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Anforderungen an notarielles Nachlassverzeichnis

Kritische Analyse der Anforderungen an ein Notarielles Nachlassverzeichnis: Ein Blick auf LG München I – Az.: 34 O 7909/20

In einem komplexen und rechtlich bedeutsamen Fall hat das Landgericht München I (Az.: 34 O 7909/20) die Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis beleuchtet. Der Kern des Rechtsstreits lag in der Frage, ob die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses durch die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB erfüllt hat. Die Klägerin hatte bereits einen titulierten Anspruch aus einem Teil-Anerkenntnisurteil vom 14.11.2018. Die Beklagte legte daraufhin ein notarielles Nachlassverzeichnis vom 19.03.2019 vor, welches jedoch vom Gericht als unzureichend angesehen wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 34 O 7909/20  >>>

Die Rolle des Notars in der Nachlassermittlung

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), die besagt, dass ein Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln muss. Der Notar darf sich nicht nur auf die Angaben des Auskunftspflichtigen verlassen oder lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Erbenpflicht zur Mitwirkung und Ausnahmen

Die Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Der Notar darf und muss das Wissen des Erben sowie das in seiner Person vorhandene Aufklärungspotenzial nutzen. In bestimmten Ausnahmefällen kann der Pflichtteilsberechtigte jedoch die Berichtigung oder Ergänzung eines Nachlassverzeichnisses verlangen, etwa wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen.

Mängel im vorgelegten Nachlassverzeichnis

Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass das notarielle Nachlassverzeichnis vom 19.03.2019 keine Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 BGB hat. Der Notar hatte offensichtlich keine eigenen Ermittlungen angestellt, sondern sich auf die Wiedergabe der Bekundungen der Beklagten verlassen. Dies wurde insbesondere durch den Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 08.02.2021 detailliert dargelegt.

Rechtliche Konsequenzen und Schlussbemerkungen

Die Entscheidung des Landgerichts München I hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Erstellung notarieller Nachlassverzeichnisse. Sie betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen und unabhängigen Ermittlung des Nachlassbestands durch den Notar und legt die Messlatte für die Erfüllung der Auskunftspflicht des Erben hoch. Damit wird die Rechtsposition des Pflichtteilsberechtigten gestärkt, während gleichzeitig die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Notars konkretisiert werden.

Notarielles Nachlassverzeichnis –  kurz erklärt


Ein notarielles Nachlassverzeichnis dient der Erfassung und Katalogisierung von Nachlassgegenständen und Verbindlichkeiten des Erblassers. Die Hauptaufgabe des Notars besteht darin, einen vollständigen Überblick über alle Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen zu ermöglichen. Dies ist besonders relevant für die Ermittlung des Pflichtteils und für die Erbauseinandersetzung.

Die Gebühren für ein notarielles Nachlassverzeichnis werden nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) erhoben und richten sich nach dem Wert des Nachlasses. Zum Beispiel fallen bei einem Nachlasswert von 500.000 Euro Gebühren in Höhe von 1.870 Euro an.

Pflichtteilsberechtigte haben gemäß § 2314 BGB das Recht, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Erben bereits ein eigenes Verzeichnis erstellt haben. Der Erbe hat die Wahl, welchen Notar er für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragt.

Der Notar muss bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses eigene Ermittlungen anstellen und darf sich nicht allein auf die Angaben der Erben verlassen. Das Verzeichnis sollte alle zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten umfassen, einschließlich aller Rechte und Forderungen des Erblassers.


Das vorliegende Urteil

LG München I – Az.: 34 O 7909/20

Der sofortigen Beschwerde der Beklagten vom 19.04.2021 (Bl. 206/209 d.A.) gegen den Beschluss vom 01.04.2021 (Bl. 200/205 d.A.) wird nicht abgeholfen, § 572 Abs. 1 ZPO.

Gründe

Der sofortigen Beschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen. Auch aufgrund der Beschwerdebegründung ist eine Änderung der Entscheidung nicht möglich.

Soweit die Beschwerde moniert, es liege kein entsprechender Antrag der Klagepartei vor, kann dies seitens des Gerichts nicht nachvollzogen werden. Zu Recht verweist der Klägervertreter in seiner Stellungnahme vom 30.04.2021 auf seinen Antrag mit Schriftsatz vom 08.02.2021 (Bl. 187/199 d.A.). Der Einzelrichter hat am 23.02.2021 die Zustellung dieses Schriftsatzes an den Beklagtenvertreter verfügt. Die Geschäftstelle des Gerichts hat diese Verfügung am selben Tag abgehakt (Bl. 187 d.A.). Demnach geht das Gericht davon aus, dass dieser Schriftsatz dem Beklagtenvertreter auch vorliegt.

Am 27.11.2020 hat die Urkundsbeamtin des Gerichts auch antragsgemäß eine vollstreckbare Ausfertigung des Teil-Anerkenntnisurteils vom 14.11.2018 (Bl. 74/76 d.A.) erteilt. Die Zuständigkeit hierfür ergibt sich aus § 724 Abs. 2 ZPO. Der Einzelrichter schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Klägervertreters in dessen Schriftsatz vom 30.04.2021, Seite 2, an.

Auch nach dem neuerlichen Vorbringen des Beklagtenvertreters bleibt es dabei, dass der in Form des Teil-Anerkenntnisurteils vom 14.11.2018 titulierte Anspruch der Klägerin auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses gem. § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB nicht durch die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 19.03.2019 (Bl. 114 ff. d.A. und Anlage „K1“) gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt worden ist.

Für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gelten nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (NJW 2020, 2187 Rn. 7-10, beck-online) folgende Grundsätze:

„a) § 2314 BGB soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (…).

Die Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgebend sind danach jeweils die Umstände des Einzelfalls (…). Hierbei darf und muss der Notar das Wissen des Erben sowie das in seiner Person vorhandene Aufklärungspotenzial gegebenenfalls in der Weise nutzen, dass er den Erben auffordert, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten bzw. sonstigen Dritten durchzusetzen. Die vom Erben geschuldete Kooperation kann insoweit auch in der Anweisung an Dritte bestehen, die benötigten Auskünfte unmittelbar gegenüber dem Notar zu erteilen (…).

Liegt (…) ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 II BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen (…). Von diesem Grundsatz sind allerdings verschiedene Ausnahmen anerkannt. So kann ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn in diesem eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt ist (…), wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen (…), wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat (…) oder wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (…).“

Gemessen an diesen Grundsätzen kommt dem notariellen Nachlassverzeichnis vom 19.03.2019 gemäß § 362 Abs. 1 BGB keine Erfüllungswirkung zu. Der Notar Joseph Hönle hat offensichtlich keine eigenen Ermittlungen angestellt, sondern sich auf die Wiedergabe der Bekundungen der Beklagten verlassen. In überzeugender Weise hat der Klägervertreter schriftsätzlich wiederholt, insbesondere zuletzt im Schriftsatz vom 08.02.2021, Seiten 4 und 5 (Bl. 190/191 d.A.), vorgetragen, dass der vorgenannte Notar aus der von ihm selbst erstellten Urkunde heraus zwei Anlässe zum Anstellen eigener Nachforschungen hatte:

– So wurde unter Ziffer (5) Kaufpreisforderung angegeben, dass die dem Erblasser allein zustehende laufende Kaufpreisforderung für die Immobilie in Salzburg auf das in dem Nachlassverzeichnis unter (2) aufgeführte Oder-Konto bei der Salzburger Sparkasse geleistet wurde, so dass die Beklagte Zugriff auf diese Gelder hatte. Im Hinblick auf die Verwendung der auf diesem Konto in Erfüllung der Kaufpreisforderung eingegangenen Beträge erfolgten offensichtlich keine notariellen Erkundigungen.

– Im Hinblick auf den unter (2) erwähnten Lebensversicherungsvertrag bei der Wiener Städtische Versicherung AG führte der Notar lediglich die Beklagte als bezugsberechtigte Person für den Fall des Ablebens des Erblassers auf, ohne dass Angaben zur Höhe der erfolgten Zuwendung erfolgten. Offenbar wurden auch insoweit keine Erkundigungen angestellt.

Ergänzend wird auf die klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 08.02.2021, Seiten 4 und 5 (Bl. 190/191 d.A.), verwiesen.

Damit kann das notarielle Nachlassverzeichnis vom 19.03.2019 ausnahmsweise keine Erfüllungswirkung entfalten, so dass der von der Beklagten angegriffene Beschluss auch aus diesem Grunde zu erlassen war.

 

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