Der Fall, der vom Oberlandesgericht Brandenburg unter dem Aktenzeichen 3 W 77/19 behandelt wurde, dreht sich um die Kraftloserklärung von Grundschuldbriefen nach einer Forderungsabtretung. Die Antragstellerin wurde durch einen Zuschlagbeschluss Eigentümerin eines Grundstücks. Später bestellte der damalige Geschäftsführer der Antragstellerin zwei Briefgrundschulden, die im Grundbuch eingetragen wurden. Diese Grundschulden wurden dann an die (X) GmbH abgetreten. Die Antragstellerin wollte die Grundschuldbriefe für kraftlos erklären lassen, was vom Amtsgericht abgelehnt wurde. Das Hauptproblem liegt in der Frage der Antragsberechtigung und der Glaubhaftmachung des Verlusts der Grundschuldbriefe.
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Übersicht
Wer ist antragsberechtigt?
Das Amtsgericht wies den Antrag der Antragstellerin zurück, da sie nach § 467 Abs. 2 FamFG nicht antragsberechtigt sei. Die Antragstellerin sei nicht die materiell Berechtigte aus der Grundschuld, da die Rechte durch die Abtretung an die (X) GmbH übergegangen seien. Das Gericht stellte klar, dass nur der Grundschuldgläubiger als Inhaber des dinglichen Rechts antragsberechtigt ist.
Glaubhaftmachung des Verlusts
Ein weiterer kritischer Punkt war die Glaubhaftmachung des Verlusts der Grundschuldbriefe. Das Amtsgericht führte aus, dass der Verlust der Grundschuldbriefe nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei wahrscheinlich, dass der Geschäftsführer der Zessionarin, also der (X) GmbH, diese noch in Besitz habe.
Beschwerde und weitere Einwände
Die Antragstellerin legte gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde ein. Sie argumentierte, dass es unwahrscheinlich sei, dass der Geschäftsführer der Zessionarin noch im Besitz der Briefe sei. Sie stellte auch die Wirksamkeit der Abtretung in Frage. Das Amtsgericht half der Beschwerde jedoch nicht ab und legte den Fall dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.
Endgültige Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Es führte aus, dass die Antragstellerin nicht antragsberechtigt sei, da sie nicht die materiell Berechtigte aus der Grundschuld ist. Die Antragstellerin konnte auch nicht durch ihre Stellung als Grundstückeigentümerin antragsberechtigt werden. Es fehlte an einer wirksamen Ermächtigung des tatsächlichen Rechtsinhabers, das Recht im eigenen Namen geltend zu machen.
Kosten und abschließende Bemerkungen
Die Kostenentscheidung beruhte auf §§ 81, 84 FamFG. Bei der Bemessung des Beschwerdewerts wurde 1/10 des Nominalbetrages der Grundschulden als angemessen erachtet. Damit bleibt die Entscheidung des Amtsgerichts bestehen, und die Antragstellerin bleibt in einer komplexen rechtlichen Situation zurück.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 77/19 – Beschluss vom 17.12.2019
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 15.04.2019, Az. 34 UR II 1/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 40.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wurde durch Zuschlagbeschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 05.08.2009 Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch von …, Blatt …. Am 26.10.2009 bestellte der damalige Geschäftsführer der Antragstellerin zwei Briefgrundschulden über jeweils 200.000 €, die seit dem 13.08.2010 für die Antragstellerin im Grundbuch von …, Blatt … in der Abteilung III unter den laufenden Nummern 2 und 3 eingetragen sind. Die Grundschuldbriefe wurden am 25.08.2010 ausgestellt und am 07.09.2010 an die Antragstellerin zugestellt. Bereits am 30.12.2009 wurden die Grundschulden vom damaligen Geschäftsführer der Antragstellerin an die (X) mbH (im Folgenden: (X) GmbH) abgetreten. Aus dem Protokoll des Zwangsversteigerungstermins vom 07.02.2012 vor dem Amtsgericht Strausberg ergibt sich, dass in diesem Termin der Geschäftsführer der (X) GmbH die Originale der Grundschuldbriefe übergeben hat. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) wurde mit Beschluss vom 27.09.2012 angeordnet, dass den Antragsgegnern, zu denen unter anderem auch die (X) GmbH gehörte, verboten werde, über die streitgegenständlichen Grundschulden zu verfügen und die Grundschuldbriefe zur Sicherung des Verfügungsverbotes an einen Sequester herauszugeben seien. Die Herausgabe an den Sequester erfolgte trotz mehrfacher Vollstreckungsversuche nicht. Ob sich die Grundschuldbriefe weiterhin bei dem Geschäftsführer der (X), Herrn G…, befinden, ist der Antragstellerin unbekannt.
Die Antragstellerin beantragt, die Grundschuldbriefe für kraftlos zu erklären.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 15.04.2019 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Antragstellerin sei nicht antragsberechtigt nach § 467 Abs. 2 FamFG, da die Rechte gemäß Grundbuch – Abt. III Nr. 2. und 3. unter Briefübergabe an die (X) GmbH abgetreten worden seien. Zudem sei der Verlust der Grundschuldbriefe nicht glaubhaft gemacht, da wahrscheinlich sei, dass der Geschäftsführer der Zessionarin diese noch in Besitz habe.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie einwendet, es sei nicht wahrscheinlich, dass der Geschäftsführer der Zessionarin noch im Besitz der Briefe sei, da er an einem Verteilungstermin vor dem Amtsgericht Strausberg hinsichtlich der Erträge aus der angeordneten Zwangsverwaltung nicht erschienen sei. Es sei viel wahrscheinlicher, dass er die Briefe an Dritte, möglicherweise gegen Entgelt, weitergegeben habe. Ob die Abtretung wirksam sei, sei im Übrigen fraglich.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 08.07.2019 nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff FamFG zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Rechtspfleger beim Amtsgericht den Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs zurückgewiesen.
Nach §§ 1192 Abs. 1, 1162 BGB kann ein Grundschuldbrief bei dessen Abhandenkommen im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden, wobei sich das Verfahren nach §§ 466 ff FamFG richtet. Voraussetzung ist zunächst, dass der Antragsteller antragsberechtigt im Sinne von § 467 FamFG ist. Daran fehlt es hier.
Nach § 467 Abs. 2 FamFG ist derjenige berechtigt, das Aufgebotsverfahren zu beantragen, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann. Die Antragsberechtigung folgt also aus dem materiellen Recht, so dass beim Aufgebot eines Grundschuldbriefs grundsätzlich nur der Grundschuldgläubiger als Inhaber des dinglichen Rechts antragsberechtigt ist (Keidel/Giers, FamFG, 19. Aufl., § 467, Rn 2; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.06.2014, 3 W 115/13).
Nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin ist sie nicht die aus der Grundschuld materiell Berechtigte. Mit der Abtretung der Forderung und der Übergabe des Grundschuldbriefs an die (X) GmbH ist diese die materiell Berechtigte geworden (§ 1192, § 1154 Abs. 1 BGB). Die Antragstellerin hat die Abtretungsvereinbarung vorgelegt und selbst vorgetragen, dass die (X) GmbH den Besitz der Grundschuldbriefe erlangt hat. Dies ergibt sich auch aus dem als Anlage zum Antrag eingereichten Protokoll des Amtsgerichts Strausberg vom 07.02.2012. Dass die Abtretungserklärungen unwirksam gewesen sein könnten, ist eine bloße Vermutung der Antragstellerin, die keine Berücksichtigung finden kann.
Die Antragstellerin ist auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Grundstückeigentümerin antragsberechtigt. Der Eigentümer eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks kann dann im Wege des Aufgebotsverfahrens in gewillkürter Prozessstandschaft die Kraftloserklärung eines Briefs verlangen, wenn er bereits einen Titel auf Abtretung der Grundschuld und auf Zustimmung zur Eintragung der Abtretung im Grundbuch erwirkt hat (KG Berlin, Beschluss vom 15.12.2014, 12 W 65/14), zu seinen Gunsten ein rechtskräftiges Urteil erlassen wurde, das die Löschungsbewilligung ersetzt, § 894 BGB (Keidel/Giers, a.a.O., § 467, Rn 2) oder dem der Gläubiger einer Grundschuld eine Löschungsbewilligung oder löschungsfähige Quittung erteilt hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2012, I -3 Wx 247/12). Voraussetzung für die Berechtigung zur Antragstellung im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft ist dabei immer, dass eine wirksame Ermächtigung des tatsächlichen Rechtsinhabers vorliegt, das Recht im eigenen Namen geltend zu machen, und der Antragsteller daran ein eigenes rechtliches Interesse hat (OLG München, Beschluss vom 05.11.2010 – 34 Wx 117/10).
Auch daran fehlt es hier. Die materiell berechtigte (X) GmbH hat der Antragstellerin weder eine Löschungsbewilligung erteilt, noch liegt ein Urteil vor, das diese ersetzt. Aus dem Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) im einstweiligen Verfügungsverfahren 19 O 56/12 ergibt sich nur die Anordnung einer Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Grundschulden. Dass dieser Anspruch gegen die (X) GmbH geltend gemacht und ein dahingehendes Urteil erwirkt wurde, ist aber nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG; bei der Bemessung des Beschwerdewerts erscheint 1/10 des Nominalbetrages der Grundschulden als angemessen, § 36 Abs. 2 GNotKG (OLG Zweibrücken, a.a.O).