Das Dilemma der Löschung einer Dienstbarkeit: Warum das Fehlen eines Geburtsdatums im Grundbuch entscheidend sein kann
Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg verhandelt wurde, dreht sich um die Löschung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch. Die Eigentümerin eines Grundstücks wollte die Dienstbarkeit löschen lassen, die ein Verbot der Errichtung oder Betreibung einer Wirtschaft oder Kantine auf dem Grundstück beinhaltete. Das Hauptproblem lag in der Frage, ob die Dienstbarkeit nach dem Grundbuchbereinigungsgesetz (GBBerG) erloschen ist oder nicht. Die 110-Jahresfrist des GBBerG stand dabei im Fokus der rechtlichen Auseinandersetzung.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 15 Wx 249/23 >>>
Übersicht
Die Rolle des Grundbuchamts
Das Grundbuchamt Nürnberg hatte zunächst festgestellt, dass ein Hindernis für die Löschung der Dienstbarkeit bestehe. Da die Geburtsdaten der Berechtigtennicht im Grundbuch vermerkt waren, sollte nach Ansicht des Amtsgerichts das Eintragungsdatum der Dienstbarkeit als maßgeblich betrachtet werden. Dieses Datum lag im Jahr 1924, sodass die 110-Jahresfrist des GBBerG noch nicht abgelaufen war.
Einwände des Urkundsnotars
Der Urkundsnotar, der die Beschwerde im Namen der Eigentümerin einlegte, argumentierte, dass die Bewilligungen für die Dienstbarkeit bereits im Jahr 1904 erfolgt seien. Daher müssten die Geburtsdaten der Berechtigten vor dem Jahr 1912 liegen, und die 110-Jahresfrist wäre abgelaufen. Diese Argumentation wurde jedoch vom Gericht nicht akzeptiert.
Die Entscheidung des OLG Nürnberg
Das OLG Nürnberg wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Ansicht des Grundbuchamts. Es stellte klar, dass das Fehlen der Geburtsdaten der Berechtigten im Grundbuch und in den Grundakten dazu führt, dass das Eintragungsdatum als maßgeblich anzusehen ist. Da dieses Datum im Jahr 1924 lag, war die 110-Jahresfrist noch nicht abgelaufen.
Weitreichende Konsequenzen und die Bedeutung des Urteils
Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen, da es die strikte Anwendung des GBBerG bestätigt. Es unterstreicht die Bedeutung genauer Grundbucheinträge und zeigt, dass selbst kleine Details wie das Fehlen eines Geburtsdatums erhebliche rechtliche Auswirkungen haben können. Die Entscheidung macht deutlich, dass eine ausdehnende Auslegung des GBBerG zum Nachteil des Berechtigten nicht in Betracht kommt.
Das vorliegende Urteil
OLG Nürnberg – Az.: 15 Wx 249/23 – Beschluss vom 16.02.2023
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Nürnberg vom 13.01.2023, Az. SB-4881-16, wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Nürnberg von in Band, Blatt, eingetragenen 154/10.000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück Fl.Nr. . Weiterhin ist sie Eigentümerin des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Nürnberg von in Band, Blatt, eingetragenen 18/10.000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück Fl.Nr. .
In der II. Abteilung ist unter lfd.Nr. 1 hinsichtlich beider Miteigentumsanteile folgendes Recht eingetragen:
„Verbot der Errichtung oder Betreibung einer Wirtschaft oder Kantine – an dem ganzen Grundstück lastend – für und und für, sämtliche in Nürnberg. Gemäß Urkunden vom 29.03./18.05.1904 eingetragen am 01.06.1904/07.08.1924 und umgeschrieben am 21.07.1989.“
Mit Kaufvertrag vom 19.09.2022, UVZ-Nr. R 3265/2022, verkaufte die Beteiligte zu 1 den genannten Grundbesitz an den Beteiligten zu 2. Unter Ziffer I.2. des Vertrages ist die Löschung des Rechts in Abteilung II1 Zug um Zug mit Vollzug der Auflassung gemäß § 5 GBBerG beantragt.
Mit Zwischenverfügung vom 19.12.2022 stellte das Amtsgericht – Grundbuchamt – Nürnberg fest, dass der Eintragung ein Hindernis entgegenstehe, das bis 19.01.2023 behoben werden könne. Da die Geburtsdaten der Berechtigten nicht im Grundbuch eingetragen seien, sei gemäß § 5 GBBerG das Datum der Eintragung des Rechts maßgeblich, hier das Jahr 1924. Die 110-Jahresfrist sei daher noch nicht abgelaufen.
Hiergegen wandte der Urkundsnotar mit Schreiben vom 22.12.2022 ein, dass die Bewilligungen laut Grundbuch aus dem Jahr 1904 stammen würden, so dass die Geburtsdaten der Berechtigten zwingend vor dem Jahr 1912 gelegen haben müssten und die 110-Jahresfrist daher abgelaufen sei.
Mit Beschluss vom 13.01.2023 wies das Amtsgericht – Grundbuchamt – Nürnberg den Antrag auf Löschung der eingetragenen Dienstbarkeit zurück. Da das Eintragungsdatum maßgeblich sei, sei die 110-Jahresfrist noch nicht abgelaufen, so dass eine Löschung des Rechts nach § 5 GBBerG nicht erfolgen könne.
Gegen diesen Beschluss legte der Urkundsnotar mit Schreiben vom 25.01.2023 im Namen der Vertragsteile Beschwerde ein. Zur Begründung nahm er auf das Schreiben vom 22.12.2022 Bezug.
Mit Beschluss vom 26.01.2023 half das Amtsgericht – Grundbuchamt – Nürnberg der Beschwerde aus den bereits genannten Gründen nicht ab.
II.
Das gegen den zurückweisenden Beschluss nach § 18 Abs. 1 GBO gerichtete Rechtsmittel ist als unbeschränkte Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO) statthaft. Sie ist in zulässiger Weise vom Urkundsnotar (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO) eingelegt worden. Die Beteiligte zu 1 ist auch beschwerdeberechtigt, weil sie im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen ist. Demgegenüber ist der Beteiligte zu 2 als noch nicht im Grundbuch eingetragener Eigentümer mangels Antragsrechts zwar nicht beschwerdeberechtigt (Kramer in Beck-OK GBO, 48. Edition Stand 02.01.2023, § 71 Rn. 181, 199, 203). Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Urkundsnotar Beschwerde nur im Namen der Antragsberechtigten, also der Beteiligten zu 1, einlegen wollte (s. hierzu Demharter GBO 32. Auflage § 15 Rn. 20).
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Die Beteiligte zu 1 macht eine nachträgliche Unrichtigkeit des Grundbuchs geltend mit der Begründung, die in Abteilung II 1 eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten von und und sei gemäß § 5 Grundbuchbereinigungsgesetz (GBBerG) erloschen.
Die Beteiligte zu 1 hat jedoch nicht nachgewiesen, dass diese beschränkt persönliche Dienstbarkeit erloschen ist.
1. Bei natürlichen Personen genügt zur Löschung der Dienstbarkeit im Grundbuch in der Regel der Unrichtigkeitsnachweis nach § 22 GBO durch Vorlage der Sterbeurkunde (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. August 2019 – 12 Wx 30/19 –, juris Rn. 10).
Sterbeurkunden der Berechtigten hat die Beteiligte zu 1 nicht vorgelegt.
2. Die Dienstbarkeit gilt aber auch nicht nach § 5 GBBerG als erloschen, da dessen Voraussetzungen (noch) nicht vorliegen.
Zwar fallen unter § 5 GBBerG Nießbrauche, beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (wie hier), unvererbliche subjektiv-persönliche Vorkaufsrechte, unvererbliche subjektiv-persönliche Reallasten und Altenteilsrechte. Die Dienstbarkeit gilt dann mit dem Ablauf von 110 Jahren von dem Geburtstag des Berechtigten an als erloschen, § 5 Abs. 1 S. 1 GBBerG. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich aus dem Grundbuch oder den Grundakten das Geburtsdatum des Berechtigten ergibt. Ist das nicht der Fall – insbesondere da nach dem früheren Wortlaut des § 15 GBV die Eintragung des Geburtsdatums im Grundbuch nicht vorgeschrieben war –, kann gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 GBBerG erst 110 Jahre nach Grundbucheintragung eine Löschung des Rechts erfolgen (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. August 2019 – 12 Wx 30/19 –, juris Rn. 12; Staudinger/Reymann (2017) BGB § 1090 Rn. 49; Böhringer, ZfIR 2017, 721, 722; Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht – Kommentar, 8. Auflage 2019, § 5 Erlöschen von Dienstbarkeiten und vergleichbaren Rechten, Rn. 3; Grziwotz, ZfIR 2012, 529, 530).
Aus dem Grundbuch und den vorliegenden Grundakten ergibt sich das Geburtsdatum der Berechtigten nicht. Die vormaligen Grundakten des Amtsgerichts Nürnberg von, Band, Blatt (vor Umschreibung auf das Loseblattgrundbuch von, Band, Blatt) und Band, Blatt (vor Umschreibung auf das Grundbuch von, Band, Blatt) sind nach Mitteilung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Nürnberg nicht mehr vorhanden. Auch der Urkundsnotar hat keine Angaben zu den Geburtsdaten gemacht.
Da sich somit die Geburtsdaten der Berechtigten weder aus dem Grundbuch noch aus den Grundakten ergeben, kann gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 GBBerG nur auf das Datum der Eintragung abgestellt werden. Die letzte Eintragung erfolgte ausweislich des Grundbuchs am 07.08.1924, so dass die 110-Jahresfrist des § 5 GBBerG noch nicht abgelaufen ist.
Zwar weist der Urkundsnotar zu Recht darauf hin, dass ausweislich des Grundbuchs die Bewilligung bereits im Jahr 1904 und damit vor inzwischen 119 Jahren erfolgte. Von dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 2 GBBerG, der ausschließlich auf das Datum der Eintragung abstellt, kann aber auch in einem derartigen Fall nicht abgewichen werden.
Denn unabhängig davon, ob es sich bei § 5 GBBerG um einen materiell-rechtlichen Erlöschenstatbestand (so Böhringer, ZfIR 2017, 721-728) oder um eine verfahrensrechtliche Löschungserleichterung (so Staudinger/Reymann (2017) BGB § 1090 Rn. 49) handelt, hat die Vorschrift weitreichende Wirkung, da der Berechtigte entweder sein Recht verliert oder nur die Wiedereintragung verlangen kann mit der Gefahr von Rang- und Rechtsverlust nach § 892 BGB (Reymann a.a.O.). Eine ausdehnende Auslegung der Vorschrift zum Nachteil des Berechtigten kommt daher nicht in Betracht.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge angesichts der Beschwerdezurückweisung aus dem Gesetz ergibt (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1, 3 GNotKG, KV Nr. 14510 GNotKG).
Der Geschäftswert ist nach § 79 Abs. 1 S. 1 GNotKG festzusetzen und – mangels näherer Anhaltspunkte – nach § 36 Abs. 3 GNotKG zu bemessen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): …………am 20.02.2023.