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Wohnrechtlöschung – Bereicherung des Grundstückseigentümers

OLG Koblenz – Az.: 12 U 552/18 – Urteil vom 24.08.2020

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.04.2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz, Az.: 15 O 266/16, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.769,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.209,18 € seit dem 01.04.2016 und aus weiteren 3.560,26 € seit dem 23.08.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Beklagte war Eigentümerin eines Hausgrundstücks in …[Z], das ihr im Jahre 1995 von ihrer Mutter, Frau …[A], zu Alleineigentum übertragen worden war. Zugunsten der Mutter wurde seinerzeit ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht auf Lebenszeit im Grundbuch eingetragen, dessen Überlassung an Dritte der Inhaberin gestattet war. Die Beklagte führte umfangreiche Renovierungsarbeiten an dem Wohnhaus durch. Sie veräußerte das Hausanwesen im März 2009 lastenfrei zu einem Verkaufspreis von 52.000 €, nachdem die Mutter die Löschung des Wohnungsrechts im Grundbuch bewilligt hatte.

Der klagende Landkreis ist örtlicher Träger der Sozialhilfe. Er gewährte der Mutter der Beklagten im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.07.2015 bis 31.07.2016 Hilfe zur Pflege in Höhe der ansonsten nicht gedeckten Heimpflegekosten. Mit der vorliegenden Klage nimmt er die Beklagte im Umfang der für ihre Mutter erbrachten Nettosozialhilfeaufwendungen aus übergeleitetem Recht gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 528 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung auf Herausgabe des Geschenkten, der Befreiung von der dinglichen Last des Wohnungsrechts, in Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die Feststellungen des Erstgerichts in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 13.859,44 € nebst Zinsen gerichteten Klage nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens in Bezug auf den Wert des im Grundbuch gelöschten Wohnungsrechts und nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 5.200,00 € nebst Zinsen verpflichtet. Dabei hat das Erstgericht – unabhängig von den Feststellungen des Gutachters – die Bewertung des durch Schenkung Erlangten, die Befreiung von der dinglichen Verpflichtung zur Gewährung des Wohnungsrechts für die Mutter, anhand einer Schätzung nach § 287 BGB vorgenommen.

Unter Vertiefung, Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens wendet sich der Kläger mit der Berufung gegen die landgerichtliche Entscheidung und verfolgt sein ursprüngliches Klagebegehren unter Anrechnung des zwischenzeitlich geleisteten, durch das Landgericht ausgeurteilten Betrages von 5.200,00 € sowie weiterer, auf die Klageforderung in Höhe von 2.090,00 € außergerichtlich geleisteter Zahlungen weiter.

Er beantragt, in teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 09.04.2016 die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 6.569,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.009,18 € seit dem 01.04.2016 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie greift im Kern die Wertbemessung des im Grundbuch gelöschten Wohnungsrechts an und vertritt insoweit die Auffassung, aufgrund des desolaten, unbewohnbaren Zustands des Hausgrundstücks zum Zeitpunkt der Löschung der dinglichen Belastung sei das Wohnungsrecht nicht mit einem messbaren Wert zu veranschlagen.

Wegen des weiteren Vorbringens zweiter Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat den Sachverständigen für Hochbau Dipl.-Ing. …[B] erneut mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zur Bewertung des gelöschten Wohnungsrechts betraut und ihn im Termin der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis seiner gutachterlichen Feststellungen angehört. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird auf die schriftlichen Ausführungen im Gutachten vom 13.03.2020 (Bl. 264-296 d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 29.06.2020 (Bl. 333-337 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Dem klagenden Landkreis steht der im Wege der Schenkungsrückforderung geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der nicht gedeckten Kosten für die Pflege der Mutter der Beklagten in einer Senioreneinrichtung aus § 93 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 528 Abs. 1 BGB in vollem Umfang zu. Nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme geht der Senat davon aus, dass der durch die Schenkung in Form der Löschungsbewilligung hinsichtlich des lebenslangen Wohnungsrechts von der Beklagten erlangte Vorteil mit einem Betrag in Höhe von 14.000 € anzusetzen ist.

Hinsichtlich der rechtlichen Bemessungsgrundsätze bei der Bewertung des lebenslänglichen Wohnungsrechts, von dessen Gewährung die Beklagte durch die unentgeltlich erlangte Löschungsbewilligung befreit wurde, geht der Senat mit der Rechtsprechung des BGH (NJW 2000, 728) davon aus, dass der Wert der Bereicherung nicht im Wert des Wohnrechts für den Wohnberechtigten als solchem, sondern nur in der Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks bei Wegfall des Wohnrechts liegt, da nur der sich hieraus ergebende Wertzuwachs dem Beschenkten zugute kommt.

Entgegen der von dem Landgericht zunächst veranlassten gutachterlichen Überprüfung kommt es für die Wertbemessung des Erlangten auf Seiten der Beklagten nicht auf den konkreten Nutzen/Vorteil des Wohnungsrechts für die Rechtsinhaberin und insbesondere darauf an, ob, inwieweit und für welchen nach objektiven und subjektiven Maßstäben zu beurteilenden Zeitraum diese in der Lage war, ihre Rechtsposition wahrzunehmen. Ob es sich nach den Umständen des hier zu beurteilenden Falls bei dem Wohnungsrecht weitgehend nur noch um eine formale Position handelte, die als solche keine geeignete Bewertungsgrundlage mehr abgeben konnte, sofern mit einem erneuten Bezug der Wohnung durch die Mutter der Beklagten aufgrund der Heimunterbringung nicht mehr zu rechnen war, kann dabei als primäre Beurteilungsgrundlage ebenso dahinstehen wie der Umstand, dass die Rechtsinhaberin berechtigt war, ihr Recht an Dritte zu überlassen. Solche Umstände sind allenfalls geeignet, Relevanz auf sekundärer Ebene, bei der Feststellung zu erlangen, welchen pekuniären Einfluss das Wohnungsrecht auf den Verkehrswert des Hausgrundstücks genommen hat. Ungeachtet der Frage, in welchem Umfang die Eintragung des Wohnungsrechts damit isoliert betrachtet eine Belastung des Grundstücks darstellte, begründete die Eintragung des Wohnungsrechts für sich eine Belastung, die die Verwertbarkeit des Grundstücks zu beeinträchtigen geeignet war, sei es, dass die Mutter der Beklagten der anderweitigen Nutzung der ihr vorbehaltenen Räumlichkeiten widersprochen oder das Nutzungsrecht zulässigerweise an Dritte überlassen hätte. Der Verzicht auf das Wohnungsrecht und dessen Löschung ließen diese Beeinträchtigung der Verwertbarkeit des Grundstücks entfallen. Der sich hierdurch ergebende Vermögensvorteil wurde der Beklagten schenkweise zugewendet.

Diesen Vermögenszuwachs hat der Sachverständige Dipl.-Ing. …[B] unter überzeugender und verständlicher Darlegung der angewandten Bewertungsgrundsätze mit einem Betrag von 14.800 € in Ansatz gebracht, den der Senat aus den noch darzulegenden Gründen auf einen Betrag in Höhe von 14.000 € zurückführt.

Soweit die Beklagte in nachvollziehbarer Weise beanstandet, dass diese Feststellung in Widerspruch zu dem erstinstanzlich ermittelten Wert stehe, den der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung erster Instanz angesichts des desolaten, nicht bewohnbaren Zustands des Bezugsobjekts für das Wohnungsrecht quasi mit 0 € beziffert habe, hat der Gutachter auch diese Diskrepanz seiner fachlichen Bewertung nachvollziehbar erläutert. Er hat insoweit ausgeführt, dass er seinerzeit die Fragestellung so verstanden habe, dass er seiner Bewertung die tatsächlichen Gegebenheiten, die „desaströsen“ Verhältnisse im Hinblick auf den Erhaltungszustand habe zugrundelegen sollen. Eine solche Sichtweise erscheint jedoch nicht sachgerecht und trägt auch nach der rechtlichen Bewertung des Senats unter Berücksichtigung der gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen …[B] im Berufungsverfahren den eingangs dargelegten höchstrichterlichen Grundsätzen des BGH nicht hinreichend Rechnung. Der Sachverständige hat insoweit eindrucksvoll erläutert, dass für die Veräußerung des Hausgrundstücks das kumulative Vorliegen zweier Bedingungen, die Renovierung des Wohnhauses (insbesondere die Sanierung des Daches) und die Beseitigung der Belastung durch Löschung des eingetragenen Wohnungsrechts als unabdingbare Voraussetzungen anzusehen gewesen seien. Es sei weder davon auszugehen, dass sich für ein saniertes, aber belastetes noch für ein unbelastetes, aber noch gänzlich unsaniertes Hausgrundstück der hier in Rede stehenden Kategorie ein Käufer auf dem Immobilienmarkt gefunden hätte. Beide Umstände sind mithin für sich genommen nicht hinwegzudenken, ohne dass die Veräußerbarkeit des Hausgrundstücks entfiele. Damit hat in letzter Konsequenz das Objekt erst durch die Löschung des Wohnungsrechts überhaupt einen Stellenwert auf dem Immobilienmarkt und damit einen reellen Marktwert erlangt. Die Beklagte kann daher nicht mit der Argumentation durchdringen, allein die getätigten Investitionen zur Wiederherstellung des Hausgrundstücks hätten das Wohnungsrecht zu einer werthaltigen Rechtsposition gemacht. Der Renovierungsaufwand hätte sich bei Aufrechterhaltung der dinglichen Belastung im Ergebnis nicht vermögensmäßig ausgewirkt, da für das Anwesen nach wie vor auf dem Immobilienmarkt keine Nachfrage bestanden hätte. Erst die Löschungsbewilligung hat das Hausgrundstück zu einem marktfähigen Objekt gemacht.

Nur ergänzend, ohne dass es hierauf entscheidend ankommt, weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte nach dem Inhalt des notariellen Vertrages vom 19.01.1995 auch schuldrechtlich verpflichtet war, im Fall der Zerstörung des Wohngebäudes ihrer Mutter eine standesgemäße Wohnung auf dem Anwesen zu gewähren. Mit der Löschungsbewilligung hat die Mutter mithin zu Gunsten der Beklagten auch auf diese Rechtsposition verzichtet. Nach allem war Basis für die Wertbemessung hinsichtlich der gelöschten dinglichen Belastung das Hausgrundstück in seinem teilrenovierten Zustand, der sich schlussendlich in dem von der Beklagten erzielten Verkaufserlös von 52.000 € niedergeschlagen hat. Auf dieser Berechnungsgrundlage hat der Sachverständige …[B] nach den ausführlich dargelegten gutachterlichen Berechnungsgrundsätzen einen Wert für das gelöschte Wohnungsrecht in Höhe von 14.800 € ermittelt.

Da der Senat die Bereicherung der Beklagten durch die bewilligte Löschung des Wohnungsrechts mit der Rechtsprechung des BGH in der Steigerung des Verkehrswerts sieht, die das Hausgrundstück als Bezugsobjekt durch den Wegfall der Belastung erfahren hat, und der Sachverständige …[B] insoweit zu einer Wertdifferenz von 14.000 € gelangt ist (= 49.000 € – 35.000 €), war auch das Geschenkte mit diesem Wert zu bemessen.

Es war nach allem wie tenoriert zu entscheiden. Der von der Beklagten erhobene Einwand, zwischenzeitlich seien der erstinstanzlich ausgeurteilte Betrag von 5.200 € – sei es aufgrund vorläufiger Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil oder freiwillig – sowie eine weitere Zahlung erfolgt, kann nicht dazu führen, dass der Urteilsausspruch in zweiter Instanz nur in der reduzierten Höhe erfolgt. Grundlage, auch für die erbrachten (Teil-)Zahlungen, bildet die ursprüngliche Klageforderung von 13.859,44 €, die der Kläger wegen zwischenzeitlich erbrachter Leistungen lediglich noch in Höhe von 6.569,44 € mit der Berufung weiterverfolgt hat. Inwieweit in der Zahlung eines Betrages von 5.200,00 € eine Erfüllung der Klageforderung zu sehen ist oder die Leistung der Beklagten allein auf der Grundlage der Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erbracht wurde, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Der zwischen den Instanzen erfolgten Teilzahlung kann nicht die rechtliche Grundlage nachträglich dadurch entzogen werden, dass der Urteilsausspruch nur in der geminderten Höhe erfolgt. Im Falle einer über den noch geschuldeten Betrag hinausgehenden Vollstreckung müsste sich die Beklagte hiergegen gegebenenfalls mit der Vollstreckungsabwehrklage wenden.

Klarstellend war in den Tenor auch eine Klageabweisung im Übrigen aufzunehmen. So hatte sich der Kläger mit seiner Berufung – vor dem Hintergrund einer zwischenzeitlichen Zahlung von 2.090 € – nur teilweise gegen die vom Landgericht ausgesprochene Klageabweisung im Übrigen gewendet. In Höhe des unangegriffenen Betrages war daher die teilweise Klageabweisung in Rechtskraft erwachsen, so dass dies (klarstellend) auch im neu gefassten Tenor zum Ausdruck zu bringen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.569,44 € festgesetzt.

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