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Vorkaufsrechtslöschung eines ausgeschiedenen Miteigentümers

KG Berlin – Az.: 1 W 1006/15 – Beschluss vom 19.04.2016

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, das in Abt. II lfd. Nr. 7 des Grundbuchs eingetragene Vorkaufsrecht zu löschen und darüber hinaus die übrigen Anträge vom 26. Mai 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Gründe

I.

Der ursprüngliche Alleineigentümer des im Beschlusseingang bezeichneten Grundstücks ließ am 26. November 1947 zu Nr. 4… /1… des Notariatsregisters des Notars J… T… in B… einen hälftigen Miteigentumsanteil an P… B… und G… B… zu je gleichen Rechten auf. Die Erwerber wurden am 21. Januar 1948 zu je ¼ Anteil im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.

Alle Miteigentümer räumten sich am 30. April 1948 zu Nr. 2… /1… des Notariatsregisters des Notars H… H… in B… gegenseitig Vorkaufsrechte “für alle Verkaufsfälle ein, welche während unserer Besitzzeit und der aller unserer Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks eintreten”. In Abt. II lfd. Nr. 5 bis 7 wurden am 22. Juni 1948 entsprechende Vorkaufsrechte eingetragen, unter lfd. Nr. 7 ein solches für den ursprünglichen Alleineigentümer lastend auf den ideellen Miteigentumsanteilen der übrigen beiden Miteigentümer.

G… B… verstarb am 20. Oktober 1950 und wurde von P… B… als Alleinerbe beerbt. Dieser erwarb am 17. August 1951 von dem ursprünglichen Alleineigentümer den diesem verbliebenen hälftigen Miteigentumsanteil zu Nr. 1… /1… des Notariatsregisters des Notars H… H… in B… . P… B… wurde am 29. März 1952 als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen.

Durch nachfolgende Erbgänge erfolgte schließlich am 25. Juli 2014 die Eintragung des Beteiligten als Eigentümer.

Am 26. Mai 2015 hat der Beteiligte die Löschung der drei in Abt. II lfd. Nr. 5 bis 7 eingetragenen Vorkaufsrechte sowie von zwei zu Gunsten von P… B… eingetragenen Aufbaugrundschulden bewilligt und beantragt, UR-NR. 3… /2… des Notars W… S… in B… . Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 22. Juni 2015 u.a. darauf hingewiesen, dass zur Löschung der Belastung Abt. II lfd. Nr. 7 die Bewilligung des Berechtigten bzw. seiner Rechtsnachfolger/Erben erforderlich sei. Mit Beschluss vom 18. August 2015 hat es die Anträge zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 14. Oktober 2015, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und hat in der Sache Erfolg. Zur Löschung des in Abt. II lfd. Nr. 7 eingetragenen Vorkaufsrechts bedarf es keiner Bewilligung des Berechtigten bzw. seiner Erben, § 19 GBO, weil die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist, § 22 Abs. 1 GBO.

a) Allerdings sind nach allgemeiner und vom Senat in ständiger Rechtsprechung geteilter Ansicht an die Führung des Unrichtigkeitsnachweises strenge Anforderungen zu stellen; ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit reicht nicht. Der Antragsteller muss sämtliche Umstände nachweisen, welche die Grundbuchunrichtigkeit begründen, und zudem lückenlos alle nicht ganz entfernt liegenden Möglichkeiten ausräumen, die der Richtigkeit der begehrten neuen Eintragung entgegenstehen können (Senat, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 1 W 557/03 – KG-Report 2004, 544).

Das ist vorliegend geschehen. Die Unrichtigkeit der Eintragung in Abt. II lfd. Nr. 7 folgt aus dem Grundbuch selbst sowie den bei den Grundakten befindlichen öffentlichen Urkunden.

b) Die von dem Grundbuchamt vorgenommene Auslegung der Eintragungsbewilligung, es sei lediglich ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle bestellt, dessen Berechtigter der ursprüngliche Alleineigentümer und dessen Erben seien, greift zu kurz. Dabei ist es im Ausgang nicht zu beanstanden, dass das Grundbuchamt zur näheren Bestimmung des Inhalts des Vorkaufsrechts auf die Eintragungsbewilligung abgestellt hat, § 874 BGB.

Durch eine zulässige Bezugnahme im Eintragungsvermerk wird die Bewilligung selbst zum Inhalt des Grundbuchs (BGH, NJW-RR 2015, 208, 209). Ist aber eine Bezugnahme unzulässig und geht der der Eintragungsvermerk über die Einigung hinaus, entsteht das Recht nur insoweit, wie sich Einigung und Eintragung decken (BGH, NJW-RR 2011, 882, 883).

aa) In Abt. II lfd. Nr. 7 ist ausdrücklich ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den ursprünglichen Alleineigentümer, mithin ein vom Regelfall eines Vorkaufsrechts für nur einen Verkaufsfall, vgl. § 1097 HS 1 BGB, abweichendes subjektiv-persönliches Recht (hierzu Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 1401) eingetragen. Auch in der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung wird ein solches Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle ausdrücklich angesprochen, allerdings mit bestimmten Einschränkungen: nur solche Verkaufsfälle sollten dem Vorkaufsrecht unterfallen, “welche während unserer Besitzzeit und der aller unserer Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks eintreten”. Das Grundbuchamt hat hieraus die Vererblichkeit des Vorkaufsrechts hergeleitet, was für sich nicht zu beanstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1962 – V ZR 123/60 -, juris).

bb) Verkannt hat das Grundbuchamt aber den unmittelbaren Bezug dieses Nebensatzes auf die im voranstehenden Hauptsatz geregelten Verkaufsfälle (“alle Verkaufsfälle …, welche …”) und das mit dem Begriff “Besitzzeit” verbundene zeitliche Element. Diese Regelungen können nur so verstanden werden, dass die gegenseitig eingeräumten Vorkaufsrechte nicht für alle Zeiten bestehen sollten, sondern nur so lange, wie der jeweils Berechtigte – oder seine Rechtsnachfolger – selbst noch Miteigentum besaß. Durch eine solche Regelung schützen sich Miteigentümer typischerweise vor einem nicht von allen gewünschten Eindringen Dritter in die Gemeinschaft (vgl. Schermaier, in: Staudinger, BGB, 2009, § 1095, Rdn. 7; Westermann, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 1095, Rdn. 3; Alpmann, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1095 BGB, Rdn. 6).

Ob die Vorkaufsrechte damit unter einer (auflösenden) Bedingung standen oder nicht vielmehr nur die Vorkaufsfälle näher konkretisiert wurden, kann dahinstehen. Allerdings wäre im ersten Fall nach weit verbreiteter Meinung allein eine Bezugnahme im Eintragungsvermerk nicht ausreichend gewesen. Vielmehr muss die Tatsache, dass ein Recht befristet oder bedingt ist, als solche aus dem Grundbuch selbst ersichtlich sein, weil die Befristung oder Bedingung nicht zum Inhalt des Rechts gehört (OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2012 – 34 Wx 115/12 – juris; OLG Hamm, FGPrax 2011, 10, 11; Beschluss vom 10. August 2011 – 15 W 557/10 – juris; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 266, 1409a; Demharter, a.a.O., § 44, Rdn. 20; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 874, Rdn. 5). Die damaligen Miteigentümer hatten aber keine für alle Zeiten bestehenden Vorkaufsrechte bewilligt, so dass sich Eintragung und Einigung nur insoweit decken und die Rechte nur insoweit zur Entstehung gelangen konnten (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 882, 883).

cc) Vor diesem Hintergrund ist das für den ursprünglichen Alleineigentümer bestellte Vorkaufsrecht erloschen. Seine “Besitzzeit” endete spätestens mit der Umschreibung seines Miteigentumsanteils auf den Erwerber P… B… am 29. März 1952. Tatsächlich hatten beide am 17. August 1951 die Übergabe zum 1. September 1951 vereinbart, vgl. § 4 NotReg Nr. 1… /1… . Die Annahme, dass zu diesem Zeitpunkt das Vorkaufsrecht bereits wirksam ausgeübt – und später vererbt – worden wäre, so dass dessen Vormerkungswirkungen, § 1098 Abs. 2 BGB, fortbestehen könnten, ist schon angesichts des Umstands, dass der ursprüngliche Alleineigentümer und Berechtigte des Rechts Abt. II lfd. Nr. 7 seinen Miteigentumsanteil an den erwerbenden Miteigentümer veräußert und übertragen hat, fernliegend. Nicht außer Betracht kann insoweit auch der Zeitablauf seither sowie der Umstand bleiben, dass sich nach Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils sämtliche Anteile in der Person des P… B… vereinigt hatten und das Eigentum an dem Grundstück seither nur auf Grund von Erbgängen jeweils insgesamt übertragen worden ist. Das ursprüngliche Interesse an den Vorkaufsrechten besteht nicht mehr. Es ist keine Gemeinschaft mehr vorhanden, deren Mitglieder vor dem Eindringen Dritter zu schützen wären.

2. Liegen danach die Voraussetzungen zur Löschung des Vorkaufsrechts Abt. II lfd. Nr. 7 vor, war das Grundbuchamt insoweit zum Vollzug anzuweisen.

Den von dem Grundbuchamt angenommenen Zusammenhang der Anträge, § 16 Abs. 2 GBO, vermag der Senat nicht zu erkennen. Weder der Beteiligte noch der antragstellende Notar haben ausdrücklich eine Bestimmung in diesem Sinn getroffen und nur, weil die Anträge gemeinsam gestellt worden sind, ist die Annahme einer stillschweigenden Bestimmung nicht gerechtfertigt (Demharter, a.a.O., § 16, Rdn. 11). Zwischen den Anträgen besteht auch kein innerer Zusammenhang rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur, der auf eine stillschweigende Bestimmung im Sinne von § 16 Abs. 2 GBO schließen ließe. Es handelt sich um selbständige, voneinander unabhängige Belastungen die von dem Beteiligten als eingetragenem Eigentümer zur Löschung beantragt worden sind.

Zur Löschung der übrigen Anträge wird das Grundbuchamt nunmehr eine Zwischenverfügung entsprechend seines insoweit zutreffenden Hinweises vom 22. Juni 2015 zu erlassen haben. Für den Beteiligten könnte es sich anbieten, sich zu den dort erfolgten Hinweisen zur Löschung der Belastungen Abt. III lfd. Nr. 28 und 29 – klarstellend – zu verhalten, wobei diese Rechte tatsächlich mit Ablauf des 31. Dezember 1965 erloschen sein dürften, vgl. § 14 Abs. 3 GrPfRUmstG BE.

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