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WEG-Verwalter darf Grunddienstbarkeitseintragung zu Lasten des WEG-Eigentums nicht bewilligen

OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 59/22 – Beschluss vom 30.12.2022

vorhergehend:

1. Die Beschwerde der Antragsteller vom 30.06.2022 gegen den Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Villingen-Schwenningen vom 02.06.2022 (VSW 043 GRG 752/2021) wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Grundbuchänderungsantrags.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten und zugleich Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft W beantragten die Wohnungseigentümergemeinschaft und die Eigentümer auf der Grundlage eines vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe – 25 U 5/21 – am 08.06.2021 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs und des daraufhin auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft W vom 01.07.2021 unter Tagesordnungspunkt III 3 gefassten Beschlusses eine Änderung des Inhalts einer Grunddienstbarkeit vom 22.02.1978 (Abwasserleitungsrecht) zugunsten des Flurstücks ### im Grundbuch von W.

Mit Schreiben vom 23.12.2021 wies das Grundbuchamt wegen des Antrags vom 12.07.2021 darauf hin, dass nur die betroffenen Eigentümer antragsberechtigt seien und es zum Vollzug des Antrags noch der Bewilligung der Änderung der Grunddienstbarkeit durch alle Wohnungs- und Teileigentümer in der Form des § 29 GBO (Unterschriftsbeglaubigung) bedürfte. Eine Bewilligung der Änderung durch den Verwalter sei nicht möglich.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 23.02.2022 teilten die Eigentümer daraufhin unter Berufung auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 12.07.2021 – 15 W 2283/21 – mit, dass sie mit der Rechtsauffassung des Grundbuchamts, nach welcher alle Wohnungs- und Teileigentümer die Änderung der Grunddienstbarkeit bewilligen müssten, nicht einverstanden seien.

Mit Beschluss vom 02.06.2022 hat das Grundbuchamt die Anträge der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Eigentümer vom 12.07.2021 auf Eintragung der Änderung des Inhalts der Grunddienstbarkeit (Abwasserleitungsrecht) nach § 18 Abs. 1 GBO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Bewilligung der Änderung der Grunddienstbarkeit durch den Verwalter sei nicht möglich. Vielmehr müssten alle Wohnungs- und Teileigentümer die Änderung der Grunddienstbarkeit in der Form des § 29 GBO bewilligen.

Antragsberechtigt sei der betroffene und der begünstigte Eigentümer, nicht jedoch der Verwalter. Es sei zu unterscheiden zwischen dem Verband der Wohnungseigentümer, welcher gemäß § 9a WEG durch den Verwalter vertreten werde, und der Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer gemäß §§ 1 Abs. 5 WEG, 741 BGB, welche durch die einzelnen Wohnungseigentümer vertreten werde. Dingliche Veränderungen, z. B. die Veräußerung einer Grundstücksteilfläche oder die Belastung mit dinglichen Rechten, könnten dabei nur die betroffenen Wohnungseigentümer vornehmen. Die Beauftragung des Verwalters zur Abgabe der zum Vollzug der Änderung der Grunddienstbarkeit erforderlichen Erklärungen im vorgelegten Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung sei ebenfalls nicht ausreichend, da diese durch den Verband der Wohnungseigentümer erfolgt, der Verband jedoch nicht bewilligungsbefugt sei. Es bedürfe vielmehr einer Bevollmächtigung des Verwalters durch die einzelnen Wohnungseigentümer in der Form des § 29 GBO.

Mit der am 30.06.2022 hiergegen eingelegten Beschwerde wenden sich (nur) die Eigentümer gegen die im Beschluss vom 02.06.2022 vertretene Rechtsansicht des Grundbuchamts und tragen hierzu insbesondere vor, die Eigentümer hätten den Verwalter im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 01.07.2021 ausdrücklich bevollmächtigt, sie zum Zweck des Vollzugs des gerichtlichen Vergleichs zu vertreten. Die Unterschriften des Verwalters und der Mitunterzeichnerin des Protokolls seien öffentlich beglaubigt. Die Auffassung des Grundbuchamts verstoße gegen § 9b Abs. 1 S. 1 WEG und beachte die Bevollmächtigung des Verwalters durch den einstimmigen bestandskräftigen Beschluss der Eigentümer in der Versammlung vom 01.07.2021 nicht. Auch das Oberlandesgericht Nürnberg habe in seinem Beschluss vom 12.07.2021 – 15 W 2283/21 – entschieden, dass im Fall einer Änderung einer Grunddienstbarkeit das Grundbuchamt keine von allen Eigentümern abgegebene Erklärung verlangen dürfe.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 07.07.2022 führten die Eigentümer unter Bezugnahme auf den Hinweis des Senats vom 04.07.2022 u. a. ergänzend aus, dass der Zusatz zu Tagesordnungspunkt III 3 am Ende des Protokolls über die Wohnungseigentümerversammlung vom 01.07.2021 lediglich fürsorglich erfolgt sei, weil die jetzt eingetretene Situation befürchtet, aber nicht für zutreffend gehalten worden sei. Die Eigentümer müssten zum Teil aus dem Ausland anreisen, um ihren „Änderungsantrag beglaubigen zu lassen“.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 08.09.2022 nicht abgeholfen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze und ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung der Änderung der Grunddienstbarkeit zu Recht zurückgewiesen, weil es an der erforderlichen Bewilligung der Änderung der Grunddienstbarkeit durch alle betroffenen Wohnungs- und Teileigentümer in der Form des § 29 GBO fehlt.

1. Zwar liegt eine ausdrückliche Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten der Eigentümer, welcher zugleich Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft W ist, gemäß dem vorgelegten Protokoll der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 01.07.2021 (Tagesordnungspunkt III 3) vor.

a) Diese Vollmacht wurde jedoch ausweislich des Protokolls nicht von allen Eigentümern erteilt. Denn aus Tagesordnungspunkt I 1 ergibt sich, dass lediglich die Eigentümer von sieben der insgesamt acht Eigentumswohnungen auf der ordentlichen Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 01.07.2021 persönlich anwesend oder durch Vollmacht vertreten waren. Auch aus dem Grundbuch von W ergibt sich neben den gemäß Protokoll anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Eigentümern zumindest eine weitere Eigentümerin, namentlich die Eigentümerin Z. b.

b) Überdies fehlt es an der nach § 29 GBO erforderlichen Form. Nach § 29 Abs. 1 S. 1 GBO soll eine Eintragung in das Grundbuch nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Am Ende von Tagesordnungspunkt III 3 wird daher zutreffend auf die Form des § 29 Abs. 1 GBO Bezug genommen und eine entsprechende Verpflichtung der Eigentümer festgehalten. Eine Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten durch die einzelnen Eigentümer in der Form des § 29 GBO wurde gleichwohl nicht vorgelegt.

2. Im Übrigen wird wegen des nur gegenüber dem Grundbuchamt vom Verfahrensbevollmächtigten der Eigentümer in seiner Eigenschaft als Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft W gestellten, in der Beschwerde aber nicht weiterverfolgten Antrags angemerkt, dass nach § 9b Abs. 1 WEG der Verwalter zwar die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nicht aber die Wohnungseigentümer selbst vertritt. Für die Eintragung oder Änderung einer Dienstbarkeit ist daher die Mitwirkung aller Wohnungseigentümer gegenüber dem Grundbuchamt erforderlich (s.a. Hügel/Elzer, WEG, 3. Auflage 2021, § 1 Rn. 45; Anmerkung Bezirksrevisor Harald Wilsch zu OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.07.2021 – 15 W 2283/21 – in FGPrax 2021, 203 ff.; Anmerkung Notar Dr. F. W. zu OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.07.2021 – 15 W 2283/21 – in ZWE 2022, 43 ff.; Anmerkung RA M. D. zu OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.07.2021 – 15 W 2283/21 – in NJW-Spezial 2021, 706; a.A. OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.07.2021 – 15 W 2283/21 -).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG. Der Geschäftswert in Grundbuchsachen ist unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Beschwerdeführers zu schätzen (BeckOK GBO/Kramer, 47. Edition 30.09.2022, GBO § 77 Rn. 47). Dabei ist zu beachten, dass sich die Entscheidung über den Antrag auf Eintragung der Änderung der Grunddienstbarkeit (Abwasserleitungsrecht) nicht auf die Wirksamkeit des vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe – 25 U 5/21 – am 08.06.2021 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs und des daraufhin auf der Eigentümerversammlung vom 01.07.2021 gefassten Beschlusses auswirkt. Nachdem es keine genügenden Anhaltspunkte für die Höhe des wirtschaftlichen Interesses gibt, erscheint es angemessen, auf den Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG zurückzugreifen.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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