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Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB

Ehegatten-Zustimmung und Grundbuchamt: Ein kritischer Blick auf die Anforderungen des § 1365 Abs. 1 BGB

In einer jüngsten Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken wurde die Rolle des Grundbuchamts im Kontext der Ehegatten-Zustimmung nach § 1365 Abs. 1 BGB beleuchtet. Der Fall drehte sich um eine Frau, die eine Grundschuld eintragen lassen wollte. Das Grundbuchamt verlangte jedoch die Zustimmung ihres Ehepartners, da es davon ausging, dass die Frau über ihr „wesentliches Vermögen“ verfügte. Das Hauptproblem lag darin, ob das Grundbuchamt berechtigt oder sogar verpflichtet ist, eine solche Zustimmung oder den Nachweis weiteren Vermögens zu verlangen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: Az.: 5 W 87/22 >>>

Die Rolle des Grundbuchamts

Das Grundbuchamt hatte die Eintragung der Grundschuld von der Vorlage einer Zustimmungserklärung des Ehemannes oder dem Nachweis weiteren Vermögens abhängig gemacht. Die Antragstellerin legte Beschwerde ein, und das Gericht stellte fest, dass das Grundbuchamt den Eintragungsantrag nicht hätte ablehnen dürfen. Das Gericht betonte, dass konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben sein müssen, damit das Grundbuchamt eine solche Zustimmung oder einen Nachweis verlangen kann.

Was sagt § 1365 Abs. 1 BGB?

Nach § 1365 Abs. 1 BGB kann ein im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten über sein Vermögen im Ganzen verfügen. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass diese Zustimmung nur dann erforderlich ist, wenn der Vertragspartner positiv weiß, dass es sich bei dem in Frage stehenden Gegenstand um das ganze oder nahezu ganze Vermögen des Ehegatten handelt.

Keine Pflicht zur „vorbeugenden“ Anforderung

Das Gericht stellte klar, dass bloße Zweifel oder abstrakte Vermutungen hinsichtlich des Umfangs des Vermögens und/oder der Kenntnis des Vertragspartners kein Recht und keine Pflicht des Grundbuchamts begründen, von Amts wegen Nachforschungen anzustellen oder eine „vorbeugende“ Zustimmung des Ehegatten zu verlangen.

Fazit: Ein Sieg für die freie Verfügungsbefugnis

In diesem Fall hat das Gericht die freie Verfügungsbefugnis des Ehegatten gestärkt und klargestellt, dass das Grundbuchamt nicht einfach von einer Zustimmungsbedürftigkeit nach § 1365 Abs. 1 BGB ausgehen kann. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, und diese waren im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das Urteil ist daher ein wichtiger Schritt zur Klärung der Rolle des Grundbuchamts und der Anforderungen, die an die Zustimmung des Ehegatten im Rahmen von Grundstücksgeschäften gestellt werden.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 87/22 – Beschluss vom 25.01.2023

Leitsatz

Nur wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben sind, darf das Grundbuchamt die Zustimmung des anderen Ehegatten oder den Nachweis weiteren Vermögens verlangen. Demgegenüber begründen bloße Zweifel oder abstrakte Vermutungen hinsichtlich des Umfanges des Vermögens und/oder der Kenntnis des Vertragspartners kein Recht und keine Pflicht des Grundbuchamtes zu Nachforschungen von Amts wegen oder zur „vorbeugenden“ Anforderung einer Zustimmung des Ehegatten.(Rn.10)

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Saarbrücken vom 5. August 2022 –N.- xxxx-2 – wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist als Eigentümerin des unbebauten Grundstücks Flur …, Nr. …/1 in das Grundbuch von N. eingetragen. Sie ist im gesetzlichen Güterstand mit Herrn M. verheiratet. Durch notarielle Urkunde vom 6. Juli 2022 des Notariats J. und B. (Urk-Nr. xxx) bestellte die Antragstellerin zur Absicherung eines Darlehens eine Grundschuld nebst Übernahme der persönlichen Haftung in Höhe von 74.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 12 v.H. jährlich zugunsten der S. Saarbrücken.

Mit Antrag vom 7. Juli 2022 begehrte die Antragstellerin u.a. die Eintragung des Grundpfandrechts in das Grundbuch. Das Grundbuchamt ermittelte den Wert des Grundstücks anhand des Bodenrichtwerts mit ca. 58.045 EUR. Da nach den Ermittlungen des Grundbuchamtes im Grundbuch des Saarlandes kein weiteres Grundeigentum der Antragstellerin eingetragen ist, ging das Grundbuchamt davon aus, dass die Antragstellerin über ihr wesentliches Vermögen verfüge und die Grundschuldbestellung daher einer Genehmigung des Ehegatten bedürfe. Mit Verfügung vom 28. Juli 2022 sowie angegangener Zwischenverfügung vom 5. August 2022 wurde die Eintragung der Grundschuld daher von der Vorlage einer Einwilligungserklärung des Ehemannes oder der Erklärung abhängig gemacht, dass die Antragstellerin über weiteres Vermögen verfüge.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat dagegen mit Schriftsatz vom 7. September 2022 (Bl. 23 d.A.) bei dem Grundbuchamt Beschwerde eingelegt.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1.

Das Saarländische Oberlandesgericht ist gemäß § 72 GBO für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Die Beschwerde gegen eine auf den Eintragungsantrag hin ergangene Zwischenverfügung ist zulässig (§§ 71 Abs. 1, 18 Abs. 1 GBO). Die Beschwerde ist im Namen der Antragstellerin eingelegt. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet allein das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis, auf das sich die angefochtene Verfügung bezieht.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das in der angefochtenen Zwischenverfügung vom Amtsgericht Saarbrücken – Grundbuchamt – angenommene Eintragungshindernis besteht nicht. Das Grundbuchamt durfte deshalb den Eintragungsantrag der Antragstellerin nicht aus den Gründen der aufgehobenen Zwischenverfügung ablehnen.

a)

Nach dem im Grundbuchverfahren geltenden formellen Konsensprinzip (§ 19 GBO) erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Andererseits darf das Grundbuchamt nicht bewusst dabei mitwirken, das Grundbuch unrichtig zu machen. Wenn es auf Grund feststehender Tatsachen weiß, dass durch die bewilligte Eintragung das Grundbuch unrichtig würde, darf es die Eintragung nicht vornehmen. Da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsbefugnis von der Befugnis zur sachenrechtlichen Verfügung über das Recht bzw. über das Eigentum ableitet (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 19 Rn. 56), hat das Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen, ob der Bewilligende Verfügungsbeschränkungen unterliegt (BGH, Beschluss vom 28. April 1961 – V ZB 17/60, NJW 1961, 1301). Eine solche Beschränkung enthält die Vorschrift des § 1365 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1963 – V ZR 56/62, BGHZ 40, 218). In derartigen Fällen kommt es also trotz § 19 GBO ausnahmsweise zu einem Durchgriff auf das materielle Recht.

b)

Nach § 1365 Abs. 1 BGB kann sich ein im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen; hat er sich ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet, so kann er diese Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt. Zustimmungsbedürftig sind nicht nur Rechtsgeschäfte über das Gesamtvermögen als solches. Vielmehr können auch Rechtsgeschäfte über einen einzelnen Gegenstand § 1365 BGB unterfallen, wenn dieser Gegenstand das ganze oder nahezu das ganze Vermögen ausmacht. Letzteres ist bei größeren Vermögen in der Regel anzunehmen, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von weniger als 10% seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2013 – V ZB 15/12, MDR 2013, 701; Urteil vom 7. Oktober 2011 – V ZR 78/11, DNotZ 2012, 195; BGH, Urteil vom 13. März 1991 – XII ZR 79/90, NJW 1991, 1739; Senat, Beschluss vom 1. August 2017 – 5 W 58/17). Bei kleineren Vermögen (ca. bis 250.000 EUR) ist der Tatbestand des § 1365 BGB grundsätzlich nicht erfüllt, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von 15 % seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben (BGH, Urteil vom 16. Januar 2013 – XII ZR 141/10, BGHZ 196, 95-101; Senat, a.a.O; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 33 Rn. 8). Weitere Voraussetzung für die Zustimmungsbedürftigkeit ist, dass der Vertragspartner positiv weiß, dass es sich bei dem in Frage stehenden Gegenstand um das ganze oder nahezu ganze Vermögen des Ehegatten handelt, oder wenn der Erwerber zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich dies ergibt (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2013 – V ZB 15/12, MDR 2013, 701; BGH, Urteil vom 25. Juni 1993 – V ZR 7/92, BGHZ 123, 93-96; BGH, Urteil vom 26. Februar 1965 – V ZR 227/62, BGHZ 43, 174; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Februar 2017 – 20 W 320/16).

c)

Da das Zustimmungserfordernis eine Ausnahme von der freien Verfügungsbefugnis des Ehegatten (§ 1364 BGB) darstellt, kann das Grundbuchamt grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsgeschäft über ein Grundstück auch bei im gesetzlichen Güterstand lebenden Eheleuten nicht eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen darstellt, dass also der Ausnahmefall des § 1365 Abs. 1 BGB nicht vorliegt. In solchen Fällen ist von der (Allein-) Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers auszugehen, es sei denn, das Grundbuchamt hat Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB – dass also die in Rede stehende Verfügung und die darauf bezogene Bewilligung sich auf das gesamte Vermögen beziehen, und dass der andere Teil hiervon zum maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hat – oder aus den Eintragungsunterlagen oder aufgrund bekannter bzw. nach der Lebenserfahrung naheliegender Umstände besteht begründeter Anlass zu einer solchen Annahme. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte sowohl für das Vorliegen des objektiven als auch für das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben sind, darf das Grundbuchamt die Zustimmung des anderen Ehegatten oder den Nachweis weiteren Vermögens verlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2013 – V ZB 15/12, MDR 2013, 701; Beschluss vom 28. April 1961 – V ZB 17/60, NJW 1961, 1301; Senat, Beschluss vom 1. August 2017 – 5 W 58/17; BayObLGZ 67, 87, 90 f.; BayOblG, MittBayNot 2000, 439; OLG Celle, NJW-RR 2000, 384; OLG Zweibrücken, FGPrax 2003, 249; OLG Schleswig, MittBayNot 2006, 38).

Demgegenüber begründen bloße Zweifel oder abstrakte Vermutungen hinsichtlich des Umfangs des Vermögens und/oder der Kenntnis des Vertragspartners kein Recht und keine Pflicht des Grundbuchamts zu Nachforschungen von Amts wegen oder zur „vorbeugenden“ Anforderung einer Zustimmung des Ehegatten (vgl. Kössinger in Baur/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 19 Rn. 190).

d)

Solche konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 1365 Abs. 1 BGB, auf Grund derer das Grundbuchamt von der Antragstellerin durch Zwischenverfügung die Vorlage einer Genehmigung des Ehegatten oder einen Nachweis über weiteres Vermögen in der Form des § 29 GBO fordern durfte, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Weder die dem Grundbuchamt vorgelegte notarielle Urkunde über die Grundbuchbestellung vom 6. Juli 2022 noch sonstige Umstände gaben begründeten Anlass, die Verfügungsbefugnis der Antragstellerin in Zweifel zu ziehen und von Amts wegen Nachforschungen über weiteren Grundbesitz im Saarland anzustellen.

Der vorgelegten notariellen Urkunde lassen sich Anhaltspunkte für das Vorliegen der – objektiven und subjektiven – Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB nicht entnehmen. Vielmehr beruhen die von dem Grundbuchamt geäußerten Zweifel auf den Ergebnissen der von dort angestellten Ermittlungen. Insoweit hat das Grundbuchamt auf Basis des Bodenrichtwertes den Wert des nicht bebauten Grundstücks mit ca. 58.045 EUR ermittelt und ist danach zu der Auffassung gelangt, die Belastung mit dem Grundpfandrecht über 74.000 EUR übersteige den Verkehrswert des Grundstücks. Dies ist für sich genommen allerdings nicht geeignet, Zweifel an der Verfügungsbefugnis der Antragstellerin zu begründen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man das Ergebnis der – hier nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht gebotenen (vgl. Kössinger in Baur/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 19 Rn. 190; Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl., § 18 Rn. 9; Köther, der Umfang der Prüfungspflicht im Grundbuchrecht, S. 98 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Juli 1971 – 15a W 108/71; DNotZ 1972, 97 f.; Kleist, MittRhNotK 1985, 133) – weiteren Ermittlungen des Grundbuchamtes hinzunimmt, wonach auf die Antragstellerin im Saarland kein weiterer Grundbesitz eingetragen war.

Diese Umstände sind schon nicht geeignet, die Annahme zu begründen, die Antragstellerin verfüge über ihr Vermögen im Ganzen. Die gegenteilige Annahme des Grundbuchamtes lässt insbesondere außer Acht, dass die Antragstellerin über weiteres Vermögen in Form von Sparvermögen, Grundstücken außerhalb des Saarlandes oder sonstigen Vermögenswerten verfügen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin kein weiteres Vermögen in ausreichender Höhe besitzt, sind nicht ersichtlich; sie sind insbesondere auch nicht nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben.

Waren mithin schon keine Anhaltspunkte für das Vorliegen des objektiven Tatbestandes des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben, kommt es nicht mehr darauf an, ob das Grundbuchamt vorliegend von den Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes des § 1365 Abs. 1 BGB ausgehen durfte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 21. Februar 2013 – V ZB 15/12, MDR 2013, 701; BGH, Urteil vom 25. Juni 1993 – V ZR 7/92, BGHZ 123, 93-96; BGH, Urteil vom 26. Februar 1965 – V ZR 227/62 –, BGHZ 43, 174-178), insbesondere ob auch ohne konkrete Anhaltspunkte generell angenommen werden kann, dass die Bank als Kreditgeberin stets umfassende Kenntnis von den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers – hier der Antragstellerin – haben müsse.

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 22 und 25 GNotKG).

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