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Geschäftswert für Jahresgebühr bei Behindertentestament

Behindertentestament: Geschäftswert für Jahresgebühr

Das Urteil des Landgerichts Ravensburg befasst sich mit der Frage, wie der Geschäftswert für die Jahresgebühr bei einem Behindertentestament zu bemessen ist. Es geht darum, ob das Vermögen, das einem geistig Behinderten durch ein solches Testament zugewandt wird, bei der Berechnung der Betreuergebühr berücksichtigt werden kann. Das Gericht entscheidet, dass dieses Vermögen nicht herangezogen werden darf, da es der Verwaltung des Testamentsvollstreckers und nicht des Betreuers unterliegt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 T 28/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Gegenstand des Verfahrens: Ermittlung des Geschäftswerts für die Jahresgebühr bei einem Behindertentestament.
  2. Kernfrage: Berücksichtigung des ererbten Vermögens bei der Berechnung der Betreuergebühr.
  3. Betroffene Person: Geistig behinderte Erbin unter Betreuung seit 1994.
  4. Verwaltung des Erbteils: Unterliegt dem Testamentsvollstrecker, nicht dem Betreuer.
  5. Gerichtliche Entscheidung: Ererbtes Vermögen im Rahmen eines Behindertentestaments wird bei der Berechnung der Betreuergebühr nicht einbezogen.
  6. Rechtliche Begründung: Das Vermögen fällt nicht unter die Verwaltung des Betreuers, sondern des Testamentsvollstreckers.
  7. Folge für die Betroffene: Keine Erhebung der Jahresgebühr aufgrund des beschränkten Vermögens.
  8. Wichtige rechtliche Überlegung: Das Betreuungsgericht muss prüfen, ob das Vermögen Gegenstand der Betreuung ist.

Geschäftswert und Jahresgebühr im Kontext des Behindertentestaments

Die Bewertung des Geschäftswerts und die Festsetzung der Jahresgebühr im Rahmen eines Behindertentestaments bilden einen signifikanten Aspekt im Erbrecht und Betreuungsrecht. Hierbei stehen zentrale Fragen im Vordergrund: Wie wird der Wert eines Nachlasses bestimmt, der einer geistig behinderten Person vermacht wurde, und welche finanziellen Verpflichtungen ergeben sich daraus für die Betreuung? Diese Thematik ist nicht nur für Rechtsanwälte und Notare von Bedeutung, sondern berührt auch unmittelbar die Interessen von Betreuern und Erben.

Die Festlegung des Geschäftswerts hat direkte Auswirkungen auf die Höhe der Jahresgebühr, die im Kontext der Betreuung geistig behinderter Menschen eine wichtige Rolle spielt. Dabei gilt es, rechtliche Feinheiten und unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten zu berücksichtigen, die bei der Verwaltung und Übertragung von Erbteilen unter besonderen Bedingungen auftreten. Lassen Sie uns nun einen detaillierten Blick auf ein konkretes Urteil werfen, das Licht auf diese komplexe Materie wirft und die Rechtslage in einem spezifischen Fall klärt. Es verspricht, ein aufschlussreicher Einblick in die Praxis des Erb- und Betreuungsrechts zu sein.

Der Streit um den Geschäftswert bei einem Behindertentestament

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die Auseinandersetzung über den Geschäftswert für die Jahresgebühr im Kontext eines Behindertentestaments. Die betroffene Person, seit 1994 unter Betreuung, erbte nach dem Tod ihrer Mutter im Mai 2019 einen Erbteil von 30 %. Ihr Bruder erhielt den restlichen Teil und wurde zusätzlich als Testamentsvollstrecker bestimmt. Die Besonderheit dieses Falles liegt in der Bestimmung des Geschäftswerts für die Betreuung, welcher entscheidend für die Höhe der anfallenden Jahresgebühr ist.

Die Betreuungsrichterin setzte ursprünglich den Geschäftswert auf lediglich 977,01 € fest, basierend auf den frei verfügbaren Vermögenswerten der Betroffenen. Dieser Betrag lag deutlich unter der Schongrenze von 25.000 €, sodass keine Jahresgebühr nach KV Nr. 11101 GNotKG erhoben werden sollte. Der Bezirksrevisor hingegen forderte, den Geschäftswert auf über 95.000 € festzusetzen und argumentierte, dass das gesamte von der Mutter geerbte Vermögen berücksichtigt werden sollte.

Rechtliche Herausforderungen und Urteilsfindung

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Frage, ob und inwieweit das über das Behindertentestament vererbte Vermögen bei der Bemessung der Betreuergebühr einbezogen werden kann. Die Kernproblematik bestand darin, dass dieses Vermögen unter der Verwaltung des Testamentsvollstreckers und nicht unter der des Betreuers stand. Das Landgericht Ravensburg folgte in seinem Beschluss der Auffassung, dass das Vermögen, welches der Betroffenen als nicht befreiter Vorerbe zugewandt wurde, nicht bei der Berechnung der Betreuergebühr berücksichtigt werden darf.

In ihrer Urteilsbegründung bezog sich die Kammer auf die Gesetzgebungshistorie und den Sinn und Zweck der Erhebung einer Bearbeitungsgebühr. Sie betonte, dass nur das tatsächlich verwertbare und verfügbare Vermögen gemeint ist, wie es auch in der Gesetzgebungshistorie zum Ausdruck kommt. Zudem wurde hervorgehoben, dass die vom Testamentsvollstrecker verwaltete Vorerbschaft nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung des Betreuers unterliegt.

Konträre Meinungen und deren Argumentation

In diesem Fall gab es deutlich konträre Meinungen. Ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums vertrat die Ansicht, dass das über ein Behindertentestament zugewandte Vermögen nicht werterhöhend berücksichtigt werden kann. Dies begründet sich dadurch, dass es nicht unter die Kontrolle des Betreuers fällt. Die Gegenansicht argumentierte, dass das ererbte Vermögen in voller Höhe berücksichtigt werden sollte, da das Betreuungsgericht den Betreuer zu überwachen hat, insbesondere in Bezug auf die Kontrolle des Testamentsvollstreckers und die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Nachlass.

Abschließende Betrachtungen und Ausblick auf das Urteil

Letztendlich bestätigte das Landgericht Ravensburg die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die Beschwerde des Bezirksrevisors zurück. Die Entscheidung unterstreicht die Komplexität in der Bewertung des Geschäftswerts bei Behindertentestamenten und hebt die Notwendigkeit hervor, individuelle Fallkonstellationen genau zu betrachten. Die Festlegung des Geschäftswerts hat weitreichende Konsequenzen für die Jahresgebühr und damit für die finanzielle Belastung der Betroffenen. Dieses Urteil bietet somit wichtige Einblicke in die Handhabung von Geschäftswerten und Jahresgebühren im Kontext von Behindertentestamenten und setzt Maßstäbe für ähnliche Fälle in der Zukunft.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was ist der Geschäftswert im Rahmen eines Betreuungsverfahrens und wie wird er bestimmt?

Der Geschäftswert im Rahmen eines Betreuungsverfahrens bezieht sich auf den Wert, der für die Berechnung der Gerichts- und Notarkosten herangezogen wird. Dieser Wert ist maßgeblich für die Höhe der anfallenden Gebühren und wird in der Regel auf Basis des Reinvermögens des Betroffenen bestimmt.

Für die Bestimmung des Geschäftswerts bei der Einrichtung einer Vorsorgevollmacht wird grundsätzlich das Aktivvermögen des Vollmachtgebers zum Zeitpunkt der Beurkundung herangezogen. Dieses Aktivvermögen setzt sich aus der Summe aller Vermögensgegenstände wie Immobilien, Gesellschaftsbeteiligungen, Sparguthaben und Wertpapiere zusammen. Bei Betreuungsverfahren hingegen wird das Reinvermögen des Betroffenen zugrunde gelegt, wobei die eigengenutzte Wohnimmobilie, sofern sie sozialhilferechtlich als Schonvermögen gilt, nicht mitgerechnet wird. Schulden können also bei der Ermittlung des Geschäftswerts für Betreuungsverfahren abgezogen werden.

In Betreuungsverfahren wird ein pauschaler Geschäftswert von 5.000 Euro angenommen, sofern nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten im Sinne des § 36 Absatz 1 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) betroffen sind. Für die Festsetzung des Geschäftswerts im Rahmen der Jahresgebühr in einem Betreuungsverfahren können spezielle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Die Gerichtskosten für Betreuungsverfahren sind gestaffelt und hängen vom Reinvermögen des Betroffenen ab. Bei einem Reinvermögen von bis zu 25.000 Euro ist das Verfahren gebührenfrei. Übersteigt das Reinvermögen diesen Betrag, fällt eine Mindestgebühr an, die mit dem Reinvermögen steigt.

Zusammenfassend wird der Geschäftswert im Rahmen eines Betreuungsverfahrens in der Regel auf Basis des Reinvermögens des Betroffenen bestimmt und ist entscheidend für die Höhe der anfallenden Gerichts- und Notarkosten.

Wie beeinflusst ein Behindertentestament die Berechnung des Geschäftswerts in einem Betreuungsverfahren?

Ein Behindertentestament beeinflusst die Berechnung des Geschäftswerts in einem Betreuungsverfahren dahingehend, dass das über ein Behindertentestament zugewandte Vermögen, welches der Dauerverwaltung durch einen Testamentsvollstrecker unterliegt, nicht in die Berechnung des Geschäftswerts einbezogen wird. Dies liegt daran, dass das Vermögen, das einer betreuten Person im Rahmen eines Behindertentestaments zufällt, nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung der Betreuerin unterliegt, sondern der Verwaltung der Testamentsvollstreckerin.

Das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Beschluss festgestellt, dass eine Erbschaft, die einer betreuten Person im Rahmen eines Behindertentestaments zugefallen ist, nicht zu dem „zu berücksichtigenden Vermögen“ im Sinne der Kostenvorschrift gehört. Dies bedeutet, dass dieses Vermögen nicht für die Berechnung der Jahresgebühr für eine Dauerbetreuung herangezogen wird. Das Pfälzische Oberlandesgericht hat die Rechte von Betreuten gestärkt, indem es entschieden hat, dass Betreute, die eine Erbschaft im Rahmen eines Behindertentestaments gemacht haben, nicht für Gerichtsgebühren für ihr Betreuungsverfahren herangezogen werden können.

Zusammenfassend wird das über ein Behindertentestament zugewandte Vermögen bei der Berechnung des Geschäftswerts für die Jahresgebühr einer Dauerbetreuung nicht berücksichtigt, da es der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegt und nicht der Kontrolle durch das Betreuungsgericht.


Das vorliegende Urteil

LG Ravensburg – Az.: 2 T 28/22 – Beschluss vom 04.08.2022

1. Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg – Betreuungsgericht – vom 12.01.2022 wird zurückgewiesen.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Betroffene ist geistig behindert und steht seit 1994 unter Betreuung. Seit 09.10.2019 ist ihre Nichte A. K. als ehrenamtliche Betreuerin für „alle Angelegenheiten einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post“ eingesetzt.

Mit dem Tode ihrer Mutter am 31.05.2019 wurde die Betroffene mit einem Erbteil von 30 % zur nicht befreiten Vorerbin ihrer Mutter. Weiterer Vorerbe zu 70 % und alleiniger Nacherbe ist der Bruder der Betroffenen G. K. Dieser ist auch dauerhaft als Testamentsvollstrecker hinsichtlich des Erbteils der Betroffenen eingesetzt. Der Verwaltung und Verfügung des Testamentsvollstreckers unterliegen auch die Früchte des Erbteils der Betroffenen.

Mit Beschluss der Betreuungsrichterin vom 12.01.2022 wurde der Geschäftswert des Betreuungsverfahrens auf 977,01 € festgesetzt, da nur frei verfügbare Vermögenswerte der Betroffenen in dieser Höhe zum Zeitpunkt der Rechnungslegung am 01.11.2021 vorhanden waren. Eine Jahresgebühr gem. KV Nr. 11101 GNotKG sei daher nicht zu erheben.

Mit der Beschwerde vom 14.02.2022 beantragt der Bezirksrevisor, den Geschäftswert auf 95.308,26 € festzusetzen und die Kostenbeamtin gem. § 36 der KostVfg anzuweisen, die Jahresgebühr zu erheben. Der Bezirksrevisor meint, dass für die Bemessung des Geschäftswerts vom Gesamtvermögen der Betroffenen auszugehen sei, das von der Betroffenen von ihrer Mutter ererbte Vermögen also hinzuzurechnen sei.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist gem. §§ 83 Abs. 1, 79 Abs. 2 Satz 2, 81 Abs. 3 GNotKG statthaft und fristgemäß (ihm wurde der Beschluss am 17.01.2022 zugestellt) eingelegt worden.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet weil für die Bemessung der Betreuergebühr das Vermögen des Betroffenen, das dieser im Wege eines sog. Behindertentestaments als nicht befreiter Vorerbe erlangt hat, nicht berücksichtigt werden kann.

Neben den Betreuerkosten schuldet der Betroffene für eine Dauerbetreuung, wie bereits nach altem Recht (§ 92 KostO), jährlich fällige Gerichtsgebühren und Auslagen. Vom Betroffenen werden diese nur erhoben, wenn sein Vermögen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 25.000 € beträgt, wobei der Wert des in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII aufgeführten angemessenen Hausgrundstücks gem. der Vorbemerkung 1.1 zum KV GNotKG nicht eingerechnet werden soll (Ziff. 11101 KV GNotKG). Im vorliegenden Fall würde die Betroffene nur dann diese Schongrenze überschreiten, wenn ihr Erbteil zu berücksichtigen wäre.

1. Ob der Nachlass des Betroffenen bei einem sog. „Behindertentestament“ zum gebührenrechtlich maßgeblichen Vermögen gehört, ist umstritten. Eine höchstrichterliche Entscheidung dieser Frage kann in dem für Gerichtsgebühren nach dem GNotKG vorgesehenen Instanzenzug nicht herbeigeführt werden. Die wünschenswerte Vereinheitlichung bleibt daher dem Gesetzgeber vorbehalten.

a) Ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums ist der Auffassung, in Fällen des Behindertentestaments könne der Nachlass bei der Ermittlung des Reinvermögens als Grundlage der gerichtlichen Jahresgebühr für eine – zumindest auch – die Vermögenssorge umfassende Dauerbetreuung nicht werterhöhend berücksichtigt werden (vgl. OLG München FGPrax 2019, 89; OLG Bamberg BeckRS 2019, 44347; OLG Köln ZEV 2019, 704; OLG Zweibrücken ZEV 2021, 184; Korintenberg/Fackelmann, aaO., KV 11101 Rn. 37a; Jürgens/Luther, Betreuungsrecht, 6. Aufl., KV GNotKG, Teil 1 Rn. 4 f.; Hofer FamRZ 2020, 950). Das dem Betreuten über ein sog. Behindertentestament zugewandte, der Dauerverwaltung durch einen Testamentsvollstrecker unterliegende Vermögen falle nicht unter die vom Betreuungsgericht zu kontrollierende Verwaltungstätigkeit des Betreuers, sondern die des Testamentsvollstreckers.

b) Nach der Gegenansicht wird auch bei einem Behindertentestament das ererbte Nachlassvermögen in voller Höhe berücksichtigt (vgl. OLG Hamm FGPrax 2020, 293 und FGPrax 2015, 278; OLG Celle NJOZ 2021, 680 und NZFam 2017, 327; OLG Stuttgart FGPrax 2020, 195; OLG Karlsruhe ZEV 2021, 186; OLG Rostock BeckRS 2021, 13095; Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl., KV Vorbem. 1.1 Rn. 3; Sikora, ZEV 2020, 563, 564). Das einfach gehaltene Kostenrecht werde überfrachtet, wenn der Kostenbeamte nicht allein auf das Vorhandensein von Vermögenswerten abzustellen hätte, sondern darüber hinaus auch noch – eine im Einzelfall rechtlich komplizierte – Prüfung vornehmen müsste, inwieweit der Gebührenschuldner über das ihm zustehende Vermögen auch noch verfügen könne. Außerdem habe das Betreuungsgericht den Betreuer, soweit dieser den Testamentsvollstrecker zu kontrollieren und gegebenenfalls Ansprüche des Betroffenen gegenüber dem Nachlass geltend zu machen habe, zu überwachen. Dass damit ein – gegenüber der Überwachung der Vermögensverwaltung – geringerer Aufwand verbunden sein mag, rechtfertige die Außerachtlassung des ererbten Vermögens bei dem Gebührenansatz nicht.

c) Die Kammer folgt der erstgenannten Ansicht:

aa) In KV Nr. 11101 GNotKG ist nur das tatsächlich verwertbare und verfügbare Vermögen gemeint. Dies geht aus der Gesetzgebungshistorie hervor.

Die Neuregelungen zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz – BtG) von 1989 belassen es grundsätzlich bei der vermögensbezogenen Gebühr des geltenden Rechts (§ 92 KostO). In der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz für die KV Nr. 11101 GNotKG wird eine Erhebung der Jahresgebühren „wie nach geltendem Recht (§ 92 KostO)“, also erst ab einem Reinvermögen von 25.000,– € bestätigt, so dass Kontinuität mit § 92 KostO gewollt war (Manthey/Trilsch, ZEV 2015, 618).

Aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Betreuungsgesetzes vom 11.05.1989 (Bt-Drucksache 11/4528) ergibt sich jedoch für die damalige Neufassung des § 92 KostO, dass der Gesetzgeber vom sozialhilferechtlichen Vermögensbegriff ausgegangen ist, und dass er nur deshalb nur auf § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG und nicht auf § 88 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BSHG verwiesen hat, weil er diese Einschränkungen bei der Berücksichtigung verwertbaren Vermögens schon durch den Freibetrag von 50.000 DM abgedeckt sah.

„Auf der Grundlage der vermögensbezogenen Gebühr will der Entwurf aber Härten und Ungereimtheiten des geltenden Rechts beseitigen. Er schlägt deshalb zum einen vor, den Freibetrag von 50 000 DM allen Betreuten zu gewähren und nicht – wie der geltende § 96 KostO – die „Verschwender“ oder Suchtkranken, soweit sie unter Betreuung stehen, auszuschließen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 KostO-E). Außerdem soll durch eine Verweisung auf § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG sichergestellt werden, dass bei der Berechnung des für die Gebühr maßgeblichen Vermögens im Grundsatz solche Vermögenswerte nicht angesetzt werden, deren Berücksichtigung auch im Sozialhilferecht und im Recht der Prozesskostenhilfe als unzumutbar angesehen wird (§ 92 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz KostO-E). Während die in § 88 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BSHG genannten Vermögenswerte als pauschal in dem Freibetrag von 50 000 DM berücksichtigt angesehen werden können, würde das in § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG geschützte kleine Hausgrundstück den Rahmen des Freibetrages sprengen. Der Wert eines solchen Grundstücks soll daher dem Freibetrag hinzugerechnet werden.“ (Bt-Drucksache 11/4528, Seite 94)

Es ist daher vom sozialhilferechtlichen Begriff des Vermögens auszugehen. § 88 Abs. 1 BSHG definiert das Vermögen inhaltsgleich mit der heute geltenden Nachfolgevorschrift § 90 Abs. 1 SGB XII: „Zum Vermögen im Sinne dieses Gesetzes gehört das gesamte verwertbare Vermögen“.

Da aus den zwischenzeitlichen Änderungen des § 92 KostO kein abweichender Wille des Gesetzgebers zu entnehmen ist, kommt es auch nach der geltenden Vorbemerkung 1.1 zum KV GNotKG oberhalb der Schonvermögensfreigrenze auf das rechtlich und tatsächlich verwertbare Vermögen des Betroffenen an, wobei das Schonvermögen für die Rechtspflege weiterhin pauschal mit 25.000,– € angesetzt wird.

bb) Darüber hinaus spricht auch der Sinn und Zweck der Erhebung einer Bearbeitungsgebühr gegen die Berücksichtigung des dem Betreuten über ein sog. „Behindertentestament“ zugewandten Vermögen bei der Berechnung des Geschäftswerts für die Jahresgebühr nach KV Nr. 11101 GNotKG. Denn die Gebühren sollen den damit zusammenhängenden Bearbeitungsaufwand des Gerichts abgelten (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, GNotKG KV 11101-11105, Rn. 4). Das vom Testamentsvollstrecker verwaltete im Wege der Vorerbschaft zugewandte Vermögen unterliegt jedoch nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung des Betreuers. Gegenstand der Betreuung ist insoweit nur die Ausübung der Kontrollrechte (§ 2218 BGB) und gegebenenfalls die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Testamentsvollstrecker gem. § 2217 Abs. 1, § 2219 Abs. 1 BGB (OLG München, Beschluss vom 18. Januar 2019 – 34 Wx 165/18 Kost –, juris Rn. 24). Eine “Überwachung von Kontrollrechten“ kann es aber nicht rechtfertigen, weiteres nicht verwertbares Vermögen hinzuzurechnen.

cc) Die dem Gericht nach dieser Auffassung obliegende Prüfung, ob das Vermögen überhaupt Gegenstand der Betreuung ist, überfrachtet auch nicht das betreuungsgerichtliche Verfahren. Denn anhand des im Verfahren jeweils vorzulegenden „Behindertentestaments“ kann das Betreuungsgericht ohne Weiteres ersehen, welche Teile der Erbschaft der Verfügung des Testamentsvollstreckers unterliegen und damit der Verfügung des Betreuers entzogen sind.

dd) Maßgeblich gegen die Berücksichtigung der Vorerbschaft spricht im vorliegenden Fall außerdem der Umstand, dass die Forderung des Fiskus auf Begleichung der Jahresgebühren gegenüber dem Testamentsvollstrecker nicht geltend gemacht werden kann, dem steht § 2214 BGB entgegen. Der Testamentsvollstrecker beginge eine Pflichtverletzung, wenn er die Jahresgebühren für die Betreuung aus dem Nachlass begleichen würde. Bürgerliches Recht und Kostenrecht lassen sich somit nur dadurch in Einklang bringen, dass die fremdverwaltete Erbschaft außer Betracht bleibt (Hofer, Anmerkung zur Entscheidung des OLG Nürnberg vom 17.08.2021, FamRZ 2021, 1731).

ee) Schließlich spricht im vorliegenden Fall gegen die Erhebung von Jahresgebühren, dass das Vermögen der Betroffenen sogar unter der Schongrenze von 5.000,– € liegt. Die Betroffene lebt von der Grundsicherung. Sie wäre aber bei Erhebung der Jahresgebühr mit einer Forderung des Fiskus konfrontiert, die sie aus ihrem Existenzminimum begleichen müsste. Das Betreuungsgericht weist daher im vorliegenden Fall zurecht darauf hin, dass bei der Festsetzung des Geschäftswerts der Gedanke des § 90 Abs. 3 SGB XII zum Tragen kommen müsse, da die Heranziehung des Betroffenen zu einer Jahresgebühr gem. KV Nr. 11101 GKG in einer solchen Konstellation als unzumutbare Härte zu werten wäre.

Das Verfahren ist gem. § 83 Abs. 3 GNotKG gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht ist gem. §§ 83 Abs. 1, 81 Abs. 4 Satz 1 GNotKG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (siehe oben II. 1. a) und b)) zuzulassen.

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