Ein Erbe wollte den Widerruf vom gemeinschaftlichen Testament vor dem Tod der Partnerin erklären und ließ die notarielle Urkunde zustellen. Das Oberlandesgericht musste klären, warum eine zugestellte beglaubigte Abschrift für diesen Schritt nicht ausreichen sollte.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Widerruf vom gemeinschaftlichen Testament: Warum eine beglaubigte Abschrift nicht ausreicht
- Ein letzter Wille mit weitreichenden Folgen
- Welche juristischen Prinzipien standen im Mittelpunkt?
- Warum scheiterte der Widerruf am Ende an einem Formfehler?
- Was bedeutet dieses Urteil für Ihre Nachlassplanung?
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann ich das gemeinschaftliche Testament (Berliner Testament) einfach widerrufen?
- Wann ist mein notarieller Widerruf des Testaments wegen Formfehlern unwirksam?
- Wie stelle ich den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments juristisch korrekt zu?
- Ist der Widerruf des Testaments noch gültig, wenn er erst nach dem Tod des Partners zugeht?
- Genügt eine beglaubigte Abschrift oder brauche ich die notarielle Ausfertigung für den Widerruf?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 W 56/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Celle
- Datum: 05.06.2024
- Aktenzeichen: 6 W 56/24
- Verfahren: Erbrechtliches Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Zivilrecht
- Das Problem: Der überlebende Ehemann und ein Dritter streiten um das Erbe der verstorbenen Ehefrau. Die Frau hatte versucht, ihren Ehemann als Alleinerben aus einem gemeinsamen Testament auszuschließen. Strittig war, ob der Widerruf des Testaments beim Ehemann wirksam angekommen ist.
- Die Rechtsfrage: Reicht die Zustellung einer Kopie eines notariell beurkundeten Testamentswiderrufs aus, um den ursprünglichen Erben auszuschließen? Oder muss zwingend das Original (die notarielle Ausfertigung) rechtzeitig zugestellt werden?
- Die Antwort: Nein. Die Ehefrau konnte den Ehemann nicht wirksam enterben. Für den Widerruf einer testamentarischen Verfügung ist die Zustellung der notariellen Originalurkunde (Ausfertigung) zwingend erforderlich. Die zugestellte Kopie machte den Widerruf unwirksam, sodass das alte gemeinschaftliche Testament gilt.
- Die Bedeutung: Bei der Zustellung wichtiger notarieller Willenserklärungen muss gegenüber abwesenden Personen stets die Originalurkunde (Ausfertigung) übermittelt werden. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügt nicht und macht die Erklärung juristisch unwirksam.
Widerruf vom gemeinschaftlichen Testament: Warum eine beglaubigte Abschrift nicht ausreicht
Ein gemeinsames Testament, geschlossen in Einigkeit zwischen Ehepartnern, soll für Klarheit und Sicherheit sorgen. Doch was passiert, wenn einer der Partner seine Meinung ändert und den letzten Willen einseitig widerrufen möchte? Dass hierbei ein scheinbar kleines formales Detail über die gesamte Erbfolge entscheiden kann, zeigt ein bemerkenswerter Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 05. Juni 2024 (Az. 6 W 56/24). Der Fall dreht sich um die entscheidende Frage, ob die Zustellung einer bloßen Kopie ausreicht, um den Partner wirksam über den Widerruf zu informieren – mit weitreichenden Konsequenzen für die Erben.
Ein letzter Wille mit weitreichenden Folgen

Die Geschichte beginnt im Jahr 2006. Ein Ehepaar errichtet ein notarielles gemeinschaftliches Testament. Darin setzen sie sich gegenseitig als Alleinerben ein – ein klassischer Fall, der dem überlebenden Partner Stabilität sichern soll. Sechzehn Jahre später, im Juni 2022, entschließt sich die Ehefrau jedoch zu einem radikalen Schritt. Sie geht zu einem Notar und lässt zwei Urkunden aufsetzen: ein neues, eigenständiges Testament, in dem sie eine andere Person als alleinigen Erben einsetzt, und eine separate Erklärung, mit der sie ihre Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament von 2006 widerruft.
Nach dem Tod der Frau entbrannte der Streit. Der Ehemann, der auf das ursprüngliche Testament vertraute, beantragte einen Erbschein als Alleinerbe und erklärte die Annahme der Erbschaft. Gleichzeitig beantragte er die Einrichtung einer sogenannten Nachlasspflegschaft. Dies ist ein Sicherungsinstrument, das dann greift, wenn unklar ist, wer die Erben sind, um das Vermögen bis zur Klärung zu schützen (§ 1960 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)).
Der im neuen Testament bedachte Erbe wehrte sich und legte Beschwerde ein. Das Amtsgericht Holzminden gab ihm zunächst Recht und hob die bereits angeordnete Nachlasspflegschaft wieder auf. Die Begründung: Der Widerruf sei wirksam, der neue Erbe stehe fest, und daher sei eine Sicherung des Nachlasses nicht nötig. Gegen diese Entscheidung legte nun wiederum der Ehemann Beschwerde beim Oberlandesgericht Celle ein. Sein Ziel war es, die Nachlasspflegschaft wieder einsetzen zu lassen, weil aus seiner Sicht die Erbfolge keineswegs geklärt war. Der Kern seiner Argumentation: Der Widerruf seiner Frau sei ihm niemals wirksam zugegangen.
Welche juristischen Prinzipien standen im Mittelpunkt?
Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie zwei zentrale Konzepte des deutschen Erbrechts verstehen: die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments und die strengen Formvorschriften für dessen Widerruf.
Ein gemeinschaftliches Testament enthält oft sogenannte Wechselbezügliche Verfügungen. Das bedeutet, die Anordnung des einen Ehepartners ist nur deshalb getroffen, weil auch der andere eine entsprechende Anordnung getroffen hat (§ 2270 BGB). Die gegenseitige Einsetzung als Alleinerben ist der klassische Fall. Diese Verfügungen entfalten eine starke Bindungswirkung. Zu Lebzeiten beider Partner kann einer von ihnen seine Verfügung nur durch eine notariell beurkundete Erklärung widerrufen, die dem anderen Partner zugestellt werden muss (§ 2271 Abs. 1 S. 1 BGB).
Genau hier liegt der juristische Knackpunkt des Falles. Für eine solche notarielle Erklärung schreibt das Gesetz eine besondere Form vor. Entscheidend ist nicht das Originaldokument, das beim Notar verbleibt, sondern die sogenannte Ausfertigung. Dies ist eine amtliche, mit einem speziellen Vermerk und Siegel versehene Version der Urkunde, die im Rechtsverkehr das Original ersetzt. Sie verkörpert die Willenserklärung selbst. Davon zu unterscheiden ist eine Beglaubigte Abschrift. Diese bestätigt lediglich, dass eine Kopie mit dem Original übereinstimmt, stellt aber rechtlich nicht die Erklärung selbst dar.
Warum scheiterte der Widerruf am Ende an einem Formfehler?
Das Oberlandesgericht Celle musste nun klären, ob die Handlungen der Notarin im Jahr 2022 ausreichten, um dem Ehemann den Widerruf seiner Frau wirksam zuzustellen. Die Analyse des Gerichts folgte einer klaren und unmissverständlichen Linie, die sich stark an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) orientiert.
Die entscheidende Frage: Ausfertigung oder nur eine Kopie?
Der Ehemann argumentierte, ihm sei am 16. Juni 2022 lediglich eine beglaubigte Abschrift der Widerrufserklärung durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt worden, nicht aber die rechtlich erforderliche Ausfertigung. Das Gericht folgte dieser Sichtweise vollständig. Es verwies auf die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach eine notariell beurkundete, empfangsbedürftige Willenserklärung nur dann als zugegangen gilt, wenn dem Empfänger die Ausfertigung der Urkunde übergeben wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1995 – VIII ZR 125/94).
Eine beglaubigte Abschrift, so die Richter, genügt diesem Erfordernis nicht. Sie informiert den Empfänger zwar über den Inhalt der Erklärung, stellt aber nicht die Erklärung selbst dar. Die notarielle Ausfertigung ist die Form, in der die Erklärung „lebt“ und rechtliche Wirkung entfaltet. Da dem Ehemann unstrittig nur eine Kopie zuging, war der Zustellungsversuch im Juni 2022 unwirksam. Der Widerruf war zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt.
Kann eine Zustellung nach dem Tod den Fehler heilen?
Die Gegenseite führte an, dass ein möglicher Formfehler nachträglich geheilt worden sei. Die Notarin hatte nämlich im Februar 2024 – also lange nach dem Tod der Ehefrau – die Zustellung der korrekten Ausfertigung veranlasst, die dem Ehemann am 29. Februar 2024 auch zuging. Doch auch diesem Argument erteilte das Gericht eine klare Absage.
Zwar besagt das Gesetz grundsätzlich, dass der Tod des Erklärenden die Wirksamkeit einer Willenserklärung nicht hindert, wenn sie danach zugeht (§ 130 Abs. 2 BGB). Diese Regel soll jedoch den Empfänger schützen, der auf eine Erklärung vertraut, die bereits auf dem Weg zu ihm war. Der BGH hat aber klargestellt, dass dieser Schutz nicht grenzenlos ist. Insbesondere gilt er nicht, wenn die Erklärung erst wesentlich später und in Kenntnis des Todes wieder auf den Weg gebracht wird (BGH, Beschluss vom 19.10.1967 – III ZB 18/67).
Das OLG Celle übertrug diese Logik auf den vorliegenden Fall: Der Ehemann hatte bereits im Januar 2024 die Erbschaft angenommen und einen Erbschein beantragt. Zu diesem Zeitpunkt durfte er darauf vertrauen, dass der ihm bekannte letzte Wille (das gemeinsame Testament) gültig ist. Es wäre ihm nicht zuzumuten, Monate nach dem Tod seiner Frau und nach seinen eigenen erbrechtlichen Handlungen plötzlich mit einem wirksam gewordenen Widerruf konfrontiert zu werden. Die späte Zustellung im Februar 2024 konnte den Mangel daher nicht mehr heilen.
Warum half der Gerichtsvollzieher dem Widerruf nicht?
Das Amtsgericht in der Vorinstanz hatte seine Entscheidung unter anderem auf § 132 BGB gestützt. Diese Norm besagt, dass eine Erklärung als zugegangen gilt, wenn sie durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt wird. Das OLG Celle stellte jedoch klar, dass diese Vorschrift hier falsch angewendet wurde. § 132 BGB regelt lediglich den Akt des Zugangs, ersetzt aber nicht die inhaltlichen Anforderungen an das, was zugehen muss. Anders ausgedrückt: Die Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher kann zwar den Beweis des Zugangs erleichtern, sie kann aber nicht aus einem rechtlich unzureichenden Dokument (beglaubigte Abschrift) ein rechtlich wirksames Dokument (Ausfertigung) machen.
Das Ergebnis: Das alte Testament behält seine Gültigkeit
Da der Widerruf der Ehefrau dem Ehemann weder zu ihren Lebzeiten noch wirksam nach ihrem Tod zugegangen war, blieben die wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament von 2006 wirksam. Dies hat zur Folge, dass das neue Einzeltestament der Frau aus dem Jahr 2022 ins Leere läuft. Es ist unwirksam, soweit es das Erbrecht des Ehemannes beeinträchtigt (§ 2289 Abs. 1 BGB analog).
Der Ehemann ist und bleibt damit der alleinige Erbe. Da der Erbe somit feststeht, gibt es keinen Grund für eine Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB. Paradoxerweise wurde die Beschwerde des Ehemannes, die formal auf die Wiedereinsetzung der Pflegschaft zielte, daher zurückgewiesen. In der Sache hat er jedoch vollumfänglich gewonnen: Das Gericht bestätigte seine Position als Alleinerbe.
Was bedeutet dieses Urteil für Ihre Nachlassplanung?
Die Entscheidung des OLG Celle ist eine eindringliche Mahnung, wie entscheidend formale Details im Erbrecht sind. Ein Fehler bei der Zustellung kann einen sorgfältig geplanten letzten Willen komplett zunichtemachen. Die Lehren aus diesem Fall lassen sich in einer praktischen Checkliste zusammenfassen.
Checkliste: So widerrufen Sie eine Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament rechtssicher
- 1. Suchen Sie zwingend einen Notar auf: Der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung muss immer notariell beurkundet werden. Ein einfacher Brief oder ein handschriftliches Dokument genügen nicht.
- 2. Formulieren Sie den Widerruf eindeutig: Die Erklärung muss klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, welche Verfügung aus welchem Testament widerrufen wird.
- 3. Bestehen Sie auf der Zustellung der Ausfertigung: Dies ist der entscheidende Punkt aus dem Urteil. Weisen Sie den Notar explizit an, dem anderen Ehepartner die amtliche Ausfertigung der Widerrufserklärung zuzustellen. Klären Sie ab, dass keine bloße Abschrift versendet wird.
- 4. Wählen Sie einen sicheren Zustellungsweg: Die Zustellung über einen Gerichtsvollzieher ist der sicherste Weg, da Sie einen rechtssicheren Nachweis über den Zeitpunkt und die Art der Zustellung erhalten (die Zustellungsurkunde).
- 5. Bewahren Sie den Zustellungsnachweis sorgfältig auf: Die Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers ist Ihr wichtigstes Beweismittel. Heften Sie sie zu Ihren Testamentsunterlagen.
- 6. Handeln Sie ohne Verzögerung: Warten Sie mit dem Widerruf und seiner Zustellung nicht unnötig lange. Wie der Fall zeigt, kann der Tod des Erklärenden vor einer wirksamen Zustellung die gesamte Planung durchkreuzen.
Die Urteilslogik
Formale Präzision entscheidet im Erbrecht über die Gültigkeit des letzten Willens und die endgültige Erbfolge.
- Die notarielle Ausfertigung verkörpert die Willenserklärung: Eine notariell beurkundete Widerrufserklärung gilt gegenüber dem Empfänger nur dann als wirksam zugegangen, wenn diesem die amtliche Ausfertigung der Urkunde zugestellt wird, da diese die Willenserklärung im Rechtsverkehr rechtlich verkörpert; eine bloße beglaubigte Abschrift hingegen informiert zwar über den Inhalt, löst aber nicht die erforderliche Rechtswirkung aus.
- Der Vertrauensschutz des Überlebenden begrenzt den nachträglichen Zugang: Geht die Widerrufserklärung erst nach dem Tod des Erklärenden beim Partner ein, so entfaltet sie keine Wirksamkeit mehr, wenn der Überlebende bereits im Vertrauen auf die Gültigkeit des ursprünglichen gemeinschaftlichen Testaments erbrechtliche Handlungen vorgenommen hat und die Zustellung erst wesentlich später erfolgt.
- Formfehler bewahren die Bindungswirkung: Scheitert die Zustellung des notariellen Widerrufs an formalen Mängeln, bleibt die wechselbezügliche Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments in vollem Umfang wirksam und neutralisiert alle späteren einseitigen letztwilligen Verfügungen des Verstorbenen.
Das Erbrecht fordert strenge Formtreue, denn nur der formal korrekte Rechtsakt entfaltet die beabsichtigte rechtsgestaltende Wirkung.
Experten Kommentar
Wer glaubt, eine klare Absichtserklärung beim Notar sei das Ende der Geschichte, irrt sich gewaltig. Dieses Urteil ist eine gnadenlose Lektion in Sachen Zustellungsform: Die bloße beglaubigte Abschrift informiert den Partner nur über den Widerruf, die notarielle Ausfertigung hingegen ist rechtlich die Willenserklärung selbst. Ein falsch zugestelltes Dokument hat damit, selbst wenn es durch einen Gerichtsvollzieher überbracht wird, keine wirksame Bindungswirkung entfaltet. Diese Konsequenz zeigt, wie leicht die geplante Erbfolge scheitert, wenn im hochformellen Erbrecht die Unterscheidung zwischen Kopie und dem rechtswirksamen Original ignoriert wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich das gemeinschaftliche Testament (Berliner Testament) einfach widerrufen?
Nein, das gemeinschaftliche Testament, insbesondere wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthält, kann nicht durch einen einfachen handschriftlichen Brief oder ein neues privates Testament widerrufen werden. Diese Verfügungen binden die Ehepartner stark. Die erbrechtliche Bindung erfordert zwingend die Einhaltung einer strengen Formvorschrift nach § 2271 Abs. 1 S. 1 BGB.
Diese strenge Formalität soll die Planungssicherheit beider Partner gewährleisten. Möchten Sie Ihren Willen ändern, müssen Sie dies über eine notariell beurkundete Erklärung tun. Diese Erklärung muss explizit den Widerruf enthalten und dem anderen Ehepartner zwingend noch zu Lebzeiten zugehen. Ein bloßes Aufsetzen eines abweichenden Einzeltestaments reicht nicht aus. Dieses neue Testament läuft ins Leere, da die Bindung des ursprünglichen Testaments bestehen bleibt.
Ein privater Widerruf, selbst wenn der Partner davon Kenntnis hat, besitzt keine juristische Gültigkeit. Gelingt die Zustellung der notariellen Urkunde nicht rechtzeitig, bleibt das ursprüngliche Berliner Testament in Kraft. Versterben Sie, bevor die formal korrekte Erklärung (die notarielle Ausfertigung) beim Partner eintrifft, tritt die Bindungswirkung ein. Ihr späterer Wille kann dann die Erbeinsetzung des Partners nicht mehr verhindern.
Kontaktieren Sie sofort einen Notar oder Fachanwalt für Erbrecht, um die formal korrekte Zustellung des Widerrufs sicherzustellen.
Wann ist mein notarieller Widerruf des Testaments wegen Formfehlern unwirksam?
Der notarielle Widerruf ist unwirksam, wenn Ihrem Partner lediglich eine beglaubigte Abschrift der notariellen Erklärung zugestellt wurde. Trotz der Beauftragung eines Notars scheitert die Testamentsänderung an diesem kritischen Formfehler. Für die Rechtswirksamkeit der empfangsbedürftigen Willenserklärung ist zwingend die Zustellung der Ausfertigung der Urkunde erforderlich, denn diese verkörpert das Original rechtlich im Verkehr.
Der Fehler liegt in der juristischen Funktion der jeweiligen Dokumentenart. Eine beglaubigte Abschrift bestätigt lediglich die Übereinstimmung einer Kopie mit dem Originaltext, dient aber nur dem reinen Informationszweck. Sie stellt rechtlich nicht die Willenserklärung selbst dar. Die Ausfertigung hingegen wird vom Notar mit speziellem Vermerk und Siegel versehen. Sie ist die amtliche Urkunde, die dem Empfänger zugehen muss, damit die notarielle Erklärung des Widerrufs rechtliche Wirkung entfaltet.
Selbst wenn Sie die Zustellung über einen Gerichtsvollzieher veranlasst haben, heilt dieser Akt den Formmangel nicht. Der Gerichtsvollzieher beweist zwar den Zugang und den Zeitpunkt, doch er kann aus einer inhaltlich unzureichenden Abschrift keine rechtswirksame Urkunde machen. Diese strenge Anforderung schützt die Rechtssicherheit und das Vertrauen des Partners auf das bestehende Testament. Erfolgt die Zustellung fehlerhaft, bleibt das alte gemeinschaftliche Testament bindend.
Fordern Sie umgehend bei Ihrem Notar einen Zustellnachweis an und prüfen Sie auf der Urkunde, ob das zugestellte Dokument explizit als Ausfertigung der Widerrufserklärung bezeichnet wird.
Wie stelle ich den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments juristisch korrekt zu?
Der juristisch korrekte Weg zur Zustellung des Widerrufs führt zwingend über einen Notar, der wiederum einen Gerichtsvollzieher beauftragt. Sie müssen sicherstellen, dass dem Partner die rechtswirksame Willenserklärung, nicht nur eine Information, zugeht. Nur mithilfe eines amtlichen Zustellungsverfahrens erhalten Sie einen unwiderlegbaren Nachweis, der im späteren Erbfall Bestand hat.
Zuerst muss der Notar die Ausfertigung der Widerrufserklärung erstellen. Dieses spezielle Dokument ersetzt das Original der notariellen Urkunde und verkörpert die rechtlich bindende Willenserklärung. Die Zustellung einer bloßen beglaubigten Abschrift oder einer Kopie reicht gemäß ständiger Rechtsprechung nicht aus, da diese nicht die Erklärung selbst darstellen. Weisen Sie Ihren Notar deshalb explizit an, ausschließlich diese Ausfertigung für die Zustellung zu nutzen.
Die Zustellung sollten Sie niemals eigenständig per gewöhnlichem Einschreiben versuchen. Dieser Nachweis belegt zwar den Zugang eines Umschlags, beweist aber nicht gerichtsfest, dass die erforderliche notarielle Ausfertigung enthalten war. Beauftragen Sie stattdessen den Notar, einen Gerichtsvollzieher einzuschalten. Dieser übergibt das Dokument persönlich und erstellt eine amtliche Zustellungsurkunde, die den genauen Zeitpunkt und die Art des Zugangs gerichtsfest dokumentiert.
Lassen Sie sich die Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers im Original aushändigen und bewahren Sie diese als finalen und unwiderlegbaren Beweis bei Ihren Testamentsunterlagen auf.
Ist der Widerruf des Testaments noch gültig, wenn er erst nach dem Tod des Partners zugeht?
Nein, in den meisten Fällen kann ein verspäteter Zugang den Widerruf nicht mehr wirksam machen. Obwohl § 130 Abs. 2 BGB den Zugang einer Willenserklärung nach dem Tod grundsätzlich zulässt, endet dieser Schutz bei gemeinschaftlichen Testamenten. Gerichte stellen hier das Vertrauen des überlebenden Partners in die bestehende Erbfolge über die nachträgliche Korrektur des Verstorbenen.
Die Regel: Eine ursprünglich formfehlerhafte Widerrufserklärung, beispielsweise weil nur eine Abschrift statt der Ausfertigung zugestellt wurde, kann nach dem Tod des Erklärenden nicht mehr geheilt werden. Der Bundesgerichtshof schützt den überlebenden Partner, der nach dem Todesfall bereits Schritte zur Annahme der Erbschaft unternommen hat. Dies verhindert, dass Dritte Monate später versuchen, das Erbrecht durch eine verspätete Zustellung zu ändern. Die Erklärung muss bereits zu Lebzeiten wirksam auf dem Weg gewesen sein.
Konkret: Der Ehemann hatte bereits im Januar die Erbschaft angenommen und einen Erbschein beantragt. Erst im Februar veranlasste die Gegenseite die Zustellung der korrekten Ausfertigung. Das Gericht sah diese nachträgliche Zustellung als zu spät an. Die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments bleibt bestehen, wenn die wirksame Widerrufserklärung dem Partner nicht zu Lebzeiten zugegangen ist. Eine späte Heilung des Formfehlers läuft juristisch ins Leere.
Wenn Sie der überlebende Partner sind, nehmen Sie sofort die Erbschaft gemäß dem ursprünglichen Testament an, um Ihre Position zu festigen.
Genügt eine beglaubigte Abschrift oder brauche ich die notarielle Ausfertigung für den Widerruf?
Die Regel ist hier eindeutig: Für einen wirksamen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments benötigen Sie zwingend die notarielle Ausfertigung der Widerrufserklärung. Eine beglaubigte Abschrift genügt nicht, da sie im Rechtsverkehr keine eigene Geltung als Willenserklärung entfaltet. Gerichte sehen die Zustellung einer Abschrift als gravierenden Formfehler an, der den gesamten Widerruf unwirksam macht.
Die notarielle Ausfertigung ist eine amtliche Urkunde, die explizit dazu bestimmt ist, das beim Notar verbleibende Originaldokument im Rechtsverkehr vollumfänglich zu ersetzen. Sie verkörpert die Willenserklärung selbst und muss einen speziellen Vermerk sowie das Dienstsiegel des Notars tragen. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt diese strengen formalen Anforderungen, weil die Zustellung der Erklärung gegenüber dem anderen Ehepartner die Rechtswirksamkeit des Widerrufs erst herstellt. Diese strikte Formalität dient der Rechtssicherheit aller Beteiligten.
Stellen Sie Ihrem Ehepartner lediglich eine beglaubigte Abschrift zu, erfüllt diese Abschrift nicht die Formanforderung. Sie informiert zwar über den Inhalt der Widerrufserklärung, stellt aber nicht die Erklärung selbst dar. Im Streitfall führt dieser Zustellungsmangel dazu, dass der Widerruf als nicht erfolgt gilt. Das ursprüngliche gemeinschaftliche Testament bleibt damit wirksam und bindend. Dieser Fehler kann weitreichende Konsequenzen für die geplante Erbfolge haben, da das neu aufgesetzte Testament ins Leere läuft.
Prüfen Sie auf dem zugestellten Dokument sofort, ob es den Amtstitel „Ausfertigung“ trägt und das Notariatssiegel enthält, da der Widerruf sonst formfehlerhaft und anfechtbar ist.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Ausfertigung
Eine Ausfertigung ist die offizielle, notariell besiegelte Kopie einer Urkunde, die im Rechtsverkehr das Original vollständig ersetzt und die Willenserklärung rechtlich verkörpert. Das Gesetz verlangt diese spezifische Form, damit empfangsbedürftige Erklärungen, wie der Widerruf eines Testaments, volle Rechtswirksamkeit entfalten und keine Zweifel an ihrer Echtheit aufkommen.
Beispiel: Dem Ehemann hätte die notarielle Ausfertigung der Widerrufserklärung zugestellt werden müssen, damit die einseitige Aufhebung des gemeinschaftlichen Testaments juristisch wirksam geworden wäre.
Beglaubigte Abschrift
Die beglaubigte Abschrift bestätigt lediglich, dass eine einfache Kopie inhaltlich mit der Ursprungsurkunde beim Notar übereinstimmt, stellt aber selbst keine rechtswirksame Willenserklärung dar. Im Gegensatz zur Ausfertigung dient die Abschrift nur der reinen Information über den Inhalt eines Dokuments; sie kann die für bestimmte Rechtshandlungen erforderliche Form der amtlichen Urkunde nicht ersetzen.
Beispiel: Da die Ehefrau ihrem Mann unzulässigerweise nur eine beglaubigte Abschrift zustellen ließ, scheiterte die geplante Testamentsänderung am gravierenden Formmangel, und der Widerruf blieb unwirksam.
Nachlasspflegschaft
Eine Nachlasspflegschaft ist ein gerichtliches Sicherungsinstrument, das angeordnet wird, wenn die Identität des rechtmäßigen Erben unklar ist, um das Vermögen des Verstorbenen bis zur endgültigen Klärung vor Schaden zu bewahren. Dieses Verfahren gemäß § 1960 BGB dient dem Schutz des Nachlasses und stellt sicher, dass notwendige Verwaltungsaufgaben, wie die Sicherung von Vermögenswerten, auch ohne feststehenden Erben ausgeführt werden.
Beispiel: Der Ehemann beantragte zunächst eine Nachlasspflegschaft, weil der Erbfall durch den unwirksamen Widerruf der Ehefrau und das konkurrierende Einzeltestament eine unklare Erbfolge zur Folge hatte.
Wechselbezügliche Verfügungen
Wechselbezügliche Verfügungen liegen in einem gemeinschaftlichen Testament vor, wenn die testamentarische Anordnung des einen Ehepartners (z. B. Alleinerbeinsetzung des Partners) nur deshalb getroffen wurde, weil auch der andere eine entsprechende Gegenleistung festgelegt hat. Durch diese enge Gegenseitigkeit entsteht eine starke Bindungswirkung; der überlebende Partner kann seine eigene Verfügung nach dem ersten Todesfall nur noch schwer widerrufen oder ändern.
Beispiel: Die gegenseitige Einsetzung des Ehepaares als Alleinerben im gemeinschaftlichen Testament von 2006 stellt klassische wechselbezügliche Verfügungen dar, die eine notariell beurkundete Widerrufserklärung zwingend erforderlich machten.
Willenserklärung
Juristen bezeichnen die Äußerung einer Person, die darauf gerichtet ist, eine bestimmte Rechtsfolge (etwa den Widerruf eines Vertrags oder Testaments) herbeizuführen, als Willenserklärung. Das deutsche Recht knüpft oft strenge Formvorschriften an die Wirksamkeit von Willenserklärungen, insbesondere wenn sie – wie im Erbrecht – empfangsbedürftig sind, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Beispiel: Die notarielle Erklärung der Ehefrau, mit der sie das gemeinschaftliche Testament widerrufen wollte, war eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Rechtswirksamkeit von der korrekten Zustellung der Ausfertigung abhing.
Zustellungsurkunde
Eine Zustellungsurkunde ist ein amtliches Dokument, das ein Gerichtsvollzieher erstellt, um den gerichtsfesten Beweis über den genauen Zeitpunkt und die Art des Zugangs eines Schriftstücks beim Empfänger zu liefern. Dieses Dokument ist unerlässlich, um später im Streitfall lückenlos nachweisen zu können, dass die erforderliche Frist gewahrt wurde und das rechtsrelevante Dokument in der richtigen Form tatsächlich zugegangen ist.
Beispiel: Hätte die Zustellung über den Gerichtsvollzieher die korrekte notarielle Ausfertigung enthalten, hätte die Zustellungsurkunde als unwiderlegbarer Beweis für den wirksamen Widerruf gedient.
Das vorliegende Urteil
OLG Celle – Az.: 6 W 56/24 – Beschluss vom 05.06.2024
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