OLG Celle 3 – Az.: 3 U 72/21 – Beschluss vom 30.06.2021
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 19. März 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer vermeintlichen notariellen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin war Eigentümerin eines im Grundbuch von B., Amtsgericht Wuppertal, Blatt 66…, eingetragenen Grundstücks, das ihr wesentliches Gesellschaftsvermögen darstellte und das sie im Dezember 2019 an die S. G. R. E. IV B.V. (im Folgenden: Käuferin) verkaufen wollte.
Der beklagte Notar entwarf hierfür im Auftrag der Käuferin einen Grundstückskaufvertrag und stellte den Entwurf (Anlage K 1, Bl. 7 ff. d.A.) auch der Klägerin als Verkäuferin zur Verfügung. Die Beurkundung fand am 23. Dezember 2019 am Amtssitz des Beklagten statt. Alleinige Gesellschafter der Klägerin waren zum Zeitpunkt der Beurkundung deren Geschäftsführer M. H. sowie die A/M/W GmbH mit ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer A. W. Für die Klägerin waren beide vorgenannten Herren zum Beurkundungstermin erschienen und brachten den Entwurf des Protokolls einer Gesellschafterversammlung nebst zu fassendem Beschluss über den Verkauf der Immobilie mit (Anlage K 2, Bl. 32 d. A.), um dieses Protokoll in Gegenwart des Beklagten zu unterschreiben. Es kam zu einem Gespräch mit im Einzelnen streitigem Inhalt zwischen dem Beklagten und den Vertragsparteien über die Notwendigkeit der notariellen Beurkundung auch des zu fassenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Klägerin. Letztlich führte dies dazu, dass in der Präambel des Grundstückkaufvertrages vom 23. Dezember 2019 der folgende Passus aufgenommen wurde:
Dieser Vertrag betrifft nach Angabe der Beteiligten auf Verkäuferseite einen so wesentlichen Teil des Gesellschaftsvermögens der veräußernden Gesellschaft, dass letztere mit dem verbliebenden Betriebsvermögen nicht mehr ausreichend in der Lage sein wird, ihre in der Satzung festgelegten Unternehmensziele, und sei auch nur in eingeschränktem Umfang, zu verfolgen. Der Notar hat als sichersten Weg empfohlen, einen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung des Verkäufers zu beurkunden. Die Erschienenen zu 1.a) und b) verpflichten sich, den beurkundeten Gesellschafterbeschluss in Ausfertigung vorzulegen, damit die Wirksamkeit des Kaufvertrages sichergestellt ist.
Unter Ziffer 3.2 des Vertrages, wegen dessen Inhalts im Übrigen auf die Anlage K 3 (Bl. 33 ff. d.A.) Bezug genommen wird, wurde sodann folgende – im Vergleich zum Vertragsentwurf ebenfalls ergänzte – Voraussetzung für die Kaufpreisfälligkeit aufgenommen:
3.2 In Bezug auf die Kaufpreisfälligkeit des Kaufpreises beauftragen die Parteien den amtierenden Notar, dem Käufer mit gleichzeitiger Abschrift an die Verkäufer, jeweils schriftlich (ausreichend per Telefax) mitzuteilen, dass die folgenden Fälligkeitsvoraussetzungen hinsichtlich des Kaufgegenstands vorliegen („Fälligkeitsmitteilung“)
…
(e) Dem Notar liegt der notarielle Gesellschafterbeschluss über die Genehmigung dieses Vertrages vor.
Die Parteien beauftragen den amtierenden Notar, dem Verkäufer und dem Käufer schriftlich mitzuteilen (ausreichend per E-Mail), wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen gemäß § 3.2 (a) bis § 3.2 (e) vorliegen oder von dem Käufer auf das Vorliegen einzelner dieser Fälligkeitsvoraussetzungen verzichtet wurde.
Zu einer Beurkundung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Klägerin beim Beklagten kam es in der Folge nicht. Den ausstehenden Gesellschafterbeschluss fassten die Herren H. und W. (letzterer als geschäftsführender Alleingesellschafter der A/M/W GmbH) vielmehr zunächst am 8. Januar 2020 vor dem Notar Dr. R., M., der ihre Unterschriften beglaubigte (Anlage K 4, Bl. 57 ff. d.A.). Mangels notarieller Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses erachtete der Beklagte diesen für den Vollzug des Grundstückskaufvertrages allerdings als nicht ausreichend. Daraufhin ließ die Klägerin am 17. Februar 2020 vor dem Notar Dr. R., M., eine Gesellschafterversammlung durchführen und die erneute Beschlussfassung über den Verkauf der Gewerbeimmobilie notariell beurkunden.
Der beurkundende Notar Dr. R. stellte der Klägerin am 17. Februar 2020 für diese Leistung 7.030,60 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer in Rechnung (Anlage K 5, Bl. 60 d.A.). Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin beglich die Rechnung und wandte sich anschließend mit E-Mail vom 25. März 2020 (Anlage K 7, Bl. 63 d.A.) an den Beklagten mit der Frage, wie mit den Beurkundungskosten umgegangen werden solle, die ihr als „unnötiger Schaden“ entstanden seien. Der Beklagte wies etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 5. April 2020 (Anlage K 6, Bl. 61 f. d.A.) zurück, woraufhin die Klägerin ihn mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 25. Mai 2020 erfolglos zur Zahlung von 8.366,41 € bis zum 15. Juni 2020 auffordern ließ.
Die Klägerin hat die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.030,60 € zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Kosten gerichtete Klage damit begründet, der Beklagte habe seine aus § 17 Abs. 1, 2 BeurkG folgende Pflicht zur gestaltenden Beratung verletzt, indem er die notarielle Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses für notwendig erachtet und – wie die Klägerin behauptet hat – sich außerstande gesehen habe, den Grundstückskaufvertrag wie im Entwurf vorgesehen zu beurkunden. Nach Auffassung der Klägerin habe es einer solchen zusätzlichen Beurkundung jedenfalls nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019 zum Aktenzeichen II ZR 364/18 nicht mehr bedurft.
Im Übrigen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nebst den dort wiedergegebenen Anträgen Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es fehle bereits an einer Amtspflichtverletzung des Beklagten. Der Beklagte habe insbesondere seiner Pflicht aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG genügt, als er den Vertragsparteien empfohlen habe, den dem Geschäft zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin notariell beurkunden zu lassen. Er habe sich dadurch auch nicht pflichtwidrig in Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019 gesetzt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens den erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass der Beklagte seine notariellen Amtspflichten verletzt habe. Er habe nicht – insbesondere nicht mit der vom Beklagten vorgelegten E-Mail vom 21. Dezember 2019 (Anlage B 1, Bl. 80 ff. d.A.), deren Erhalt die Klägerin bestreitet – lediglich auf den sichersten Weg hingewiesen und empfohlen, den Beschluss mit zu protokollieren. Vielmehr habe der Beklagte nach Vorlage des vorbereiteten Protokolls der Gesellschafterversammlung die Beurkundung unterbrochen und erklärt, dass der Gesellschafterbeschluss ebenfalls der notariellen Beurkundung bedürfe, da – unstreitig – der wesentliche Teil des Gesellschaftsvermögens veräußert werden solle und ein notariell beurkundeter Gesellschafterbeschluss hierüber daher Wirksamkeitsvoraussetzung für den abzuschließenden Grundstückskaufvertrag sei. Trotz der von den Vertretern der Klägerin geäußerten Bedenken an dieser Rechtsauffassung habe sich der Beklagte außerstande gesehen, den Grundstückskaufvertrag wie im Entwurf vorgesehen zu beurkunden. Die Gesellschafter der Klägerin sowie die Verkäuferin hätten deshalb keine andere Wahl gehabt, als die vom Beklagten diktierten Änderungen zu akzeptieren. Tatsächlich hätten entgegen der Auffassung des Beklagten und des Landgerichts bei einem privatschriftlichen Gesellschafterbeschluss keine Risiken für die Vertragsparteien bestanden. Die Rechtslage sei insoweit nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019 eindeutig gewesen. Diese Entscheidung sei dem Beklagten schlicht und einfach nicht präsent gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 145 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 7.030,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Juni 2020 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 316,40 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach derzeitiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg und wird deshalb gemäß § 522 Abs. 2 ZPO, dessen übrige Voraussetzungen ebenfalls vorliegen, zurückzuweisen sein.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten schon deshalb keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO, weil der Beklagte im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Beurkundung des Grundstückskaufvertrages vom 23. Dezember 2019 keine ihm obliegende notarielle Amtspflicht verletzt hat. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung der Klägerin kein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG vor.
Es kann dahinstehen, welchen Inhalt die Gespräche zwischen den Parteien und dem Vertreter der Käuferin anlässlich der Beurkundung am 23. Dezember 2019 im Einzelnen hatten. Insoweit hat das Landgericht allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin in erster Instanz schon nicht mit Substanz vorgetragen hat, dass der Beklagte die Beurkundung des Vertrages in der ursprünglichen Fassung pflichtwidrig verweigert habe, obwohl die Vertragsparteien auf der Verwendung dieses Entwurfs bestanden hätten. Vielmehr hat die Klägerin in der Klageschrift (dort auf Seite 3 f., Bl. 3 f. d.A.) lediglich behauptet, der Beklagte habe sich „außerstande“ gesehen, den im Entwurf vorliegenden Vertrag zu beurkunden, weshalb „die Verkäufer … notgedrungen die Änderungen akzeptiert“ hätten. Für diesen vom Beklagten bestrittenen Vortrag hat die Klägerin im Übrigen – worauf das Landgericht im angefochtenen Urteil ebenfalls zutreffend hingewiesen hat – in erster Instanz keinen Zeugenbeweis angeboten, so dass der diesbezügliche Beweisantritt in der Berufungsbegründung ohnehin verspätet und nicht gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen wäre. Zu dem Verhalten des Vertreters der Käuferin verhält sich die Klageschrift nicht. Diese war im Übrigen ebenso wie die als Vermittlerin des Geschäfts auftretenden DIMA GmbH, deren Mitarbeiter die Klägerin nunmehr auch insoweit als Zeugen benannt hat, unstreitig durch die E-Mail des Beklagten vom 21. Dezember 2019 (Anlage B 1, Bl. 80 ff. d.A.) über die beabsichtigte Änderung des Vertragsentwurfs als ausdrückliche Empfehlung des „sicheren Weges“ informiert worden. Insofern fällt auf, dass der Adressatenkreis der E-Mail vom 21. Dezember 2019 – deren Erhalt die Klägerin bestritten hat – mit derjenigen der E-Mail vom 20. Dezember 2019 übereinstimmt, in deren Anhang der Beklagte den Entwurf des Grundstückskaufvertrages übersandt und die Vertreter der Klägerin aufgefordert hatte, zum Beurkundungstermin einen amtlichen Lichtbildausweis mitzubringen. Ob mit dem Bestreiten des Erhalts der E-Mail bei dieser Sachverhaltskonstellation gleichzeitig in Abrede genommen werden soll, vom Inhalt der E-Mail vor der Beurkundung Kenntnis erlangt zu haben, bedarf keiner Entscheidung.
Jedenfalls hat der Beklagte seinen Amtspflichten aus § 17 Abs. 1 und Abs. 2 BeurkG genügt, indem er den Kaufvertrag in der als Anlage K 3 (Bl. 33 ff. d.A.) vorgelegten Form beurkundet hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelte es sich bei der gewählten Vertragsgestaltung unter Einbeziehung des notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses um den sichersten Weg zur wirksamen Errichtung der Urkunde, zu dessen Wahl der Beklagte verpflichtet war. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019
(II ZR 364/18). Diese Entscheidung betrifft lediglich die – vom Bundesgerichtshof verneinte – analoge Anwendbarkeit des § 179a AktG auf die GmbH. Sie verhält sich jedoch nicht zu einer notariellen Beurkundungsbedürftigkeit eines Gesellschafterbeschlusses, der die Zustimmung zu der Übertragung des Gesellschaftsvermögens – bzw. hier unstreitig des wesentlichen Teils davon – beinhaltet. Deshalb lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin aus dieser Rechtsprechung nicht mit der notwendigen Gewissheit ableiten, dass es fehlerhaft und damit pflichtwidrig gewesen wäre, eine notarielle Beurkundung zu empfehlen bzw. als sichersten Weg zu wählen. Vielmehr wurde und wird in der Literatur auch nach dem vorgenannten „Januar-Urteil“ das Erfordernis der notariellen Beurkundung kontrovers diskutiert und aus Gründen der Vorsicht die Einhaltung der notariellen Form empfohlen, da mangels ausdrücklicher Stellungnahme des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage in der Praxis weiterhin Rechtsunsicherheit herrscht (vgl. Widder, BB 2021, 1160, 1161, m.w.N.; von Prittwitz, DStR 2019, 1265, 1269). Dieser Unsicherheit musste der Beklagte gemäß § 17 BeurkG durch die Aufnahme der entsprechenden Änderungen in den Kaufvertrag begegnen. Eben diese Empfehlung des Beklagten zur Wahl des sichersten Weges, die dem Interesse der Vertragsparteien an der Wirksamkeit des Kaufvertrages entsprach, ergibt sich auch aus dem im Sachverhalt zitierten Passus in der Präambel des Vertrages.
Nach alledem kommt es auch nicht darauf an, ob dem Beklagten die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019 im Dezember 2019 bekannt war, wogegen allerdings die Erwähnung des analog anzuwendenden § 179a AktG in der E-Mail vom 21. Dezember 2019 spricht. Denn aus den o.g. Gründen stellte die Empfehlung des Beklagten und die hieraus abgeleitete Vertragsgestaltung jedenfalls im Ergebnis keine notarielle Amtspflichtverletzung dar.
III.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung, ggf. Rücknahme des Rechtsmittels, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.