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Zwangsversteigerung aus einer notariellen Urkunde

Verhandlung um Rechtmäßigkeit einer Zwangsvollstreckung auf der Prüfstand

Im Zentrum eines spannenden juristischen Falls steht eine Grundschuld, die zu einer Zwangsversteigerung führen könnte. Die Thematik berührt die Auslegung von Klauseln in notariellen Urkunden und hebt die Bedeutung von Fristen und Bedingungen innerhalb dieser hervor. Der Schuldner hatte einer Gläubigerin eine Grundschuld bestellt und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. In der Urkunde war eine Klausel enthalten, die es der Gläubigerin ermöglichte, sich eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Verhandlung erteilen zu lassen, und zwar jederzeit und ohne Nachweis der Fälligkeit begründender Tatsachen. Diese Klausel wurde von Notar Dr. K. am 13.09.2019 zur Ausfertigung gebracht.

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Eine rechtliche Kontroverse entsteht

Doch die Rechtmäßigkeit dieser Ausfertigung wurde von der Gläubigerin in Frage gestellt. Sie legte eine Beschwerde ein, behauptete, das Amtsgericht hätte lediglich die ordnungsgemäße Erteilung prüfen dürfen und nicht die Rechtmäßigkeit der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde. Die Gläubigerin argumentierte, dass der in der Urkunde enthaltene Nachweisverzicht zulässig sei.

Fristen und Umstände in Frage gestellt

Die Gläubigerin war verhindert, die sofortige Beschwerde fristgerecht einzulegen, und sie argumentierte, dass sie aufgrund einer gerichtlichen Verfügung davon ausgehen durfte, die Frist überschreiten zu dürfen. Der Fall hebt die Bedeutung von Fristen und deren Verständnis für die Durchführung von juristischen Prozessen hervor.

Materielle Rechtmäßigkeit auf dem Prüfstand

Das Vollstreckungsgericht ist nicht dazu befugt, die materielle Rechtmäßigkeit einer von einem Notar erteilten einfachen Vollstreckungsklausel zu überprüfen. Sollte eine Klausel unrechtmäßig erteilt worden sein, rechtfertigt das keinen schwerwiegenden Mangel, der eine Ablehnung der Zwangsversteigerung rechtfertigen könnte.

Die Rolle von Kalendertagen und Bedingungen

Ein weiterer entscheidender Punkt der Debatte ist die Rolle von Kalendertagen und Bedingungen im Kontext der Zwangsvollstreckung. Der Eintritt von Bedingungen, die nicht allein nach dem Kalender bestimmt werden können, wirft Fragen auf und beleuchtet das komplexe Zusammenspiel zwischen rechtlichen Bedingungen und Fristen.

[…]


Das vorliegende Urteil

LG Hamburg – Az.: 328 T 49/20 – Beschluss vom 02.12.2020

1. Der Gläubigerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 06.08.2020 aufgehoben. Das Verfahren ist fortzusetzen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Gläubigerin begehrt die Zwangsversteigerung aus einer notariellen Urkunde des Notars Dr. K. vom 12.09.2019 zur UR-Nr. … (nachfolgend: „Urkunde“).

Darin bestellte der Schuldner der Gläubigerin eine Grundschuld und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Zudem heißt es in Ziff. VI.:

„Die Gläubigerin ist berechtigt, sich jederzeit ohne Nachweis der die Fälligkeit der begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Verhandlung erteilen zu lassen.“

Der Notar Dr. K. erteilte unter dem 13.09.2019 eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde.

Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek hat mit Beschluss vom 06.08.2020, der Gläubigerin zugestellt am 15.08.2020, die zunächst angeordnete Zwangsversteigerung gemäß § 28 Abs. 2 ZVG aufgehoben und ausgeführt, es fehle an einer ordnungsgemäßen Vollstreckungsklausel, da die erteilte vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde offensichtlich unrichtig sei. Das Grundschuldkapital könne zu dieser Zeit noch nicht fällig gewesen sein, da die 6-monatige Kündigungsfrist gemäß § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB offensichtlich noch nicht abgelaufen sei.

Die Gläubigerin bat bereits mit Schreiben vom 14.08.2020 um Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Notars Dr. K.. Hierzu teilte das Amtsgericht der Gläubigerin auf Verfügung vom 23.08.2020 mit, dass bereits der Beschluss vom 06.08.2020 ergangen sei und die Gläubigerin binnen 2 Wochen mitteilen möge, ob sie hiergegen Beschwerde einlegen wolle.

Mit Schriftsatz vom 01.09.2020 hat die Gläubigerin Beschwerde eingelegt. Sie meint, das Amtsgericht habe die Rechtmäßigkeit der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde nicht prüfen dürfen, sondern nur deren ordnungsgemäße Erteilung selbst. Zudem sei diese rechtmäßig erteilt worden, da der in Ziff. VI. der Urkunde enthaltene Nachweisverzicht zulässig sei.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 04.09.2020 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Auf Hinweis des Gerichts vom 14.10.2020 bezüglich einer etwaigen Verfristung der Beschwerde hat die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 22.10.2020 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Der Gläubigerin war gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren.

Sie hat dies auf den Hinweis des Gerichts vom 14.10.2020 mit Schriftsatz vom 22.10.2020, und damit fristgerecht gemäß § 234 ZPO, beantragt.

Die Gläubigerin war ohne ihr Verschulden daran gehindert, die sofortige Beschwerde fristgerecht, bis zum Montag, dem 31.08.2020, einzulegen. Aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 23.08.2020 durfte sie, zu dieser Zeit nicht anwaltlich vertreten, davon ausgehen, noch innerhalb der mit dieser Verfügung gesetzten und über den 31.08.2020 hinausgehenden Frist von zwei Wochen Beschwerde einlegen zu können. Sie hat mit Schriftsatz vom 22.10.2020 glaubhaft gemacht, davon ausgegangen zu sein, wie ebenso ihr Parteivertreter.

Die sofortige Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 01.09.2020 eingelegt und damit innerhalb der Frist des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

2.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Der Beschluss des Amtsgerichts war aufzuheben. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 ZVG lagen nicht vor. Ein Vollstreckungsmangel ist nicht erkennbar.

a)

Das Amtsgericht hat die Anordnung der Zwangsversteigerung zu Unrecht mit der Begründung aufgehoben, es fehle an einer ordnungsgemäßen Vollstreckungsklausel.

Der Notar Dr. K. erteilte unter dem 13.09.2019 eine einfache Vollstreckungsklausel. Ob er diese erteilen durfte, hatte das Amtsgericht als Vollstreckungsorgan nicht zu prüfen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt mit Beschluss vom 01. Februar 2017, Az. VII ZB 22/16 zuvor bereits u.a. mit Beschluss vom 25. Oktober 2012, VII ZB 57/11, Beschluss vom 12. Januar 2012, VII ZB 71/09 und Beschluss vom 23. Mai 2013, VII ZB 31/11), welcher sich die Kammer ebenfalls wiederholt angeschlossen hat (u.a. Beschluss vom 13.08.2014, Az. 328 T 42/14 und Beschluss vom 28.12.2015, Az. 328 T 67/15, veröffentlicht bei juris),

– hat das Vollstreckungsgericht die materielle Rechtmäßigkeit einer von einem Notar erteilten einfachen Vollstreckungsklausel nicht zu überprüfen,

– betrifft die Überprüfung der Erteilung einer einfachen Vollstreckungsklausel von einem Notar aufgrund eines notariellen Nachweisverzichts (anstelle einer qualifizierten Vollstreckungsklausel nach Vorlage entsprechender Nachweise) die materielle Rechtmäßigkeit der einfachen Vollstreckungsklausel und

– würde, selbst wenn die Klausel materiell zu Unrecht erteilt worden wäre, was im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich dahinstehen kann, darin kein so grundlegender, schwerwiegender Mangel liegen, der es rechtfertigen könnte, die Anordnung der Zwangsversteigerung gleichwohl abzulehnen (vgl. hierzu insb. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012, Az. VII ZB 71/09).

Mit Beschluss vom 1. Februar 2017, Az. VII ZB 22/16 hat der BGH nochmals bekräftigt, dass die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts gestellt ist. Allein der Schuldner kann die Erteilung einer Klausel mit der Klauselerinnerung gemäß § 732 ZPO angreifen.

Dem steht auch die vom Amtsgericht angeführte Entscheidung des BGH vom 30.3.2017, Az. V ZB 84/16 nicht entgegen. Gegenstand der Entscheidung war weder ein Nachweisverzicht, noch die Frage, ob das Vollstreckungsgericht die Wirksamkeit eines Nachweisverzichts bzw. einer erteilten einfachen Vollstreckungsklausel zu überprüfen hat.

b)

Die Aufhebung der Anordnung der Zwangsversteigerung ist auch nicht gemäß § 751 Abs. 1 ZPO unter Zugrundelegung der Entscheidung des BGH vom 30.3.2017, Az. V ZB 84/16, zu Recht erfolgt.

Gemäß § 751 Abs. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung, falls die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig ist, nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist.

§ 751 Abs. 1 ZPO stellt eine Ausnahmevorschrift zu § 726 ZPO dar. Im Fall der Abhängigkeit der titulierten Forderung von dem Eintritt eines Kalendertages kann sogleich eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden. Den Ablauf eines im Titel bestimmten Kalendertages kann das Vollstreckungsorgan ohne Weiteres feststellen, so dass es insoweit keines Nachweises bedarf (MüKoZPO/Heßler, 6. Aufl. 2020, ZPO § 751, Rn. 1 vgl. auch Zöller/Seibel, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 751 ZPO, Rn. 1).

Eine Abhängigkeit der titulierten Forderung von dem Eintritt eines Kalendertages im Sinne des § 751 Abs. 1 ZPO besteht unter Berücksichtigung dieser systematischen Stellung jedoch nur, wenn der Titel selbst die Geltendmachung des Anspruchs aufschiebt und die Zeitbestimmung als bestimmtes Datum (Kalendertag) im Titel angegeben ist oder sonst ohne Weiteres auf der Grundlage des Titels nach dem Kalender bestimmt werden kann (BeckOK ZPO/Ulrici, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 751, Rn. 3 MüKoZPO/Heßler, 6. Aufl. 2020, ZPO § 751, Rn. 12 Zöller/Seibel, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 751 ZPO, Rn. 2).

Hingegen ist § 751 Abs. 1 ZPO nicht einschlägig und stattdessen eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO nötig, wenn der Fristbeginn durch ein anderes Ereignis bestimmt wird, das nur unter Heranziehung sonstiger Umstände zu ermitteln ist, wobei dies selbst dann gilt, wenn etwa der Fristbeginn (z.B. der Tag der Zustellung oder Rechtskraft) den Prozessakten entnommen werden kann (BeckOK ZPO/Ulrici, a.a.O.; MüKoZPO/Heßler, a.a.O.; vgl. auch Zöller/Seibel, a.a.O.; a.A.: BGH, Beschluss vom 30.03.2017, Az. V ZB 84/16, NJW 2017, 2469).

Das Vorliegen einer Kündigung und deren Zugang stellen „keinen Eintritt eines Kalendertages“ gemäß § 751 Abs. 1 ZPO dar. Soweit die Fälligkeit der Forderung wie hier bei einer Sicherungsgrundschuld gemäß § 1193 Abs. 1 Satz 1 und 3 sowie Abs. 2 Satz 2 BGB von einer fristgebundenen Kündigungserklärung und deren Zugang abhängt, ist der Eintritt dieser Bedingung nicht allein nach dem Kalender bestimmbar, sondern hängt von einem ungewissen Ereignis (der Kündigung) ab, welches sich nicht anhand des Titels überprüfen lässt. Daher ist dieser Bedingungseintritt vorliegend nicht im Rahmen des § 751 Abs. 1 ZPO vom Vollstreckungsgericht von Amts wegen zu prüfen.

Dass der BGH in seiner Entscheidung vom 30.3.2017, Az. V ZB 84/16 die Zwangsvollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld gemäß § 751 Abs. 1 ZPO für unzulässig erklärt hat, da die 6-monatige Frist gemäß § 1193 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB noch nicht abgelaufen war, überzeugt die Kammer vor diesem Hintergrund nicht (wie hier: Clemente, ZfIR 2017, 523, 525). Der BGH hat sich in dieser Entscheidung trotz der ganz herrschenden Meinung in der dazu vorliegenden Standard-Kommentarliteratur (BeckOK ZPO/Ulrici, a.a.O.; MüKoZPO/Heßler, a.a.O.; Zöller/Seibel, a.a.O.) nicht damit befasst, ob § 751 Abs. 1 ZPO für eine solche Fälligkeits-Bedingung überhaupt anwendbar ist, wie ebenso wenig dessen Vorinstanzen (LG Memmingen, Beschluss vom 19. Mai 2016, Az. 44 T 550/16 sowie AG Memmingen, Beschluss vom 4. April 2016, 1 K 13/16, jeweils veröffentlicht bei juris), sondern dies lediglich ohne nähere Begründung vorausgesetzt.

3.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

4.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da die Kammer einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der von einem in einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (vgl. BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 543, Rn. 26). Die Kammer geht, anders als der BGH im Beschluss vom 30.03.2017, Az. V ZB 84/16, nicht von der Anwendbarkeit des § 751 Abs. 1 ZPO auf die Kündigung einer Grundschuld aus.

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