LG Köln – Az.: 30 O 226/10 – Urteil vom 16.06.2011
Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars C, in F, vom 05.03.2008 (Urk.-Nr. 00/0000 ) wird für unzulässig erklärt.
Auf die Hilfswiderklage wird die Klägerin verurteilt, die Löschung der beim Amtsgericht A im Grundbuch Z, Blatt …, Flur 3, Flurstücke 263, 264, 265, 266/1, 268/2, 269, 272, 273/1, 260/2, 260/5, 260/6, 260/7 sowie … zu den laufenden Nummern der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis 10, 11, 12, 13, 14, 15, 18, 19, 71 und 72 zugunsten der Klägerin unter der laufenden Nummer der Eintragungen 3 auf Grundlage der Bewilligungsurkunde vom 05.03.2008 des Notars C, F, Ur.-Nr. 00/0000 , am 24.11.2008 eingetragenen Eigentumsübertragungsvormerkung zu bewilligen.
Der Beschluss der Kammer vom 08.06.2010, mit dem die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.040.000,00 € einstweilen eingestellt worden ist, bleibt bis zur Rechtskraft dieses Urteils aufrechterhalten.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 85 % und die Beklagte 15 %.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 1,1 Mio. € und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung von 5,7 Mio. € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines notariellen Kaufvertrag über ein bebautes Grundstück in Z auf der Insel T und um etwaige Rechte hieraus.
Am 05. März 2008 erschienen bei dem Notar C in F ein Vertreter der Rechtsvorgängerin der Klägerin und ein Vertreter der Beklagten und erklärten einen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung über das im Tenor näher bezeichnete Grundstück. Bei dem Grundbesitz handelt sich um eine ehemalige Bundeswehrliegenschaft. Der Kaufpreis sollte 22.500.000,00 € (22,5 Mio. €) betragen. Wegen ihrer Zahlungspflicht unterwarf sich die Klägerin der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Vertragsurkunde. Die Käuferin beabsichtigte, auf dem Objekt eine Hotelanlage unter Einbeziehung der aufstehenden Gebäude zu errichten. Für die Rechtsvorgängerin der Klägerin trat als deren vollmachtloser Vertreter Herr S auf. Er erklärte vor dem Notar, als vollmachtloser Vertreter der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu handeln und forderte diese auf, die in ihrem Namen abgegebenen Erklärungen in grundbuchlich erforderlicher Form bis längstens 04. April 2008 zu genehmigen. Des weiteren war in § 9 des Vertrages vereinbart, dass der Kaufvertrag zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des Bundesministeriums der Finanzen bedurfte. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den vertraglichen Regelungen wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Kaufvertrages (Bl. 22 ff GA) verwiesen.
Am 04. April 2008 unterzeichnete der damalige Geschäftsführer der Klägerin eine Genehmigungserklärung, mit der unter anderem alle Erklärungen des Herrn S in der Urkunde des Notar C vom 05.03.2008 genehmigt wurden. Diese Genehmigungserklärung wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 16. April 2008 an den Notar C übersandt. Dieses Schreiben enthielt eine Treuhandauflage, nach der die Genehmigungsurkunde nur unter bestimmten Bedingungen an die Beklagte weitergeleitet werden sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Inhalt der Genehmigungserklärung und des Anschreibens vom 16. April 2008 wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Kopien (Bl. 119 und 149 GA) verwiesen.
In der Folgezeit verweigerte die Klägerin die Zahlung des Kaufpreises. Zur Begründung ihrer Weigerung berief sie sich auf eine mangelnde Fälligkeit der Kaufpreisforderung wegen angeblich fehlender Planungsunterlagen und auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen arglistig verschwiegener Mängel im Zusammenhang mit zwei unterirdischen Bunkeranlagen auf dem Grundstück. Insoweit forderte die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.05.2010 zur Nacherfüllung gemäß § 439 BGB durch Beseitigung der Bunkeranlagen auf. Zuvor, Anfang Oktober 2008, hatten die Parteien eine Vereinbarung über die Durchführung von Untersuchungen an beiden Bunkern geschlossen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die in Kopie zur Gerichtsakte gereichte Vereinbarung (Bl. 59 f GA) Bezug genommen.
Am 05.08.2008 erteilte das Bundesministerium der Finanzen die Genehmigung zu dem notariellen Vertrag. Am 24.11.2008 wurde zugunsten der Klägerin eine Eigentumsübertragungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Die Beklagte betreibt aus der notariellen Urkunde zwischenzeitlich die Zwangsvollstreckung wegen eines Kaufpreisteilbetrages von 1 Mio. € zzgl. Zinsen und Kosten.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Kaufvertrag sei wirksam zustande gekommen. Sie habe die Erklärungen ihres Vertreters Herrn S wirksam genehmigt. Hierfür sei nicht erforderlich, dass die Genehmigung innerhalb der genannten Frist entweder dem Notar oder der anderen Vertragsseite zugehe. Entscheidend sei, dass die Genehmigung rechtzeitig am 04. April 2008 erklärt worden sei. Selbst wenn die Genehmigung nicht wirksam sei, sei jedenfalls das Berufen der Beklagten hierauf treuwidrig, weil das Vertretergeschäft von beiden Teilen längere Zeit als gültig behandelt worden sei und die Beklagte sogar die Zwangsvollstreckung aus dem Kaufvertrag betreibe.
Die Klägerin beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Hilfswiderklagend beantragt die Beklagte für den Fall, dass die Klägerin mit ihrer Klage obsiegt, wie erkannt.
Die Klägerin beantragt insoweit, die Hilfswiderklage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, wahrer Hintergrund für die Klage sei die mangelnde Finanzierbarkeit des Hotelprojekts auf Klägerseite. Sie ist der Ansicht, der Kaufvertrag sei unwirksam, weil die Klägerin den Vertrag nicht wirksam genehmigt habe. Zum einen seien die Äußerungen der Klägerin in dem Anschreiben vom 16. April 2008 dahin zu verstehen, dass die Klägerin den Kaufvertrag nur unter einer Bedingung habe genehmigen wollen. Im übrigen sei die Genehmigung auch verfristet, weil sie nicht innerhalb der im Kaufvertrag vorgesehenen Frist bis zum 04. April 2008 übersandt worden sei. Für die Rechtzeitigkeit der Genehmigung komme es auf deren Zugang an. Das Berufen auf die Verfristung sei auch nicht treuwidrig, weil der Rechtsmangel ihr erst im Prozess aufgefallen sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Klage und Hilfswiderklage sind zulässig und begründet.
1. Zur Klage
Die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung ist unzulässig.
Dabei kommt es allerdings auf die Fragen, ob der Anspruch der Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises im Hinblick auf etwaig noch fehlende Planunterlagen schon fällig ist oder ob der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht wegen arglistig verschwiegener Mängel zusteht, nicht an. Denn der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Kaufvertrag vom 05. März 2008, der von Herrn S als vollmachtlosen Vertreter im Namen der Rechtsvorgängerin der Klägerin geschlossen worden ist, ist schon mangels wirksamer Genehmigung durch die Klägerin nach § 177 Abs. 1 BGB unwirksam.
Zwar kann die Genehmigungserklärung nicht als bedingte Erklärung angesehen werden. Denn die Genehmigungserklärung vom 04. April 2008 selbst ist nach ihrem Wortlaut ohne jede Bedingung erteilt worden. Die anderslautenden Ausführungen der Klägerin in dem Anschreiben an den Notar vom 16. April 2008 können die Bedingungslosigkeit der schon zuvor erklärten Genehmigung nicht mehr berühren.
Die Genehmigungserklärung ist jedoch verfristet. Denn nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Vorbringen hat die Klägerin die Genehmigungserklärung vom 04. April 2008 erst am 16.04.2008 und damit erst nach Ablauf der in dem Kaufvertrag vorgesehenen Frist zur Genehmigung an den Notar C übersandt. Dies führt zur Unwirksamkeit der Genehmigung.
Die Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst wirksam wird, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugeht (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 70. Auflage, § 177 Rn. 6, § 130 Rn. 2 und 5). Die Genehmigung eines durch einen vollmachtlosen Vertreter geschlossenen Vertrages nach § 177 Abs. 1 BGB muss zwar nicht zwingend dem Vertragspartner zugehen. Sie kann auch gegenüber dem Vertreter erklärt werden, wenn der Vertragspartner den Vertretenen nicht zur Erklärung der Genehmigung gemäß § 177 Abs. 2 BGB aufgefordert hat. Ein solcher Fall der fehlenden Aufforderung durch den Vertragspartner liegt hier auch vor, weil die Aufforderung zur Genehmigung nicht von der Beklagten sondern von Herrn S als Vertreter kam. Die Genehmigung hätte jedoch auch in diesem Fall innerhalb der genannten Frist, also bis zum 04. April 2008, wenn schon nicht der Beklagten oder dem Notar C so jedenfalls dem Vertreter Herrn S zugehen müssen, um wirksam zu werden. Dass die Genehmigungserklärung innerhalb der im Kaufvertrag vorgesehenen Frist Herrn S zugegangen ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich.
Das Berufen auf die Unwirksamkeit der Genehmigung durch die Beklagte ist auch nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB. Zwar ist die Beklagte vorprozessual von der Wirksamkeit der am 04. April 2008 erteilten Genehmigung und damit des Kaufvertrags ausgegangen und hat bereits die Zwangsvollstreckung aus der Vertragsurkunde betrieben. Sie hat darüber hinaus im Schreiben vom 10.07.2009, dort Seite 3 (Bl. 47 GA), im Rahmen der außergerichtlichen Auseinandersetzung ausdrücklich die Wirksamkeit der Genehmigung und des Kaufvertrages betont, ohne jedoch auf die Frage der Verfristung einzugehen. Diese Umstände sind jedoch auch vor dem Hintergrund der durch das Bundesfinanzministerium erteilten Genehmigung des Vertrages am 05.08.2008 im Ergebnis nicht geeignet, der Beklagten die Berufung auf die Verfristung der Genehmigung nach § 242 BGB zu versagen. Denn im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung ist über die bereits genannten Gesichtspunkte hinaus zu berücksichtigen, dass der Vertrag bislang noch nicht vollzogen worden ist, weil sich die Klägerin weigert, den Kaufpreis – auch nur teilweise – zu zahlen. Der Vertragsschluss liegt auch erst drei Jahre zurück und ist damit noch nicht eine besonders lange Zeit von beiden Seiten für gültig gehalten worden. Hinzu kommt, dass die Gründe für die Unwirksamkeit der Genehmigung im Risikobereich der Klägerin gelegen haben. Denn es ist allein Sache der Klägerin als Vertretene gewesen, den Vertrag rechtzeitig innerhalb der vorgesehenen Frist zu genehmigen. Schließlich ist zu beachten, dass die Verfristung der Genehmigung der Beklagten erst im Laufe des Verfahrens aufgefallen ist und vorher zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden ist. Unter diesen Umständen kann bei der Klägerin kein Vertrauenstatbestand begründet worden sein, der es rechtfertigen könnte, den Kaufvertrag trotz der zu spät zugegangenen Genehmigungserklärung als wirksam zu behandeln.
2. Zur Hilfswiderklage
Die Hilfswiderklage, die zulässigerweise unter der – eingetretenen – Bedingung der Stattgabe der Klage erhoben worden ist, ist ebenfalls begründet.
Der Beklagten steht gegenüber der Klägerin ein Anspruch auf Löschungsbewilligung der im Grundbuch eingetragenen Vormerkung gemäß § 812 Abs. 1, Satz 1 1. Alt. BGB zu.
Da der Kaufvertrag nach den vorherigen Ausführungen mangels rechtzeitig erklärter Genehmigung der Klägerin nach § 177 BGB unwirksam ist, hat die Klägerin die auf der Grundlage des Vertrages zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragene Vormerkung ohne Rechtsgrund erlangt und ist zur Herausgabe des Bereicherungsgegenstandes durch Bewilligung der Löschung verpflichtet.
3. Die Entscheidung über die Aufrechterhaltung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 08.06.2010 folgt aus § 770 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Streitwert für die Klage: 1.040.000,00 €,
für die Hilfswiderklage: 5.625.000,00 € (1/4 des Grundstückwertes, vgl. BGH, 4. Zivilsenat, Beschluss vom 16.07.1997, IV ZR 114/97; zitiert nach Juris),
insgesamt: 6.665.000,00 €.