OLG Hamm – Az.: I-15 W 393/16 – Beschluss vom 07.12.2016
Die angefochtenen Zwischenverfügungen werden aufgehoben.
Gründe
I.
Als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist die am 16.02.2016 verstorbene Frau L, die Ehefrau des Beteiligten zu 1) und Mutter der Beteiligten zu 2).
Ausweislich des vom Nachlassgericht erteilten Erbscheins (5 VI 162/16 AG Brakel) ist die Eigentümerin von dem Beteiligten zu 1) zu 37/50 und der Beteiligten zu 2) zu 13/50 beerbt worden, wobei die Beteiligte zu 2) jedoch nur nicht befreite Vorerbin ist und der Beteiligte zu 1) ihr Nacherbe. In dem Erbschein sind weitere Personen als Ersatznacherben ausgewiesen.
Ausweislich des vom Nachlassgericht erteilten Testamentsvollstreckerzeugnisses (5 VI 98/16 AG Brakel) unterliegt der Erbteil der Beteiligten zu 2) der Testamentsvollstreckung. Testamentsvollstrecker ist der Beteiligte zu 1), der ausweislich des Zeugnisses von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.
In der notariellen Urkunde vom 8.07.2016 (UR-Nr…./2016 des Notars X in Y) hat der Beteiligte zu 1) zum einen handelnd für sich selbst und zum anderen handelnd als Testamentsvollstrecker der Beteiligten zu 2) den Grundbesitz zu einem Kaufpreis von 62.100,00 EUR an sich selbst verkauft und übereignet.
In seiner Funktion als Nacherbe hat er auf die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch verzichtet.
Er hat beantragt, ihn als Alleineigentümer im Grundbuch einzutragen.
Mit Zwischenverfügung vom 5.08.2016 hat das Grundbuchamt mitgeteilt, dass dem Antrag noch nicht entsprochen werden könne. Es fehle an der erforderlichen Voreintragung der Erbengemeinschaft bestehend aus den Beteiligten zu 1) und 2).
Auf die gegen die Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde vom 11.08.2016 hat das Grundbuchamt unter dem 19.09.2016 mit dem Erlass einer weiteren Zwischenverfügung reagiert. Danach steht der Eintragung als weiteres Hindernis entgegen, dass der Nacherbe und die Ersatznacherben der Veräußerung nicht zugestimmt haben. Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde vom 22.09.2016.
Mit Beschluss vom 28.09.2016 hat das Grundbuchamt den Beschwerden nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach §§ 71 ff. GBO zulässigen Beschwerden des Beteiligten zu 1) sind auch begründet und führen zur Aufhebung der Zwischenverfügungen des Grundbuchamts.
1.
Entgegen der in der Zwischenverfügung vom 5.08.2016 vom Grundbuchamt vertretenen Rechtsansicht bedarf es keiner Voreintragung der aus den Beteiligten zu 1) und 2) bestehenden Erbengemeinschaft.
Von dem in § 39 GBO statuierten Grundsatz der Voreintragung des von der Rechtsänderung Betroffenen macht § 40 Abs. 1 GBO für den Fall eine Ausnahme, dass die von der Rechtsänderung betroffene Person Erbe des eingetragenen Berechtigten ist und die Übertragung des Rechts eingetragen werden soll. Nach ihrem Wortlaut und ihrem Regelungszweck erfasst die Vorschrift des § 40 Abs. 1 GBO auch die von sämtlichen Miterben einer Miterbengemeinschaft vorgenommene Übertragung des Rechts. Das gilt nicht nur für eine von diesen Miterben vorgenommene Übertragung auf einen Dritten, sondern auch dann, wenn das Recht auf einen (oder mehrere) der Miterben übertragen wird (Bauer/von Oefele-Bauer, GBO, 3. Auflage, § 40 Rn.9; Meikel-Böttcher, GBO, 11. Auflage, § 40 Rn.6; a. A. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage, Rn.142 – ohne nähere Begründung).
§ 39 GBO dient dem Zweck, die Kontinuität der Rechtsinhaberschaft nachvollziehbar zu machen. Auf diese Nachvollziehbarkeit wird in den in § 40 GBO geregelten Fällen verzichtet. Dem Erben sollen Kosten für seine vorherige Eintragung erspart bleiben. Außerdem soll die Arbeit des Grundbuchamtes erleichtert werden, indem sachlich unnötige Eintragungen, an denen keiner der involvierten Personen ein Interesse hat, erspart werden; zugleich soll die Übersichtlichkeit des Grundbuchs durch den Verzicht auf sofort gegenstandslos werdende Eintragungen verbessert werden (OLG Nürnberg FGPrax 2014, 17). Als Ausnahmevorschrift zu § 39 GBO ist § 40 Abs. 1 GBO zwar eng auszulegen (OLG München Rechtspfleger 2006, 538; OLG Nürnberg a. a. O.). Gleichwohl wird die von sämtlichen Miterben einer Miterbengemeinschaft vorgenommene Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück vom Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 GBO erfasst.
Auch wenn die Bestimmung des § 40 Abs. 1 GBO in Bezug auf die verfügende Person und ihre Rechtsstellung „Erbe“ nur den Singular verwendet, steht dieses der Anwendung auf Verfügungen, die von einer aus mehreren Personen bestehenden Miterbengemeinschaft vorgenommen werden, nicht entgegen. Auch § 39 GBO verwendet im Hinblick auf die von der Rechtsänderung betroffene Person nur den Singular, erfasst aber selbstredend auch Fälle, in denen mehrere Personen von der Rechtsänderung betroffen sind. Entsprechendes muss dann auch für die den Grundsatz des § 39 GBO durchbrechende Ausnahmevorschrift gelten. Als Erbe im Sinne des § 40 Abs. 1 GBO ist dann die Miterbengemeinschaft anzusehen (Bauer/von Oefele- Bauer a. a. O.).
Auch die Legitimationsprüfung durch das Grundbuchamt unterscheidet sich nicht wesentlich bei der Veräußerung durch den Alleinerben oder durch sämtliche zu einer Erbengemeinschaft gehörenden Miterben: in beiden Fällen ist zunächst die Erbeneigenschaft der Veräußererseite zu prüfen und im Fall der Veräußerung des Grundstücks muss dann ein notariell zu beurkundender Kaufvertrag vorliegen.
Letztlich macht der Wortlaut des § 40 Abs. 1 GBO auch keine Einschränkungen dahingehend, an wen die Übertragung erfolgt, so dass sowohl die Übertragung an einen Dritten als auch an ein Mitglied oder mehrere Mitglieder der Miterbengemeinschaft abgedeckt sind.
Die Voreintragung der Miterben ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb erforderlich, weil der Beteiligten zu 2) nur die Stellung einer Vorerbin zukommt.
Auch der Vorerbe ist bis zum Eintritt des Nacherbfalls Erbe im Sinne des § 40 Abs. 1 GBO (Bauer/von Oefele-Bauer a. a. O. § 40 Rn.10). Der Eintragung eines Nacherbenvermerks nach § 51 GBO, die ohne gleichzeitige Eintragung des Vorerben nicht möglich ist, bedarf es dann nicht, wenn der Nacherbe der Verfügung des Vorerben zugestimmt hat. Die Zustimmung des Beteiligten zu 1) als Nacherbe liegt im vorliegenden Fall vor. Der Beteiligte zu 1) ist an der Verfügung selbst beteiligt und hat in der maßgeblichen Urkunde ausdrücklich auf die Eintragung eines Nacherbenvermerks verzichtet hat. Damit hat der Beteiligte zu 1) in seiner Funktion als Nacherbe zugestimmt.
2.
Entgegen der vom Grundbuchamt in der Zwischenverfügung vom 19.09.2016 vertretenen Rechtsauffassung bedarf es keiner (weiteren) Zustimmungserklärungen des Nacherben und der Ersatznacherben.
Wie oben dargelegt hat der Beteiligte zu 1) der Verfügung der Vorerbin in seiner Funktion als Nacherbe bereits zugestimmt.
Der Zustimmung eines Ersatznacherben zu Verfügungen des Vorerben bedarf es nach allgemeiner Meinung nicht (vgl. nur Demharter a. a. O. § 51 Rn.27+34 mit weiteren Nachweisen).
Eine Wertfestsetzung ist wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht veranlasst.