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Befugnisse des gesetzlichen Betreuers mit Aufgabengebiet Vermögensangelegenheiten

Rechtsprechung im Fokus: Grundbuchamt und seine Grenzen bei der Prüfung von Immobilientransaktionen

In einem bemerkenswerten Beschluss des OLG Hamm (Az.: I-15 W 476/19) vom 13. Dezember 2019 wurde die Rolle des Grundbuchamtes bei der Veräußerung von Immobilien durch gesetzlich betreute Personen beleuchtet. Der Fall drehte sich um die Frage, ob das Grundbuchamt eigene Ermittlungen anstellen darf, wenn eine gesetzlich betreute Person durch einen Betreuer im Rahmen eines gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises vertreten wird. Das Hauptproblem lag in der rechtlichen Einschätzung der Befugnisse des Grundbuchamtes, insbesondere in Bezug auf die Durchführung eigener Ermittlungen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-15 W 476/19 >>>

Die Rolle des Betreuers in Vermögensangelegenheiten

Im vorliegenden Fall war für die beteiligte Person eine gesetzliche Betreuung mit dem Aufgabenkreis „Vermögensangelegenheiten“ eingerichtet worden. Das Gericht stellte klar, dass dieser Aufgabenkreis grundsätzlich alle Maßnahmen zur Verwaltung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens der betreuten Person einschließt. Das beinhaltet auch die Veräußerung und Übertragung von Immobilieneigentum. Das Grundbuchamt hatte Bedenken gegen die Vertretungsmacht des Betreuers geäußert, die jedoch vom Gericht als unbegründet erachtet wurden.

Grundbuchamt: Begrenzte Prüfungsbefugnisse

Das Gericht betonte, dass das Grundbuchamt im Antragsverfahren umfassend zur Prüfung verpflichtet ist, ob alle gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für den gestellten Antrag vorliegen. Allerdings muss sich das Amt dabei auf die vorgelegten Urkunden beschränken. Es ist weder verpflichtet noch berechtigt, eigene Ermittlungen anzustellen, um mögliche Eintragungshindernisse zu identifizieren.

Unzulässige Ermittlungen und ihre Konsequenzen

Im konkreten Fall hatte das Grundbuchamt Einsicht in die Betreuungsakte genommen, um mögliche Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Aufgabenkreises „Vermögensangelegenheiten“ zu finden. Das Gericht stellte fest, dass diese Ermittlungen nicht nur unzulässig, sondern auch fehlerhaft waren. Das Ergebnis dieser Ermittlungen darf im Grundbucheintragungsverfahren nicht verwertet werden.

Keine Rückschlüsse aus § 1907 BGB

Das Grundbuchamt hatte versucht, aus § 1907 BGB Rückschlüsse auf den Umfang des Aufgabenkreises „Vermögensangelegenheiten“ zu ziehen. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass diese Norm nichts mit der Bestimmung des Aufgabenkreises des Betreuers zu tun hat und daher für den vorliegenden Fall irrelevant ist.

Der Beschluss des OLG Hamm klärt wichtige Fragen im Kontext von Grundbuchverfahren und Betreuungsrecht und setzt klare Grenzen für die Befugnisse des Grundbuchamtes. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung in zukünftigen Fällen als Präzedenzfall dienen wird.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-15 W 476/19 – Beschluss vom 13.12.2019

Grundbuchverfahrensrecht: auf die Veräußerung von Immobilien; Verbot eigener Ermittlungen des Grundbuchamtes.

Die angegriffene Zwischenverfügung wird ersatzlos aufgehoben.

Gründe

Die gemäß § 71 Abs.1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Grundbuchbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Zwischenverfügung. Das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis besteht nicht.

Im Ansatzpunkt zutreffend geht das Grundbuchamt davon aus, dass eine Person, für die gesetzliche Betreuung eingerichtet ist, nur im Rahmen des gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises vom bestellten Betreuer gesetzlich vertreten wird, § 1902 BGB. Indes sind vorliegend die Voraussetzungen einer wirksamen Vertretung der Beteiligten zu 1) durch den Betreuer im Rahmen des bestimmten Aufgabenkreises gegeben.

Für die Beteiligte zu 1) ist gesetzliche Betreuung mit dem Aufgabenkreis „Vermögensangelegenheiten“ eingerichtet worden. Sowohl nach dem allgemeinen Sprachverständnis als auch in üblicher Praxis der Betreuungsgerichte ist die Bezeichnung „Vermögensangelegenheiten“ umfassend und beinhaltet insbesondere auch die Vornahme von grundstücksbezogenen Rechtsgeschäften mit Wirkung für und gegen den Betreuten. Abgedeckt sind mit dieser Bezeichnung grundsätzlich alle Maßnahmen zur Verwaltung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens der betreuten Person einschließlich der Belastung, Veräußerung und Übereignung eigenen Grundeigentums. Dies ergibt sich insbesondere aus der Verwendung des Begriffes im Plural und ohne jede inhaltliche Begrenzung. Die dem Grundbuchamt vom Urkundsnotar mit dem Antragsschriftsatz vom 24. Oktober 2019 vorgelegten Unterlagen lassen keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass gleichwohl eine inhaltliche Einschränkung des Aufgabenkreises „Vermögensangelegenheiten“ vorliegen könnte. Weder aus der Bestellungsurkunde noch aus dem Genehmigungsbeschluss des Betreuungsgerichts vom 25. September 2019 ergibt sich ein Ansatz für Bedenken dagegen, dass der gerichtlich bestimmte Aufgabenkreis „Vermögensangelegenheiten“ die Veräußerung und Übertragung des Eigentums am Grundbesitz einschließlich der Bevollmächtigung des Erwerbers zur Bestellung von Finanzierungsgrundschulden mit erfasst. Der bestellte Betreuer hat demnach im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises und damit mit der erforderlichen und grundbuchverfahrensrechtlich nachgewiesenen Vertretungsmacht gehandelt.

In Antragsverfahren gilt der grundbuchrechtliche Beibringungsgrundsatz, wonach der Antragsteller das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen nachzuweisen hat (§§ 13, 29 GBO). Das Grundbuchamt darf und muss sich bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen auf die nach § 29 GBO beizufügenden Urkunden beschränken. Das Grundbuchamt ist demnach im Antragsverfahren (§§ 13 ff GBO) zwar umfassend zur Prüfung verpflichtet, ob alle gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für den gestellten Antrag vorliegen und in grundbuchverfahrensrechtlich beachtlicher Form gemäß § 29 GBO belegt sind. Wenn dies ausweislich der eingereichten Unterlagen der Fall ist, hat das Grundbuchamt dem gestellten Antrag grundsätzlich zu entsprechen. Das Grundbuchamt ist dann weder verpflichtet, noch auch nur berechtigt, zu den Eintragungsvoraussetzungen eigene Ermittlungen anzustellen (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. August 2013 – 9 W 356/13 –, Rn. 5, juris). Darüber hinaus besteht keine Befugnis des Grundbuchamtes, von sich aus Ermittlungen tatsächlicher Art durchzuführen, ob möglicherweise Eintragungshindernisse bestehen könnten, sofern sich aus den eingereichten Unterlagen und aus dem Inhalt der Grundakte keine Anhaltspunkte hierfür ergeben oder aus sonstigen Gründen bekannt sind. Das Grundbucheintragungsverfahren ist kein Erkenntnisverfahren. Deshalb ist es in diesem Verfahren dem Grundbuchamt ausnahmslos verwehrt, in eigene tatsächliche Ermittlungen und Beweiserhebungen einzutreten (vgl. Rüntz in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 26 Ermittlung von Amts wegen, Rn. 6).

Das Grundbuchamt durfte daher angesichts der mit dem Eintragungsantrag vorgelegten Unterlagen nicht Einsicht in die Betreuungsakte nehmen zum Zwecke der Nachforschung, ob sich möglicherweise Anhaltspunkte für eine aus dem Bestellungsbeschluss nicht ersichtliche Einschränkung des umfassend als „Vermögensangelegenheiten“ bezeichneten Aufgabenkreises ergeben könnten. Es ist unerheblich, dass die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes hierbei – ersichtlich – im angenommenen Interesse der von ihr für schutzbedürftig erachteten Grundstückseigentümerin gehandelt hat. Die Einsichtnahme in die Betreuungsakte war grundbuchverfahrensrechtlich nicht nur nicht geboten, sondern fehlerhaft. Der Umstand, dass die Einsichtnahme in die Betreuungsakte in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise erfolgt ist, führt zugleich dazu, dass das Ergebnis im Grundbucheintragungsverfahren nicht verwertet werden darf. Setzt sich das Gericht über das Beweiserhebungsverbot hinweg, so darf dieser Verfahrensverstoß sich nicht zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten auswirken, indem die gerichtliche Entscheidung – wie hier die angegriffene Zwischenverfügung – auf das Ergebnis dieser Beweiserhebung gestützt wird (vgl. Senat FGPrax 2005, 239).

Im Übrigen sind – ungeachtet ihrer ohnehin fehlenden Verwertbarkeit – die in der angegriffenen Zwischenverfügung und dem Nichtabhilfebeschluss mitgeteilten Erkenntnisse aus der Betreuungsakte aus Rechtsgründen nicht geeignet, Zweifel an dem Umfang des dem Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreises zu begründen.

Der vom Grundbuchamt herangezogene § 1907 BGB gestattet keinerlei Rückschlüsse auf den Umfang des Aufgabenkreises „Vermögensangelegenheiten“. Es ist im rechtlichen Ansatz nicht haltbar, aus dieser Vorschrift einen eingeschränkten Umfang des Aufgabenkreises „Vermögensangelegenheiten“ herauslesen zu wollen. Diese Norm betrifft nicht die Bestimmung des Aufgabenkreises des Betreuers. Vielmehr enthält die Norm Sonderregelungen über zusätzliche Genehmigungserfordernisse für bestimmte schuldrechtliche Willenserklärungen des Betreuers sowie über zusätzliche Anzeigepflichten und setzt einen entsprechenden Aufgabenkreis voraus. Die Veräußerung und Übertragung von Immobilieneigentum – sei es selbst bewohnt oder nicht – ist nicht erfasst; insoweit gelten allein die allgemeinen Genehmigungsvorschriften der § 1908 i Abs.1 S.1 i.V.m. § 1821 Abs.1 Nr.1, gegebenenfalls auch § 1822 Nr.1 BGB. Bei der Entscheidung über die betreuungsgerichtliche Genehmigung sind nicht nur wirtschaftliche, sondern auch die persönlichen Belange der betreuten Person zu berücksichtigen. Die Entscheidung über die Erteilung oder Nichterteilung der Genehmigung hat das Betreuungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen; sie liegt ausschließlich im Verantwortungsbereich des Betreuungsgerichts. Eine erteilte betreuungsgerichtliche Genehmigung ist vom Grundbuchamt insoweit genau so wenig zu hinterfragen wie eine Versagung der Genehmigung. Es ist daher nach der erfolgten betreuungsgerichtlichen Genehmigung auch in jeder Hinsicht für das vorliegende Grundbuchverfahren unerheblich, bis wann die betreute Person den im vorstehenden Rubrum bezeichneten Grundbesitz bewohnt hat und warum sie umgezogen ist.

Wegen des Erfolgs der Beschwerde ist eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, über den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens und über eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.

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