KG Berlin – Az.: 1 W 258/22 – Beschluss vom 12.07.2022
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, eine Zwischenverfügung nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe zu erlassen.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und führt in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg. Die Zurückweisung des Antrags vom 11. März 2021 war nicht geboten. Allerdings ist der Antrag nach wie vor nicht zur Eintragung reif, weil ihm noch Hindernisse entgegenstehen, die aber mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung behoben werden können. Das Grundbuchamt ist deshalb zum Erlass einer Zwischenverfügung, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO, anzuweisen.
1. Das Grundbuchamt hat einen Antrag auf Eintragung im Grundbuch zurückzuweisen, wenn nach Ablauf der in einer vorherigen Zwischenverfügung bestimmten Frist die Hebung eines dort bezeichneten Hindernisses nicht nachgewiesen worden ist, § 18 Abs. 1 S. 2 GBO. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses nicht vor.
Zwar hat das Grundbuchamt am 19. Mai 2021 eine Verfügung erlassen, die formell und inhaltlich sämtliche Voraussetzungen an eine Zwischenverfügung, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO, erfüllte. Die dort bestimmte Frist war im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung auch abgelaufen. Jedoch hat das Grundbuchamt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei der Verfügung vom 19. Mai 2021 nicht um eine Zwischenverfügung in diesem Sinne handeln sollte. Das Grundbuchamt ging davon aus und hat dies auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass nicht alle in der Verfügung aufgeführten Eintragungshindernisse mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Antrags zu beseitigen seien. In einem solchen Fall ist für den Erlass einer Zwischenverfügung kein Raum (BGH, MittBayNot 2021, 239, 240).
An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass der Senat die Auffassung des Grundbuchamts nicht teilt, die unzutreffende Verteilung der Miteigentumsanteile könne nicht rückwirkend berichtigt werden. Das lässt eine Auslegung der Verfügung vom 19. Mai 2021 als Zwischenverfügung im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO gleichwohl nicht zu. Dem steht der ausdrückliche Wille des Grundbuchamts entgegen und letztlich der Umstand, dass eine solche Auslegung zu Lasten der Beteiligten ginge, weil dann die Voraussetzungen für die Zurückweisung gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 GBO vorlägen.
2. Die Zurückweisung des Antrags vom 11. März 2021 konnte auch nicht auf der Grundlage von § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GBO erfolgen. Die Entscheidung zwischen der sofortigen Zurückweisung und dem Erlass einer Zwischenverfügung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Grundbuchamtes (Demharter, GBO, 32. Aufl., § 18, Rdn. 21). Jedoch ist der Erlass einer Zwischenverfügung die Regel, die sofortige Zurückweisung die Ausnahme. Gerade bei leicht zu behebenden Mängeln könnte eine sofortige Zurückweisung empfindliche Härten mit sich bringen. Zudem bedarf die sofortige Zurückweisung auch unter rechtsstaatlichen Grundsätzen besonderer Begründung. Zu beachten ist, dass ein Antragsteller vor einer nachteiligen gerichtlichen Maßnahme grundsätzlich Gelegenheit haben muss, dazu gehört zu werden und Gelegenheit zu erhalten, fehlende Voraussetzungen der beantragten Eintragung in angemessener Frist zu erfüllen (OLG München, DNotZ 2008, 934, 935).
Letzteres hat das Grundbuchamt mit dem Erlass seiner „Aufklärungsverfügung“ durchaus berücksichtigt. Die Beteiligte hat Gelegenheit erhalten, die aufgeführten Mängel ihres Antrags zu beseitigen. Gleichwohl war der Beschluss vom 6. Dezember 2021 ermessensfehlerhaft, weil er auf einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung der Art der Mängel beruhte. Insbesondere die Annahme des Grundbuchamts, die Verteilung der Miteigentumsanteile habe nicht rückwirkend berichtigt werden können, trifft nicht zu.
Wohnungs- und Teileigentum bestehen jeweils aus dem Sondereigentum an bestimmten Räumen eines Gebäudes und einem Miteigentumsanteil an dem Grundstück, §§ 1 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 1, 6, 8 Abs. 1 WEG. Bei Begründung von Miteigentum an einer Sache wird diese nicht real geteilt. Es erfolgt vielmehr eine ideelle Teilung des Eigentumsrechts an der ganzen Sache (Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1008, Rdn. 1). Folglich kann die Summe der Anteile ein Ganzes nicht übersteigen.
Dem widersprach die nach Maßgabe der UR-Nr. 2…/2…-NÖ des Notars S… N… in Essen erfolgte Verteilung der Miteigentumsanteile. Die dort in § 2 in Bezug genommene Anlage 1 ergab 10.002/10.000 Anteile. Eine solche Aufteilung ist nicht eintragungsfähig bzw. müsste im Nachhinein von Amts wegen wieder gelöscht werden, § 53 Abs. 1 S. 2 GBO. Gleichwohl lässt dies nicht den Schluss zu, damit liege insgesamt keine Erklärung über die bewilligte Eintragung vor. Die Beteiligte hat eindeutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, das Grundstück durch Bildung von 86 Wohnungseigentumsrechten und einem Teileigentumsrecht an den in den beigefügten Plänen mit entsprechenden Nummern bezeichneten Räumen gemäß § 8 WEG aufzuteilen. Inhalt und Zweck der Erklärung sind danach erkennbar. Mängel in der konkreten Ausgestaltung dieser Erklärung, die nicht im Wege der Auslegung eindeutig begehbar sind, können und müssen von der Beteiligten durch ergänzende Erklärungen korrigiert werden (vgl. Wilke, in: Baur/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 18, Rdn. 15).
3. Die Beteiligte hat die in der „Aufklärungsverfügung“ des Grundbuchamts aufgeführten Eintragungshindernisse inzwischen weitgehend beseitigt, was im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, § 74 GBO. Insbesondere hat sie zur UR-Nr. 1…/2…-NÖ des Notars S… N… in Essen die Aufteilung der Miteigentumsanteile auf ein Ganzes beschränkt. Aus der dort in Bezug genommenen Anlage 1 ergeben sich insgesamt 10.000/10.000 Anteile. Diese Anlage soll ausdrücklich die Anlage 1 aus der UR-Nr. 2…/2…-NÖ ersetzen.
4. Die fehlende Genehmigung nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB stellt kein Eintragungshindernis dar.
Allerdings bedarf die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum der Genehmigung, wenn das bereits mit einem Gebäude bebaute betroffene Grundstück in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 201a S. 3 und 4 BauGB belegen ist, das als ein solches Gebiet durch landesrechtliche Rechtsverordnung bestimmt worden ist, § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB. Dementsprechende Eintragungen in das Grundbuch darf das Grundbuchamt nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist, § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB. Der Senat von Berlin hat mit der Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 250 Abs. 1 S. 1 des Baugesetzbuchs für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB) vom 21. September 2021 (GVBl. vom 6. Oktober 2021, 1175) das gesamte Land Berlin als ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt, § 1 Umwandlungsverordnung. Die Verordnung ist am 7. Oktober 2021 in Kraft getreten, § 3 Abs. 1 Umwandlungsverordnung.
Hingegen hat der erkennende Senat entschieden, dass das Genehmigungserfordernis nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB im Anwendungsbereich des § 878 BGB kein Eintragungshindernis darstellt (Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2021 – 1 W 384/21 – NZM 2022, 109, 110). Ist die dingliche Einigung bindend geworden und der Eintragungsantrag bei dem Grundbuchamt gestellt worden, können danach eintretende Verfügungsbeschränkungen einen Rechtserwerb nicht mehr beeinflussen, § 878 BGB. Bei einer Aufteilung nach § 8 WEG gilt dies entsprechend (BGH, NJW 2017, 1546, 1547; MittBayNot 2020, 385, 387).
Hier hat die Beteiligte den Antrag auf Vollzug ihrer Teilungserklärung vor Inkrafttreten der Umwandlungsverordnung gestellt. Damit waren die Voraussetzungen des § 878 BGB erfüllt. Daran ändert auch der hier angefochtene Beschluss des Grundbuchamts vom 6. Dezember 2021 nichts. Die Schutzwirkung des § 878 BGB endet nur bei rechtmäßiger Zurückweisung des Eintragungsantrags (BGHZ 136, 87, 91). Das ist vorliegend nicht der Fall. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestand aus den oben dargestellten Gründen – noch – kein Anlass für die Zurückweisung.
5. Richtet sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Eintragungsantrags, fällt dem Beschwerdegericht der gesamte Antrag zur Entscheidung an. Stellt sich dessen Vollzugsreife im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde heraus, ist das Grundbuchamt folglich zur antragsgemäßen Eintragung im Grundbuch anzuweisen (OLG Hamm, OLGZ 1978, 304, 306). Stellt das Beschwerdegericht hingegen weitere Hindernisse fest, kommt nur die Anweisung zum Erlass einer Zwischenverfügung in Betracht. So ist es hier.
Die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentumsrechte erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn sie der Eigentümer des Grundstücks bewilligt, § 19 GBO. Soll die Aufteilung aufgrund einer sogenannten Teilungserklärung des Eigentümers erfolgen, § 8 Abs. 1 WEG, gelten die grundbuchrechtlichen Vorschriften bei vertraglicher Begründung von Wohnungs- und Teileigentum entsprechend, §§ 8 Abs. 2, 7 WEG. Der Bewilligung sind deshalb als Anlagen ein Aufteilungsplan und eine Abgeschlossenheitsbescheinigung der Baubehörde beizufügen, § 8 Abs. 2, 7 Abs. 4 S. 1 WEG.
Bei Anlegung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher kann das Grundbuchamt in den Bestandsverzeichnissen zur näheren Bezeichnung des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums auf die Eintragungsbewilligung Bezug nehmen, §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 3 S. 1 WEG. Hatte der teilende Eigentümer seiner Bewilligung als Anlage einen Aufteilungsplan sowie eine Abgeschlossenheitsbescheinigung beigefügt, werden diese von der Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung erfasst und ebenfalls zum Gegenstand der Grundbucheintragung (BGH, MDR 2005, 83).
Die Beteiligte hat in der Teilungserklärung vom 5. März 2021 ausdrücklich auf die beigefügte Abgeschlossenheitsbescheinigung Nr. 2…/4… des Bezirksamts N… von B… vom 15. Juni 2020 sowie die dazu gehörigen 35 Blatt Aufteilungspläne Bezug genommen. Hingegen hat das Bezirksamt N… von B… am 23. Februar 2022 die Ergänzungsbescheinigung Nr. 2…/2… zur vorgenannten Abgeschlossenheitsbescheinigung erlassen und dabei die Ansichten Nr. 5 und 8 der ursprünglichen Aufteilungspläne ausgetauscht. Weder die Ergänzungsbescheinigung noch die dort in Bezug genommenen Pläne werden in der UR-Nr. 1…/2…-NÖ erwähnt. Sie werden von der dort erklärten Bewilligung also nicht erfasst. Das zu ergänzen wird der Beteiligten von dem Grundbuchamt in einer Zwischenverfügung aufzugeben sein. Die Inbezugnahme der Ergänzungsbescheinigung Nr. 2…/2…ist schon deshalb erforderlich, weil in der ursprünglichen Abgeschlossenheitsbescheinigung das Flurstück falsch bezeichnet worden war, was das Grundbuchamt zu Recht beanstandet hatte.
6. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Grundbuchamt nicht gehindert sein wird, die zu erlassende Zwischenverfügung über die vorliegenden Ausführungen hinaus zu erweitern, sollte es noch zusätzliche Eintragungshindernisse erkennen.