OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 201/19
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr – Grundbuchamt – vom 30. September 2019 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind in Erbengemeinschaft als Eigentümer des vorgenannten Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen. In Abteilung II Nr. 2 des Grundbuchs ist eingetragen:
„Ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den Kraftfahrzeughandwerksmeister K in Mülheim a.d. Ruhr unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 22. Mai 1957 eingetragen am 20. August 1957.“
In der Eintragungsbewilligung heißt es:
„Ich, die unterzeichnete Witwe des Schlossermeisters S bewillige und beantrage als Grundstückseigentümerin, für den Kraftfahrzeughandwerksmeister K, …, ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für die Dauer des zwischen ihm und mir geschlossenen Pachtvertrages vom 8.11.1956 zu Lasten des im Grundbuch von ….. verzeichneten Grundstücks ….., in das Grundbuch einzutragen.
Der Vorgenannte ist verpflichtet, nach Beendigung des Pachtverhältnisses die Löschung des Vorkaufsrechts zu bewilligen.“
Der Pachtvertrag liegt nicht vor.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 4. Juni 2019 veräußerten die Beteiligten zu 1 und 2 den Grundbesitz an die Beteiligte zu 3. Unter dem 6. Juni 2019 beantragte der Notar u.a. Löschung des Rechts in Abteilung II Nr. 2 des Grundbuchs aufgrund Löschungsbewilligung der Beteiligten und legte dazu eine Sterbeurkunde des Rechteinhabers vor.
Mit Zwischenverfügung vom 30. September 2019 wies das Grundbuchamt darauf hin, ein auf eine bestimmte Zeit beschränktes subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht sei im Zweifel vererblich. Das Vorkaufsrecht sei so formuliert, dass es für die Dauer des Pachtvertrages vom 8. November 1956 bestellt worden sei. Da der Inhalt und damit auch die Laufzeit des Vertrages nicht bekannt seien, reiche zur Löschung des Vorkaufsrechts auch nicht die Vorlage der Sterbeurkunde des damaligen Pächters aus. Denn der Vertrag könnte für eine lange Zeit geschlossen worden sein und somit auch für dessen Erben gelten. Dass der Tod des Berechtigten nicht als auflösende Bedingung maßgeblich sein solle, zeigten die Ausführungen in der Bestellungsurkunde, wonach sich der Berechtigte zur Löschung des Vorkaufsrechts verpflichtet habe, wenn der Pachtvertrag ende. Zur Löschung des Rechtes sei daher die Vorlage einer Löschungsbewilligung der Erben des eingetragenen Berechtigten in der Form des § 29 GBO notwendig.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Sie machen geltend, ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht sei grundsätzlich nicht vererblich und infolgedessen gegen Vorlage der Sterbeurkunde des Berechtigten in öffentlicher Form zu löschen. Dass das Vorkaufsrecht für die Dauer des Pachtvertrags bestellt worden sei, bedeute keine Befristung des Rechts, sondern eine auflösende Bedingung, da ein Pachtvertrag mit dem Tod des Pächters auf dessen Erben übergehe, so dass es sich bei dessen Beendigung um ein ungewisses Ereignis handele. Die Beteiligten hätten lediglich das (nach dem gesetzlichen Leitbild unvererbliche) Vorkaufsrecht um einen weiteren Erlöschensgrund (Beendigung des Pachtvertrages) ergänzen wollen. Auch nach Sinn und Zweck des Pächtervorkaufsrechts könne dessen Anknüpfung an die Dauer des Pachtvertrages nur als auflösende Bedingung verstanden werden. Vorkaufsrechte für gewerbliche Pächter würden bestellt, damit der Pächter bei einer Veräußerung der gepachteten Immobilie die Chance habe, seine Betriebsstätte zu erwerben, um eine etwaige Beendigung des Pachtverhältnisses durch den künftigen Eigentümer zu verhindern. Diese Gefahr bestehe für den Pächter nach einer Aufgabe oder Verlagerung des Betriebs nicht mehr, so dass eine Dauer des Vorkaufsrechts auf Lebenszeit des Pächters von einem vernünftigen Eigentümer als zu weitgehend angesehen werde. Außerdem könnte der Eigentümer dann einem Pachtnachfolger kein Vorkaufsrecht einräumen. Die Anknüpfung an die Dauer des Pachtverhältnisses werde daher als eine (regelmäßig vor dem Tod des Pächters eintretende) auflösende Bedingung vereinbart. Da sich die Beendigung des Pachtvertrages in der Form des § 29 GBO nicht nachweisen lasse, werde üblicherweise eine Verpflichtung des Pächters vorgesehen, sein Recht am Pachtgegenstand nach Beendigung des Pachtverhältnisses löschen zu lassen. Diese Verpflichtung spreche nicht für die Vereinbarung einer Befristung, sondern sei lediglich aus grundbuchverfahrensrechtlichen Gründen erforderlich.
Mit weiterem Beschluss vom 10. Oktober 2019 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts ist gem. §§ 11 Abs. 1 RpflG, 71 Abs. 1 GBO die Beschwerde statthaft. Denn die Entscheidung ist nicht im Amtsverfahren gem. § 84 ff. GBO wegen Gegenstandslosigkeit der Eintragung, sondern im Antragsverfahren wegen Grundbuchberichtigung (§ 22 Abs. 1 GBO) ergangen. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig und nach der vom Amtsgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.
2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Allerdings steht der Wirksamkeit der Entscheidung nicht entgegen, dass entgegen § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle nicht vermerkt worden ist. Denn dieser Vermerk soll die genannte Übergabe dokumentieren, weshalb seine Existenz keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Beschlusses ist, wenn dessen Übergabe an die Geschäftsstelle zum Zwecke der Hinausgabe aus dem inneren Geschäftsbetrieb an die Verfahrensbeteiligten feststeht (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt WM 2019, 2056 m.N.; OLG München RNotZ 2017, 43 ff; Keidel – Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 38 Rn. 90 f. und 93). So liegt es hier. Die Rechtspflegerin hat die Übersendung der Beschlussabschrift an den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten unter dem 30. September 2019 ausdrücklich verfügt, und mit Datum vom 1. Oktober 2019 hat die Geschäftsstellenkraft die Ausführung dieser Verfügung gezeichnet; damit war eine Übergabe an die Geschäftsstelle spätestens am 1. Oktober 2019 erfolgt.
Die Zwischenverfügung war aber deshalb aufzuheben, weil sie einen nach § 18 GBO nicht zulässigen Inhalt hat. Eine Zwischenverfügung darf nur ergehen, wenn ein Eintragungshindernis mit rückwirkender Kraft zu beseitigen ist. Andernfalls würde der beantragten Eintragung ein Rang zukommen, der ihr nicht gebührt (OLG München MittbayNot 2012, 46). Die Beibringung einer Bewilligung (§ 19 GBO) der Erben des eingetragenen Berechtigten kann hier nicht mit einer rangwahrenden Zwischenverfügung verlangt werden. Denn in der Bewilligung der Erben kann ein Mittel zur Beseitigung eines Eintragungshindernisses in Bezug auf das auf Grundbuchunrichtigkeit gestützte Gesuch um Löschung des Vorkaufsrechts nicht gesehen werden.
Hierdurch würde der Löschungsantrag vielmehr auf eine neue Basis gestellt. Denn das Grundbuchamt vertritt damit die Auffassung, dass der Beteiligte die Eintragung nur unter veränderten Voraussetzungen (Bewilligung nach § 19 GBO statt des Nachweises der Unrichtigkeit nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO) zu erlangen vermag. Dies kann aber nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein (Senat FGPrax 2019, 102 m.N.; RPfleger 2012, 520; vgl. auch Demharter, GBO § 18 Rdz. 32).
3.
Vorsorglich sei in der Sache – ohne Bindungswirkung – bemerkt:
Der Antrag der Beteiligten dürfte im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg haben. Die Beteiligten haben die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen. Das Grundbuchamt hat daher zu Recht die Vorlage einer Löschungsbewilligung der Erben des eingetragenen Berechtigten gefordert.
Das Grundbuch ist unrichtig, wenn sein Inhalt nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt, § 894 BGB. Liegt eine Bewilligung des Betroffenen nicht vor (§ 22 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 19 GBO), kann das Grundbuch nur berichtigt werden, wenn die Unrichtigkeit mit öffentlichen Urkunden nachgewiesen ist (§§ 22 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 1 GBO). An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Antragsteller muss grundsätzlich lückenlos alle Möglichkeiten ausräumen, die der begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen könnten. Lediglich ganz entfernt liegende, nur theoretische Überlegungen müssen nicht widerlegt werden (OLG Hamm DNotZ 2019, 762; OLG München NZG 2016, 945).
Vorliegend handelt es sich um ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht, § 1094 Abs. 1 BGB. Es erlischt u.a. durch Eintritt auflösender Bedingung oder Endbefristung (Palandt-Herder, BGB, 76. Auflage, § 1094 Rn. 7). Beides ist indes nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen; dies wird von den Antragstellern auch nicht geltend gemacht. Ein weiterer Erlöschensgrund ist der Tod des Berechtigten, wenn das subjektiv-persönliche Vorkaufsrecht unvererblich ist. Gem. §§ 1098 Abs. 1 S. 1, 473 S. 1 BGB ist Unvererblichkeit die Regel. Etwas anderes – Vererblichkeit – gilt nur, wenn dies durch Einigung und Eintragung Rechtsinhalt geworden ist, das heißt wenn es auf bestimmte Zeit beschränkt ist (Palandt-Herder, a.a.O., § 1094 Rn. 6; OLG Hamm FGPrax 2017, 156; OLG Nürnberg NZG 2013, 750). Dafür besteht im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt.
Im Hinblick auf das hier in Rede stehende Vorkaufsrecht ist das Grundbuchamt zu Recht von einer Befristung auf die Dauer des Pachtvertrages ausgegangen. Das hat zur Folge, dass es in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte als vererblich gilt, § 473 S. 2 BGB, weswegen das Erlöschen des Vorkaufsrechts nicht allein durch Vorlage einer Sterbeurkunde des ursprünglichen Pächters nachgewiesen werden kann. Dass der an die Dauer des Pachtvertrages geknüpfte Bestand des Vorkaufsrechts auflösend bedingt sei, lässt sich hingegen – entgegen der Auffassung der Beschwerde – nicht mit der für das Grundbuchverfahren erforderlichen Sicherheit feststellen.
Zwar ist gem. § 473 S. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, dass das Vorkaufsrecht nicht auf die Erben des Berechtigten übergehen soll. Kommt, wie im vorliegenden Fall, die Vereinbarung einer Befristung aber ernsthaft in Betracht, reicht zum Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs die Vorlage einer Sterbeurkunde des Berechtigten nicht aus, weil der Antragsteller damit die Möglichkeit eines Übergangs des Vorkaufsrechts auf die Erben des Berechtigten nicht ausschließen kann.
Ob eine Bedingung (§ 158 BGB) oder eine Befristung (§ 163 BGB) vorliegt, ist in erster Linie nach dem Parteiwillen zu bestimmen. Unstreitig ist, dass bei einem ungewissen Ereignis eine Bedingung und bei einem gewissen Ereignis eine Befristung gegeben ist. Dabei sind die Übergänge fließend, wobei im Rahmen der Abgrenzung maßgeblich auf die Vorstellungen der Parteien abzustellen ist (Reymann, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR; Stand: 1. Juli 2019, § 163 BGB Rn. 7). Im vorliegenden Fall ist das Vorkaufsrecht aufgrund der Eintragungsbewilligung „für die Dauer des … Pachtvertrages“ bestellt worden. Da der Pachtvertrag nicht vorliegt, lässt sich nicht feststellen, welche Bestimmungen die Beteiligten hinsichtlich der Dauer des Pachtverhältnisses getroffen haben. Die Formulierung „für die Dauer des … Pachtvertrages“ spricht dabei eher dafür, dass die Beteiligten die Beendigung des Vorkaufsrechts mit dem Ende des Pachtvertrages als gewisses Ereignis angesehen haben. Jedenfalls lässt sich diese Möglichkeit aber auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen nicht ausräumen.
Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG.