Az.: 34 Wx 71/11 – Beschluss vom 16.05.2011

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) – Grundbuchamt – vom 18. Januar 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

Mit notariell beglaubigter Urkunde vom 8.10.2010 hat der Beteiligte zu Lasten seines Grundstücks eine Buchgrundschuld im Betrag von 50.000 € bestellt, u.a. verzinslich vom Tag der Eintragung an jährlich mit 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins. Er hat die Eintragung dieser Grundschuld ins Grundbuch bewilligt und beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 18.1.2011 hat ihm das Grundbuchamt Frist zur Angabe eines Höchstzinssatzes in grundbuchtauglicher Form gesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, der das Grundbuchamt mit folgender Begründung nicht abgeholfen hat: Der Bundesgerichtshof habe zwar in seiner Entscheidung vom 26.1.2006 (NJW 2006, 1341) ausgeführt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz durch den Verzicht auf die Eintragung eines Höchstzinssatzes nicht gefährdet und mit Änderung des § 288 Abs. 1 BGB die neue Praxis vom Gesetzgeber auch so gewollt sei. Dementsprechend genüge die Bezugnahme auf einen variablen Zinssatz. Der Bestimmtheitsgrundsatz könne aber auf diese Weise nicht gewahrt werden. Ein Immobilienannuitätendarlehen sei in der Regel auf eine Laufzeit von 20 bis 30 Jahren angelegt. Für den nachrangigen Grundpfandrechtsgläubiger sei über diesen Zeitraum nicht zu berechnen, welcher Schuldbetrag ihm vorgehe. So sei derzeit der Basiszinssatz zwar sehr niedrig, er könne bei Anziehen der Inflation sich aber auch zwischen 10 % und 20 % bewegen. Gläubiger würden vermutlich, um sich abzusichern, intern einen so hohen „Höchstzinssatz“ ansetzen, um in ihrer Berechnung auf der kaufmännisch sicheren Seite zu sein. Dementsprechend würden die Kunden eine höhere Verzinsung in Kauf nehmen müssen. Dies könne nicht im Interesse des Verbrauchers sein.

Der Rechtsprechung könne auch nicht darin gefolgt werden, dass durch einen Vermerk bezüglich des Höchstzinssatzes das Grundbuch überfrachtet würde. Die Eintragung eines Höchstzinssatzes sei spätestens seit 1932 gängige Praxis. In diesem Zeitraum sei eine Überfrachtung nicht festgestellt worden. Auch die Erwägung, dass Kursschwankungen bei Fremdwährungsgrundpfandrechten einen ähnlichen Effekt der Unbestimmtheit auslösten, sei nicht überzeugend. Es bleibe nämlich dem nachrangigen Gläubiger unbenommen, sich dann das Grundpfandrecht in derselben fremdländischen Währung eintragen zu lassen. Sein Recht wäre damit den gleichen Schwankungen unterworfen und sozusagen stabil. Alternativ könnten Kursschwankungsrisiken durch Devisenoptionsgeschäfte ausgeschlossen werden. Solche Möglichkeiten bestünden beim bloßen Verzicht auf die Eintragung eines Höchstzinssatzes nicht.

II.

Die gemäß § 71 Abs. 1, § 73 Abs. 1 GBO i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GBO), der § 58 Abs. 1 FamFG wegen der Sonderregelungen im Grundbuchverfahren nicht entgegen steht (OLG Hamm RNotZ 2011, 243/244), hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt wird unter Beachtung der Ausführungen des Senats nun abschließend über den Eintragungsantrag zu entscheiden haben.

1. Die beanstandete Zwischenverfügung ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sie das Grundbuchamt – seinen eigenen Rechtsstandpunkt zugrunde gelegt – nicht hätte erlassen dürfen (ebenso OLG Hamm RNotZ 2011, 243/244 f.). Die Vorraussetzungen des § 18 GBO sind nicht gegeben. Eine Zwischenverfügung darf nur ergehen, wenn ein Eintragungshindernis mit rückwirkender Kraft zu beseitigen ist. Andernfalls würde der beantragten Eintragung ein Rang zukommen, der ihr nicht gebührt (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 18 Rn. 8 m.w.N.; Senat vom 10.3.2011, 34 Wx 55/11 und vom 28.4.2011, 34 Wx 27/11; ausführlich OLG Schleswig FGPrax 2010, 282 m. Anm. Lorbacher). Zum Inhalt der Grundschuld gehören auch die Zinsen und sonstigen Nebenleistungen (§ 1191 Abs. 2 BGB; vgl. Staudinger/Wolfsteiner BGB Neubearb. 2009 § 1191 Rn. 2). Die nach Meinung des Grundbuchamts einzutragende Grundschuld wäre also mit der bestellten, deren Eintragung bewilligt ist, nicht identisch. Durch Eintragung einer inhaltlich anderen Grundschuld kann der Mangel nicht rückwirkend geheilt werden (vgl. Demharter aaO.).

2. Ein Höchstzinssatz ist im vorliegenden Fall nicht einzutragen. Der Zinssatz muss zwar bestimmt sein. Ein gleitender Zinssatz, etwa ein solcher entsprechend dem jeweiligen Zinssatz einer Sparkasse, ist grundsätzlich durch Eintragung eines Höchstzinssatzes nach oben zu begrenzen (vgl. Demharter Anh. zu § 44 Rn. 45 m.w.N.). Dies gilt aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. NJW 2006, 1341; zustimmend etwa Kesseler MittBayNot 2006, 468; Zimmer NJW 2006, 1325; Clemente ZfIR 2006, 373) nicht, wenn der Zinssatz vom Basiszinssatz des § 247 BGB abhängt. Dem folgt der Senat. Zwar muss grundsätzlich gewährleistet sein, dass sämtliche Beteiligte, insbesondere nachrangige Gläubiger, das höchstmögliche Ausmaß der Belastung des Grundstücks anhand des Grundbuchs erkennen können. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Bereits ohne Bezugnahme auf den Basiszinssatz kann der Haftungsumfang vom nachrangigen dinglichen Gläubiger nicht genau übersehen werden. So erstreckt sich die Haftung auch auf die Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung (§§ 1118, 1192 BGB). Der genaue Umfang dieser Kosten ist im Voraus nicht zu beziffern. Durch die Umstellung des Gesetzes auf den Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 und 2 BGB) ist eine weitere Ausnahme begründet worden, die es rechtfertigt, auch bei der Eintragung rechtsgeschäftlich vereinbarter variabler Zinsen in das Grundbuch nicht mehr die Angabe des Höchstzinssatzes zu verlangen. Denn das Grundstück haftet gemäß §§ 1118, 1192 BGB für gesetzliche Zinsen und nach §§ 1146, 1192 BGB für Verzugszinsen, so dass insoweit ein nicht begrenzter variabler Zinssatz gilt (BGH aaO.).

Bürdet der Gesetzgeber damit nachrangigen Gläubigern das Risiko der Schwankung des Basiszinssatzes auf, so ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im Bereich rechtsgeschäftlich vereinbarter Zinsen eine Grundbucheintragung ohne Höchstzinsangabe zuzulassen, sofern sich der variable Zins wie hier aus der Bezugnahme auf eine gesetzlich bestimmte Bezugsgröße ergibt (ebenso BGH aaO.).

Hinzu kommt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz etwa auch der Eintragung von Grundpfandrechten in bestimmten Fremdwährungen nicht entgegensteht. Auch in diesen Fällen ist es nachrangigen Gläubigern nicht möglich, das höchstmögliche Ausmaß der Belastung des Grundstücks anhand des Grundbuchs zuverlässig zu ermitteln (BGH aaO.; Demharter § 28 Rn. 27 ff.).

3. Die in der Nichtabhilfeentscheidung getroffenen – im wesentlichen rechtspolitischen – Erwägungen können nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Vermeidung einer Erhöhung von Hypotheken- und Grundschuldzinsen, um sich gegenüber nicht abschätzbaren Erhöhungen einer vorrangiger Belastung abzusichern, greift gegenüber der Entscheidung des Gesetzgebers, die Höhe der Bezugszinsen variabel zu halten, nicht durch. Die Herausnahme der Verzugszinsen aus dem Geltungsbereich des § 1118 BGB kommt wegen § 1146 BGB nicht in Betracht. Die Angabe eines Höchstzinssatzes ist zwar denkbar, die Höhe beruht aber bei langfristigen Krediten letztlich auf einer Spekulation über die weitere Zinsentwicklung.

Soweit in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf die vergleichbare Lage bei Fremdwährungsgrundpfandrechten hingewiesen ist, ist ein nachrangiger Grundpfandrechtsgläubiger auch dort nicht in einer besseren Lage. Denn durch die Eintragung eines nachrangigen Rechts in derselben fremdländischen Währung könnte dieser sich nicht gegen unerwartete Erhöhungen des vorrangigen Grundpfandrechts schützen.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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