Finanzierungsgrundschuld und Voreintragungsgrundsatz: Aktuelle Rechtsprechung des OLG Dresden
Mit der Beschlussfassung des OLG Dresden (Az.: 17 W 605/20) vom 18.08.2020 wird ein juristisches Thema beleuchtet, welches von besonderer Bedeutung für Immobilien- und Finanzierungsfragen ist: der Voreintragungsgrundsatz bei Bestellung einer Finanzierungsgrundschuld. Der Fall betrifft die Anfechtung einer Zwischenverfügung der Grundbuchrechtspflegerin des Amtsgerichts Borna. Kern des Falls ist die Frage, ob die Eintragung der Grundschuld abhängig von der vorherigen Eintragung der Beteiligten als Grundstückseigentümerin gemacht werden kann.
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Übersicht
Verwirrungen und Klarstellungen
Im vorliegenden Fall war das betroffene Grundstück bis vor kurzem nach § 8 WEG geteilt. Aufgrund eines Beschwerdeschrifts ist es jedoch unklar, wer die Beschwerde einreichen sollte. Die Beteiligte zu 1 war als Berechtigte der eingetragenen Auflassungsvormerkung durch die beantragte Grundschuldeintragung und die Beanstandung des entsprechenden Eintragungsantrags gegenwärtig nicht in eigenen Rechten betroffen. Dies legt eine sorgfältige Untersuchung der Rolle der beteiligten Parteien in Bezug auf die vorgeschlagenen Immobilientransaktionen nahe.
Komplexität von Eigentumsübergängen
Im Kontext der Grundbuchpflege und der Eintragung von Grundschulden ist die Komplexität von Eigentumsübergängen zu beachten. Dies trifft insbesondere zu, wenn der Erbe das Grundstück des verstorbenen und noch eingetragenen Eigentümers veräußert. Dies kann zur Beantragung und Eintragung einer Eigentumsvormerkung führen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Auflassung noch nicht erklärt wurde. Gleiches gilt, wenn der aktuell eingetragene Eigentümer keine natürliche, sondern eine juristische Person ist und eine erbgangsgleiche Gesamtrechtsnachfolge stattfindet.
Änderung der Rechtsprechung
Die jüngste Rechtsprechung neigt dazu, eine weiter gehende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO für zulässig und geboten zu halten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die bevorstehende Grundstücksübertragung durch den Erben des noch eingetragenen Eigners oder durch einen von diesem transmortal Bevollmächtigten stattfindet. Es wäre schwer verständlich und kaum zu rechtfertigen, die Eintragung einer Eigentumsvormerkung für den Käufer ohne Voreintragung zu ermöglichen, hingegen die Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld von der Voreintragung des veräußernden Erben abhängig zu machen.
Bedeutung für die Praxis
Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Grundbuchpflege und der Finanzierung von Immobilientransaktionen. Es erlaubt eine flexible Handhabung der Eigentumsvormerkung und der Finanzierungsgrundschuld, was insbesondere bei der üblichen Praxis der Eintragung sowohl einer Eigentumsvormerkung für den Käufer als auch einer Grundschuld zugunsten des den Erwerb finanzierenden Kreditinstituts von Bedeutung ist.
Das vorliegende Urteil
OLG Dresden – Az.: 17 W 605/20 – Beschluss vom 18.08.2020
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird die Zwischenverfügung der Grundbuchrechtspflegerin des Amtsgerichts Borna vom 20./29.07.2019 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Vollzug des Antrags auf Eintragung der Grundschuld nicht von der Veranlassung der Voreintragung der Beteiligten zu 2 als Grundstückseigentümerin abhängig zu machen.
Gründe
I.
Das Grundstück Flurstück … der Gemarkung yyy. (…) war bis vor einigen Wochen gemäß § 8 WEG geteilt. Als Eigentümerin aller Wohnungseigentumsrechte war in den Wohnungsgrundbüchern (xxx Blatt … bis …) seit Ende 2007 bis zuletzt die …bank … eG eingetragen. Diese war einst beim Amtsgericht Siegen registriert (GnR 139). Im Jahre 2014 wurde sie als übertragende Rechtsträgerin auf die Beteiligte zu 2 verschmolzen (AG Arnsberg GnR 129).
Auf die Aufhebungserklärung der Beteiligten zu 2 vom 27.05.2020 und den im Juni 2020 eingereichten Vollzugsantrag schloss das Grundbuchamt am 16.07.2020 die Wohnungsgrundbücher gemäß § 9 Abs. 3 WEG und trug das Grundstück im parallel angelegten verfahrensgegenständlichen Grundbuch vor; als Eigentümerin verlautbarte es die …bank … eG. Einen Tag später, am 17.07.2020, buchte es eine Auflassungsvormerkung für die Beteiligte zu 1 gemäß Bewilligung vom 18.05.2020, die die Beteiligte zu 2 in dem mit der Erstbeteiligten zu notarieller Urkunde von eben diesem Tag geschlossenen „Grundstückskaufvertrag mit Auflassung“ erklärt hatte.
Zu weiterer Urkunde desselben Notars vom 10.07.2020 bestellte die Beteiligte zu 1, dabei im eigenen Namen und zugleich namens und in (im Kaufvertrag erteilter) Vollmacht der Beteiligten zu 2 handelnd, zugunsten der Beteiligten zu 3, die den Kaufpreis von 670.000 € im Wesentlichen finanzieren soll, eine Grundschuld zu 600.000 € und bewilligte die Eintragung in das Grundbuch. Den vom Notar namens aller drei Beteiligten gestellten Vollzugsantrag hat das Grundbuchamt im Wege der Zwischenverfügung beanstandet und die Veranlassung der Voreintragung der Beteiligten zu 2 gefordert. Dagegen richtet sich die Beschwerde, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
II.
Die vom Urkundsnotar eingereichte Beschwerdeschrift sagt nicht ausdrücklich, für wen die Beschwerde eingelegt sein soll. Bei sach- und interessengerechter Auslegung handelt es sich mangels Beschwerdeberechtigung weder um ein Rechtsmittel des Notars selbst oder ein solches der Beteiligten zu 1; diese ist als Berechtigte der eingetragenen Auflassungsvormerkung durch die beantragte Grundschuldeintragung und die Beanstandung des entsprechenden Eintragungsantrags gegenwärtig nicht in eigenen Rechten betroffen. Mangels Vorlage einer Verfahrensvollmacht der (künftigen) Grundschuldgläubigerin wird die Notarschrift auch nicht als Beschwerde der Beteiligten zu 3 verstanden. So bleibt als Beschwerdeführerin allein die Beteiligte zu 2, die betroffene (wahre) Grundstückseigentümerin.
III.
Die zulässige Beschwerde der Zweitbeteiligten hat Erfolg. Das in der angefochtenen Zwischenverfügung bezeichnete Eintragungshindernis besteht nicht. Für die Eintragung der Grundschuld bedarf es nicht der Voreintragung der Beteiligten zu 2.
1. Nach § 39 Abs. 1 GBO soll eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist. Von diesem Voreintragungsgrundsatz macht § 40 Abs. 1 GBO bestimmte Ausnahmen. Ist die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten, so ist § 39 Abs. 1 GBO nicht anzuwenden, wenn die Übertragung oder die Aufhebung des Rechts eingetragen werden soll oder wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlasspflegers oder durch einen gegen den Erblasser oder den Nachlasspfleger vollstreckbaren Titel begründet wird.
2. Nach allgemeiner Ansicht ist § 40 Abs. 1 GBO in verschiedener Hinsicht zu eng gefasst und über seinen Wortlaut hinaus entsprechend anzuwenden.
So liegt es unter anderem, wenn der Erbe das Grundstück des verstorbenen und noch eingetragenen Eigentümers veräußert, aber nicht sogleich die Eintragung der häufig zu diesem Zeitpunkt noch nicht erklärten Auflassung, sondern in Vorbereitung der Übertragung die Eintragung einer Eigentumsvormerkung für den Erwerber bewilligt und diese Vormerkung eingetragen werden soll oder wenn es sich beim aktuell eingetragenen Eigner nicht um eine natürliche, sondern eine juristische Person handelt, an deren Stelle im Wege erbgangsgleicher Gesamtrechtsnachfolge – durch Umwandlung oder in anderer Weise – eine andere (meist juristische) Person getreten ist, die ihr außerhalb des Grundbuchs erlangtes Eigentum jetzt an einen Dritten überträgt, der ohne Voreintragung der veräußernde Person sogleich als Eigentümer des Grundstücks eingetragen werden soll. Höchstrichterlich anerkannt ist auch die Kombination der beiden vorstehend genannten Konstellationen, also praktisch eine doppelte Analogie (BGH, Beschl. v. 05.07.2018 – V ZB 10/18, DNotZ 2018, 914). Dementsprechend hat das Grundbuchamt die von der Beteiligten zu 2 bewilligte Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Beteiligte zu 1 am 17.07.2020 zu Recht vorgenommen; es war hieran nicht durch die fehlende (Vor-)Eintragung der zweitbeteiligten wahren Eigentümerin gehindert.
3. Die mittlerweile wohl überwiegende, jedenfalls zusehends im Vordringen befindliche Auffassung, gerade auch in der jüngsten und, soweit ersichtlich, einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung, hält eine weiter gehende entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO dann für zulässig und geboten, wenn die bevorstehende Grundstücksübertragung durch den Erben des noch eingetragenen Eigners oder durch einen von diesem transmortal Bevollmächtigten nicht (allein) mittels einer Eigentumsvormerkung, sondern (zusätzlich) durch Bestellung und Eintragung einer (Kaufpreis-)Finanzierungsgrundschuld befördert werden soll (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.06.2017 – 20 W 179/17; OLG Köln, Beschl. v. 16.03.2018 – 2 Wx 123/18; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2018 – 8 W 311/18 und v. 02.11.2018 – 8 W 312/18; OLG Celle, Beschl. 16.09.2019 – 18 W 33/19, alle zitiert nach juris; aus der Literatur z.B. Wendt ErbR 2018, 137). Dieser Ansicht ist beizupflichten. Auch in dieser Fallgestaltung trifft der Normzweck des § 40 GBO zu. Die Vorschrift zielt auf die Vermeidung der Eintragung des Erben, wenn dieser durch Übertragung des ererbten Rechts ohnehin alsbald wieder aus dem Grundbuch ausscheidet, um den Beteiligten die Kosten einer unnötigen Eintragung zu ersparen (BGH, Beschl. v. 30.09.2010 – V ZB 219/09, ZEV 2011, 38). Und es wäre schwer verständlich und kaum zu rechtfertigen, die Eintragung einer Eigentumsvormerkung für den Käufer ohne Voreintragung zu ermöglichen (wie es einhelliger Ansicht entspricht), hingegen die Eintragung einer die Auflassung und deren Vollzug ebenfalls „voran bringenden“ Finanzierungsgrundschuld von der Voreintragung des veräußernden Erben abhängig zu machen (oder die Beteiligten darauf zu verweisen, auf anderweitige, regelmäßig umständliche oder komplizierte Gestaltungen auszuweichen). Hier wie dort und vor allem bei der in der Praxis sehr gebräuchlichen Eintragung sowohl einer Eigentumsvormerkung für den Käufer als auch einer Grundschuld zugunsten des den Erwerb(er) finanzierenden Kreditinstituts darf angenommen werden, dass die Eigentumsumschreibung auf den Käufer innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit nachfolgen wird.
4. Ist aber nach dem Vorgesagten die Buchung einer Finanzierungsgrundschuld voreintragungsfrei möglich, wenn der Erbe des noch eingetragenen Eigentümers sie im Zuge der Veräußerung des Grundstücks bestellt und einzutragen bewilligt, ist es nur konsequent und folgerichtig, dieselbe Möglichkeit – ebenfalls in (weiter) entsprechender Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO – auch dem erbgangsgleichen Gesamtrechtsnachfolger der noch im Grundbuch als Eigentümerin verlautbarten juristischen Person zu eröffnen; auch er muss nicht als Eigner (vor-)eingetragen sein, damit die im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf bestellte Finanzierungsgrundschuld eingetragen werden kann.
IV.
Kosten- und Wertentscheide sind nicht veranlasst. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unterbleibt schon deshalb, weil es keinen Beteiligten gibt, den die vorliegende Entscheidung beschwert.