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Vorsorgevollmacht – Ausfertigungserteilung bei Widerruf der Vollmacht

LG Wuppertal – Az.: 9 T 132/20 – Beschluss vom 19.10.2020

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 14.08.2020 wird der  Vorbescheid des Notars Dr. U vom 12.08.2020 (URNr. Xxx und   #####/####) aufgehoben.

Der Notar wird angewiesen, den Widerruf vom 03.07.2020 der in den genannten Urkunden zugunsten der Frau M M, ausgesprochenen  Bevollmächtigungen als wirksam zu behandeln.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Geschäftswert wird auf 5000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die im Sommer 1927 geborene Beschwerdeführerin widerrief am 19.07.2019 mit notariell beurkundeter Erklärung eine früher erteilte notarielle Generalvollmacht und erteilte den Eheleuten M und Frank R eine Generalvollmacht mit Einzelvertretungsberechtigung (Urkundenrolle Nr. #####/####). Die Vertretungsberechtigung sollte nur dann bestehen, wenn die bevollmächtigte Person bei der jeweiligen Vertretungshandlung eine auf ihren Namen lautende Ausfertigung der Urkunde vorlegen würde, wobei Ausfertigungen nur erteilt werden sollten, wenn dem Notar durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachgewiesen würde, dass die Beschwerdeführerin geschäftsunfähig sei oder Zweifel an ihrer Geschäftsfähigkeit bestehen würden. Am selben Tag erteilte die Beschwerdeführerin der vorgenannten Frau M sowie einer Frau C unter gleichzeitigem Widerruf einer früheren notariell erteilten Vorsorgevollmacht unter anderem eine solche mit Einzelvertretungsberechtigung (Urkundenrolle Nr. #####/####). Hinsichtlich des Erfordernisses der Vorlage einer Ausfertigung dieser Vollmacht wurde dasselbe geregelt wie in der Urkunde #####/####. Jedoch sollten die Bevollmächtigten sofort eine Ausfertigung zu Händen der Beschwerdeführerin erhalten und sollten die bevollmächtigten Personen auf deren Verlangen jederzeit weitere Ausfertigungen erteilt werden. Eingangs beider Urkunden hieß es, der Notar habe sich durch eingehendes Befragen von der uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin überzeugt. Zeitgleich war der Notar anscheinend mit Entwurf und Beurkundung eines Testaments der Beschwerdeführerin beauftragt, wobei Näheres nicht bekannt ist. Unter dem 08.08.2019 übermittelte der Notar der Beschwerdeführerin je eine Ausfertigung der Vorsorgevollmachten. Mit Schreiben vom 03.07.2020 übersandte der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin dem Notar zur UR-Nr. #####/#### eine Abschrift seines Schreibens an Frau M vom selben Tag, in dem er dieser gegenüber die zur genannten Urkundennummer ausgestellte Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung sowie eine etwaige Generalvollmacht widerrufen habe. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin A attestierte (anscheinend am 05.08.2020) auf der Grundlage einer Untersuchung vom 04.08.2020 das Bestehen eines Verdachtes auf ein dementielles Syndrom. Der Beschwerdeführerin sei nicht erinnerlich, bei einem Notar gewesen zu sein und dort Vollmachten erteilt zu haben. Die Ärztin regte die Einrichtung einer Betreuung an. Unter dem 05.08.2020 attestierte sie: (Frau E) „… erscheint mir nach dem Gespräch am 04.08.2020 nicht geschäftsfähig.“Gestützt hierauf hat das Amtsgericht Langenfeld am 07.08.2020 einen Beschluss erlassen und in diesem unter anderem ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen. Der Notar hat am 12.08.2020 den angefochtenen notariellen Vorbescheid erlassen und angekündigt, „den Widerruf als unwirksam zu behandeln“ und den in den Urkunden genannten Bevollmächtigten Ausfertigungen unter den in der Urkunde genannten Voraussetzungen zu erteilen. Zur Begründung hat der Notar ausgeführt, es bestünden „starke Anhaltspunkte“ dafür, dass der Widerruf unwirksam gewesen sei, weil die Beschwerdeführerin „ggf. dementiell erkrankt und ggf. geschäftsunfähig sei“, und sich auf den Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 07.08.2020 (7 XVII 351/20) bezogen. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin mit anwaltlichem Schreiben vom 14.08.2020 Beschwerde unter Angabe beider Urkundenrollennummern eingelegt. Der in Bezug genommene Beschluss des Amtsgerichts sei ausschließlich auf Betreiben von Personen, die unüberprüfte ärztliche Gefälligkeitsbescheinigungen herbeigeführt hätten, zustandegekommen, nachdem dasselbe Gericht unter dem 05.08.2020 bereits einen Beweisbeschluss zur Überprüfung der Geschäftsfähigkeit erlassen gehabt habe. Der Notar vertrete offensichtlich die Interessen der 2019 bevollmächtigten Personen.Unter dem 20.08.2020 hat der Notar einen Nichtabhilfebescheid erlassen und angekündigt, die Sache dem Landgericht Wuppertal zur Entscheidung vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 18.09.2020 hat die Beschwerdeführerin gegenüber dem Landgericht Stellung genommen und unter anderem ausgeführt, der Notar vertrete allein die Interessen der Frau M. Aus der Betreuungsakte würden sich ersichtlich über Frau M gelenkte Andeutungen einer Geschäftsunfähigkeit ergeben, die noch nicht einmal den Zeitpunkt des in Rede stehenden Widerrufs der Bevollmächtigung erfassen würden. Die Beschwerdeführerin habe ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten am 02.07.2020 (erstmals) aufgesucht. An der Besprechung habe auch der nunmehr bevollmächtigte (Anm.: anscheinend erheblich vorbestrafte) Herr C2 teilgenommen. Die Beschwerdeführerin habe geäußert, Frau M hätte ihr gegenüber sehr deutlich erwartet, dass sie sofort die Kosten für eine teure Wohnungsrenovierung der Frau M übernehmen solle. Die Beschwerdeführerin sei an diesem Tag deutlich orientiert gewesen, habe sachgerecht auf Nachfragen reagiert und ihren Willen glasklar zum Ausdruck bringen können. Sie habe Weisung gegeben, die Vollmacht für Frau M zu widerrufen und unter anderem, eine Änderung testamentarischer Anordnungen vorzubereiten. Die von dem Notar vertretene Frau M sei nunmehr im Besitz der Sparbücher der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin beantragt,

1. den Beschluss des Notars U zu Urkundenrolle Nr. #####/####  vom 12.08.2020 aufzuheben;

2. dem beteiligten Notar U die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

II.

Die Beschwerde der Betroffenen ist auslegungsbedürftig, aber auch auslegungsfähig. Während der formulierte Beschwerdeantrag vom Wortlaut her allein die Urkunde #####/#### erfasst, waren in der Beschwerdeschrift vom 14.08.2020 beide Urkundennummern aufgeführt worden. Da zudem in dem angefochtenen Vorbescheid seitens des Notars angekündigt worden war, den in den beiden Urkunden #####/#### und #####/#### genannten Bevollmächtigten Ausfertigungen unter den in der betreffenden Urkunde genannten Voraussetzungen zu erteilen, ist davon auszugehen, dass die Beschwerde – nach wie vor – beide Urkunden anbelangt. Andererseits betrifft die Beschwerde nur die bevollmächtigte Frau M, da nur die dieser erteilte Vorsorge- und Generalvollmacht widerrufen worden sein soll. Die so verstandene Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Notar verweigert zu Unrecht die Beachtung des Vollmachtswiderrufs und kündigt unberechtigt an, den in den Urkunden #####/#### und #####/#### genannten Bevollmächtigten Ausfertigungen unter den in den Urkunden genannten Voraussetzungen zu erteilen.

1.

Nach § 15 I 1, II 1 BNotO darf der Notar seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Gegen die Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Tätigkeit des Notars findet die Beschwerde statt. Dass vorliegend im Vordergrund nicht eine Verweigerung des Notars steht, tätig zu werden, sondern seine Ankündigung, die Urkunde #####/#### weiter zu vollziehen, ist unschädlich. Zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken ist § 15 II BNotO so zu verstehen, dass der Notar im Wege der Beschwerde auch auf ein Unterlassen in Anspruch genommen, d. h. daran gehindert werden kann, eine Amtshandlung vorzunehmen. Denn Amtspflicht des Notars ist es nicht nur, eine gebotene Amtshandlung vorzunehmen, sondern auch, eine nicht zulässige, die pflichtwidrig wäre, zu unterlassen (Sandkühler in: Arndt und andere, Bundesnotarordnung, 7. Aufl., § 15, Rn. 95 mit weiteren Nachweisen; BeckOK BNotO/Sander, 3. Ed. 1.8.2020, BNotO § 15  Rn. 113).

2.

Die Beschwerdeführerin hat unter dem 03.07.2020 den Widerruf der verfahrensgegenständlichen Vollmachten erklärt und den Notar gebeten, „gegenüber der Zentralstelle … zu informieren. „Diesen Widerruf zu beachten, wurde Amtspflicht des Notars. Die Befolgung des Willens der Beteiligten ist nämlich grundsätzlich Amtspflicht eines Notars (BGH, VI ZR 229/80, juris; Sandkühler, a.a.O., § 19, Rdn. 50 und 87).Hiervon könnte der Notar im gegebenen Zusammenhang allenfalls (BGH, V ZB 119/18, juris: „Nur der … auf eine Evidenzkontrolle beschränkte Prüfungsmaßstab trägt der Aufgabenverteilung zwischen dem Notar und den Zivilgerichten hinreichend Rechnung.“) dann befreit sein, wenn die Beschwerdeführerin nach seiner Überzeugung bei Abgabe der unter dem 03.07.2020 getätigten Erklärungen geschäftsunfähig gewesen wäre. Denn nach § 11 I 1 und 2 BeurkG hat der Notar eine gewünschte Beurkundung abzulehnen, wenn nach seiner Überzeugung einem der Beteiligten die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt. Bestehen dagegen nur Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, hat der Notar diese in der Urkunde festzustellen. In Zweifelsfällen muss der Notar bemüht sein, selbst Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit zu treffen (Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 6. Aufl., II 366 – 367; Winkler, Beurkundungsgesetz, 19. Aufl., § 11, Rn. 3 ff.). Dabei ist grundsätzlich von der Geschäftsfähigkeit auszugehen. Nachforschungen zur Geschäftsfähigkeit sind jedoch erforderlich, wenn der Notar Anhaltspunkte für die zumindest eingeschränkte Geschäftsfähigkeit des Beteiligten hat. Dabei berührt die Betreuung als solche die Geschäftsfähigkeit nicht. Den Umfang seiner Ermittlungen zur Überprüfung der Geschäftsfähigkeit bestimmt der Notar nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Er darf sich auch bei Urkundsbeteiligten hohen Alters zunächst auf eine normale Unterredung mit diesen beschränken, kann jedoch zu weiteren Nachforschungen im Einzelfall verpflichtet sein (Winkler, a.a.O., Rn. 3, 4 und 8).Vorliegend hat sich der Notar hinreichender Nachforschungen zur Frage der Geschäftsfähigkeit enthalten und schon deshalb pflichtwidrig gehandelt. Denn er hat sich nicht einmal durch ein persönliches Gespräch mit der Beschwerdeführerin hinsichtlich deren Geschäftsfähigkeit ein eigenes Bild gemacht. Irgendein Attest einer Allgemeinmedizinerin, in der diese – gerade nicht die Diagnose, sondern – den bloßen Verdacht auf das Vorliegen einer Demenz geäußert hat, enthob ihn von dieser Verpflichtung jedenfalls nicht. Darüber hinaus hatte und hat der Notar auch nur Zweifel hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Er ist nicht vom Fehlen der Geschäftsfähigkeit überzeugt. Das ergibt sich aus dem Inhalt seines Vorbescheides. Denn dort ist davon die Rede, es bestünden „starke Anhaltspunkte“ dafür, dass der Widerruf unwirksam sei, da die Beschwerdeführerin „ggf. dementiell erkrankt und ggf. geschäftsunfähig“ sei. Es spreche nach seiner Auffassung „mehr dafür“, dass die erteilten Vollmachten noch gültig seien. Bloße Zweifel an der Geschäftsfähigkeit berechtigen den Notar jedoch nicht, seine Amtstätigkeit zu verweigern.

III.

Es entspricht billigem Ermessen, dass eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht angeordnet wird; § 15 II 3 BNotO i.V.m. § 81 I 1 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 I 1 i.V.m. § 36 I GNotKG.

IV.

Gemäß § 70 II FamFG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Soweit ersichtlich, ist zur verfahrensgegenständlichen Frage noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von 1 Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht, dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten und von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

 

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