Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 280/10-106 – Beschluss vom 07.01.2011
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das Amtsgericht Saarbrücken – Saarländisches Grundbuchamt – unter Aufhebung des Beschlusses vom 1.6.2010 (ALTK-864-8) und des Nichtabhilfebeschlusses vom 23.11.2010 (ALTK-864-8) angewiesen, über den Löschungsantrag der Antragstellerin vom 22.10.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Teillöschung einer auf dem streitgegenständlichen Grundbesitz lastenden Buchgrundschuld in Höhe von 200.000 €, die seit dem 15.9.2005 in Abteilung III lfd. Nr. 2 zugunsten der Kreissparkasse S. eingetragen ist und die den zugunsten der Antragstellerin in Abteilung III Nr. 3 und Nr. 4 eingetragenen Zwangssicherungshypotheken – erstere über 78.538,15 €, eingetragen am 12.12.2005 und letztere über 75.435,35 €, eingetragen am 13.12.2005 – im Rang vorgeht.
Der im Zusammenhang mit der Finanzierung eines geplanten Neubaus eingetragenen Grundschuld lagen keine Forderungen der Kreissparkasse S. zugrunde, weil ein Darlehensvertrag nicht zustande gekommen war.
Wegen einer Abgabenforderung des Saarlandes in Höhe von 79.000,17 € pfändete die Antragstellerin als Vollstreckungsbehörde im Wege des Verwaltungsverfahrens mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 12.12.2005 (Bl. 70 d.A.), der Kreissparkasse S. als Drittschuldnerin zugestellt am 15.12.2005, gemäß §§ 309 ff. AO folgende Ansprüche:
– den Anspruch der Eigentümer auf Rückgewähr oder Teilrückgewähr der vorgenannten Grundschuld „durch Übertragung, Aufhebung oder Verzicht“;
– die Eigentümergrundschuld, die aus der genannten Grundschuld ganz oder teilweise entstanden ist oder noch entstehen wird;
– den Anspruch der Eigentümer auf Grundbuchberichtigung und Aushändigung der für die Grundbuchberichtigung notwendigen Urkunden in grundbuchmäßiger Form;
– den Anspruch der Eigentümer auf Auskehrung des Mehrerlöses nach Verwertung der vorgenannten Grundschuld.
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 5.1.2006 (Bl. 61 d.A.), den Eigentümern zugestellt am 7.1.2006 (Bl. 63 d.A.) pfändete die Antragstellerin außerdem
– den „bestrangigen Teil der Eigentümergrundschuld, die aus der … für die Kreissparkasse S. in Höhe von 200.000 € eingetragenen Hypothek ohne Brief ganz oder teilweise entstanden ist oder noch entstehen wird …“;
– den „Anspruch auf Grundbuchberichtigung hinsichtlich der Umschreibung der vorgenannten Hypothek oder von Teilen der Hypothek in eine Eigentümergrundschuld“;
– den „Anspruch auf Aushändigung der für die Grundbuchberichtigung notwendigen Unterlagen in grundbuchmäßiger Form, insbesondere auf Erteilung einer löschungsfähigen Quittung“.
Am 10.3.2006 bewilligte die Kreissparkasse die Löschung der Grundschuld (Bl. 72 d.A.).
Ein auf dieser Grundlage gestellter (Teil-) Löschungsantrag der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Saarländisches Grundbuchamt – vom 6.2.2007 (Bl. 80 d.A.) zurückgewiesen, ebenso durch Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 25.5.2009 – 5 T 90/09 (Bl. 105 d.A.) die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin (Bl. 83 d.A.). Dabei hat das Landgericht das Bestehen eines Löschungsanspruchs der Antragstellerin unter Hinweis auf § 932 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Frage gestellt, weil diese sich die Forderung der Eigentümer gegen die Drittschuldnerin lediglich zur Einziehung – und nicht an Zahlungs statt – habe überweisen lassen, so dass eine vermögenswerte Rechtsposition der Eigentümer – nämlich deren im Entstehen begriffene Eigentümergrundschuld – unwiderruflich vernichtet würde, ohne dass hierdurch eine Befriedigung der Gläubigerin eintrete. Ein Löschungsanspruch der Antragstellerin scheitere aber jedenfalls daran, dass deren Pfändungs- und Überweisungsverfügungen das Recht der Eigentümer auf Zustimmung zur Löschung aus § 1183 BGB nicht erfassten, bei dem es sich um ein sonstiges Vermögensrecht i.S.d. § 321 Abs. 1 AO handele.
Am 22.10.2009 beantragte die Antragstellerin erneut die Teillöschung der Grundschuld, nunmehr in Höhe der fortbestehenden Abgabenforderung über 40.105,52 €, nachdem sie mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.9.2009 (Bl. 141 d.A.), den Eigentümern zugestellt am 18.9.2009 (Bl. 144 d.A.), deren „bestrangiges Recht auf Zustimmung zur Löschung der Grundschuld gemäß § 1183 BGB“ gepfändet hatte.
Auch diesen Antrag wies das Amtsgericht – Saarländisches Grundbuchamt – mit Beschluss vom 1.6.2010 (Bl. 148 d.A.) zurück und bezog sich zur Begründung auf den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 25.5.2009 – 5 T 90/09. Der ausführlich begründeten Beschwerde der Antragstellerin hat es mit Beschluss vom 23.11.2010 (Bl. 160 d.A.) unter erneuter Bezugnahme auf den landgerichtlichen Beschluss nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 72 ff. GBO n.F. zulässig, insbesondere formgerecht gemäß § 73 GBO n.F. einlegt. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 111 FGG-RG sind auf sie die nach Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 geltenden Vorschriften anzuwenden.
Sie ist auch begründet, weil die vom Amtsgericht Saarbrücken – Saarländisches Grundbuchamt – in dem Beschluss vom 1.6.2010 und dem Nichtabhilfebeschluss vom 23.11.2010 angenommenen Eintragungshindernisse der beantragten Eintragung der Antragstellerin – die beantragte Löschung eines Rechts erfolgt gemäß § 46 Abs. 1 GBO durch Eintragung eines Löschungsvermerks – nicht entgegenstehen.
1.
Die hier allein in Betracht kommende rechtsändernde Löschung der Grundschuld nach § 27 Satz 1 GBO setzt neben der Löschungsbewilligung des betroffenen Grundschuldgläubigers die Zustimmung des Eigentümers voraus.
a)
Die gemäß §§ 19, 39 Abs. 1 GBO erforderliche Löschungsbewilligung der Kreissparkasse S. liegt vor. Insoweit hat das Amtsgericht – Saarländisches Grundbuchamt – keine Einwände erhoben.
b)
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – Saarländisches Grundbuchamt – ist auch die – dem Verfahrensrecht angehörende – Zustimmung der Eigentümer i.S.d. § 27 GBO erteilt. Zur Erteilung dieser Zustimmung war die Antragstellerin als Pfandgläubigerin aufgrund der Pfändungsmaßnahmen vom 12.12.2005 und vom 15.9.2009 anstelle der Eigentümer berechtigt. Die Zustimmung ist durch die Stellung des Löschungsantrags erklärt worden (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 27, Rdn. 11); insoweit war die die Antragstellerin aufgrund der Pfändung unmittelbar selbst antragsbefugt i.S.d. § 13 GBO (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1997, 1308 zur Antragsberechtigung aufgrund eines Pfändungsbeschlusses). Als gemischter Antrag i.S.d. § 30 GBO (vgl. hierzu Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 27, Rdn. 15; Demharter, aaO., Rdn. 13) entspricht dieser der Form des § 29 Abs. 3 GBO.
aa)
Das Landgericht, auf dessen Beschluss vom 25.5.2009 – 5 T 90/09 – das Amtsgericht Bezug genommen hat, geht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend davon aus, dass den Eigentümern des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes gegen die Sparkasse S. als Grundschuldgläubigerin ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld zustand, der nach Wahl der Eigentümer durch Abtretung der Grundschuld an sich oder Dritte (§§ 1154, 1192 Abs. 1 BGB), durch Verzicht (§§ 1168, 1192 Abs. 1 BGB) oder Aufhebung (Löschung) der Grundschuld (§§ 1183, 875 BGB) erfüllt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.1989 – IX ZR 277/88 – NJW 1989, 2536). Dieser Anspruch war als Vermögensgegenstand, der weder der Zwangsvollstreckung in Geldforderungen noch in Forderungen auf Herausgabe von beweglichen oder unbeweglichen Sachen (§§ 846 ff. ZPO) noch in das unbewegliche Vermögen unterliegt, gemäß §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1, 829 ff. ZPO bzw. §§ 321, 309 AO pfändbar (vgl. BGH, aaO.) und ist durch die der Drittschuldnerin am 15.12.2005 zugestellten Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 12.12.2005 auch gepfändet worden. In dieser Verfügung war der Antragstellerin der Anspruch der Eigentümer auf Rückgewähr zur Einziehung überwiesen worden. Die Überweisung zur Einziehung nach § 314 AO ersetzte die Erklärungen der Eigentümer, von denen nach dem materiellen Recht die Befugnis zur Einziehung des Rückgewähranspruchs abhängig ist.
(1) Aufgrund der Einziehungsbefugnis war die Antragstellerin zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte berechtigt, die dem Zweck dienen, die Leistung des Drittschuldners herbeizuführen oder zu ersetzen (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rdn. 602); zugleich war den Eigentümern aufgrund der Pfändung die Verfügungsbefugnis über die Forderung entzogen. Die Antragstellerin konnte deshalb nach Überweisung des Anspruchs zur Einziehung im eigenen Namen die Erfüllung des Rückgewähranspruchs – hier durch Teilaufhebung der Grundschuld – verlangen, an dessen Fälligkeit im Streitfall keine Zweifel bestehen.
(2) Zwischenzeitlich hat die Antragstellerin auf der Grundlage des landgerichtlichen Beschlusses mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.9.2009, den Eigentümern zugestellt am 18.9.2009, darüber hinaus auch deren sachlich-rechtliches „Recht … auf Zustimmung zur Löschung der Grundschuld gemäß § 1183 BGB“ gepfändet. Deshalb kann offen bleiben, ob die Antragstellerin schon aufgrund der Pfändung des Rückgewähranspruchs im Rahmen ihrer Einziehungsbefugnis anstelle der Eigentümer zur Abgabe der verfahrensrechtlichen Zustimmungserklärung nach § 27 GBO berechtigt war oder ob es zur Ausübung dieser Befugnis einer gesonderten Pfändung des „Rechts der Eigentümer auf Zustimmung zur Löschung aus § 1183 BGB“ bedurfte.
bb)
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts scheitert die Berechtigung der Antragstellerin zur Abgabe der Zustimmungserklärung nach § 27 GBO auch nicht daran, dass die Überweisung lediglich zur Einziehung und nicht an Zahlungs statt erfolgt ist.
(1) Das Landgericht, auf dessen Beschluss vom 25.5.2009 das Amtsgericht Bezug nimmt, hat eine Berechtigung der Antragstellerin, aufgrund der Pfändung des Rückgewähranspruchs die Löschung der Grundschuld zu verlangen, unter Hinweis auf § 932 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Frage gestellt, weil diese sich die Forderung der Eigentümer gegen die Drittschuldnerin lediglich zur Einziehung – und nicht an Zahlungs statt – habe überweisen lassen, so dass eine vermögenswerte Rechtsposition der Eigentümer – nämlich deren im Entstehen begriffene Eigentümergrundschuld – unwiderruflich vernichtet würde, ohne dass hierdurch eine Befriedigung der Gläubigerin eintrete.
(2) Dies steht der Wirksamkeit der Pfändungsmaßnahmen, aus denen die Antragstellerin ihre Antrags- und Zustimmungsberechtigung ableitet, nicht entgegen.
Abgesehen davon, dass eine Überweisung an Zahlungs statt naturgemäß schon deshalb ausgeschlossen ist, weil es dem Rückgewähranspruch – anders als der Grundschuld selbst – an einem Nennwert fehlt (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rdn. 1892), folgt dies schon daraus, dass der ausdrückliche Ausschluss eines Rechts auf Löschung vorrangiger Grundpfandrechte in § 932 Abs. 1 Satz 2 ZPO allein dem vorläufigen Sicherungscharakter einer Arresthypothek geschuldet ist und sich deshalb nicht auf die Zwangssicherungshypothek übertragen lässt (vgl. OLG Dresden, NotBZ 2010, 410; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 932, Rdn. 1).
2.
Das Amtsgericht – Saarländisches Grundbuchamt – wird nunmehr nach Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses vom 1.6.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Teillöschungsantrag der Antragstellerin zu befinden haben. Dabei wird dem Amtsgericht aufgegeben, die Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes als materiell Berechtigte auch formell an dem vorliegenden Antragsverfahren zu beteiligen (vgl. hierzu Demharter, aaO., § 1, Rdn. 30).
3.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, § 131 Abs. 3 KostO.