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Vorkaufsrecht – Herausgabeanspruch des Berechtigten gegen den besitzenden Erstkäufer vor Grundbucheintragung

BGH –  Az.: V ZR 127/90 –  Urteil vom 11.10.1991

Leitsätze:

1. Vertragsgestaltungen, die zur Umgehung des Vorkaufsrechts ohne formellen Kaufvertrag in ihrer Gesamtheit einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seiner Erwerbs- und Abwehrinteressen „eintreten“ kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu beeinträchtigen, können nach Treu und Glauben den Vorkaufsfall auslösen (hier im wesentlichen: unbefristetes, unwiderrufliches Kaufangebot mit Auflassungsvormerkung, unbefristete und unwiderrufliche Veräußerungs- und Belastungsvollmacht unter gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchs und einer Grundschuld mit sofortigem Besitzübergang und Zurechnung aller Lasten und Nutzungen des Kaufobjekts an den „Erstkäufer“ gegen Leistung des vorgesehenen Entgelts).

2. Der Vorkaufsberechtigte hat nach Ausübung eines dinglichen Vorkaufsrechts schon vor seiner Eintragung im Grundbuch einen Herausgabeanspruch gegen den besitzenden Erstkäufer.

Tatbestand

Der Kläger und die unbekannten Erben des nach Einlegung der Revision im September 1990 verstorbenen früheren Beklagten zu 1 (im folgenden ist nur mehr vom Erblasser bzw. Beklagten die Rede) sind Miteigentümer eines Hausgrundstücks in W. . Im Sondereigentum des Klägers stehen das Erdgeschoß mit Apotheke und das Dachgeschoß mit Wohnung, im Sondereigentum des Erblassers das erste Obergeschoß mit Arztpraxis. Beiden Miteigentümern steht ein dingliches Vorkaufsrecht zu.

Ende Februar 1987 verlor der Erblasser seine Approbation. Da er seine Praxis zum 1. April 1987 aufgeben mußte, wollte er Immobilie und Praxis schnell und günstig verkaufen; die Verhandlungen mit dem Beklagten zu 2 verliefen erfolgversprechend. Am 10. März 1987 bat der Erblasser den Kläger um Vorabverzicht auf das Vorkaufsrecht, was dieser jedoch ablehnte. Noch im weiteren Tagesverlauf einigten sich Kläger und Erblasser auf einen Kauf des Sondereigentums zum Preis von 200.000 DM sowie auf einen Kauf der Arztpraxis durch den Arzt Sch. zum Preis von 350.000 DM und 40.000 DM Schwarzgeld; zu einer Beurkundung kam es nicht.

Beide Beklagten trafen am 12. März 1987 in drei notariellen Urkunden folgende Vereinbarungen:

Der Erblasser bot dem Beklagten zu 2 den Abschluß eines Kaufvertrages über das Sondereigentum (Arztpraxis) zum Preis von 250.000 DM an, der durch einen mit Wirkung vom 1. April 1987 vereinbarten Schuldbeitritt (als Selbst- und Alleinschuldner) zu Verbindlichkeiten des Erblassers (abgesichert durch eine Grundschuld in Höhe von 250.000 DM auf dem Sondereigentum) getilgt wurde. Der Beklagte zu 2 wurde zum Vollzug des eventuellen Kaufvertrages und umfassend zu allen Verfügungen über das Sondereigentum bevollmächtigt, ihm wurden ohne weiteres Entgelt ein dinglicher Nießbrauch und eine Buchgrundschuld von 150.000 DM an dem Sondereigentum bestellt. Zugleich verkaufte der Erblasser an den Beklagten zu 2 die Arztpraxis zum Preis von 290.000 DM und 60.000 DM Schwarzgeld.

Im Mai 1988 schlossen die Beklagten noch einen „Mietvertrag“ über die Eigentumswohnung, wobei der Mietzins mit Entrichtung des Kaufpreises gemäß Urkunde vom 12. März 1987 abgegolten sein sollte. Gleichzeitig erteilte der Erblasser dem Beklagten zu 2 Vollmacht zur Vertretung in allen „Verwaltungsangelegenheiten des Wohnungseigentumsgesetzes“.

Der Kläger, der mit Anwaltsschreiben vom 1. Oktober 1987 die Ausübung seines dinglichen Vorkaufsrechts erklärt hat, hält die Vereinbarungen der Beklagten für eine unzulässige Umgehung seines Vorkaufsrechts.

Das Landgericht hat die Klage auf Übertragung des Sondereigentums, Herausgabe der Eigentumswohnung, hilfsweise auf Rückforderung und auf Löschung der bewilligten Belastungen, höchst hilfsweise auf Feststellung der Nichtigkeit der bewilligten Belastungen, der erteilten Vollmachten und des Mietvertrages abgewiesen. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz in erster Linie beantragt,

1. den Erblasser zu verurteilen, Zug um Zug gegen privative Schuldübernahme eines grundschuldgesicherten Darlehens von ursprünglich 250.000 DM und gegen Übernahme der entsprechenden Briefgrundschuld dem Kläger das näher bezeichnete Teileigentum (Räume der Arztpraxis mit Nebenräumen) aufzulassen und die Eintragung des Eigentumswechsels zu bewilligen;

2. den Beklagten zu 2 zu verurteilen, mit gleicher Zug- um-Zug-Einschränkung wie oben zu verurteilen, die Räume der Arztpraxis herauszugeben und die Löschung der zugunsten des Beklagten zu 2 gemäß Bewilligung vom 12. März 1987 eingetragenen Rechte, nämlich eine Auflassungsvormerkung (Abteilung II Nr. 4), einen Nießbrauch (Abteilung II Nr. 3) und einer Grundschuld (Abteilung III Nr. 2) zu bewilligen.

Der Kläger hat ferner Hilfsanträge (Ziff. 3 bis 4) gestellt, die darauf zielen, den Erblasser zur Rückforderung und Löschung von Nießbrauch und Grundschuld sowie den Beklagten zu 2 zur Bewilligung der Löschung dieser Rechte zu verurteilen, höchst hilfsweise festzustellen, daß Nießbrauch, Grundschuld, notarielle Vollmachten, Mietvertrag und privatschriftliche Vollmacht nichtig sind.

Er hat ferner klageerweiternd beantragt, festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm jeglichen Schaden zu ersetzen, den sie infolge ihrer Vereinbarungen vom 12. März 1987 dem Kläger zufügen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers sowie die Klageerweiterung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter; die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision des Klägers hat im wesentlichen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht verneint Ansprüche des Klägers im Sinne seiner Hauptanträge (Ziff. 1 und 2), weil es in den beurkundeten Erklärungen vom 12. März 1987 keinen Vorkaufsfall sieht. Wohl habe der Erblasser ein Kaufangebot gemacht, der Beklagte zu 2 dieses aber noch nicht angenommen. Diese fehlende Annahme könne nicht mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ersetzt werden. Rechtsgedanken des § 6 AbzahlungsG und § 7 AGBG könnten nicht herangezogen werden, weil diese Vorschriften eine andere Zweckbestimmung hätten. § 162 BGB versage, weil vertragliche Beziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2 nicht bestünden. Für die Annahme von Scheingeschäften oder einer Falschbezeichnung (falsa demonstratio) fehle jeglicher Anhaltspunkt. Entscheidend sei, daß das Vorkaufsrecht dem Kläger keinen Anspruch auf Herbeiführung des Vorkaufsfalles einräume.

2. Es ist richtig, daß der Vorkaufsfall nur eintritt, wenn der „Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag“ geschlossen hat (§ 1098Abs. 1, § 504 BGB). Der Vorkaufsberechtigte hat auch keinen Anspruch auf Eintritt des Vorkaufsfalles (BGHZ 110, 230, 232, 233). Eine einfallsreiche Kautelarpraxis hat seit jeher Versuche unternommen, Vorkaufsrechte zu unterlaufen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat darauf mit einem unterschiedlichen – im Laufe der Zeit verfeinerten – Instrumentarium reagiert. So stand zunächst die Erwägung im Vordergrund, daß Vertragsgestaltungen zur Vereitelung des Vorkaufsrechts wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein können (§ 138 BGB). Das bloße Vorhandensein einer Vereitelungsabsicht wurde jedoch dafür als nicht ausreichend angesehen. Erschwerend mußte hinzukommen, daß die Abmachung durch ihren Gesamtcharakter oder die Art und Weise ihres Zustandekommens das Gepräge der Sittenwidrigkeit erhielt, sei es daß sie auf verwerflichen Beweggründen oder der Anwendung unlauterer Mittel beruhte, sei es daß sie ausschließlich den Zweck verfolgte, dem Vorkaufsberechtigten Schaden zuzufügen (vgl. z.B. Senatsurteile v. 11. Dezember 1963, V ZR 41/62, WM 1964, 231; v. 14. November 1969, V ZR 115/66, WM 1970, 321). Auch mit dem Gedanken des Scheingeschäfts wurde in einem Fall gearbeitet, bei dem zur Abschreckung des Vorkaufsberechtigten ein überhöhter Kaufpreis ausgewiesen und vereinbart wurde, bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts solle der Käufer den überhöhten Kaufpreisteil abziehen, im Falle der Ausübung solle dieser Kaufpreisteil dagegen zwischen dem Erstkäufer und dem Verkäufer aufgeteilt werden (vgl. Senatsurt. v. 16. Mai 1980, V ZR 15/79, WM 1980, 938, 939). Da ein nichtiges Geschäft aber keinen Vorkaufsfall auslösen kann, wurden mit dieser Betrachtungsweise nur die Abwehrinteressen des Vorkaufsberechtigten berücksichtigt, seine Erwerbsinteressen jedoch nicht.

Dogmatisch einen Schritt weiter ging die Entscheidung BGHZ 77, 359 ff. Darin hat der Senat von § 505 Abs. 2 BGB ausgehend, ausgesprochen, der Vorkaufsberechtigte werde durch solche Bestimmungen des Erstvertrages nicht verpflichtet, die wesensgemäß nicht zum Kaufvertrag gehörten, sich vielmehr darin als Fremdkörper darstellten. Dies sei in der Regel der Fall bei einer Vertragsgestaltung, die völlig außerhalb des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung des Kaufs liege, so nur für den Vorkaufsfall getroffen wurde und den Parteien des Erstvertrages bei dessen Durchführung keine irgendwie gearteten Vorteile bringe.

Einen weiteren Lösungsansatz bot die Überlegung, daß der Begriff des Kaufvertrages im Sinne des § 504 BGB wie jede andere gesetzliche Regelung einer interessengerechten Auslegung zugänglich ist und es durchaus Vertragsgestaltungen geben kann, die einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommen, daß sie ihm unter Berücksichtigung der Interessen des Vorkaufsberechtigten und des Vorkaufsverpflichteten gleichgestellt werden können. So ist schon in den Motiven zum BGB davon die Rede, daß auf Interpretationsregeln zum Begriff des Kaufvertrages als überflüssig und bedenklich verzichtet werde, es vielmehr von der Prüfung des Einzelfalles abhänge, ob ein Kaufvertrag abgeschlossen sei (Mot. II, 345; Prot. II, 103). Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat demgemäß die sicherungsweise erfolgte Übertragung eines Miterbenanteils gegen Gewährung eines Darlehens als Erbschaftskauf angesehen, weil die Rückzahlung des Darlehens einerseits und die Rückübertragung des Erbanteils andererseits durch besondere Abmachungen praktisch für immer ausgeschlossen waren (BGHZ 23, 174 ff). Mit ähnlichen Erwägungen hat das Reichsgericht eine Vereinbarung, worin sich der Miterbe wegen eines den alleinigen Gegenstand des ungeteilten Nachlasses bildenden Grundstücks gegen Entgelt schuldrechtlichen Verpflichtungen unterwarf, die dem Vertragspartner die restlose, zeitlich unbeschränkte Wahrnehmung der Miterbenrechte für eigene Rechnung gewährleisten sollten, als Vorkaufsfall im Sinne von § 2034 Abs. 1 BGB behandelt (RGZ 171, 185, 191 ff).

Vor diesem Hintergrund hält es der Senat nunmehr für eine sachgerechtere Lösung der Umgehungsproblematik, den Begriff des Kaufvertrages im Sinne von § 504 BGB vorsichtig auf kaufähnliche Verträge auszudehnen, die einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seiner Erwerbs- und Abwehrinteressen „eintreten“ kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu beeinträchtigen. Diese Auffassung folgt aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§§ 162, 242 BGB), der im Vorkaufsrecht – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – im Verhältnis zwischen Vorkaufsberechtigtem und Vorkaufsverpflichtetem nicht außer Betracht bleiben kann. Auf dieses Verhältnis kommt es zunächst an, nicht aber darauf, daß zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Dritten keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 15. Juni 1957 (V ZR 198/55, WM 1957, 1162, 1165) die Möglichkeit angedeutet, daß Vertragsgestaltungen, die allein dazu dienen sollen, dem Vorkaufsberechtigten die Ausübung des Vorkaufsrechts unmöglich zu machen, in einer Gesamtbetrachtung als Vorkaufsfall angesehen werden könnten und die Berufung der Beteiligten auf die rein formale Rechtslage gegen § 242 BGB verstoßen könne. Er hat bereits in einem Teilbereich des Vorkaufsrechts dem Umgehungsgesichtspunkt dadurch Rechnung getragen, daß er den Tatbestand des § 506 BGB auf Fälle ausdehnte, in denen die Parteien des Erstkaufes mit einem für den Vorkaufsberechtigten handelnden vollmachtlosen Vertreter einen Erlaßvertrag über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts abschließen, um damit für den Fall der Nichtgenehmigung des Erlaßvertrages auch eine Unwirksamkeit des damit in Rechtseinheit stehenden Kaufvertrages (§ 139 BGB) zu erreichen (BGHZ 110, 230, 233 ff). Auch bei der Frage, ob ein Vorkaufsfall gegeben ist, müssen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rein formale Kriterien unter Umständen zurücktreten gegenüber einer materiellen Betrachtungsweise und einem interessengerechten Verständnis. Dies entspricht einer in der Literatur auf breiter Ebene mit verschiedenen Nuancen in der Begründung vertretenen Auffassung (MünchKomm/Westermann, BGB 2. Aufl. § 504 Rdn. 18, 19, 21; Soergel/Stürner, BGB 12. Aufl. vor § 1094 Rdn. 8 und § 1097 Rdn. 3; Staudinger/Mayer-Maly, BGB 12. Aufl. § 504 Rdn. 15-21; Schurig, Das Vorkaufsrecht im Privatrecht S. 130-134 und S. 157-161; mit Einschränkung wohl auch BGB-RGRK/Rothe, 12. Aufl. § 1097 Rdn. 9/10).

In ähnlicher Weise wird die Umgehungsproblematik im Bereich des Höferechts gelöst. Der Senat hat für § 13 HöfeO a.F. (und nichts anderes gilt für die insoweit nicht geänderte Neufassung) einerseits den Begriff der „Veräußerung “ als rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums definiert, die erst mit der Eintragung im Grundbuch vollzogen sei (BGHZ 73, 282, 287), und betont, daß es den Teilnehmern im Rechtsverkehr auch im Bereich des § 13 HöfeO nicht verwehrt sei, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die ihnen die Rechtsordnung biete (BGH, Beschl. v. 22. Februar 1973, V BLw 20/72, NJW 1973, 798, 799). Andererseits hat er aber in den genannten Entscheidungen auch ausgeführt, daß unter dem Gesichtspunkt des Umgehungsgeschäfts Vertragsgestaltungen, die nach ihrem wirtschaftlichen Zweck auf Veräußerung des Hofes unter Vermeidung der Ausgleichspflicht gerichtet sind, einer Veräußerung dann gleichstehen, wenn sie gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl. auch BGHZ 91, 154, 171 m.w.N.).

Die nunmehr vom Senat vertretene Auffassung folgt der Entwicklung der Gesetzgebung auf dem Gebiet gesetzlicher Vorkaufsrechte. § 11 RSG (i.d.F. v. 11. August 1919, RGBl I, 1429 ff) dehnte das gesetzliche Vorkaufsrecht gemeinnütziger Siedlungsunternehmen unter anderem auf alle Verträge aus, „die auf die Veräußerung eines Grundstücks gegen Entgelt gerichtet sind“. Diese Bestimmung wurde durch § 27 Nr. 9 GrdstVG vom 28. Juli 1961 unter anderem als „überflüssig“ aufgehoben, weil „Umgehungsgeschäfte, die bisher durch § 11 RSG erfaßt werden sollten, im Wege der Auslegung wie Kaufverträge behandelt werden“ können (vgl. Lange, GrdstVG 2. Aufl. S. 356; Ehrenforth, Reichssiedlungsgesetz und Grundstückverkehrsgesetz S. 172, 173; BT 3. Wahlperiode Drucks. 2635 S. 16). Es besteht kein sachlicher Grund, das schuldrechtliche und dingliche Vorkaufsrecht des BGB in diesem Punkt anders zu behandeln als das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht, das ebenfalls nur durch „Kaufverträge“ ausgelöst werden kann.

Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, mit dem es alleine auf die fehlende Annahmeerklärung des Beklagten zu 2 abstellt und eine Gesamtwürdigung aller Vereinbarungen vom 12. März 1987 unterläßt, ist mithin zu eng. Der Senat kann die notwendige – auch tatrichterliche Aufgaben umfassende – Würdigung selbst nachholen, weil weiteres Tatsachenmaterial hierzu nicht mehr zu erwarten ist (BGHZ 65, 107, 112; Urt. v. 24. Juni 1988, V ZR 49/87, WM 1988, 1599). Die in allen drei Urkunden zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 2 getroffenen Vereinbarungen sind danach in ihrer Gesamtheit einem Kaufvertrag gleichzustellen, der den Vorkaufsfall auslöst.

Der Erblasser hat dem Beklagten zu 2 nicht nur ein unbefristetes, unwiderrufliches und vererbliches Vertragsangebot zum Kauf unterbreitet, sondern ihn auch unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ebenso unbefristet und unwiderruflich unter Bindung seiner Rechtsnachfolger zum Vollzug (Erklärung der Auflassung und aller zur Eigentumsumschreibung erforderlichen Erklärungen) bevollmächtigt. Dieser durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Rechtsposition folgt eine Vertragsgestaltung, die dem Beklagten zu 2 noch vor Annahme des Angebotes die „Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers“ (wie es im Vertrag ausdrücklich heißt) geben soll. Die Räume der Arztpraxis wurden mit Wirkung vom 1. April 1987 übergeben, „alle Nutzungen und Lasten des Wohnungseigentums“ dem Beklagten zu 2 zugewiesen. Ihm wurde nicht nur ab 1. April 1987 ohne besonderes Entgelt ein lebenslängliches dingliches Nießbrauchsrecht eingeräumt, sondern er wurde vom Erblasser unwiderruflich und über dessen Tod hinaus umfassend bevollmächtigt, über die Eigentumswohnung „beliebig zu verfügen, die Auflassung zu erklären, Grundschulden zu bestellen und den Kaufpreis in Empfang zu nehmen sowie den Erblasser in der Wohnungseigentümerversammlung zu vertreten“. Verstärkt wurde die Stellung des Beklagten zu 2 schließlich durch Eintragung einer Buchgrundschuld an dem Wohnungseigentum in Höhe von 150.000 DM. Von besonderer Bedeutung ist, daß der Beklagte zu 2 auch die Gegenleistung erbrachte, indem er schon vor Annahme des Angebots mit Wirkung ab 1. April 1987 als Selbst- und Alleinschuldner die Verbindlichkeiten des Erblassers bis zu einer Höhe von 250.000 DM durch kumulativen Schuldbeitritt „übernimmt“, die einer in Abt. III eingetragenen Grundschuld in gleicher Höhe zugrunde liegen, und zwar mit der Maßgabe, daß die Gläubigerin des Grundpfandrechts einen unmittelbaren Anspruch gegen ihn erhält. Nichts anderes war auch im Vertragsangebot selbst als Gegenleistung des Käufers vorgesehen. Sämtliche Rückgewähransprüche hinsichtlich der Grundschuld wurden an ihn abgetreten. Damit erbrachte der Beklagte zu 2 die Gegenleistung, obwohl – wie ihm bekannt war – sich der Erblasser in ganz erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand (auch der Kaufpreisanspruch für die gleichzeitig verkaufte Arztpraxis wurde in voller Höhe an die Gläubiger des Erblassers abgetreten) und er damit für den Fall der Nichtannahme des Angebots keine reale Aussicht hatte, seine Leistungen zurückzuerhalten. Die Vertragsgestaltung zeigt damit insgesamt den Willen der Vertragsparteien, eine entgeltliche Veräußerung endgültig abzuschließen und auch zu vollziehen. Der Beklagte zu 2 hat die vorgesehene Gegenleistung kraft ausdrücklicher Verpflichtung erbracht, und konnte, abgesichert durch Vormerkung, Nießbrauch, Grundschuld und umfassende Vollmachten, wie ein Eigentümer mit der Eigentumswohnung verfahren; der Erblasser hat sich aller Befugnisse eines Eigentümers praktisch entäußert und durch Freistellung von seinen Schulden schon die Gegenleistung hierfür erhalten. Die Annahme des Vertragsangebots spielt keine wesentliche Rolle mehr. Sie wurde und wird nur deshalb unterlassen, um formal den Vorkaufsfall zu vermeiden. Nach der Lebenserfahrung hätte ein Leistungsaustausch im vorliegenden Umfang ohne Kaufvertrag sonst nicht stattgefunden. Dies ist gegenüber dem Kläger ein Verstoß gegen Treu und Glauben, weil dessen Erwerbsinteresse durch die einem Kaufvertrag gleichzustellende Vertragsgestaltung beeinträchtigt ist und andererseits das unmittelbare Interesse des Erblassers auf Erlangung der Gegenleistung ebensogut vom Kläger erfüllt werden kann. Es ist kein Unterschied mehr erkennbar zu dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall, in dem den Vertragspartnern eines Miterben gegen Entgelt die restlose zeitlich unbeschränkte Wahrnehmung der Miterbenrechte für eigene Rechnung eingeräumt wurde, ein Verkauf des Miterbenanteils im strengen Sinne aber nicht stattfand (RGZ 171, 185, 191 ff). Die Beklagten müssen sich deshalb so behandeln lassen, als sei der Vorkaufsfall eingetreten. Entbehrlich ist, daß der Kläger zunächst förmlich und notariell beurkundet die Annahme des Vertragsangebots erklärt. Es genügt vielmehr, wie auch sonst nach Eintritt des Vorkaufsfalles, daß der Vorkaufsberechtigte durch eine nicht formbedürftige Erklärung gegenüber dem Verpflichteten die Ausübung seines Vorkaufsrechts erklärt hat (§ 505 Abs. 1 BGB).

Soweit die Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, der Erblasser habe mit dem Beklagten zu 2 anläßlich des Praxisverkaufs unstreitig eine Schwarzgeldabrede getroffen, ändert dieser auf die Formunwirksamkeit (§§ 313, 125,139 BGB) aller Vereinbarungen zielende Einwand nichts am Ergebnis. Die Berufung auf den etwaigen Formmangel verstößt hier gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dazu kann unterstellt werden, daß der Praxisverkauf mit den übrigen Abmachungen eine rechtliche Einheit bildet (§ 139 BGB), wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Wie § 508 BGB zeigt, ist diese rechtliche Einheit jedenfalls in dem Sinne gelockert, daß das Vorkaufsrecht auch dann ausgeübt werden kann, wenn sein Gegenstand zusammen mit anderen nicht erfaßten Gegenständen verkauft wird. Vor diesem Hintergrund ist es treuwidrig, wenn die Beklagten über vier Jahre ihre Vereinbarungen als gültig behandeln, sie erfüllen und nun auf die Formbedürftigkeit der Schwarzgeldabrede des längst vollzogenen Praxiskaufs abheben. Sie wollen damit ersichtlich für ihr eigenes Rechtsverhältnis keinerlei Konsequenzen ziehen, sondern nur das Vorkaufsrecht des Klägers unterlaufen. Dies wäre ein schlechthin untragbares Ergebnis.

Daraus würde ein Auflassungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1 (§ 1098 Abs. 1, § 505 Abs. 2; § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) und ein Löschungsanspruch gegen den Beklagten zu 2 hinsichtlich der eingetragenen Rechte (Auflassungsvormerkung; Nießbrauch und Grundschuld § 1098 Abs. 2; § 883 Abs. 2; § 888 BGB) folgen. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hätte der Kläger auch gegen den Beklagten zu 2 einen Herausgabeanspruch, und zwar auch schon vor seiner (des Klägers) Eintragung als Eigentümer. Offen bleiben kann, ob jeder Inhaber einer Auflassungsvormerkung vom besitzenden Dritterwerber die Herausgabe verlangen könnte (was die Revisionserwiderung unter Hinweis auf Kommentarliteratur verneint), denn im Fall der wirksamen Ausübung eines dinglichen Vorkaufsrechts besteht jedenfalls ein Herausgabeanspruch des Vorkaufsberechtigten gegen den besitzenden Dritterwerber. Dies folgt aus § 1100 BGB, der einen solchen Anspruch voraussetzt. Diese Auffassung wird in Rechtsprechung und Literatur durchgängig vertreten (vgl. RGZ 84, 100, 107, 108; BayObLGZ 1982, 222, 230; BGBRGRK/Rothe, 12. Aufl. § 1100 Rdn. 2; Erman/Küchenhoff, BGB 8. Aufl. § 1098 Rdn. 8; MünchKomm/Westermann, BGB 2. Aufl. § 1098 Rdn. 11 und § 1100 Rdn. 2 m.w.N.; Soergel/Stürner, BGB 12. Aufl. § 1100 Rdn. 2; Staudinger/Mayer-Maly, BGB, 12. Aufl. § 1098 Rdn. 17; Hoche NJW 1963, 301, 302; Meyer NJW 1971, 1318; Schwerdtner BW NotZ 1972, 415, 418). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an (vgl. Senatsurt. v. 18. Dezember 1986, V ZR 137/85 S. 14; incidenter auch schon BGHZ 87, 296, 297).

Dem Herausgabeanspruch des Klägers kann der Beklagte zu 2 auch nicht gemäß § 571 BGB den mit dem Erblasser erst später (1988) abgeschlossenen „Mietvertrag“ entgegenhalten. Es handelt sich insoweit schon nicht um einen Mietvertrag (Gebrauchsüberlassung gegen Mietzins), vielmehr um einen in Ausführung des Umgehungskonzepts geschlossenen Nutzungsvertrag; die Gegenleistung sollte mit der Übernahme der Verbindlichkeiten nach der Urkunde vom 12. März 1987 abgegolten sein, und der Vertrag hatte neben dem bereits eingetragenen Nießbrauchsrecht keine Bedeutung mehr. Im übrigen war die Wohnung dem Beklagten zu 2 nicht aufgrund des „Mietvertrages“ überlassen, als sie an ihn veräußert wurde. § 571 BGB kann deshalb auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden.

Gleichwohl ist die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif, denn das Berufungsgericht hat sich bisher – von seinem Standpunkt aus zu Recht – nicht mit dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten befaßt, Kläger und Erblasser seien sich bei Bestellung des Vorkaufsrechts darüber einig gewesen, dieses Recht solle bei einem Zusammenfallen von Immobilienverkauf und Praxis – bzw. Apothekenverkauf – nicht bestehen; dies ergebe sich auch aus einer Auslegung des schriftlichen Vertrages vom 8. August 1983, in dem vereinbart worden sei, bei Beendigung der Nutzung von Apotheke oder Arztpraxis solle unverzüglich ein geeigneter Nachfolger gefunden werden, wobei das Vorschlagsrecht zunächst dem seine Berufstätigkeit aufgebenden Sondereigentümer zustehe.

Bei der erneuten Verhandlung wird der Kläger Gelegenheit haben, die Zug-um-Zug-Einschränkung der Tatsache anzupassen, daß nach dem Vertragsangebot lediglich ein Schuldbeitritt nach §§ 305, 328 BGB vorgesehen ist; auch wird er dem Umstand Rechnung tragen können, daß auf der Grundlage des Valutenstandes vom 1. April 1987 ein eventuell durch „Schuldübernahme“ nicht getilgter Kaufpreisteil in bar an den Verkäufer zu zahlen ist. Die Beklagten haben bislang allerdings nicht geltend gemacht, daß ein solcher bar zu tilgender Kaufpreisteil überhaupt verbleibt.

Für den Fall einer wirksamen Vorkaufsrechtsausübung erscheint es angemessen, dem Beklagten zu 2 in entsprechender Anwendung von § 1100 BGB auch einen – im Wege des Zurückbehaltungsrechts einwendbaren – Anspruch gegen den Kläger auf Erstattung derjenigen Beträge zuzubilligen, die er aufgrund des vereinbarten Schuldbeitritts bereits an die Gläubigerbank bezahlt hat. Ein solcher Erstattungsanspruch steht allerdings grundsätzlich nur demjenigen Erstkäufer (oder dessen Rechtsnachfolger) zu, der schon als neuer Käufer im Grundbuch eingetragen war (vgl. BGB-RGRK/Rothe, 12. Aufl. § 1100 Rdn. 1; Erman/Küchenhoff, BGB 8. Aufl. § 1100 Rdn. 1 und 3; MünchKomm/Westermann, BGB 2. Aufl. § 1100 Rdn. 1; Palandt/Bassenge, BGB 50. Aufl. § 1100 Rdn. 1; Staudinger/Mayer-Maly, BGB 12. Aufl. § 1100 Rdn. 2/3; Soergel/Stürner, BGB 12. Aufl. § 1100 Rdn. 1). Zu einer solchen Eintragung ist es bisher wegen der fehlenden Vertragsannahme nicht gekommen. Andererseits läßt sich nicht übersehen, daß dem Beklagten zu 2 im Rahmen der vorliegenden Vertragsgestaltung weitgehend alle Eigentümerbefugnisse übertragen wurden. Dies unter anderem hat dazu geführt, einen Vorkaufsfall anzunehmen. Muß der Beklagte zu 2 die Nachteile dieser Vertragsgestaltung (Annahme eines Vorkaufsfalles) tragen, so erscheint es angemessen, ihm auch die Vorteile einer vereinfachten Abwicklung im Verhältnis zwischen Vorkaufsberechtigtem und Erstkäufer (Erstattungsanspruch nach § 1100 BGB) zuzubilligen.

II.

Ohne Erfolg bleibt die Revision hinsichtlich des Antrags auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten. Von dem Ergebnis der Entscheidung im übrigen (s. oben) ist sie nicht abhängig. Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche des Klägers zu Recht verneint. Es hat insbesondere rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Umgehungstatbestand allein für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit (§ 826 BGB) nicht ausreiche und zusätzliche Anhaltspunkte fehlten, die dem Geschäft durch seinen Gesamtcharakter oder die Art und Weise seines Zustandekommens das Gepräge der Sittenwidrigkeit verleihen (vgl. Senatsurt. v. 14. November 1969, V ZR 115/66, WM 1970, 321). Einen Rechtsfehler vermag die Revision insoweit nicht aufzuzeigen.

 

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