LG Aurich – Az.: 1 S 88/18 – Beschluss vom 14.01.2019
Gründe
I.
Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil weist weder Rechtsfehler im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (BGH, NJW 2007, 2919). Derartige vernünftige Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen sind vorliegend nicht ersichtlich.
Das Amtsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass den Klägern ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung zur Aufhebung der Änderung der Teilungserklärung gemäß notarieller Urkunde vom 2. November 2016 (UR-Nr. 810/2016 des Notars H. R.) und auf Bewilligung der Löschung des zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers der Teileigentumseinheit Nr. 1 eingeräumten Sondernutzungsrechts zur Installation einer Entlüftungsanlage und deren dauerhaften Betrieb im Grundbuch gegen die Beklagte zusteht.
Zutreffend ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte aufgrund der in § 9 Abs. 1 lit b) vereinbarten Vollmacht in den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträgen nicht mehr berechtigt war die Teilungserklärung dahingehend zu ändern, dass der jeweilige Eigentümer der nicht zu Wohnzwecken dienen Gewerbeeinheit berechtigt ist ein Entlüftungsschacht anzubringen und diesen zu Entlüftungszwecken auf Dauer zu nutzen. Die Vereinbarung der Parteien ist gemäß den §§ 133, 157 BGB aus der Sicht eines objektiven Empfängers auszulegen (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 157 Rn. 1 und § 133 Rn. 9). Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren (BGH, NJW 2006, 3777). Mangels Vortrags anderer den Parteien bekannter Umstände hat das Amtsgericht zu Recht auf den Wortlaut des § 9 der zwischen den Parteien abgeschlossenen notariellen Kaufverträge abgestellt. Die Vollmacht bezog sich daher auf die Vornahme von Maßnahmen im Zuge der Durchführung des Bauvorhabens.
Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Beurkundung der Berechtigung zur Anbringung eines Entlüftungsschachtes durch Bewilligung vom 2. November 2016 das Bauvorhaben bereits abgeschlossen war und die Bewilligung vom 2. November 2016 nicht mehr der Durchführung des Bauvorhabens diente. Ausweislich I. (Vorbemerkung) Nr. 2 (Bauvorhaben) der Teilungserklärung sollte eine Eigentumsanlage mit vier Teileigentumen und 35 Wohneinheiten errichtet werden. Dabei erfolgte die Bebauung nach den in der Teilungserklärung als Anlage und Bestandteil beigefügten Plänen, der Elektroinstallationspläne, der Wohn- und Nutzflächenberechnungen und der Baubeschreibung. Mit Fertigstellung gemäß Baubeschreibung endete die Durchführung des Bauvorhabens. Dieses war ausweislich des unstreitigen Vortrags der Parteien der Fall. Die Wohnungen waren fertiggestellt und auch die Teileigentumseinheit war bereits vor der Vermietung an die jetzige Mieterin vermietet, sodass mit dem Einzug des erstens Mieters auch die Teileigentumseinheit fertiggestellt war. Durch die Zwischenvermietung hat sich auch gezeigt, dass eine Nutzung als Teileigentumseinheit ohne Entlüftungsanlage – wenn auch nicht als Pizzeria, jedoch z. B. als Büro oder als Verkaufsfläche – möglich ist.
Entgegen der Ansicht der Berufung ist § 9 der jeweiligen Kaufverträge nicht dahingehend auszulegen, dass bei notwendigen oder zweckmäßigen Änderungen bis zum Ablauf der Befristung von der Vollmacht Gebrauch gemacht werden kann. Dieses widerspricht dem Wortlaut des § 9 der jeweiligen Kaufverträge, da nach Beendigung des Bauvorhabens dieses nicht mehr in der Durchführung ist. Hätte allein auf die Zweckmäßigkeit oder die Notwendigkeit der Änderung der Teilungserklärung bis zum Ende der Befristung der Vollmacht abgestellt werden sollen, hätte dieses auch ohne die Voraussetzung „Durchführung des Bauvorhabens“ in der Urkunde niedergelegt werden können. Auch dürfen die Vollmachtgeber darauf vertrauen, dass es zu keinen Änderungen der Teilungserklärung mehr kommt, wenn die Wohnungseigentumsanlage gemäß der Teilungserklärung fertiggestellt ist. Sichergestellt werden soll durch die Vollmacht lediglich, dass die im Zuge der Durchführung des Bauvorhabens notwendigen oder zweckmäßigen Änderungen der Teilungserklärung noch erfolgen können. Maßgebliches Ende der Wirksamkeit der Vollmacht für Änderungen im Zuge der Durchführung des Bauvorhabens ist die Fertigstellung des Bauvorhabens gemäß der Teilungserklärung. Nach Ende der Fertigstellung kann nicht mehr auf die Vollmacht zwecks einer Änderung der Teilungserklärung unter den Gesichtspunkten der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit zurückgegriffen werden. Ab diesem Zeitpunkt bedarf es einer Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer.
Die Frage, ob die Vollmacht zu Gunsten der Eigentümer des Verbandes der Wohnungseigentümer oder des Teileigentümers genutzt worden ist, ist nicht entscheidungserheblich. Der Vollständigkeit halber sei jedoch angemerkt, dass nach § 13 Abs. 1 WEG jeder Wohnungseigentümer mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren und andere von Einwirkung ausschließen kann. Daher diente unter WEG-rechtlicher Betrachtung die Einräumung des Nutzungsrechtes alleine dem jeweiligen Eigentümer der Teileigentumseinheit. Auf die Frage wer rein tatsächlich Nutzen von dem Sondereigentum hat, kommt es unter WEG-rechtlichen Gesichtspunkten nicht an.
Auch die möglicherweise entstehenden Geruchsbelästigungen infolge der Löschung der Berechtigung zur Anbringung und Nutzung eines Lüftungsschachts zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Teileigentumseinheit sind im Rahmen der Frage, ob die Beklagte als Vollmachtnehmer berechtigt war dem jeweiligen Sondernutzungseigentümer der Teileigentumseinheit ein Sondernutzungsrecht einzuräumen, unbeachtlich. Maßgeblich ist hier allein die Frage, ob § 9 der jeweiligen Kaufverträge die Beklagte berechtigte in Vollmacht der Kläger dieses Sondernutzungsrecht einzuräumen. Dieses ist aus vorgenannten Gründen zu verneinen.
Auf die Frage, ob die Beklagte ihr Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt hat, kommt es nicht mehr an, da die Beklagte – wie bereits dargestellt – nach Beendigung des Bauvorhabens nicht mehr berechtigt war ein neues Sondernutzungsrecht einzuräumen.
II.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Auffassung der Kammer hält sich an die rechtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses. Die Kammer weist insoweit vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens im Falle einer Berufungsrücknahme auf die Hälfte ermäßigen (Nr. 1222 KV GKG).