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Widerspruchseintragung im Zuge einer Umschreibung nicht mitübertragenen Vormerkung

OLG München – Az.: 34 Wx 100/11 – Beschluss vom 07.07.2011

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird die Entscheidung des Amtsgerichts Sonthofen – Grundbuchamt – vom 18. Februar 2011 (Ablehnung der Eintragung eines Amtswiderspruchs) aufgehoben.

II. Das Grundbuchamt Sonthofen wird angewiesen, im Grundbuch des Amtsgerichts Sonthofen von Aach i. Allgäu Bl. 2876 zugunsten xx, geb. xx, und xx, geb. xx, geb. xx, einen Widerspruch gegen die Löschung der Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung eines Geh-, Fahr- und Viehtriebsrechts gemäß Bewilligung vom 24.7.2004 UR-Nr. 1104 Notar xx, aufgrund Nichtübertragung aus dem Grundbuch von Aach i. Allgäu Bl. 2153 (Nr. 20/II) einzutragen.

Gründe

I.

Zu notarieller Urkunde vom 23.7.2004 verkaufte der Beteiligte zu 1 an die Beteiligten zu 3 bis 5 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grundstücksflächen. Unter § 16 des Kaufvertrags wurde dem Beteiligten zu 1 und seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2, als Gesamtberechtigten ein Geh, Fahr- und Viehtriebsrecht, in der Ausübung beschränkt auf eine bestimmte Zufahrt, in Form einer Grunddienstbarkeit auf einer noch zu vermessenden Grundstücksrestfläche eingeräumt. Weil die Vermessung noch nicht stattgefunden hatte, wurde zur Sicherung u. a. dieses Anspruchs in § 18 Nr. 11 die Eintragung einer Vormerkung bewilligt und beantragt. Diese Vormerkung wurde am 25.8.2004 in Abteilung II Nr. 20 des Grundbuchs (Bl. 2153) eingetragen.

Am 3.8.2005 wurde die Auflassung des Grundbesitzes erklärt. Hinsichtlich des vorgenannten Rechts wurde dessen Eintragung zugunsten des jeweiligen Eigentümers der neu vermessenen Restfläche „durch entsprechende Umschreibung der Vormerkung in Abteilung II Nr. 20“ bewilligt und beantragt.

Das Grundbuchamt hat dies dergestalt vollzogen, dass es im neu angelegten Grundbuch des dienenden Grundstücks (Bl. 2876) das Geh-, Fahr- und Viehtriebsrecht am 12.8.2005 in der Zweiten Abteilung unter Nr. 13 eingetragen hat. Zugleich hat es die im Grundbuch des ungeteilten Grundstücks (Bl. 2153) eingetragene Vormerkung gelöscht.

Die Dritte Abteilung enthält unter Nr. 1 eine Grundschuld ohne Brief gemäß Bewilligung vom 23.9.2004, eingetragen am 1.10.2004 und auf Bl. 2876 übertragen am 12.8.2005.

Der beurkundende Notar hat am 17.2.2011 angeregt, wegen Löschung der Vormerkung (Abt. II Nr. 20) einen Amtswiderspruch für die Beteiligten zu 1 und 2 zum Schutz gegen gutgläubigen Erwerb im Hinblick auf die Rangposition einzutragen. Die Löschung der Vormerkung sei nie bewilligt worden; vielmehr sei die Umschreibung der Vormerkung in ein Vollrecht bewilligt und beantragt, aber so nicht vollzogen worden.

Das Grundbuchamt hat die Eintragung eines Amtswiderspruchs mit Schreiben vom 18.2.2011 abgelehnt. Die Vormerkung sei nicht gelöscht, sondern antragsgemäß umgeschrieben worden durch Eintragung der Grunddienstbarkeit, allerdings nicht mit dem für sie vorgesehenen Rang. Ein Amtswiderspruch komme allenfalls bei Eintragung eines fehlerhaften Rangvermerks in Betracht; ein solcher Fall liege nicht vor. Hiergegen wendet sich der beurkundende Notar mit Schreiben vom 23.2.2011, welches das Grundbuchamt als Beschwerde gemäß § 71 Abs. 2 GBO behandelt und dieser nicht abgeholfen hat.

II.

Das Verfahren auf Eintragung eines Amtswiderspruchs richtet sich nach dem seit 1.9.2009 geltenden Recht (Art. 111 Abs. 1 und 2 FGG-RG). Auf den Zeitpunkt der vorgenommenen Eintragung/Löschung kommt es hierbei nicht an (vgl. OLG Hamm FGPrax 2009, 285; OLG Schleswig FGPrax 2009, 289). Nach dem Akteninhalt eingeleitet worden ist dieses Amtsverfahren frühestens im Jahr 2011, nämlich im Zusammenhang mit einem entsprechenden Beanstandungsschreiben des Notars vom 15.1.2011.

1. Gegen die Ablehnung der Anregung, einen Amtswiderspruch einzutragen, ist die Beschwerde statthaft (Demharter GBO 27. Aufl. § 53 Rn. 32; § 71 Rn. 76). Das zwar formlose, nicht mit Rechtsmittelbelehrung (§ 39 FamFG) versehene, Schreiben des Grundbuchamts vom 18.2.2011 beinhaltet indessen eine unmittelbar regelnde – abschließende – Maßnahme, nämlich der vom beschwerdeführenden Notar angeregten Eintragung eines Widerspruchs (§ 53 Abs. 1 GBO) verbindlich keine Folge zu geben. Dies stellt ungeachtet der äußeren Form eine Entscheidung im Sinne von § 71 Abs. 1 GBO dar (vgl. Meikel/ Streck GBO 10. Aufl. § 53 Rn. 41; § 71 Rn. 17). Beschwerdeberechtigt sind die Beteiligten zu 1 und 2, weil diesen der Anspruch auf Berichtigung nach § 894 BGB zustünde, zu ihren Gunsten also der Widerspruch zu buchen wäre (Demharter § 71 Rn. 69). Die notarielle Anregung vom 17.2.2011 kann als für diese erhoben ausgelegt werden. Die Beschwerdeberechtigung wird, abgesehen von einer etwaigen weitergehenden rechtsgeschäftlichen Vollmacht, bereits von der gesetzlichen Ermächtigung des Notars in § 15 Abs. 2 GBO gedeckt. Diese bezweckt, dem in der aufgenommenen Urkunde verkörperten Willen der Beteiligten in der Rechtswirklichkeit zum Erfolg zu verhelfen. Sie umfasst im Falle der Antragstellung auch das Recht zur Einlegung der Beschwerde nach § 71 GBO (Demharter § 15 Rn. 20; Hügel/Reetz GBO 2. Aufl. § 15 Rn. 62 m.w.N.). Nichts anderes gilt wegen des engen sachlichen Zusammenhangs (vgl. Hügel/Reetz § 15 Rn. 63) dann, wenn statt durch Beschwerde unmittelbar gegen die fehlerhafte Eintragung gegen diese mit der Anregung, nach § 53 GBO einen Amtswiderspruch einzutragen, vorgegangen wird (Demharter § 53 Rn. 32). In beiden Fällen geht es darum, das Grundbuch soweit wie noch möglich in Übereinstimmung damit zu bringen, was durch die notarielle Vollzugstätigkeit bewirkt werden sollte. Auf den zeitlichen Abstand zur Eintragung kommt es dabei regelmäßig nicht an.

2. Nach § 53 Abs. 1 GBO ist ein Widerspruch einzutragen, wenn sich ergibt, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung – dazu zählt auch eine Löschung (BayObLG Rpfleger 1987, 101) – vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung der Dienstbarkeit hier erfüllt.

a) Eine eingetragene Vormerkung verleiht dem geschützten Recht – vorausgesetzt der vorgemerkte Anspruch besteht – in gewissem Rahmen dingliche Rechtswirkungen (vgl. § 883 Abs. 2 und 3 BGB), u. a. die Rangwirkung nach § 883 Abs. 3 BGB (zu allem BGHZ 60, 46/49 f.; BayObLGZ 1961, 63/67 f.). Diese Rechtsstellung des Vormerkungsberechtigten wird im Fall einer zu Unrecht erfolgten Löschung im Grundbuch – entgegen älterer Ansicht (KGJ 43, 209/215 f.; KGJ 50, 171/173) – nicht wieder beseitigt. Als materielles Sicherungsmittel wird sie erst wirkungslos mit dem Eintritt eines materiellen Erlöschensgrundes, etwa dem Erlöschen des gesetzlichen Anspruchs oder der Aufgabeerklärung des Berechtigten (vgl. § 875 BGB). Fehlt ein materieller Erlöschenstatbestand, besteht das Recht aus der Vormerkung fort und macht das Grundbuch unrichtig mit der Folge, dass grundsätzlich ein Widerspruch nach § 53 GBO oder aber die Vormerkung selbst wieder einzutragen ist (BGHZ 60, 46/51; BayObLGZ 1961, 63/68), vorausgesetzt es hat kein Erwerb von Zwischenrechten durch Gutgläubige stattgefunden (BGH aaO.; Staudinger/Gursky BGB Bearb. 2008 § 883 Rn. 272).

b) Für einen materiellen Erlöschenstatbestand fehlt hier jeglicher Anhaltspunkt. Es liegt überdies auch kein die Löschung rechtfertigender Grundbuchantrag (§ 13 Abs. 1 GBO) vor. Die Urkunde vom 3.5.2005 enthält zur Grunddienstbarkeit den Antrag, das Vollrecht einzutragen „durch entsprechende Umschreibung der Vormerkung in Abteilung II Nr. 20“. Damit ist ersichtlich und unmissverständlich die in der Grundbuchverfügung unter § 19 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 Buchst. b angesprochene und dort näher dargestellte Überführung der Vormerkung in die endgültige Eintragung gemeint (eingehend Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl. § 19 GBV Rn. 4), nicht die davon zu unterscheidende Löschung. Die so bewirkte Umschreibung in derselben Spalte, nämlich die endgültige Eintragung des entstandenen Rechts in der rechten Spalte, erhält die Vormerkungswirkung über den Vollzug der endgültigen Eintragung hinaus und stellt bildlich die Rangwahrung (§ 883 Abs. 3 BGB) sicher (Meikel/Böttcher § 19 GBV Rn. 8). Denn der Rang des Rechts, auf dessen Einräumung der vorgemerkte Anspruch gerichtet ist, bestimmt sich nach der Eintragung der Vormerkung und nicht nach der späteren Eintragung des Rechts, wie es sonst nach § 879 Abs. 1 und 2 BGB der Fall wäre. Das vorgemerkte Recht selbst erhält somit kraft Gesetzes, nicht kraft Rangvereinbarung (§ 879 Abs. 3, § 881 BGB), sobald es zur Entstehung gelangt, automatisch den Vorrang vor etwa nach der Vormerkung eingetragenen Zwischenrechten, ohne dass es einer Beteiligung dieses Rechtsinhabers bedürfte (Meikel/Böttcher aaO.). Plastisch lässt sich von einer rangwahrenden Platzhalterfunktion (etwa Staudinger/Gursky § 883 Rn. 270; Meikel/Böttcher aaO.) sprechen. Damit verbunden ist der Vorteil, dass für die Umschreibung die Zustimmung von Inhabern nachfolgender Rechte, hier etwa des Inhabers der am 1.10.2004 eingetragenen Grundschuld, nicht erforderlich ist.

Soweit sich das Grundbuchamt darauf bezogen hat, ein Widerspruch käme nur bei Eintragung eines fehlerhaften Rangvermerks in Frage (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 399), an dem es hier fehle, stellt sich dieses Problem nicht. Vielmehr geht es um die unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften unterlassene – rangwahrende – Übertragung der Vormerkung und deren Folgen für den Rang der eingeräumten Dienstbarkeit.

c) Im Zusammenhang mit der Umschreibung ist hier die Vormerkung mit der Anlegung des neuen Grundbuchblatts gelöscht worden, weil sie bei der Übertragung auf das andere Blatt nicht übertragen wurde (§ 46 Abs. 2 GBO). Die Nichtmitübertragung gilt auch dann als Löschung, wenn die grundbuchmäßigen Voraussetzungen einer solchen nicht vorgelegen haben (BayObLGZ 1988, 124/127). Widerspricht dies der materiellen Rechtslage, ist grundsätzlich nach § 53 Abs. 1 GBO zu verfahren und die Nachholung der unterbliebenen Mitübertragung (zur Ausnahme siehe BayObLGZ 1961, 63/70) regelmäßig nicht mehr möglich (BGH NJW 1994, 2947/2948; Demharter § 46 Rn. 20). Der Senat verfährt entsprechend dem auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gerichteten Antrag, wodurch sicher gestellt wird, dass für die Zukunft ein gutgläubiger Erwerb der nach dem aktuellen Grundbuchstand im Widerspruch zur materiellen Rechtslage im Rang vorgehenden Buchgrundschuld verhindert wird.

Demgemäß ist das Grundbuchamt entsprechend anzuweisen.

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