Skip to content

Grundstückszuweisung an Erben in Anlage IV Ziffer 9 eines Europäischen Nachlasszeugnisses

KG Berlin – Az.: 1 W 348/22 – Beschluss vom 22.09.2022

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag auf Grundbuchberichtigung vom 16. Juni 2022 durch Eintragung des Beteiligten als Alleineigentümer zu vollziehen.

Gründe

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beteiligte ist gemäß § 22 GBO antragsgemäß berichtigend als Alleineigentümer im Grundbuch einzutragen, denn er hat mit dem vorgelegten Europäischen Nachlasszeugnis vom 13. April 2022 der Notarin Dr. M… A… in Mx (Register Nr. …, Urkundenrolle Nr. …) nachgewiesen, dass das Grundbuch unrichtig und anstelle der eingetragenen Eigentümerin nunmehr der Beteiligte Alleineigentümer des im Beschlusseingang bezeichneten Wohnungseigentums ist.

Ausweislich des Europäischen Nachlasszeugnisses ist die eingetragene Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Wohnungseigentums verstorben und aufgrund gewillkürter Erbfolge von dem Beteiligten und … beerbt worden. Das Nachlasszeugnis weist in Anhang A (Formblatt V Anlage IV) unter Ziffer 9 ferner aus, dass (nur) dem Beteiligten „die Immobilieneinheit, gelegen in: S…-Straße …, WE …, 1… Berlin (Deutschland), im Grundbuch von Friedrichshain eingetragen unter der Nummer …“ zugewiesen wurde.

Auf die Rechtsnachfolge findet gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO italienisches Recht Anwendung, weil die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hatte (Ziffer 8 des Europäischen Nachlasszeugnisses). Das italienische Erbrecht sieht vor, dass auch einem Erben ein (Voraus)Vermächtnis zugewandt werden kann. Ist Gegenstand eines Vermächtnisses das Eigentum an einer bestimmten Sache oder ein anderes dem Erblasser zustehendes Recht, so geht das Eigentum oder das Recht mit dem Tode des Erblassers von diesem auf den Vermächtnisnehmer über, ohne dass es dazu einer Annahme bedarf (Art. 649 Abs. 1 und 2 CC). Bei Einsetzung mehrerer Erben kann der Erblasser eine Teilungsanordnung treffen, die die Erben nur schuldrechtlich bindet (Art. 733 CC), oder er kann den Nachlass gemäß Art. 734 CC mit dinglicher Wirkung selbst teilen. Im letzteren Fall geht das Eigentum an den Einzelgegenständen im Augenblick der Erbschaftsannahme unmittelbar auf die als Erben bestimmten Personen über, ohne dass vorher eine Erbengemeinschaft eingetreten wäre (Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Rdn. 670).

Vor diesem Hintergrund ist die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Wohnungseigentumsrechts an den Beteiligten in Ziffer 9 des Anhang A des Europäischen Nachlasszeugnisses ein hinreichender Beleg dafür, dass der Beteiligte durch den Erbfall, jedenfalls aber mit der in Ziffer 2 des Anhangs A nachgewiesenen Annahme der Erbschaft, Alleineigentümer des Wohnungseigentumsrechts geworden ist, ohne dass es hierfür einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bedurfte. Gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. b EuErbVO soll ein Europäisches Nachlasszeugnis als Nachweis für die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswertes des Nachlasses an die in dem Zeugnis als Erbe oder gegebenenfalls als Vermächtnisnehmer genannte Person verwendet werden können. Da die Bescheinigung der Erbquote bereits in Art. 63 Abs. 2 lit. a EuErbVO geregelt ist, muss sich der Begriff des „Vermögenswerts“ im Sinne von Art. 63 Abs. 2 lit. b auf einen anderen Aspekt beziehen. Wie aus anderen Sprachfassungen hervorgeht, sind mit „Vermögenswerten“ einzelne Nachlassgegenstände gemeint (Fornasier in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2. Aufl., Art. 63 EuErbVO Rdn. 34). Die betreffenden Gegenstände sind gemäß Art. 68 lit. l, m EuErbVO im Zeugnis anzugeben (Fornasier a.a.O. Rdn. 37). Eintragungen hierzu sind im Formblatt V Anlage IV Ziffer 9 bzw. Anlage V Ziffer 5 vorzunehmen. Wie bereits im Rahmen des Art. 63 Abs. 2 lit. a EuErbVO sind die Begriffe „Erben“ und „Vermächtnisnehmer“ im Sinne des Art. 63 Abs. 1 EuErbVO zu verstehen und beziehen sich somit nur auf Erben, auf die der Nachlass unmittelbar von Todes wegen ohne rechtsgeschäftliche Übertragungsakte übergeht, sowie auf Empfänger dinglich wirkender Vermächtnisse (OLG München, ZEV 2017, 580; OLG Nürnberg ZEV 2017, 579; Fornasier a.a.O. Rdn. 34). Bei einer Eintragung in Formblatt V Anlage IV Ziffer 9 bzw. Anlage V Ziffer 5 kann es sich deshalb nicht um einen nur schuldrechtlichen Anspruch auf entsprechende Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder Übertragung eines Vermächtnisgegenstands handeln, sofern die Eintragung nicht ausdrücklich anderes kenntlich macht.

Es ist auch nicht anzuzweifeln, dass sich die in Formblatt V Anlage IV Ziffer 9 ausgewiesene Zuweisung auf das Eigentum an der Immobilie bezieht. Die Erblasserin war Eigentümerin des Wohnungseigentumsrechts. Mangels erkennbarer Einschränkungen beziehen sich Angaben über Zuweisungen „der Immobilie“ im Europäischen Nachlasszeugnis auf dieses Vollrecht. Es entspricht auch etwa im Falle der Übertragung allgemeinem Sprachgebrauch, dass mit der Übertragung einer Immobilie das Eigentum an dieser gemeint ist.

Gemäß Art. 69 Abs. 2 EuErbVO wird vermutet, dass das Europäische Nachlasszeugnis die festgestellten Sachverhalte zutreffend ausweist. Diese Vermutung ist hier – anders als in der von dem Grundbuchamt zitierten Entscheidung des OLG München vom 29. September 2020 (FGPrax 2020, 265) – nicht widerlegt. Nach dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ergab sich aus dem Vortrag der Antragstellerin im Grundbuchverfahren, dass ein dinglicher Übergang des Eigentums an dem Nachlassgegenstand nicht schon mit dem Tode des Erblassers, sondern erst mit dem Abschluss eines Auseinandersetzungsvertrages erfolgt ist. Derartige Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses liegen hier nicht vor.

Der dem deutschen Recht unbekannte direkte Übergang des Eigentums an einem einzelnen Nachlassgegenstand auf einen von mehreren Erben ohne rechtsgeschäftliche Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist aufgrund der Nachweise durch das Europäische Nachlasszeugnis für die Eintragung im deutschen Grundbuch anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 12. Oktober 2017 – C-218/16 -) sind Art. 1 Abs. 2 lit k und l sowie Art. 31 EuErbVO dahin auszulegen, dass die Anerkennung der dinglichen Wirkung des Vindikationslegats, das dem anzuwendenden Erbstatut bekannt ist, von den Mitgliedstaaten nicht mit der Begründung abgelehnt werden kann, dass die Rechtsordnung des Belegenheitsstaates des betroffenen Grundstücks das Institut des Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls nicht kennt. Der Europäische Gerichtshof begründet dies mit der Einheitlichkeit des auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts gemäß Art. 23 Abs. 1 EuErbVO und mit dem 37. Erwägungsgrund der EuErbVO. Die Bereichsausnahmen in Art. 1 Abs. 2 lit k und l EuErbVO beziehen sich nicht auf materiellrechtliche Vorschriften über Art und Weise des Übergangs dinglicher Rechte. Auch Art 31 EuErbVO betrifft nicht die Modalitäten des Übergangs dinglicher Rechte, sondern nur die Wahrung ihres Inhalts bei der Rezeption in der lex rei sitae (EuGH, NJW 2017, 3767). Nichts anderes kann dann für eine unmittelbar dinglich wirkende Teilungsanordnung wie hier nach Art. 734 CC gelten. Diese bewirkt ebenso wie ein Vindikationslegat den direkten Eigentumserwerb des Erben, dem der Nachlassgegenstand zugewiesen wurde. Auch in diesem Fall wird kein dem deutschen Recht unbekanntes dingliches Recht begründet, sondern sind nur die Modalitäten des Eigentumsübergangs in anderer Weise als im deutschen Recht geregelt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Gerne können uns Ihr Anliegen in einem persönlichen Gespräch in unseren Kanzleiräumen in Kreuztal, bei einem Hausbesuch bei Ihnen, in einem persönlichen Telefonat oder auch per E-Mail schildern.

Möchten Sie einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt und Notar Dr. Gerd Christian Kotz vereinbaren? Sie können mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Kanzlei Beurkundungstermine oder Besprechungstermine per Email, Telefon oder Telefax vereinbaren.

Notar Dr. Kotz - Beratung

Rechtstipps und Ratgeber

Interessante Urteile mit notarieller Relevanz

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!