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Wirksamkeit einer vor 1.1.1900 bestehenden Grunddienstbarkeit ohne Grundbucheintragung

LG Zweibrücken – Az.: 3 W 39/12 – Beschluss vom 17.02.2014

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Westerburg vom 30. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1. ist Eigentümerin des im Grundbuch von A…. Bl. …. eingetragenen Grundstücks lfd. Nr. 11, Flur 14, Flst.Nr. 8/1, Gebäude- und Freifläche, …, vormals Flur 14, Flst.Nr. 21,

die Beteiligte zu 2. ist Eigentümerin des im Grundbuch von A… Bl. …. eingetragenen Grundstückes lfd. Nr. 1, Flur 14, Flst.Nr. 10, Gebäude- und Freifläche, ….., vormals Flur 14, Flst.Nr. 22,

der Beteiligte zu 3. ist Eigentümer des im Grundbuch von A…. Bl. …. eingetragenen Grundstückes lfd. Nr. 11, Flur 14, Flst.Nr. 12/1, Gebäude- und Freifläche, …, vormals Flur 14, Flst.Nr. 23 und

die Beteiligte zu 4. ist Eigentümerin des im Grundbuch von A…. Bl. …. eingetragenen Grundstückes lfd. Nr. 17, Flur 14, Flst.Nr. 11/2, Gebäude- und Freifläche, …., vormals Flur 14, Flst.Nr. 24.

Für diese Grundstücke waren im Stockbuch der Gemeinde folgende Geh- und Fahrtrechte eingetragen:

a) der Besitzer des (alten) Flurstücks 21 (heute Flurstück 8/1) hat das Recht über die Hofraithe Nr. 22 und 24 in der hergebrachten Weise über die in der auf der Charte punktierten Richtung zu fahren und gehen,

b) der Besitzer des (alten) Flurstücks 22 (heute Flurstück 10) hat das Recht in der auf der Charte punktierten Richtung über Nrn. 21 und 24 zu fahren und zu gehen,

c) der Besitzer des (alten) Flurstücks 23 (heute Flurstück 12/1) hat das Recht in der auf der Charte punktierten Richtung über die Nr. 24 zu fahren und zu gehen,

d) die Besitzer der (alten) Flurstücke Nrn. 21 (heute Flurstück 8/1), 22 (heute Flurstück 10) und 23 (heute Flurstück 12/1) haben das Recht über die in der Karte punktierte Richtung über die Nr. 24 zu fahren und zu gehen.

Bei der Überleitung des Stockbuches in das Grundbuch bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 wurden diese Rechte nicht mitübertragen.

Die Beteiligte zu 1. begehrt die Übernahme der Rechte in die heutigen Grundbücher mit Rang vor allen in den Grundbüchern in Abt. II. und III. eingetragenen Rechten.

Der Rechtspfleger beim Grundbuchamt hat die Eintragung in der angefochtenen Zwischenverfügung von der Vorlage von Berichtigungsbewilligungen aller betroffener Eigentümer abhängig gemacht. Er verweist auf die Entscheidung des BGH vom 21. Oktober 2011 (Az. V ZR 10/11) und vertritt die Auffassung, dass die Dienstbarkeiten – analog dem Servitutenbuch einer Württembergischen Gemeinde – gem. § 46 Abs. 2 GBO als gelöscht gelten.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1. mit der Beschwerde. Sie macht einen Anspruch auf Übertragung der Servitute in das Grundbuch gemäß Art. 187 Abs. 1 Satz 2 EGBGB geltend.

II.

Die Beschwerde ist gem. §§ 71 Abs. 1, 72, 73, 81 GBO zulässig. Der Senat ist nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG Rheinland-Pfalz, § 23 a Abs. 2 Nr. 8 GVG zur Entscheidung berufen.

In der Sache führt die Beschwerde zum Erfolg. Die Eintragung der altrechtlichen Dienstbarkeiten im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO scheitert nicht daran, dass die Dienstbarkeiten infolge der Nichtübertragung in das Grundbuch gem. § 46 Abs. 2 GBO als gelöscht gelten.

Nach Art. 184 EGBGB bleiben Rechte, mit denen eine Sache zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches belastet ist, mit dem sich aus dem bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalt und Rang bestehen, soweit sich nicht aus Art. 192 – 195 EGBGB, die hier nicht vorliegen, ein anderes ergibt. Für solche altrechtlichen Dienstbarkeiten bestimmt Art. 187 Abs. 1 EGBGB weiter, dass sie auch zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung bedürfen. Die Eintragung hat jedoch zu erfolgen, wenn sie von dem Berechtigten oder dem Eigentümer des belasteten Grundstücks verlangt wird.

Die Eintragung einer altrechtlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch ist eine Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO), deren Nachweis in der Form des § 29 GBO zu führen ist (BayObLG Rpfleger 1979, 381). Den Nachweis des Bestehens der altrechtlichen Wegerechte hat die Beteiligte zu 1. durch die Vorlage des amtlich beglaubigten Auszuges aus dem Stockbuch der Gemeinde A…. nachgewiesen.

Diese Rechte sind nicht durch die Nichtübertragung bei der Überleitung des Stockbuchs in das Grundbuch erloschen. Die von dem Rechtspfleger zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 21. Oktober 2011 (Az. V ZR 10/11) findet vorliegend keine Anwendung, da sich das Urteil auf die im damaligen Königreich Württemberg und dem heutigen Bundesland Baden-Württemberg geltende Gesetzeslage bezieht, die für den hier zur Entscheidung stehenden Fall nicht einschlägig ist.

Im Königreich Württemberg war von der in § 87 Satz 1 GBO vom 24. März 1897 (RGBl. S. 139) i.d.F. vom 20.05.1898 (RGBl. S. 574) enthaltenen Ermächtigung Gebrauch gemacht worden, wonach durch landesherrliche Verordnung bestimmt werden konnte, dass ein oder mehrere bisher geführte Bücher für sich allein oder zusammen mit einem oder mehreren neuen Büchern als Grundbuch gelten sollten. In der königlichen Verordnung über das Grundbuchwesen vom 30. Januar 1899 war deshalb bestimmt, dass ab dem 1. Januar 1900 die in den Gemeinden bisher geführten Güterbücher, Servitutenbücher und Unterpfandsbücher für den Grundbuchamtsbezirk als Grundbuch mit der Maßgabe anzusehen waren, dass das Güterbuch als Hauptbuch anzusehen war. Dadurch kamen den dortigen Eintragungen, abweichend vom früheren Recht, die nunmehr in § 891 BGB bestimmte Vermutungswirkung zu. Die in den Gemeinden geführten Servitutenbücher konnten mit Genehmigung des Amtsgerichts auch bei der Herstellung neuer Grundbücher fortgeführt werden. Dann bildete das neu angelegte Grundbuchblatt zusammen mit den nicht übernommenen Eintragungen in dem bisherigen Servitutenbuch das Grundbuch für das Grundstück im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die königliche Verordnung sah allerdings in – nach Art. 187 Abs. 2 Satz 1 EGBGB zulässiger – Abweichung von Art. 187 Abs. 1 Satz 1 EGBGB vor, dass die im Servitutenbuch eingetragenen Dienstbarkeiten in den Grundbüchern durch einen Verweis auf die Eintragung im Servitutenbuch vermerkt werden mussten. War kein Verweis eingetragen, galt das Servitut nach § 46 Abs. 2 GBO infolge Nichtübertragung auf das neu angelegte Grundbuchblatt als gelöscht (siehe BGH in der oben angegebenen Entscheidung).

In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall war die Gesetzeslage eine andere. Das streitgegenständliche Grundstück gehört zur Gemeinde A…., die von 1806 bis 1866 zum Herzogtum Nassau und ab 1866, nach der Eingliederung des Herzogtums Nassau in das Land Preußen, zum Königreich Preußen gehörte. Da die Stockbücher und Hypothekenbücher für das Gebiet des vormaligen Herzogtums Nassau nicht anpassungsfähig waren, war eine „Fortgeltung“ dieser Bücher als Grundbücher im Sinne des BGB nicht möglich (JR Dr. Herrmann Oberneck, Das Reichsgrundbuchrecht unter besonderer Berücksichtigung der Ausführungsbestimmungen sämtlicher Bundesstaaten insbesondere derjenigen Preußens, 1909, S. 22) . Vielmehr wurde für diesen Landesteil die Anlegung von Grundbüchern besonders verordnet (Verordnung über die Anlegung der Grundbücher im Gebiet des vormaligen Herzogtums Nassau vom 11. Dezember 1899, Gesetzblatt für die königlich-preußischen Staaten 1899, S. 595).

Die Grundlage für die Eintragungen in das Grundbuch bildeten die im Stockbuch (Originalstockbuch und dessen Anlagen) enthaltenen Angaben über die Eigentums- und Belastungsverhältnisse der Grundstücke (Art. 6 der Verordnung). Gemäß Art. 26 der Verordnung sollten die im Stockbuch eingetragenen Eigentumsbeschränkungen, Hypotheken und sonstigen Rechte, vorbehaltlich der Vorschriften der Artikel 26 und 27 , die hier nicht einschlägig sind, in das Grundbuch übernommen werden, soweit nicht die Tilgung durch die zur Löschung dienenden Urkunden nachgewiesen werde. Eine von Art. 187 Abs. 1 Satz 1 EGBGB abweichende Bestimmung, wie in dem von dem BGH entschiedenen Fall, gab es für diesen Landesteil nicht, so dass es weiter bei dem Grundsatz blieb, dass vor dem 1. Januar 1900 bestehende Grunddienstbarkeiten zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuches nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürfen.

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