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Auslegung Lastenfreistellungserklärung bzgl. nachträglich bestellter Dienstbarkeit

OLG München – Az.: 34 Wx 556/11 – Beschluss vom 10.02.2012

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Kaufbeuren – Grundbuchamt – vom 24. November 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 9.6.2011 kaufte die Beteiligte eine erst noch zu vermessende Teilfläche von „ca. 25 m²“ aus einer 3550 m² großen Landwirtschaftsfläche. Am selben Tag bewilligten die Eigentümer des genannten Grundstücks die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Kabelleitungsrecht) für die Beteiligte. Diese wurde am 21.6.2011 im Grundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 25.8.2011 erkannten die Vertragsparteien das Ergebnis der zwischenzeitlich durchgeführten Vermessung an und einigten sich über den Übergang des Eigentums an dem neu gebildeten Grundstück von nunmehr 39 m². Käufer und Verkäufer bewilligten und beantragten den Eigentumsübergang in das Grundbuch einzutragen sowie den Vollzug aller Lastenfreistellungserklärungen aus der Vorurkunde, wonach gemäß Abschn. VI. (Rechte des Käufers bei Sach- und Rechtsmängeln) die Verkäufer den lastenfreien Besitz- und Eigentumsübergang schuldeten, soweit nicht Rechte ausdrücklich in diesem Vertrag übernommen werden sollten. Weiter heißt es dort im textlich unmittelbaren Anschluss:

„Allen zur Lastenfreistellung geeigneten Erklärungen wird mit dem Antrag auf Grundbuchvollzug zugestimmt.“

Am 25.10.2011 wurde die Beteiligte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig wurde das am 21.6.2011 eingetragene Kabelleitungsrecht auf das neu angelegte Grundbuchblatt übertragen.

Unter dem 28.10.2011 hat der Notar gemäß § 15 GBO die Löschung des Kabelleitungsrechts unter Bezug auf die Urkunden vom 9.6.2011 bzw. 25.8.2011 ausdrücklich beantragt und bewilligt.

Mit Zwischenverfügung vom 24.11.2011 hat das Grundbuchamt Frist zur Vorlage der Löschungsbewilligung der Berechtigten (= der Beteiligten) gesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Diese verweist auf die Urkunde vom 9.6.2011 und die darin enthaltene Zustimmung zu allen zur Lastenfreistellung geeigneten Erklärungen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. In der Ausgangsurkunde sei nämlich nur die Zustimmung zu für die Lastenfreistellung geeigneten Erklärungen, nicht aber die ausdrückliche Löschungsbewilligung der Berechtigten enthalten. Diese allgemein gefasste Lastenfreistellungserklärung umfasse auch nicht die Löschungsbewilligung der Beteiligten als Käuferin, da dies nur bezüglich bereits eingetragener, näher genannter Rechte gelten könnte. Zum Zeitpunkt der Beurkundung sei das Recht aber noch nicht bestellt bzw. eingetragen gewesen.

II.

Dem Rechtsmittel ist – aus formellen Gründen – stattzugeben.

1. Die gemäß § 71 Abs. 1, § 73 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO hat insoweit Erfolg, als dass diese, auch wenn man der Rechtsansicht des Grundbuchamts folgt, nicht hätte ergehen dürfen. Denn eine Zwischenverfügung darf nur ergehen, wenn einem Eintragungsantrag ein Hindernis entgegensteht, welches der Antragsteller rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung beheben kann (BayObLGZ 1990, 6/8; OLG Hamm MittBayNot 2011, 299/300; Demharter GBO 28. Aufl. § 18 Rn. 8). Die fehlende Bewilligung eines unmittelbar Betroffenen – hier der Berechtigten aus der Dienstbarkeit – ist aber ein nicht behebbares Verfahrenshindernis und hätte, ausgehend vom Standpunkt des Grundbuchamts, die sofortige Zurückweisung des Eintragungsantrags bedingt.

2.Damit ist für den Senat der Beschwerdegegenstand erschöpft. Zur Rechtslage wird für das weitere Verfahren jedoch noch festgehalten, dass die Rechtsansicht des Grundbuchamts in der Sache zutreffend erscheint.

a) Mit dem Erwerb des Grundstücks durch die Beteiligte ist die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht erloschen (§ 889 BGB). Der Notar hat gemäß § 15 Abs. 2 GBO den Vollzug der Urkunden vom 9.6.2011 und vom 25.8.2011 beantragt; er gilt als ermächtigt, die zu einer Eintragung erforderlichen Erklärungen, soweit er sie beurkundet oder beglaubigt hat, abzugeben. Dazu gehören u.a. auch Eintragungs- bzw. Löschungsbewilligungen (Demharter § 15 Rn. 7), wobei sich der Antrag jedoch mit dem Inhalt der Eintragungsunterlagen decken muss und der Notar ohne entsprechende Vollmacht nicht davon abweichen darf (Demharter § 15 Rn. 16). Notwendig zur Löschung der Dienstbarkeit ist der Antrag entweder des Eigentümers oder des Berechtigten. Die Beteiligte ist Inhaberin beider Rechte. Außerdem ist die Bewilligung des Berechtigten notwendig (§ 19 GBO).

b)In der Urkunde vom 25.8.2011 (Messungsanerkennung und Auflassung) haben sich die dort Beteiligten über den Übergang des Eigentums geeinigt und außerdem neben dem Eigentumsübergang u. a. auch den Vollzug aller Lastenfreistellungserklärungen beantragt. Diese Urkunde enthält also solche Erklärungen nicht.

c)Der Kaufvertrag vom 9.6.2011 enthält unter Abschn. VI. die Verpflichtung des Verkäufers, das Grundstück – soweit nicht Rechte ausdrücklich in diesem Vertrag übernommen werden – lastenfrei zu übertragen. Die gegenständliche Dienstbarkeit hatte damals noch nicht bestanden und ist im Vertrag auch nicht erwähnt. Allen zur Lastenfreistellung geeigneten Erklärungen wird mit dem Antrag auf Grundbuchvollzug zugestimmt. Diese Erklärung ist zwar auslegungsfähig entsprechend § 133 BGB. Jedoch darf wegen des das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitgrundsatzes auf eine Auslegung nur zurückgegriffen werden, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt (vgl. Demharter GBO 28. Aufl. § 19 Rn. 28). Bei der Auslegung ist, wie bei Grundbucheintragungen selbst, nur auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (vgl. etwa BGHZ 113, 374/378; weitere Nachweise bei Demharter aaO.). Außerhalb der Erklärung liegende Umstände dürfen zur Auslegung nur herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 113, 374/378).

In der Klausel wird nicht ausdrücklich von Bewilligung gesprochen, sondern von der „Zustimmung“ zu zur Lastenfreistellung geeigneten Erklärungen. Nach der nächstliegenden Bedeutung ist damit die notwendige Zustimmung des Eigentümers (§ 27 Satz 1 GBO) zur Löschung der eingetragen gewesenen Grundschuld gemeint. Hierfür spricht auch die Stellung im Urkundenaufbau, nämlich im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Verkäufers, was die Lastenfreiheit des Gegenstands bei Besitz- und Eigentumsübergang angeht. Hierauf ist die Klausel zwar nicht unbedingt beschränkt. Auch muss nicht zwingend von „Bewilligung“ die Rede sein, wenngleich es Sache des beurkundenden Notars ist, die Erklärungen der Beteiligten möglichst klar und unzweideutig festzuhalten. So kann auch die mit „Zustimmung“ umschriebene Erklärung letztlich eine „Bewilligung“ darstellen und umgekehrt (vgl. etwa Kössinger in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. § 19 Rn. 55).

d) Jedoch scheidet eine derart weitgehende Interpretation hier aus, weil sie – schon vom Standort in der Urkunde und im Hinblick auf das gegenständliche Recht – nicht die nächstliegende Bedeutung des Erklärten darstellt. Dabei mag es im Regelfall zutreffen, dass sich die allgemeine Erklärung zur Lastenfreistellung auch auf solche Belastungen erstreckt, die nach Beurkundung im Grundbuch eingetragen worden sind (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 2760; enger BayObLG MittBayNot 1980, 208) und die im Vertrag verwendete allgemeine Fassung Erklärungen des Verkäufers wie auch der Käufers beinhalten kann. Indessen ist dies bei nachträglich bestellten Grunddienstbarkeiten auch von der regelmäßigen Interessenlage nicht zwangsläufig gleichermaßen zu beurteilen wie bei Grundpfandrechten. Eigentümerdienstbarkeiten sind nach der aktuellen Rechtsprechung (nahezu) unbegrenzt zulässig (BGH vom 14.7.2011 – V ZB 271/10 = Rpfleger 2011, 659; siehe auch Senat vom 30.9.2011, 34 Wx 328/11 = DNotI-Report 2011, 172) und verkörpern für den Berechtigten – neben dem Eigentum selbst – einen eigenständigen Wert, selbst wenn hier der (Fremd-) Dienstbarkeit für das Restgrundstück naturgemäß das Schwergewicht zukommt. Die Auslegung einer allgemeinen Lastenfreistellungserklärung für solche Rechte, wenn sie erst zeitlich nach der Beurkundung eingetragen werden, erscheint deshalb keineswegs zwingend. Aus der Grundakte ergibt sich zudem, dass der Verkauf am selben Tag beurkundet wurde, an welchem die Dienstbarkeit wenig später bestellt wurde. Es hätte deshalb für die Parteien nahe gelegen, eine ausdrückliche Regelung zu diesem Recht bereits im Kaufvertrag aufzunehmen, nämlich die Löschung an der Teilfläche zu bewilligen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 131 Abs. 3 KostO).

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