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Vorlage eines Erbscheins für Grundbuchberichtigung trotz notariellen Testaments

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 215/17 – Beschluss vom 08.01.2018

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.000 EURO.

Gründe

I.

Als Eigentümer des Eingangs bezeichneten Grundbesitzes ist im Grundbuch noch eingetragen der am XX. August 2016 verstorbene Ehemann der Antragstellerin A (im Folgenden: Erblasser).

Die Antragstellerin beantragte am 2. September 2016 ihre Eintragung als neue Eigentümerin unter Bezugnahme auf das von ihr gemeinsam mit dem Erblasser am 13. Februar 2012 errichtete notarielle Testament (UR-Nr. …/12 des Notars B in Stadt1). In diesem Testament, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hatte der Erblasser die Antragstellerin zu seiner nicht befreiten Vorerbin und die Töchter C und D sowie die Enkelkinder E und F zu Nacherben zu gleichen Teilen bestimmt.

Die Nachlassabteilung des Amtsgerichts Stadt1 übersandte dem Grundbuchamt des Amtsgerichts Darmstadt am 29. September 2016 zur Kenntnis die beglaubigte Abschrift eines Protokolls, wonach die Tochter C unter diesem Datum gegenüber diesem Nachlassgericht erklärt hatte, erst durch das bei ihr am 27. August 2016 eingegangene gerichtliche Schreiben Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erlangt zu haben und die durch das notarielle Testament angefallene Nacherbschaft auszuschlagen, weil sie den Pflichtteil geltend machen wolle.

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes beanstandete mit Zwischenverfügung vom 11. Juli 2017, zum Nachweis der Erbfolge sei ein Erbschein vorzulegen. Der beigezogenen Nachlassakte des Amtsgerichts Stadt1 sei lediglich die Niederschrift über die Ausschlagungserklärung zu entnehmen, die jedoch nicht den Beweis der Wirksamkeit der Ausschlagung erbringe. Hierfür sei ein Erbschein unbedingt erforderlich.

Gegen diese Zwischenverfügung legte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 25. Juli 2017, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beschwerde ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Grundbuchamt habe in eigener Verantwortung zu prüfen, ob die Ausschlagung der Nacherbschaft durch die Tochter des Erblassers form- und fristgerecht erfolgt sei und wer auf der Grundlage dieser Ausschlagung als Nacherbe in den von Amts wegen einzutragenden Nacherbenvermerk aufzunehmen sei. Der von der Tochter geltend gemachte Pflichtteilsanspruch könne nur durch die neue Valutierung der bereits im Grundbuch vorhandenen Grundschulden finanziert werden, weshalb Eile geboten sei.

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28. Juli 2017, auf dessen Inhalt verwiesen wird, nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt.

Der Verfahrensbevollmächtigte hat mit weiteren Schriftsätzen vom 14. August 2017 und 18. November 2017, auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird, weiter geltend gemacht, im vorliegenden Fall könne das Grundbuchamt sofort und eindeutig anhand der Nachlassakten feststellen, dass die schon vor Eintritt des Nacherbfalles mögliche Ausschlagung der Nacherbschaft durch die Tochter kurz nach dem Tod des Erblassers form- und fristgerecht erfolgt sei. Im Übrigen sei der Nacherbenvermerk von Amts wegen unabhängig von diesbezüglichen Anträgen, Anregungen oder Rechtsauffassungen einzutragen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin, über die nach der erfolgten Nichtabhilfe durch den Grundbuchrechtspfleger gemäß §§ 72, 75 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig.

In der Sache führt die Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg, weil die Grundbuchrechtspflegerin für die beantragte Grundbuchberichtigung auf Grund der eingetretenen Rechtsnachfolge zu Recht die Vorlage eines Erbscheines verlangt hat.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO die Vorlage dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift. Dabei ist das Grundbuchamt im Rahmen der inhaltlichen Überprüfung der notariell beurkundeten letztwilligen Verfügung gegebenenfalls auch selbst zu deren Auslegung unter Heranziehung des Urkundeninhalts, allgemein bekannter oder offenkundiger Tatsachen, sonstiger ihm vorliegender öffentlicher Urkunden und der gesetzlichen Auslegungsregeln verpflichtet und hat hierbei gegebenenfalls auch selbst schwierige Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. OLG Hamm Rpfleger 2013, 23 ; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; Demharter, a.a.O., § 35 Rn. 42 m.w.N.). Einen Erbschein kann das Grundbuchamt bei Vorliegen von in öffentlichen Urkunden errichteten Verfügungen von Todes wegen ausnahmsweise lediglich dann fordern, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts begründete konkrete Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können, denn zu solchen Ermittlungen ist das Grundbuchamt im Unterschied zum Nachlassgericht nicht befugt (vgl. BayObLG Rpfleger 2000, 266 ; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; Demharter, a.a.O., § 35 Rn. 39; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 788; Bauer/vonOefele/Schaub, Grundbuchordnung, 3. Aufl., § 35 Rn. 126/127). Somit ist das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins nur dann gerechtfertigt, wenn bei der Auslegung des Inhalts von notariellen letztwilligen Verfügungen sich Bedenken ergeben, die nicht oder nicht nur im Wege der Anwendung des Gesetzes auf die Verfügung, sondern nur durch die Anstellung besonderer – außerhalb der letztwilligen Verfügung liegender – Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder über tatsächliche Verhältnisse ausgeräumt werden können (vgl. Senat FamRZ 2012, 1591; Meikel/Krause, Grundbuchrecht, 11. Aufl., § 35 Rn. 117).

Dies ist hier der Fall. Die im Wege der Berichtigung in das Grundbuch einzutragende Erbfolge beruht vorliegend inhaltlich gerade nicht nur auf dem in der notariellen Urkunde enthaltenen Ehegattentestament vom 13. Februar 2012. Nach § 51 GBO ist bei der Eintragung eines Vorerben in das Grundbuch zugleich das Recht des oder der Nacherben einzutragen, wozu auch die Angabe sämtlicher Nacherben gehört (vgl. Demharter, a.a.O., § 51 Rn. 17; KEHE-Munzig, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 51 Rn. 10/11). Vorliegend sollen als Nacherben aber nicht sämtliche in dem notariellen Testament vom 13. Februar 2012 für den hier eingetretenen Fall des Vorversterbens des Ehemannes bestimmten Nacherben eingetragen werden, sondern es ist zusätzlich auch der mögliche Wegfall der Nacherbin C auf Grund einer von dieser Nacherbin erklärten Erbausschlagung zu berücksichtigen.

In diesem Zusammenhang wurde zwar in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg (ZEV 2009, 577 = FamRZ 2010, 1373) die Auffassung vertreten, die Vorlage eines Erbscheines sei nicht nötig, soweit das Grundbuchamt das Vorliegen einer form- und fristgerechten Ausschlagungserklärung als offenkundige oder aktenkundige Tatsache selbst anhand vorgelegter öffentlicher Urkunden oder beigezogener Nachlassakten feststellen könne.

Zugleich ist zu dieser Problematik aber auch anerkannt, dass trotz Vorliegens eines notariellen Testamentes jedenfalls dann ein Erbschein, der gemäß § 352 b Abs. 1 Satz 1 FamFG stets auch die Person des oder der Nacherben ausweist, zu verlangen ist, wenn weitere Ermittlungen dazu erforderlich sind, ob eine zu berücksichtigende Erbausschlagung wirksam erklärt wurde (vgl. OLG München ZEV 2016, 532 ; OLG Hamm Rpfleger 2017, 539 Wilsch in Beck-OK GBO, Stand 1.10.2017, § 35 Rn. 123 c und 123 d; Böhringer ZEV 2017, 68/70; Böttcher, ZEV 2009, 579/580; Spieker, Notar 2017, 6).

Letzteres ist nach Auffassung des Senates in aller Regel und so auch hier der Fall. Zwar handelt es sich bei der nach § 1945 Abs. 1 BGB zur Niederschrift des Rechtspflegers des Nachlassgerichts erklärten Ausschlagung um eine öffentlich beglaubigte Urkunde. Auch mag die Feststellung der Wahrung der Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB in Bezug auf Einhaltung der Frist von 6 Wochen im vorliegenden Fall keine Probleme bereiten, weil die Ausschlagungsfrist von 6 Wochen im Falle der Ausschlagung der Nacherbschaft erst mit der Kenntnis vom Eintritt des Nacherbfalls beginnt, wobei die Erklärung der Ausschlagung nach § 2142 Abs. 1 BGB bereits vor Eintritt des Nacherbfalles erfolgen kann (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl., § 1944 Rn. 6; Staudinger/Avenarius, BGB, Neubearb. 2013, § 2142 BGB Rn. 1 und 2).

Allein aus dem Umstand, dass die Ausschlagungserklärung in der Form des § 1945 BGB und innerhalb der 6-Wochen-Frist des § 1944 Abs. 1 und 2 BGB erklärt wurde, folgt jedoch noch nicht, dass die Erbausschlagung Wirksamkeit erlangt hat. So ergibt sich unabhängig von der Fristenregelung des § 1944 BGB aus § 1943 BGB, dass der Erbe die Erbschaft nicht mehr ausschlagen kann, wenn er sie angenommen hat. Diese Regelung gilt auch für den Nacherben, wobei nach ganz herrschender Auffassung, der auch der Senat folgt, anerkannt ist, dass der Nacherbe die Nacherbschaft sobald der Erbfall eingetreten ist und schon vor Eintritt des Nacherbfalles annehmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 1962, 538; Staudinger/Avenarius, BGB, a.a.O., § 2142 BGB RN. 14; Palandt/Weidlich, BGB, a.a.O., § 2142 Rn. 6). Die Annahme der Erbschaft bzw. Nacherbschaft bedarf im Unterschied zur Erbausschlagung keiner besonderen Form, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, a.a.O., § 1943 Rn. 1 und Staudinger/Avenarius, BGB, a.a.O., § 2142 BGB Rn. 14 jeweils m.w.N.). Hieraus folgt, dass der für die Grundbuchberichtigung nach Eintritt des Erbfalls notwendige Nachweis der Erbfolge, der sich bei der hier gegebenen Anordnung von Vor- und Nacherbschaft auch auf die in das Grundbuch einzutragenden Personen der Nacherben zu erstrecken hat, sich insoweit gerade nicht auf die Einhaltung von Form und Frist einer zu berücksichtigenden Erbausschlagung beschränkt, sondern auch die Wirksamkeit dieser Ausschlagung erfasst, die aus den dargelegten Gründen hier nicht in der grundbuchmäßigen Form des § 29 Abs. 1 GBO erfolgen kann.

Das Grundbuchamt hat mit der Zwischenverfügung deshalb zu Recht die Vorlage eines Erbscheins gefordert.

Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 78 GBO). Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben (Keidel/ Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl., § 70 Rn. 41).

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