Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Was passiert, wenn Geschäftspartner ihre Anteile nur gemeinsam verkaufen wollen?
- Worum genau ging es in dem Fall vor dem Landgericht Itzehoe?
- Wie kam es zum Rechtsstreit?
- Darf man sich beim Vorkaufsrecht die Rosinen herauspicken?
- Wie bewertete das Gericht die teilweise Ausübung des Vorkaufsrechts?
- Warum durften die Verkäufer dennoch auf dem Gesamtpaket bestehen?
- Was bedeutete diese Entscheidung für den Anspruch der Klägerin?
- Wie lautete das Urteil am Ende?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist ein Vorkaufsrecht und wie funktioniert es typischerweise bei Unternehmensbeteiligungen?
- Ist es generell zulässig, ein Vorkaufsrecht nur für einen Teil der gemeinsam angebotenen Vermögenswerte auszuüben?
- Wann dürfen Verkäufer auf dem Verkauf eines Gesamtpakets bestehen, obwohl ein Vorkaufsrecht nur für Teile davon besteht?
- Wie gehen Gerichte mit gesetzlichen Regelungen um, die nicht direkt auf einen neuen oder spezifischen Sachverhalt zugeschnitten sind?
- Welche strategischen Überlegungen sollten Vorkaufsrechtsinhaber bei der Ausübung ihres Rechts bei Paketangeboten anstellen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 6 O 245/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Itzehoe
- Datum: 13.12.2023
- Aktenzeichen: 6 O 245/23
- Verfahren: Einstweiliges Verfügungsverfahren
- Rechtsbereiche: Vorkaufsrecht, Gesellschaftsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Gesellschafterin und Verbund von Versicherungsmaklern, die ihr Vorkaufsrecht nur für einen Teil der verkauften Geschäftsanteile ausüben wollte.
- Beklagte: Ein Gesellschafter (Verfügungsbeklagter) und ein weiterer Gesellschafter (Nebenintervenient), die ihre gesamten Geschäftsanteile der gemeinsamen GmbH „im Paket“ an einen Dritten verkaufen wollten.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Zwei Gesellschafter einer GmbH verkauften ihre Anteile im Paket an einen Dritten. Eine dritte Gesellschafterin wollte ihr vertraglich zugesichertes Vorkaufsrecht nur für die Anteile eines der Verkäufer ausüben, nicht aber für das gesamte Paket.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Kann ein Gesellschafter sein gesellschaftsvertragliches Vorkaufsrecht an GmbH-Geschäftsanteilen, die zusammen mit anderen Anteilen „im Paket“ an einen Dritten verkauft wurden, auf einen Teil der veräußerten Anteile beschränken, ohne dass der Verkäufer wegen eines erheblichen Nachteils die Erstreckung auf alle verkauften Anteile verlangen kann (§ 467 S. 2 BGB analog)?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Einstweilige Verfügung aufgehoben: Das Gericht hob die zuvor erlassene einstweilige Verfügung auf und wies den Antrag der Klägerin zurück.
- Kernaussagen der Begründung:
- Kein wirksamer Kaufvertrag: Es kam kein Kaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten über die Geschäftsanteile zustande, da die Klägerin zulässigerweise von der Ausübung ihres Vorkaufsrechts Abstand genommen hatte.
- Analoge Anwendbarkeit auf Paketverkäufe: Das Vorkaufsrecht kann analog auch auf den Verkauf von Geschäftsanteilen mehrerer Gesellschafter im Paket angewendet werden, um eine Benachteiligung des Vorkaufsberechtigten zu verhindern.
- Wirksames Erstreckungsverlangen bei erheblichem Nachteil: Der Verkäufer kann die Erstreckung des Vorkaufsrechts auf alle verkauften Anteile verlangen, wenn ihm durch die „Aufsplittung“ des Pakets ein erheblicher Nachteil entsteht; dies war hier glaubhaft gemacht, da der verbleibende Anteil des anderen Gesellschafters isoliert nicht oder nur zu einem deutlich schlechteren Preis verkäuflich gewesen wäre.
- Folgen für die Klägerin/den Kläger:
- Die Klägerin konnte die Durchführung des Anteilsverkaufs nicht gerichtlich stoppen.
- Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Der Fall vor Gericht
Was passiert, wenn Geschäftspartner ihre Anteile nur gemeinsam verkaufen wollen?
Stellen Sie sich vor, Sie sind Teilhaber einer Firma, zusammen mit zwei anderen Partnern. Eines Tages beschließen diese beiden Partner, ihre Anteile zu verkaufen. Der Gesellschaftsvertrag Ihrer Firma gibt Ihnen jedoch ein sogenanntes Vorkaufsrecht. Das ist das Recht, in den Kaufvertrag, den Ihre Partner mit einem fremden Käufer geschlossen haben, einzutreten und die Anteile selbst zu den exakt gleichen Konditionen zu erwerben.

Doch was passiert, wenn Ihre Partner ihre Anteile nur als Gesamtpaket verkaufen wollen, Sie aber nur an einem Teil dieses Pakets interessiert sind? Dürfen Sie sich quasi die Rosinen herauspicken? Und was, wenn die Verkäufer dann sagen: „Entweder du kaufst alles oder gar nichts, denn sonst bleiben wir auf dem Rest sitzen“? Genau mit dieser komplizierten Frage musste sich das Landgericht Itzehoe in einem Eilverfahren befassen.
Worum genau ging es in dem Fall vor dem Landgericht Itzehoe?
In diesem Fall waren drei Gesellschafter an einer GmbH beteiligt, die als Makler für Kreditversicherungen tätig ist. Die Klägerin, ein Verbund von Versicherungsmaklern, hielt 38,13 % der Anteile. Der Beklagte besaß 17,12 % und ein dritter Gesellschafter, der im Verfahren auf der Seite des Beklagten stand, hielt die restlichen 44,75 %.
Der Beklagte und der dritte Gesellschafter wollten aus Alters- und Gesundheitsgründen aus dem Unternehmen aussteigen. Nach längerer Suche fanden sie einen Käufer: einen direkten Konkurrenten der Klägerin. Dieser war bereit, ihre beiden Anteile zusammen – also ein Paket von über 61 % – für einen Gesamtpreis von rund 7,56 Millionen Euro zu kaufen. Der notarielle Kaufvertrag wurde geschlossen, war aber noch von mehreren Bedingungen abhängig. Eine entscheidende Bedingung war, dass der Verkauf beider Anteilspakete zustande kommen musste.
Wie kam es zum Rechtsstreit?
Nachdem der Kaufvertrag mit dem Konkurrenten unterschrieben war, informierten die beiden Verkäufer die Klägerin ordnungsgemäß über den Verkauf. Damit wurde ihr Vorkaufsrecht ausgelöst. Die Klägerin hatte nun drei Monate Zeit, um zu entscheiden, ob sie in den Vertrag eintreten wollte.
Kurz vor Fristablauf erklärte die Klägerin, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen zu wollen – aber nur teilweise. Sie wollte ausschließlich die Anteile des Beklagten (die 17,12 %) zu dem anteiligen Kaufpreis von rund 2,1 Millionen Euro erwerben, nicht aber die Anteile des dritten Gesellschafters.
Die Verkäufer wehrten sich sofort. Sie argumentierten, dass ein solches „Rosinenpicken“ nicht zulässig sei. Sie machten geltend, dass der verbleibende Anteil des dritten Gesellschafters allein kaum noch oder nur zu einem viel schlechteren Preis verkäuflich wäre. Sie forderten die Klägerin daher auf, entweder das gesamte Paket zu kaufen oder ganz auf ihr Vorkaufsrecht zu verzichten.
Um zu verhindern, dass die Anteile an den Konkurrenten übertragen werden, beantragte die Klägerin bei Gericht eine sogenannte einstweilige Verfügung. Das ist eine Art juristischer Notbremse, ein vorläufiger Gerichtsbeschluss, der eine bestimmte Handlung – hier den Vollzug des Verkaufs – bis zur endgültigen Klärung des Streits verbietet. Das Gericht erließ diese Verfügung zunächst, doch der Beklagte legte Widerspruch ein. Nun musste das Gericht erneut und ausführlicher über den Fall entscheiden.
Darf man sich beim Vorkaufsrecht die Rosinen herauspicken?
Die zentrale Rechtsfrage war, ob die Klägerin ihr Vorkaufsrecht auf einen Teil des verkauften Pakets beschränken durfte. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es dazu eine Regelung, den Paragrafen 467. Dieser besagt, dass wenn mehrere Sachen zusammen verkauft werden, der Vorkaufsberechtigte sein Recht auch nur für einen Teil davon ausüben darf. Man kann sich das wie bei einem Autokauf vorstellen: Ein Verkäufer bietet ein Auto zusammen mit einem Satz teurer Winterreifen als Paket an. Haben Sie ein Vorkaufsrecht für das Auto, dürfen Sie laut Gesetz sagen: „Ich nehme nur das Auto, die Reifen kannst du behalten.“
Genau darauf berief sich die Klägerin. Doch die Sache hat einen Haken. Der gleiche Paragraf sagt auch: Der Verkäufer kann verlangen, dass der Käufer doch alles nimmt, wenn die Trennung der Sachen für ihn einen Erheblichen Nachteil bedeuten würde. Im Auto-Beispiel könnte der Verkäufer also erwidern: „Die Winterreifen sind speziell für dieses Modell und ich werde sie einzeln nie wieder los. Du musst sie mitkaufen, sonst ist der Deal für mich erheblich schlechter.“
Die Herausforderung für das Gericht war nun, diese Regel, die eigentlich für den Verkauf von Dingen wie Autos oder Grundstücken geschrieben wurde, auf den Verkauf von Geschäftsanteilen von zwei verschiedenen Personen in einem einzigen Vertrag anzuwenden. Juristen nennen das eine Analoge Anwendung – man wendet ein Gesetz auf eine Situation an, für die es nicht direkt geschrieben wurde, die aber vom Sinn und Zweck her vergleichbar ist.
Wie bewertete das Gericht die teilweise Ausübung des Vorkaufsrechts?
Das Gericht stellte zunächst klar, dass die Klägerin grundsätzlich das Recht hatte, ihr Vorkaufsrecht nur für einen Teil der Anteile auszuüben. Es wendete den § 467 Satz 1 BGB analog an. Warum? Der Zweck des Vorkaufsrechts soll nicht dadurch untergraben werden, dass Verkäufer einfach mehrere Dinge zu einem Paket schnüren, um den Vorkaufsberechtigten abzuschrecken. Der Gesellschaftsvertrag gab der Klägerin ein Vorkaufsrecht für jeden Geschäftsanteil. Daher musste es ihr auch möglich sein, dieses Recht für die Anteile des einen Verkäufers auszuüben, ohne gezwungen zu sein, auch die des anderen zu kaufen.
- Kernaussage des Gerichts hierzu: Die Klägerin durfte im ersten Schritt versuchen, ihr Vorkaufsrecht selektiv nur auf das kleinere Anteilspaket anzuwenden. Ein Paketverkauf darf das Vorkaufsrecht nicht grundsätzlich aushebeln.
Warum durften die Verkäufer dennoch auf dem Gesamtpaket bestehen?
Hier kommt nun die Kehrseite der Medaille ins Spiel: der „erhebliche Nachteil“ aus § 467 Satz 2 BGB. Das Gericht entschied, dass wenn man den ersten Teil der Regel analog anwendet, man auch den zweiten Teil – den Schutz des Verkäufers – analog anwenden muss. Der Nachteil würde hier zwar nicht direkt beim Beklagten (dem Verkäufer der von der Klägerin begehrten Anteile) eintreten, sondern beim dritten Gesellschafter, der dann auf seinen Anteilen sitzen bleiben würde. Aber da beide als Paket verkauft hatten, müsse man ihren Fall als Einheit betrachten.
Die entscheidende Frage war also: Wäre der dritte Gesellschafter durch den Teil-Verkauf an die Klägerin erheblich benachteiligt? Das Gericht bejahte dies nach einer Prüfung der vorgelegten Beweise.
- Glaubhaftmachung des Nachteils: Die Verkäufer hatten durch Eidesstattliche Versicherungen – das sind schriftliche, unter Eid abgegebene Erklärungen – glaubhaft gemacht, dass ihre Anteile als Minderheitsbeteiligung auf dem Markt praktisch unverkäuflich wären. Sie legten dar, dass alle potenziellen Käufer, die sie in fast zwei Jahren kontaktiert hatten, ausschließlich am Erwerb einer Mehrheit interessiert waren.
- Spezialisierter Markt: Das Unternehmen ist in einem sehr speziellen Markt tätig. Selbst der Käufer, ein Konkurrent der Klägerin, bestätigte schriftlich, nur am Kauf von mindestens 60 % der Anteile interessiert zu sein, um Kontrolle ausüben zu können.
- Argument der Klägerin schlug zurück: Die Klägerin hatte selbst argumentiert, der vom Konkurrenten gebotene Preis sei ein strategischer „Höchstpreis“, kein normaler Marktpreis. Das Gericht nutzte dieses Argument gegen sie: Genau das zeige, dass der dritte Gesellschafter diesen außergewöhnlich guten Preis niemals allein für seine Anteile erzielen könnte. Der Wegfall dieses vorteilhaften Paket-Deals wäre für ihn ein erheblicher Nachteil, der über den bloßen Verlust eines kleinen „Paket-Rabatts“ hinausginge.
Was bedeutete diese Entscheidung für den Anspruch der Klägerin?
Nun kommt der letzte und entscheidende Schritt in der Logik des Gerichts. Die Klägerin hatte in ihrem Schreiben, mit dem sie ihr Vorkaufsrecht ausübte, eine Art „Plan B“ formuliert. Sie schrieb sinngemäß: „Ich will nur die Anteile des Beklagten. Und für den Fall, dass ihr rechtlich wirksam verlangen könnt, dass ich alles kaufen muss, erkläre ich schon jetzt, dass ich dann von der Ausübung meines Vorkaufsrechts komplett Abstand nehme.“
Juristen nennen eine solche an eine rechtliche Bewertung geknüpfte Erklärung eine Rechtsbedingung. Diese ist im Gegensatz zu einer willkürlichen Bedingung meist zulässig.
Da das Gericht zu dem Schluss kam, dass die Verkäufer tatsächlich einen erheblichen Nachteil erlitten und daher auf dem Verkauf des Gesamtpakets bestehen durften, trat genau die Bedingung ein, die die Klägerin selbst formuliert hatte. Ihre eigene Erklärung führte also dazu, dass ihre Ausübung des Vorkaufsrechts als widerrufen galt. Im Ergebnis hatte sie also gar kein wirksames Vorkaufsrecht ausgeübt.
Wie lautete das Urteil am Ende?
Da die Klägerin durch ihre eigene, bedingte Erklärung wirksam vom Vorkaufsrecht zurückgetreten war, hatte sie keinen Anspruch mehr darauf, die Anteile zu erwerben. Folglich gab es auch keinen Grund mehr, den ursprünglichen Verkauf an den Konkurrenten per einstweiliger Verfügung zu stoppen.
Das Landgericht Itzehoe hob die einstweilige Verfügung daher auf und wies den Antrag der Klägerin zurück. Sie musste zudem die gesamten Kosten des Verfahrens tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des Landgerichts Itzehoe verdeutlicht die komplexe Rechtslage bei Vorkaufsrechten in Paketverkäufen und etabliert wichtige Grundsätze für die Balance zwischen den Interessen von Vorkaufsberechtigten und Verkäufern.
- Teilweise Ausübung von Vorkaufsrechten: Das Urteil bestätigt, dass Vorkaufsberechtigte grundsätzlich ihr Recht auch nur für Teile eines als Paket verkauften Gegenstands ausüben dürfen, wenn dies durch analoge Anwendung des § 467 Satz 1 BGB gerechtfertigt ist. Paketverkäufe können das Vorkaufsrecht nicht automatisch aushebeln.
- Schutz vor erheblichen Nachteilen: Verkäufer können dennoch auf dem Verkauf des Gesamtpakets bestehen, wenn die Teilung für sie einen erheblichen Nachteil bedeutet, der über einen normalen Preisverlust hinausgeht. Das Gericht wertet dabei auch die Marktgängigkeit der verbleibenden Anteile und branchenspezifische Besonderheiten.
- Bedingte Erklärungen als rechtliches Risiko: Rechtsbedingungen in Vorkaufserklärungen können sich gegen den Erklärenden wenden. Wer seine Vorkaufsausübung unter den Vorbehalt stellt, nur bei günstiger Rechtslage zu kaufen, riskiert den kompletten Verlust seines Rechts bei ungünstiger gerichtlicher Bewertung.
Die Entscheidung zeigt, dass Vorkaufsrechte zwar starke Positionen verleihen, aber strategische Überlegungen der Verkäufer und unvorsichtige Formulierungen der Berechtigten diese Rechte erheblich einschränken können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist ein Vorkaufsrecht und wie funktioniert es typischerweise bei Unternehmensbeteiligungen?
Ein Vorkaufsrecht ist das Recht, in einen bereits bestehenden Kaufvertrag über Unternehmensanteile zu den exakt gleichen Bedingungen einzutreten, die ein Verkäufer mit einem Dritten vereinbart hat. Bei Unternehmensbeteiligungen, wie GmbH-Anteilen, ist dieses Recht typischerweise im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben.
Dieses Recht wird ausgelöst, sobald ein Gesellschafter seine Anteile an jemanden außerhalb der Firma verkaufen möchte und einen entsprechenden Vertrag geschlossen hat. Der Vorkaufsberechtigte, also ein bestehender Gesellschafter, wird dann über den Verkauf informiert und erhält eine bestimmte Frist – wie im vorliegenden Fall drei Monate – um zu entscheiden, ob er diese Anteile selbst kaufen möchte.
Der Hauptzweck eines solchen Vorkaufsrechts ist es, den Gesellschafterkreis zu schützen und die Kontrolle sowie Stabilität innerhalb des Unternehmens zu sichern. Es dient somit dazu, die Zusammensetzung der Eigentümer und die strategische Ausrichtung einer Gesellschaft zu bewahren.
Ist es generell zulässig, ein Vorkaufsrecht nur für einen Teil der gemeinsam angebotenen Vermögenswerte auszuüben?
Ja, grundsätzlich ist es zulässig, ein Vorkaufsrecht nur für einen Teil eines Gesamtpakets von Vermögenswerten auszuüben. Dies gilt, wenn mehrere Dinge oder Anteile zusammen zum Verkauf angeboten werden.
Der Gesetzgeber hat diese Regelung geschaffen, um zu verhindern, dass Vorkaufsrechte einfach ausgehebelt werden, indem Verkäufer verschiedene Gegenstände oder Anteile zu einem Gesamtpaket schnüren. Der Berechtigte soll nicht dazu gezwungen werden, Dinge zu erwerben, die er nicht will oder braucht, nur um sein Vorkaufsrecht für den gewünschten Teil nutzen zu können.
Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der Verkauf eines Autos zusammen mit einem Satz teurer Winterreifen. Hat man ein Vorkaufsrecht nur für das Auto, darf man es auch dann alleine erwerben, wenn der Verkäufer beides als Paket anbietet. Dieses Prinzip kann auch auf den gemeinsamen Verkauf von Unternehmensanteilen übertragen werden.
Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: Der Verkäufer kann darauf bestehen, dass der gesamte Paketinhalt abgenommen wird, wenn eine Trennung für ihn einen erheblichen Nachteil bedeuten würde.
Wann dürfen Verkäufer auf dem Verkauf eines Gesamtpakets bestehen, obwohl ein Vorkaufsrecht nur für Teile davon besteht?
Verkäufer dürfen auf dem Verkauf eines Gesamtpakets bestehen, wenn die Trennung der Verkaufsgegenstände für sie einen „erheblichen Nachteil“ bedeuten würde. Dies soll verhindern, dass sie durch die teilweise Ausübung eines Vorkaufsrechts unangemessen benachteiligt werden.
Ein solcher „erheblicher Nachteil“ geht über einen bloßen Preisnachlass hinaus. Er liegt vor, wenn der verbleibende Teil des Pakets für den Verkäufer praktisch unverkäuflich oder dessen Wert massiv gemindert wäre. Das kann der Fall sein, wenn zum Beispiel eine Minderheitsbeteiligung an einem Unternehmen isoliert keinen Marktwert mehr hat, weil potenzielle Käufer nur an einer Mehrheit oder Kontrolle interessiert sind. Auch der Verlust strategischer Vorteile, die nur der Gesamtverkauf ermöglicht hätte, kann einen erheblichen Nachteil darstellen.
Der Verkäufer muss diesen „erheblichen Nachteil“ überzeugend darlegen können. Dies kann durch den Nachweis erfolgen, dass die einzelnen Teile zuvor erfolglos verkauft werden sollten, oder durch Bestätigungen von Kaufinteressenten, die ausschließlich am Erwerb des gesamten Pakets interessiert waren.
Diese Regelung dient dem Schutz des Verkäufers, damit er durch ein bestehendes Vorkaufsrecht nicht in eine wirtschaftlich wesentlich schlechtere Lage gedrängt wird.
Wie gehen Gerichte mit gesetzlichen Regelungen um, die nicht direkt auf einen neuen oder spezifischen Sachverhalt zugeschnitten sind?
Gerichte können gesetzliche Regelungen auch auf neue oder spezifische Sachverhalte anwenden, für die sie nicht direkt geschaffen wurden, indem sie diese Regeln „analog“ anwenden. Das bedeutet, eine bestehende Vorschrift wird auf einen anderen Fall übertragen, der zwar nicht ausdrücklich im Gesetz genannt ist, aber in seinen wesentlichen Merkmalen und Zielen vergleichbar ist.
Voraussetzung dafür ist erstens, dass das Gesetz für den konkreten Sachverhalt keine direkte Regelung bereithält. Zweitens muss der ungeregelte Fall dem bereits geregelten Fall in seinen grundlegenden Wertungen und Zwecken so ähnlich sein, dass die Anwendung der alten Regelung sinnvoll ist und den ursprünglichen Gedanken des Gesetzes aufgreift.
Diese analoge Anwendung ist ein wichtiges Instrument, damit das Recht flexibel bleibt und auf neue gesellschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen reagieren kann. Sie hilft, Lücken im Gesetz zu schließen und Gerechtigkeit in Fällen herzustellen, die der Gesetzgeber nicht im Detail vorhersehen konnte.
So wurden zum Beispiel in einem aktuellen Fall Regeln, die ursprünglich für den Kauf von materiellen Gütern wie Autos gedacht waren, analog auf immaterielle Geschäftsanteile übertragen, weil die damit verbundenen Schutzbedürfnisse und die Interessenlage der Beteiligten vergleichbar waren.
Welche strategischen Überlegungen sollten Vorkaufsrechtsinhaber bei der Ausübung ihres Rechts bei Paketangeboten anstellen?
Vorkaufsrechtsinhaber sollten bei Paketangeboten genau prüfen, ob sie das gesamte Paket erwerben können und wollen, da eine gewünschte Teilausübung das Risiko birgt, am Ende gar nichts zu bekommen. Obwohl man grundsätzlich das Recht hat, nur einen Teil eines Pakets zu erwerben, kann der Verkäufer darauf bestehen, dass das gesamte Paket abgenommen wird. Dies ist der Fall, wenn die Trennung der angebotenen Teile für den Verkäufer einen erheblichen Nachteil bedeuten würde. Ein solcher Nachteil kann beispielsweise entstehen, wenn der verbleibende Teil sonst unverkäuflich oder deutlich weniger wert wäre.
Es ist daher entscheidend, sich vorab genau zu überlegen, ob man finanziell und strategisch in der Lage wäre, das gesamte angebotene Paket zu übernehmen. Besondere Vorsicht ist bei der Formulierung der Vorkaufserklärung geboten: Bedingte Erklärungen, wie „Ich kaufe nur den einen Anteil, trete aber zurück, falls ich das ganze Paket nehmen muss“, können dazu führen, dass das Vorkaufsrecht vollständig erlischt, wenn das Gericht den Verkäufern Recht gibt.
Um strategische Fehler zu vermeiden und die eigenen Interessen optimal zu schützen, empfiehlt es sich bei komplexen Fällen wie Paketverkäufen immer, frühzeitig juristischen Rat einzuholen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Analoge Anwendung
Juristen sprechen von einer analogen Anwendung, wenn eine gesetzliche Regelung auf einen Sachverhalt übertragen wird, für den sie nicht ausdrücklich geschaffen wurde. Dies ist zulässig, wenn der Gesetzgeber eine Lücke gelassen hat und der ungeregelte Fall dem geregelten Fall in seinen grundlegenden Zielen und Wertungen sehr ähnlich ist. Es erlaubt dem Recht, flexibel auf neue oder unvorhergesehene Situationen zu reagieren, indem der Sinn einer bestehenden Vorschrift auf einen vergleichbaren Fall angewendet wird. So können die Gerichte auch für neue Probleme passende Lösungen finden, die dem Geist des Gesetzes entsprechen. Im vorliegenden Fall wurde beispielsweise eine Regelung für den Verkauf von Sachgütern (wie Autos) auf den Verkauf von immateriellen Geschäftsanteilen angewendet.
Eidesstattliche Versicherungen
Eidesstattliche Versicherungen sind schriftliche Erklärungen, die von einer Person „an Eides statt“ abgegeben werden und die Richtigkeit einer Sachverhaltsdarstellung glaubhaft machen sollen. Sie werden typischerweise vor einem Notar oder einer anderen bevollmächtigten Person abgegeben und dienen dazu, bestimmte Tatsachen im Rechtsverkehr oder vor Gericht zu bestätigen, ohne dass eine förmliche Zeugenvernehmung erforderlich ist. Wer eine falsche eidesstattliche Versicherung abgibt, macht sich strafbar und kann bestraft werden. Gerichte nutzen diese Erklärungen oft, um in eiligen Verfahren eine erste Einschätzung der Faktenlage zu erhalten. Im Artikel wurden sie von den Verkäufern genutzt, um die Unverkäuflichkeit der verbleibenden Anteile zu belegen.
Einstweilige Verfügung
Eine einstweilige Verfügung ist ein schneller, vorläufiger Gerichtsbeschluss, der erlassen wird, um eine drohende, oft unumkehrbare Rechtsverletzung zu verhindern oder einen vorläufigen Zustand zu sichern. Sie dient als eine Art juristische Notbremse in besonders eiligen Fällen und wird erlassen, bevor eine endgültige Entscheidung im Hauptverfahren getroffen werden kann. Ihr Ziel ist es, Fakten zu schaffen oder zu verhindern, dass Fakten geschaffen werden, die später nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Die Gerichte prüfen dabei summarisch, ob der Anspruch und die Dringlichkeit glaubhaft gemacht wurden. Die Klägerin im Fall beantragte eine solche Verfügung, um die Übertragung der Anteile an den Konkurrenten zu stoppen.
Erheblichen Nachteil
Im Kontext des Vorkaufsrechts bedeutet ein „erheblicher Nachteil“ für den Verkäufer, dass die Trennung eines als Paket verkauften Gegenstandes für ihn eine substanzielle wirtschaftliche Einbuße oder einen massiven Wertverlust bedeuten würde. Dies geht über einen bloßen Rabatt oder eine geringfügige Einbuße hinaus. Ein erheblicher Nachteil liegt beispielsweise vor, wenn der verbleibende Teil des Pakets nach der Trennung praktisch unverkäuflich wäre oder nur zu einem drastisch schlechteren Preis veräußert werden könnte. Im beschriebenen Fall war dies gegeben, da die verbleibende Minderheitsbeteiligung des dritten Gesellschafters allein auf dem Markt als unverkäuflich galt.
Beispiel: Ein Verkäufer bietet ein Auto und speziell für dieses Auto maßgefertigte, einzigartige Ersatzteile als Paket an. Wenn der Vorkaufsberechtigte nur das Auto nimmt und die Ersatzteile für den Verkäufer dann wertlos sind, weil sie niemand anderes kaufen würde, wäre dies ein erheblicher Nachteil.
Rechtsbedingung
Eine Rechtsbedingung ist eine Erklärung, deren Wirksamkeit von einer zukünftigen, ungewissen, aber objektiv überprüfbaren rechtlichen Bewertung oder Tatsache abhängt. Im Gegensatz zu einer willkürlichen Bedingung, die oft unzulässig ist, bezieht sich eine Rechtsbedingung auf das Ergebnis einer Gesetzesanwendung oder einer gerichtlichen Entscheidung. Sie erlaubt es, eine Erklärung abzugeben, die sich automatisch an die rechtlichen Gegebenheiten anpasst, sobald diese geklärt sind. Im Artikel formulierte die Klägerin ihre Ausübung des Vorkaufsrechts als Rechtsbedingung, indem sie erklärte, im Falle der Zulässigkeit des Gesamtpaketverkaufs von ihrem Recht Abstand zu nehmen.
Vorkaufsrecht
Ein Vorkaufsrecht ist das Recht einer Person, in einen zwischen einem Verkäufer und einem Dritten bereits geschlossenen Kaufvertrag einzutreten und den Kaufgegenstand zu den exakt gleichen Bedingungen zu erwerben. Es gibt dem Berechtigten die Möglichkeit, ein Gut zu kaufen, bevor es an jemand anderen geht. Dieses Recht ist oft in Gesellschaftsverträgen für Anteile an Unternehmen oder im Grundbuch für Immobilien eingetragen. Es dient dazu, bestimmte Beziehungen oder Interessen, wie den Gesellschafterkreis einer Firma, zu schützen und zu stabilisieren. Die Klägerin im Fall besaß ein solches Vorkaufsrecht auf die Anteile ihrer Geschäftspartner.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Vorkaufsrecht und die teilweise Ausübung bei „Paketverkäufen“ (§ 467 Satz 1 BGB): Das Vorkaufsrecht gibt einer Person das Recht, in einen bestehenden Kaufvertrag über eine Sache oder einen Anteil einzutreten und diese zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen selbst zu erwerben. Wenn mehrere Dinge als Paket verkauft werden, erlaubt das Gesetz dem Vorkaufsberechtigten grundsätzlich, sein Recht auch nur für einen Teil dieses Pakets auszuüben. Dies soll verhindern, dass das Vorkaufsrecht durch das Bündeln von Verkaufsgegenständen ausgehöhlt wird.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin berief sich auf dieses Prinzip, um nur die Anteile des Beklagten zu erwerben, obwohl der Verkauf an den externen Käufer ein Paket aus den Anteilen des Beklagten und eines dritten Gesellschafters umfasste. Das Gericht bestätigte die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Regelung auch auf den Verkauf von Gesellschaftsanteilen.
- Der „erhebliche Nachteil“ als Grenze des Vorkaufsrechts (§ 467 Satz 2 BGB): Obwohl ein Vorkaufsberechtigter grundsätzlich nur einen Teil eines Pakets erwerben darf, schützt das Gesetz auch den Verkäufer. Wenn die Trennung der Verkaufsgegenstände für den Verkäufer einen „erheblichen Nachteil“ bedeuten würde – zum Beispiel, weil die verbleibenden Teile dann unverkäuflich oder deutlich weniger wertvoll wären – kann der Verkäufer verlangen, dass der Vorkaufsberechtigte entweder das gesamte Paket kauft oder sein Vorkaufsrecht ganz aufgibt.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dies war der entscheidende Punkt im Verfahren. Das Gericht stellte fest, dass der dritte Gesellschafter (dessen Anteile die Klägerin nicht wollte) einen erheblichen Nachteil erlitten hätte, wenn er auf seinen verbliebenen Minderheitsanteilen sitzen geblieben wäre. Die Verkäufer durften daher verlangen, dass die Klägerin das gesamte Paket erwirbt.
- Analoge Anwendung von Gesetzesnormen: Manchmal gibt es für eine bestimmte Situation kein exakt passendes Gesetz. Wenn die Situation aber sehr ähnlich zu einem Fall ist, für den es ein Gesetz gibt, und der Sinn und Zweck des bestehenden Gesetzes auch auf die neue Situation zutrifft, können Juristen das bestehende Gesetz „analog“ anwenden. Das bedeutet, sie übertragen die Regel sinngemäß, auch wenn der Wortlaut nicht perfekt passt.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Fall befasste sich mit dem Verkauf von Unternehmensanteilen von zwei verschiedenen Personen als Paket, während § 467 BGB ursprünglich für den Verkauf mehrerer Sachen durch einen Verkäufer gedacht ist. Das Gericht musste prüfen, ob diese Regelung trotzdem auf den vorliegenden komplexeren Anteilsverkauf angewendet werden konnte, was es für beide Sätze des Paragraphen bejahte.
- Bedingte Erklärungen im Recht – die „Rechtsbedingung“: Im Recht können Erklärungen manchmal von einer Bedingung abhängen. Eine „Rechtsbedingung“ ist dabei eine Bedingung, die an eine zukünftige Rechtslage geknüpft ist, die erst durch ein Gericht geklärt werden muss. Solche Bedingungen sind meist zulässig, da sie nicht von einem willkürlichen Ereignis abhängen, sondern von der objektiven Rechtslage, die im Nachhinein festgestellt wird.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin hatte in ihrer Erklärung zur Ausübung des Vorkaufsrechts eine solche Rechtsbedingung formuliert. Sie erklärte, die Anteile nur teilweise zu kaufen, aber für den Fall, dass die Verkäufer rechtlich auf dem Gesamtverkauf bestehen durften, würde sie ihr Vorkaufsrecht ganz zurücknehmen. Da das Gericht den Verkäufern recht gab, trat die Bedingung ein, und die Ausübung des Vorkaufsrechts der Klägerin galt als widerrufen.
- Die einstweilige Verfügung – eine gerichtliche „Notbremse“ (§§ 935, 940 ZPO): Eine einstweilige Verfügung ist ein schneller gerichtlicher Beschluss in eiligen Fällen. Sie dient dazu, einen vorläufigen Zustand zu sichern oder eine drohende Rechtsverletzung abzuwenden, bis eine endgültige Entscheidung in einem Hauptverfahren getroffen werden kann. Man kann damit zum Beispiel eine Handlung verbieten oder einen Zustand vorläufig festlegen, um irreparable Schäden zu verhindern.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin beantragte eine einstweilige Verfügung, um die Übertragung der Anteile an den Konkurrenten zu verhindern, während der Streit über ihr Vorkaufsrecht noch lief. Das Gericht erließ diese zunächst, hob sie aber nach ausführlicher Prüfung und Widerspruch der Beklagten wieder auf, da der Klägerin kein wirksames Vorkaufsrecht zustand.
Das vorliegende Urteil
LG Itzehoe – Az.: 6 O 245/23 – Urteil vom 13.12.2023
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