BFH-Urteil: Schenkungsteuer und die Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden
In einem kürzlich ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) wurde die Revision eines Klägers gegen ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts zurückgewiesen. Der Fall drehte sich um die Schenkungsteuer und die Frage, wie festgestellte Grundbesitzwerte in späteren Steuerbescheiden zu berücksichtigen sind.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.07.2023 bestätigt, dass gesondert festgestellte Grundbesitzwerte für die Schenkungsteuer bindend sind und nicht im Nachhinein angefochten werden können, selbst wenn sie als materiell-rechtlich unzutreffend angesehen werden.
- Der Kläger hatte Ende 2012 von seinem Vater einen Miteigentumsanteil an unbebauten Grundstücken als Schenkung erhalten.
- Für die Schenkungsteuer wurden die Grundbesitzwerte festgestellt, wobei der Anteil des Klägers 87.392 Euro betrug.
- 2017 erhielt der Kläger erneut eine Schenkung von seinem Vater in Form eines Forderungsverzichts in Höhe von 400.000 Euro.
- Das Finanzamt setzte daraufhin eine Schenkungsteuer von 9.603 Euro fest und berücksichtigte dabei den zuvor festgestellten Grundbesitzwert von 87.392 Euro.
- Der Kläger legte Einspruch ein und argumentierte, dass der im Feststellungsbescheid angegebene Grundbesitzwert falsch sei.
- Das Finanzamt wies diesen Einspruch zurück, und auch eine daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
- Der Kläger argumentierte weiter, dass bei der Zusammenrechnung mehrerer Schenkungen innerhalb von zehn Jahren die früheren Erwerbe mit ihren tatsächlich zutreffenden Werten berücksichtigt werden sollten.
- Der BFH entschied, dass die Revision unbegründet sei und die festgestellten Grundbesitzwerte von 87.392 Euro zu Recht auch für die Schenkungsteuerfestsetzung des zweiten Erwerbs herangezogen wurden.
- Das Gericht stellte klar, dass die gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten bindend ist, nicht nur für den ursprünglichen Schenkungsteuerbescheid, sondern auch für alle nachfolgenden Schenkungsteuerbescheide, in denen dieser Wert berücksichtigt wird.
- Die unterschiedliche Behandlung von Werten, je nachdem, ob sie in einem gesonderten Feststellungsverfahren festgestellt wurden oder nicht, stellt nach Ansicht des BFH keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes dar.
Hintergrund des Falles
Der Kläger hatte Ende 2012 von seinem Vater einen Miteigentumsanteil an unbebauten Grundstücken als Schenkung erhalten. Für die Schenkungsteuer wurden die Grundbesitzwerte festgestellt, wobei der Anteil des Klägers 87.392 Euro betrug. Diese Werte wurden in einem Schenkungsteuerbescheid berücksichtigt, wobei die Schenkungsteuer auf 0 Euro festgesetzt wurde.
Einige Jahre später, im Juni 2017, erhielt der Kläger erneut eine Schenkung von seinem Vater, diesmal in Form eines Forderungsverzichts in Höhe von 400.000 Euro. Das zuständige Finanzamt setzte daraufhin eine Schenkungsteuer von 9.603 Euro fest und berücksichtigte dabei den zuvor festgestellten Grundbesitzwert von 87.392 Euro.
Der Kläger legte Einspruch ein und argumentierte, dass der im Feststellungsbescheid angegebene Grundbesitzwert falsch sei. Das Finanzamt wies diesen Einspruch jedoch zurück, und auch eine daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
Kernargumente des Klägers
Der Kläger argumentierte, dass bei der Zusammenrechnung mehrerer Schenkungen innerhalb von zehn Jahren die früheren Erwerbe mit ihren tatsächlich zutreffenden Werten und nicht mit den in vorherigen Steuerfestsetzungen zugrunde gelegten (möglicherweise falschen) Werten berücksichtigt werden sollten. Er behauptete, dass der Feststellungsbescheid von 2016 nur für die Steuerfestsetzung des ersten Erwerbs, nicht aber für die Berücksichtigung dieses Erwerbs bei der Besteuerung des zweiten Erwerbs bindend sei.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass die Revision unbegründet sei. Die festgestellten Grundbesitzwerte von 87.392 Euro wurden zu Recht auch für die Schenkungsteuerfestsetzung des zweiten Erwerbs herangezogen.
Das Gericht stellte klar, dass die gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten bindend ist, nicht nur für den ursprünglichen Schenkungsteuerbescheid, sondern auch für alle nachfolgenden Schenkungsteuerbescheide, in denen dieser Wert berücksichtigt wird.
Die unterschiedliche Behandlung von Werten, je nachdem, ob sie in einem gesonderten Feststellungsverfahren festgestellt wurden oder nicht, stellt nach Ansicht des BFH keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes dar.
Fazit
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung von Feststellungsbescheiden und deren Bindungswirkung in späteren Steuerbescheiden. Es betont die Rechtssicherheit und die Notwendigkeit, die festgestellten Werte in allen relevanten Steuerbescheiden konsequent zu berücksichtigen. Steuerpflichtige sollten sich daher der Tragweite solcher Feststellungsbescheide bewusst sein und gegebenenfalls rechtzeitig rechtliche Schritte einleiten, wenn sie mit den festgestellten Werten nicht einverstanden sind.
✔ Schenkungsteuer – kurz erklärt
Die Schenkungsteuer in Deutschland ist eine Steuer, die auf unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden, also Schenkungen, erhoben wird. Sie ist im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) geregelt. Die Höhe der Schenkungsteuer hängt von der Höhe des geschenkten Betrags und dem Verwandtschaftsgrad zwischen Schenker und Beschenktem ab. Es gibt verschiedene Steuerklassen und Freibeträge:
- Freibeträge: Eheleute können sich gegenseitig bis zu 500.000 Euro steuerfrei schenken. Für Geschenke von Eltern an ihre Kinder beträgt der Freibetrag 400.000 Euro, für Enkelkinder 200.000 Euro und für Eltern und Großeltern 20.000 Euro. Geschwister, Neffen und Nichten haben einen Freibetrag von 20.000 Euro.
- Steuersätze: Die Steuersätze variieren je nach Wert der Schenkung und Steuerklasse. Zum Beispiel für die Steuerklasse I: bis 75.000 Euro beträgt der Steuersatz 7 %, bis 300.000 Euro 11 %, bis 600.000 Euro 15 % und bis 6.000.000 Euro 19 %. Für die Steuerklasse II gelten höhere Steuersätze, z.B. 15 % für Schenkungen bis 75.000 Euro.
§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG): In diesem Fall geht es um die Schenkungsteuer und die Zusammenrechnung von Schenkungen innerhalb von zehn Jahren. Das ErbStG regelt, wie Schenkungen und Erbschaften steuerlich zu behandeln sind.
Bewertungsgesetz (BewG): Das BewG ist relevant, da es die gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten regelt. In diesem Fall wurde der Grundbesitzwert gesondert festgestellt und war für die Schenkungsteuer bindend.
Abgabenordnung (AO): Die AO regelt allgemeine Fragen des Steuerrechts, insbesondere Verfahrensfragen. Hier ist insbesondere die Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden relevant, die in der AO geregelt ist.
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BFH – Az.: II R 35/21 – Urteil vom 26.07.2023
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.08.2021 – 3 K 112/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte mit Wirkung zum 31.12.2012 von seinem Vater schenkweise einen hälftigen Miteigentumsanteil an unbebauten Grundstücken erworben (Vorerwerb). Für Zwecke der Schenkungsteuer wurden mit Feststellungsbescheiden jeweils vom 04.04.2016 die Grundbesitzwerte für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten festgestellt; der auf den Kläger entfallende Anteil betrug insgesamt 87.392 Euro. Die Feststellungsbescheide wurden bestandskräftig. Die festgestellten Grundbesitzwerte wurden dem Schenkungsteuerbescheid vom 25.04.2016 für den Vorerwerb zu Grunde gelegt. Die Schenkungsteuer wurde mit 0 Euro festgesetzt.
Am 20.06.2017 erhielt der Kläger von seinem Vater unentgeltlich 400.000 Euro durch einen Forderungsverzicht (Erwerb). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt –FA–) setzte mit Bescheid vom 27.09.2018 für den Erwerb Schenkungsteuer in Höhe von 9.603 Euro fest. Dabei berücksichtigte das FA den Vorerwerb mit einem Wert von 87.392 Euro.
Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass der Grundbesitzwert im Feststellungsbescheid vom 04.04.2016 unzutreffend festgestellt worden sei, der für den Vorerwerb herangezogene Wert im Schenkungsteuerbescheid vom 27.09.2018 danach ebenfalls unrichtig und der Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert einzubeziehen sei, wies das FA als unbegründet zurück.
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 2085 veröffentlicht.
Mit der Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 14 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) geltend. Im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG seien bei der Zusammenrechnung mehrerer innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallender Vermögensvorteile bei der Besteuerung des letzten Erwerbs die früheren Erwerbe mit den ihnen damals zukommenden richtigen Werten anzusetzen und nicht mit den (falschen) Werten, die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zu Grunde gelegt worden seien. Dem stehe der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 04.04.2016 nicht entgegen. Dieser entfalte Bindungswirkung lediglich für die Steuerfestsetzung des Vorerwerbs, nicht jedoch für die Berücksichtigung des Vorerwerbs bei der Besteuerung des Erwerbs.
Die Feststellungsbescheide vom 04.04.2016 hätten nur so verstanden werden können, dass sie Bindungswirkung lediglich für den Vorerwerb entfalteten. Hätten sie Bindungswirkung auch für künftige Erwerbe entfalten sollen, hätte dies in den Feststellungsbescheiden –zum Beispiel durch Anbringung eines entsprechenden Wirkhinweises– zum Ausdruck kommen müssen. Eine Anfechtung der Feststellungsbescheide im Hinblick auf eventuelle spätere Schenkungen oder den Erbfall sei nicht zumutbar gewesen. Zwar sei schon im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide bekannt gewesen, dass der Wert des Grundbesitzes unzutreffend festgesetzt worden sei. Jedoch habe die Schenkung unter Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags nicht zu einer Steuerfestsetzung geführt, sodass eine kostenverursachende Anfechtung sinnlos gewesen sei.
Würde man den mit Bescheiden jeweils vom 04.04.2016 bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwert als Vorerwerb der Besteuerung des Erwerbs zu Grunde legen, obgleich er unzutreffend sei, hingegen bei anderen Vorerwerben, bei denen gesetzlich keine Wertfeststellung vorgesehen sei, im Rahmen des nachfolgenden Erwerbs eine Korrektur auf den materiell-rechtlich zutreffenden Wert zulassen, läge ein Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Gleichheitssatz vor.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG mit der Maßgabe zurückzuverweisen, den materiell-rechtlich richtigen Grundbesitzwert auf den Stichtag 31.12.2012 feststellen zu lassen und den Schenkungsteuerbescheid vom 27.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2019 entsprechend zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Der Schenkungsteuerbescheid vom 27.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2019 ist rechtmäßig. Die mit Bescheiden jeweils vom 04.04.2016 bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwerte in Höhe von insgesamt 87.392 Euro wurden zu Recht auch der Schenkungsteuerfestsetzung des Erwerbs zu Grunde gelegt.
1. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre.
a) Diese Vorschrift will verhindern, dass durch die Aufteilung einer beabsichtigten Zuwendung in mehrere zeitlich folgende Teilübertragungen durch mehrfache Gewährung der persönlichen Freibeträge und die Vermeidung der Steuerprogression Steuervorteile erlangt werden. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist.
b) Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehende Vorerwerb dem letzten Erwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert hinzuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn bei der vorangegangenen Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ein materiell-rechtlich nichtzutreffender Wert berücksichtigt wurde oder keine Steuerfestsetzung für den Vorerwerb erfolgt ist (BFH-Urteile vom 22.08.2018 – II R 51/15, BFHE 262, 448, BStBl II 2020, 662, Rz 26 ff. und vom 22.07.2020 – II R 42/17, Rz 24).
2. Bei der wertmäßigen Berücksichtigung des Vorerwerbs sind jedoch die verfahrensrechtlichen Besonderheiten in Bezug auf die Feststellung des Grundbesitzwerts zu beachten.
a) Nach § 179 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) werden abweichend von § 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in der Abgabenordnung oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. Nach § 12 Abs. 3 ErbStG ist der Grundbesitz (§ 19 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes –BewG–) mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) festgestellten Wert anzusetzen. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind gesondert festzustellen (§ 179 AO) Grundbesitzwerte (§ 157 BewG), wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Nach § 1 Abs. 2 ErbStG finden § 12 Abs. 3 i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auch auf Schenkungen unter Lebenden Anwendung. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 2 BewG trifft das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt die Entscheidung über eine Bedeutung für die Besteuerung und damit über die Feststellung dem Grunde nach (BFH-Urteil vom 27.04.2022 – II R 9/20, BFHE 277, 442, BStBl II 2022, 541, Rz 13).
b) Ein Bescheid, der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG den Grundbesitzwert auf den Bewertungsstichtag für Zwecke der Schenkungsteuer feststellt, ist bindender Grundlagenbescheid im Sinne des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für alle ihm nachfolgenden Schenkungsteuerbescheide, bei denen der Grundbesitzwert –auch als Vorerwerb im Sinne des § 14 ErbStG– in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt.
aa) Für das Feststellungsverfahren nach § 151 BewG gelten nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß. Feststellungsbescheide sind nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Einwendungen, die sich auf die gesonderte Wertfeststellung beziehen, können daher nicht gegen den Schenkungsteuerbescheid als Folgebescheid geltend gemacht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 25.09.2018 – II B 13/18, Rz 8). Dies schließt es aus, einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren einer hiervon abweichenden Beurteilung zu unterwerfen (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2018 – I R 47/16, BFHE 263, 393, BStBl II 2019, 419, Rz 14). Eine Entscheidung in einem solchen Feststellungsbescheid kann daher nur durch Anfechtung des Feststellungsbescheids, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden (vgl. § 351 Abs. 2 AO).
bb) Auch nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG ist die Bindungswirkung der Wertfeststellung nicht auf einen nachfolgenden Schenkungsteuerbescheid begrenzt, der die Schenkungsteuer für den Vorerwerb festsetzt, für den das Schenkungsteuerfinanzamt die Feststellung des Grundbesitzwerts angefordert hat. Nach dem Wortlaut der Vorschrift erfolgt die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte, wenn dieser Wert für die Erbschaftsteuer beziehungsweise die Schenkungsteuer von Bedeutung ist. Eine Einschränkung dahingehend, dass die gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen nur für bestimmte Erwerbe gelten sollen, enthält die Vorschrift nicht. Es liegt –umgekehrt– gerade in der Natur der gesonderten Feststellung, diese bei allen Steuerfestsetzungen zu berücksichtigen, für die sie materiell-rechtlich von Bedeutung ist. Die Bindungswirkung der gesondert festgestellten Werte nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gilt folglich nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO auch für nachfolgende Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuerbescheide, in denen im Rahmen der Zusammenrechnung innerhalb von zehn Jahren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Wert der Vorerwerbe Berücksichtigung findet.
cc) Dies gilt unabhängig davon, ob die Wertfeststellung zu einer Steuerfestsetzung geführt hat. Ein Steuerpflichtiger kann sich daher nicht darauf berufen, er habe den Wertfeststellungsbescheid nicht angefochten, weil aufgrund der Freibeträge die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb 0 Euro betragen hat.
c) Die BFH-Rechtsprechung zum Ansatz von materiell-rechtlich richtigen Werten für den Vorerwerb im Rahmen der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (s. hierzu BFH-Urteile vom 22.08.2018 – II R 51/15, BFHE 262, 448, BStBl II 2020, 662, Rz 26 ff. und vom 22.07.2020 – II R 42/17, Rz 24) steht danach der Pflicht zur Berücksichtigung eines nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG festgestellten Grundbesitzwerts in Bezug auf einen Vorerwerb bei einem späteren Erwerb nicht entgegen, selbst wenn dieser materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte. Diese Rechtsprechung bezieht sich lediglich auf Werte für Vorerwerbe, die nach § 157 Abs. 2 AO als nicht selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlagen in einem Schenkungsteuerbescheid für den Vorerwerb berücksichtigt wurden, nicht hingegen auf einen aufgrund eines gesonderten Feststellungsverfahrens gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO bindend zu berücksichtigenden Wert.
d) Ebenso wenig steht der Berücksichtigung der gesondert festgestellten Grundbesitzwerte entgegen, dass nach der Rechtsprechung des BFH der für den Vorerwerb ergangene Schenkungsteuerbescheid für die Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb keine Bindungswirkung etwa im Sinn eines Grundlagenbescheids entfaltet (vgl. BFH-Urteil vom 12.07.2017 – II R 45/15, BFHE 258, 232, BStBl II 2017, 1120, Rz 11). Diese Rechtsprechung bezieht sich nicht auf Feststellungsbescheide im Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG, denen kraft Gesetzes (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) Bindungswirkung für Folgebescheide zukommt.
3. Die unterschiedliche Behandlung von Werten abhängig davon, ob sie in einem gesetzlich angeordneten gesonderten Feststellungsverfahren festzustellen sind oder eine solche Feststellung nicht vorliegt, führt nicht zu einem Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten allgemeinen Gleichheitssatz.
a) Es sind bereits keine vergleichbaren Fallgruppen gegeben. Werte, für die der Gesetzgeber keine gesonderte Feststellung angeordnet hat, werden im Rahmen der Schenkungsteuerfestsetzung ermittelt und als unselbständige Besteuerungsgrundlagen im Schenkungsteuerbescheid der Besteuerung zu Grunde gelegt. Ist der im Schenkungsteuerbescheid berücksichtigte Wert nach Auffassung des Steuerpflichtigen unzutreffend, kann ein solcher Einwand nur durch Anfechtung des Schenkungsteuerbescheids geltend gemacht werden. Für die in § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG enumerativ aufgezählten Werte hat der Gesetzgeber hingegen festgelegt, dass sie gesondert festzustellen sind. Damit unterliegen sie einem eigenständigen Verfahren, das zusätzlich zur Schenkungsteuerfestsetzung durchzuführen ist und sich nach den eigens hierfür aufgestellten Regeln der §§ 179 ff. AO richtet.
b) Die Bindungswirkung eines Wertfeststellungsbescheids für einen Vorerwerb im Rahmen der Wertermittlung für den nachfolgenden Erwerb trägt im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auch zur Rechtssicherheit bei. Der Steuerpflichtige kann darauf vertrauen, dass ein bestandskräftig festgestellter Wert auch nachfolgenden Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuerbescheiden zu Grunde gelegt wird. Ist der Steuerpflichtige der Auffassung, der festgestellte Wert sei unzutreffend, ist es ihm zumutbar, bereits im Rahmen des Vorerwerbs den Wertfeststellungsbescheid rechtzeitig anzufechten. Es würde der Effizienz des Besteuerungsverfahrens und den gesetzlichen Vorgaben zur Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden widersprechen, müsste die Finanzverwaltung für denselben Stichtag bei nachfolgenden Erwerben erneut ein Feststellungsverfahren zur Wertbestimmung des Vorerwerbs durchführen.
4. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass der in den bestandskräftigen Wertfeststellungsbescheiden vom 04.04.2016 festgestellte Grundbesitzwert in Höhe von insgesamt 87.392 Euro als Vorerwerb vom 31.12.2012 der Besteuerung des Erwerbs vom 20.06.2017 zu Grunde zu legen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Wert materiell-rechtlich richtig ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
? FAQ zum Urteil
- Was ist die Schenkungsteuer im Kontext des gesondert festgestellten Grundbesitzwerts? Die Schenkungsteuer bezieht sich auf den Wert von Geschenken, die von einer Person an eine andere übertragen werden. Im vorliegenden Kontext wurde der Grundbesitzwert gesondert festgestellt und für die Berechnung der Schenkungsteuer herangezogen.
- Was bedeutet es, wenn der Grundbesitzwert „bindend“ ist? Ein bindender Grundbesitzwert bedeutet, dass dieser Wert für die Berechnung der Schenkungsteuer als Grundlage dient und nicht angefochten werden kann, es sei denn, der ursprüngliche Feststellungsbescheid wird angefochten.
- Was war der Hauptgegenstand des Urteils des BFH (Az.: II R 35/21) vom 26.07.2023? Das Urteil betraf einen Kläger, der den festgestellten Grundbesitzwert im Schenkungsteuerbescheid als unzutreffend ansah. Der BFH entschied jedoch, dass der ursprünglich festgestellte Grundbesitzwert bindend war und daher für die Schenkungsteuerberechnung herangezogen werden musste.
- Was bedeutet es, wenn ein Feststellungsbescheid „bestandskräftig“ ist? Ein bestandskräftiger Feststellungsbescheid ist ein Bescheid, der rechtskräftig geworden ist, weil er entweder nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist angefochten wurde oder weil ein eventueller Rechtsbehelf erfolglos war. Ein solcher Bescheid hat Bindungswirkung und die darin getroffenen Feststellungen sind für nachfolgende Verfahren verbindlich.
* Alles ohne Gewähr – Lassen Sie sich zu Ihrem individuellen Fall beraten