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Wirksamkeit einer im Außenverhältnis unbeschränkten Grundbuchvollmacht

OLG München – Az.: 34 Wx 208/12 – Beschluss vom 07.11.2012

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 25. April 2012 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht München – Grundbuchamt – wird angewiesen, über den Antrag der Beteiligten vom 11. Januar 2012 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Gründe

I.

Mit Erklärung vom 13.4.2010, ergänzt durch Erklärung vom 8.7.2010, hat die Beteiligte zu 1 das Eigentum an dem gegenständlichen Grundstück nach § 8 WEG in Miteigentumsanteile aufgeteilt. Die Teilung wurde am 23.8.2010 im Grundbuch vollzogen.

In der Teilungserklärung heißt es unter Ziff. V. („Gestaltungsfreiheit des Eigentümers“):

Der Eigentümer behält sich ausdrücklich das Recht vor, diese Teilungserklärung hinsichtlich der Balkone, der Terrassen, der Dachgauben und der Fenster, eventueller Wintergärten, der Treppenhäuser, der Kellerräume und der Tiefgaragen- und Außen-Stellplätze zu ändern.

In der Folgezeit verkaufte und übereignete die Beteiligte zu 1 mehrere Wohnungen. In den notariellen Kaufvertragsurkunden ist vereinbart, dass die oben genannte Teilungserklärung mit Nachtrag Inhalt des Sondereigentums ist. Ziff. XI. („Vollmachten“) lautet jeweils:

Der Käufer erteilt hiermit dem Verkäufer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB folgende übertragbare und durch den Tod des Vollmachtgebers nicht erlöschende

V o l l m a c h t

zur Vornahme folgender Rechtshandlungen:

2. Änderung der Teilungserklärung bzw. Bauausführung

Uneingeschränkte Vertretung des Käufers bei der Begründung und Änderung der Teilungserklärung. Diese Vollmacht ist im Außenverhältnis insbesondere auch gegenüber dem Grundbuchamt ohne jede Beschränkung erteilt.

Im Innenverhältnis darf die Vollmacht jedoch nur ausgeübt werden wie folgt:

a)

Durch die Änderung dürfen das Sondereigentum und aufgrund der Teilungserklärung etwa begründete Sondernutzungsrechte des Käufers nicht beeinträchtigt werden, dem Käufer keine zusätzlichen Belastungen aufgebürdet werden sowie Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, die für die Nutzung des Sondereigentums nötig sind, nicht eingeschränkt werden.

Außerdem sind die Bestimmungen in der Grundlagenurkunde hinsichtlich der Änderung der Teilungserklärung zu beachten.

Insbesondere dürfen in diesem Rahmen auch folgende Änderungen vorgenommen werden:

aa)

Beliebige Änderung an Sondernutzungsrechten dritter Personen (sowohl hinsichtlich der Fläche als auch des Inhalts), Neubegründung von Sondernutzungsrechten am gemeinschaftlichen Eigentum z.B. dadurch, dass Zuwege Mülltonnen- und Fahrradabstellplätze sowie ein Kinderspielplatz etc. dem/den jeweiligen angrenzenden Eigentümern von Sondernutzungsflächen zugeschlagen werden, Aufteilung oder Zusammenlegung von Sondernutzungsflächen und die Aufhebung von Sondernutzungsrechten.

5. Sonstiges:

Sämtliche vorgenannten Vollmachten dürfen nur bei dem amtierenden Notar, dessen Sozius, deren Vertretern oder Amtsnachfolgern verwendet werden.

Sämtliche Vollmachten erlöschen am Tage des Vollzugs der Auflassung im Grundbuch.

Mit einem weiteren Nachtrag vom 24.10.2011 zur Teilungserklärung hat der von der Beteiligten zu 1 bevollmächtigte Herr M. ein zusätzliches Sondernutzungsrecht an einem bislang zur gemeinschaftlichen Nutzung vorgesehenen Stellplatz in der Tiefgarage begründet und die entsprechende Eintragung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Die eingetragenen Grundpfandgläubiger haben dieser Änderung zugestimmt. Auf den Eintragungsantrag des Notars vom 11.1.2012 hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 9.2.2012 unter Fristsetzung u.a. beanstandet, dass die in Bezug genommenen Vollmachten in den jeweiligen Kaufverträgen zur Änderung der Teilungserklärung unter Verweis auf obergerichtliche Rechtsprechung (OLG München – 32. Zivilsenat – vom 13.6.2006, 32 Wx 079/06) nicht ausreichend seien. Die jeweiligen Vollmachten erlaubten keine Änderungen der Teilungserklärung, wenn – wie hier – dem Vollmachtgeber ein Vermögensschaden zugefügt werde. Die vorgesehene Änderung nehme den Erwerbern gerade dauerhaft das Recht an einem gemeinschaftlichen Stellplatz.

Am 25.4.2012 hat das Grundbuchamt den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom beurkundenden Notar eingelegte Beschwerde, der das Amtsgericht am 6.6.2012 nicht abgeholfen hat.

II.

Die vom Notar ersichtlich für die Urkundsbeteiligten eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 71 Abs. 1, § 73, § 15 Abs. 2 GBO) und begründet. Die Eintragung der Teilungserklärung konnte vom Grundbuchamt nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Vollmacht der Erwerber genüge zur wirksamen Änderung der Teilungserklärung nicht, vielmehr sei die Genehmigung aller Erwerber beizubringen.

1. Die Eintragung wurde gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO wirksam beantragt. Die vorgelegte Bewilligung durch einen Bevollmächtigten der Beteiligten erfüllt die Anforderungen des § 19 GBO. Das Grundbuchamt hat zu Unrecht die fehlende Vertretungsmacht der Beteiligten (§ 164 BGB) zur Zuweisung neuer Sondernutzungsrechte an Stellplätzen (§ 10 Abs. 3, § 15 Abs. 1 WEG) beanstandet. Die jeweils erteilten Vollmachten umfassen nämlich die am 24.10.2011 beurkundete Änderung der Teilungserklärung.

a) Die jeweiligen Vollmachten (§ 167 BGB) zur Abgabe von Eintragungsbewilligungen und Eintragungsanträgen genügen dem das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz, wie deren Auslegung ergibt. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BayObLGZ 2002, 296/298; Demharter GBO 28. Aufl. § 19 Rn. 28).

Schon nach ihrem Wortlaut sind die jeweiligen Vollmachten im Außenverhältnis unbeschränkt. Dies ergibt sich zudem aus der in ihrem Text vorgenommenen Gegenüberstellung zum Innenverhältnis, für das einengende Absprachen getroffen sind.

b) Die jeweiligen Vollmachten sind auch nicht offensichtlich (vgl. BayObLG OLG-Report 2003, 149) nach den §§ 305 ff. BGB unwirksam. Ob diese Vorschriften auf Grundbuchvollmachten überhaupt anzuwenden sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Angesichts der Bindungen im Innenverhältnis liegt trotz der Unbeschränktheit im Außenverhältnis bei der konkret vorliegenden Vertragsgestaltung jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB vor. Insbesondere dürfen im Innenverhältnis das Sondereigentum und die dem Käufer zur Sondernutzung zugewiesenen Gegenstände durch die Änderung nicht berührt werden und ihm keine zusätzlichen Belastungen aufgebürdet werden. Insoweit ist die Klausel einschränkender als die, welche der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12.9.2002 (BayObLGZ 2002, 296) zugrunde lag. Auch dort, wo das Sondereigentum bei „wirtschaftlicher Betrachtungsweise“ nicht beeinträchtigt werden durfte, hatte aber das Bayerische Oberste Landesgericht eine offensichtliche Unwirksamkeit nicht angenommen.

c) Das Amtsgericht geht mit der Rechtsprechung des damals für Grundbuchsachen zuständigen 32. Zivilsenats (Beschluss vom 13.6.2006, 32 Wx 079/06 = DNotZ 2007, 41) davon aus, dass eine im Außenverhältnis unbeschränkte Vollmacht den Bevollmächtigten nicht zur Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt berechtigt, die ihm durch eine interne Abrede mit dem Vollmachtgeber in derselben Urkunde untersagt sind, wenn evident ist, dass dem Vollmachtgeber durch die Erklärung ein Vermögensschaden entsteht. Evident muss nach dieser Entscheidung auch die Überschreitung der intern vereinbarten Beschränkungen sein.

Ob dem auch der nun für Grundbuchsachen zuständige 34. Senat im dort gegebenen Fall gefolgt wäre (ablehnend Demharter § 19 Rn. 76; Holzer NotBZ 2007, 29; Munzig DNotZ 2007, 43), kann auf sich beruhen. Dort durften im Innenverhältnis die Vollmachten nur zu solchen Änderungen verwendet werden, durch die die Rechte der Käufer bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht geschmälert werden. Hier erklärt sich der Käufer hingegen mit Änderungen der Teilungserklärung unter der Voraussetzung einverstanden, dass ihm hierdurch keine zusätzlichen Belastungen entstehen und das Sondereigentum sowie die ihm zugewiesenen Sondernutzungsrechte nicht berührt werden. Das Sondereigentum wird durch die beabsichtigte Änderung nicht berührt. Was unter „zusätzlichen Belastungen“ zu verstehen ist, erschließt sich zwar nicht auf den ersten Blick. Falls damit aber rechtliche wie wirtschaftliche Nachteile jeglicher Art gemeint sein sollten, ist nicht ersichtlich, weshalb, ohne Zusätze wie „insbesondere“ oder „besonders“, noch ausdrücklich festgehalten ist, dass das Sondereigentum nicht berührt werden darf (vgl. Senat vom 17.2.2009, 34 Wx 091/08 = FGPrax 2009, 105).

Vor allem ergibt sich jedoch aus den im Vertrag aufgeführten zulässigen Änderungen der Teilungserklärung, dass die Neubegründung von Sondernutzungsrechten am gemeinschaftlichen Eigentum von den jeweiligen Vollmachten erfasst sein sollte. Dass damit auch Änderungen im Bereich der Tiefgarage inmitten standen, ergibt sich aus Ziff. V. der Teilungserklärung vom 13.4.2010, auf die in den Kaufverträgen jeweils Bezug genommen wurde. Auch wenn bis dahin ein Sondernutzungsrecht an Stellplätzen in der Tiefgarage noch nicht eingeräumt worden war, konnten die Erwerber schon aus der Formulierung der Teilungserklärung nicht davon ausgehen, dass die Tiefgarage vollständig in gemeinschaftlicher Nutzung (§ 13 Abs. 2 WEG) verbleiben würde.

2. Auch das Handeln der Beteiligten durch einen Unterbevollmächtigten hindert die Eintragung nicht. Ob der Bevollmächtigte zur Erteilung von Untervollmacht berechtigt ist, ist Auslegungsfrage. Entscheidend ist dabei, ob der Vertretene erkennbar ein Interesse an der persönlichen Wahrnehmung der Vertretungsmacht durch den Bevollmächtigten hat (Palandt/Ellenberger BGB 71. Aufl. § 167 Rn. 12). Das ist vorliegend in Anbetracht der Bevollmächtigung einer juristischen Person jedoch nicht ersichtlich.

3. Die jeweiligen Vollmachten sind zeitlich befristet; sie erlöschen jeweils mit der vollzogenen Auflassung. Das Grundbuchamt wird daher anhand der einzelnen Grundbuchblätter und Grundakten abschließend zu klären haben, ob der Vollzug jeweils noch aussteht und die jeweiligen Vollmachten auch zum Eintragungszeitpunkt noch wirksam sind.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 131 Abs. 3 KostO).

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