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Voraussetzungen für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks im Grundbuch

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 W 25/12 – Beschluss vom 26.03.2012

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 28. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 65.000 €.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat mit einer am 11. Juli 2011 bei dem Landgericht eingegangenen Klage zunächst die Fa. A auf Rückübertragung eines mit dem sog. „X-Haus“ bebauten Grundstücks in … in Anspruch genommen (…). Das Grundstück gehörte zum Nachlass der am …. verstorbenen Frau B. Die Erblasserin hatte über ihren Nachlass in einem gemeinschaftlichen Testament mit ihrem vorverstorbenen Ehemann vom 11.10.1996 testiert, worin u.a. Testamentsvollstreckung angeordnet war. Die Fa. A erwarb das Grundstück aufgrund notariellen Kaufvertrages, wobei auf Verkäuferseite die seinerzeit bestellte – zwischenzeitlich entlassene – Testamentsvollstreckerin Frau C handelte. Die Fa. A wurde aufgrund Auflassung vom 08.10.2010 am 27.12.2010 als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Die Fa. A veräußerte das Grundstück ihrerseits weiter an die Antragsgegnerin, die aufgrund Auflassung vom 09.06.2011 am 11.08.2011 in das Grundbuch als neue Eigentümerin eingetragen worden ist.

In dem genannten Klagverfahren … nimmt die Antragstellerin als dortige Klägerin zwischenzeitlich die Fa. A und als weitere Beklagte die genannte frühere Testamentsvollstreckerin jeweils auf Feststellung ihrer Pflicht zum Ersatz des aus dem Grundstücksverkauf entstandenen Schadens in Anspruch. Sie hat zudem mit Schriftsatz vom 16.01.2012 in jenem Verfahren auch die hiesige Antragsgegnerin verklagt (zugestellt an die Antragsgegnerin am 29.02.2012) und beantragt dort ihre Verurteilung, das fragliche Grundstück an die Erbengemeinschaft aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Verträge, aufgrund derer der Verkauf des „X-Hauses“ an die Fa. A erfolgten, seien rechtsunwirksam, weil die Testamentsvollstreckerin zur Veräußerung nicht befugt gewesen sei, sie jedenfalls teilweise unentgeltlich verfügt und ein Vorkaufsrecht der Erben missachtet habe. Aber auch die hiesige Antragsgegnerin habe das Grundstück nicht wirksam erworben. Es liege insoweit eine „bösartige Weiterveräußerung“ vor. Denn die Testamentsvollstreckerin habe bei Abschluss des Kaufvertrages mit der Fa. A vor dem Notar gesagt, dass die Erben mit der Veräußerung einverstanden seien, was aber unwahr gewesen sei. Der Geschäftsführer der Fa. A habe jedenfalls im Januar 2011 nach dem Widerspruch der Erben davon erfahren, dass die Testamentsvollstreckerin insoweit seinerzeit die Unwahrheit gesagt habe. Er habe trotz dieser Kenntnis zügig für die – deshalb bösartige – Weiterveräußerung der Immobilie an die Antragsgegnerin gesorgt, die mithin das Grundstück herauszugeben habe. Das Grundbuch müsse in der Weise berichtigt werden, dass die verstorbene Erblasserin oder die Erbengemeinschaft Grundeigentümerin werde (…).

Ein Antrag der Antragstellerin gegen die Fa. A auf Eintragung eines Widerspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung hatte zuletzt gemäß Beschluss der Einzelrichterin des LG Flensburg vom 15.07.2011 keinen Erfolg (…; die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat der Einzelrichter des Senats durch Beschluss vom 16.08.2011 zurückgewiesen, …).

Mit Schriftsatz vom 26.01.2012 hat die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung die gerichtliche Anordnung eines Sicherungsvermerks nach § 899 BGB dahin beantragt, im Grundbuch von … Bl. … einzutragen, dass „das Grundstück…gemäß Rechtsstreitverfahren vor dem Landgericht Flensburg Az. … streitbefangen“ sei.

Das Landgericht hat dies als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks verstanden und diesen Antrag mit Beschluss vom 28.02.2012 (zugestellt am 01.03.2012) zurückgewiesen. Es hat sich zur Begründung im Ausgangspunkt auf die von ihm für zutreffend gehaltenen Ausführungen des OLG Köln in seinem Beschluss vom 02.01.2012 – 2 Wx 240/11, juris – gestützt wonach für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks – wie beim Widerspruch nach § 899 BGB – die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft gemacht werden müsse. Daran fehle es hier. Ausweislich der Entscheidung in der Sache … LG Flensburg sei bereits ein fortbestehendes Eigentumsrecht der Erbengemeinschaft im Verhältnis zur Fa. A nicht glaubhaft gemacht. Im Verhältnis zur zweiten Erwerberin, nämlich der Antragsgegnerin, bestehe überhaupt keine fassbare Grundlage, eine fehlgeschlagene Übereignung anzunehmen.

Dagegen richtet sich die am 07.03.2012 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, auf deren Begründung (Bl. 27 ff d.A.) verwiesen wird. Das Landgericht hat dieser Beschwerde mit begründetem Beschluss vom 08.03.2012 nicht abgeholfen (Bl. 41 – 43 d.A.). Gegen die Argumentation des Nichtabhilfebeschlusses richtet sich der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12.03.2012 (Bl. 64 ff d.A.).

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

Die Einzelrichterin des Landgerichts (§ 348 Abs. 1 S. 1 ZPO) hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen. Dagegen ist die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO eröffnet (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. A. 2012, § 922 Rn. 13 und § 937 Rn. 3a). Das Beschwerdegericht schließt sich der herrschenden Meinung an, wonach auch im Verfahren der Beschwerde gegen die ohne mündliche Verhandlung erfolgte Zurückweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch das Landgericht kein Anwaltszwang herrscht, weil mangels mündlicher Verhandlung I. Instanz dort kein Anwaltsprozess stattgefunden hat (vgl. nur Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 922 Rn. 13 mit zahlreichen Nachweisen der h.M.).

Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist der Senat in voller Besetzung zuständig, weil der Einzelrichter die Sache durch Beschluss vom 22. März 2012 gemäß § 568 S. 2 Ziff. 2 ZPO auf den Senat übertragen hat.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel der Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in das Grundbuch von … Bl. … im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.

a. Das Landgericht hat ausgeführt, dass der – im Gesetz nicht geregelte – Rechtshängigkeitsvermerk die Zustellung einer Klage voraussetze, bei der um das dingliche Recht am Grundstück gestritten werde. Unabhängig von der nicht feststellbaren Zustellung der Klagerweiterung sei hier nur ein Rückübereignungsanspruch und nicht ein Grundbuchberichtigungsantrag formuliert worden, weshalb ein Rechtshängigkeitsvermerk schon nicht eingetragen werden könne.

Der letzteren Auffassung folgt der Senat nicht. Zwischenzeitlich lässt sich aus der beigezogenen Akte … die Zustellung der Klagerweiterung an die Antragsgegnerin ersehen. Richtig ist allerdings, dass obligatorische Ansprüche auf Verschaffung eines Grundstücks nicht mittels Rechtshängigkeitsvermerks gesichert werden können, sondern nur mittels Vormerkung (Kohler in MüKo-BGB, 5. A. 2009, § 899 Rn. 30; vgl. auch OLG Schleswig, NJW-RR 1994, 1498 f bei juris Rn. 11). Der fragliche Antrag richtet sich seinem Wortlaut nach in der Tat nicht auf Grundbuchberichtigung, sondern auf Grundstücksübereignung durch Auflassung und Eintragungsbewilligung. Es ist aber anerkannt, dass ein Auflassungsantrag als Anspruch auf Grundbuchberichtigung ausgelegt werden kann, wenn dieses Rechtsschutzziel aus der Antragsbegründung erkennbar ist (BGH FamRZ 2003, 93 ff bei juris Rn. 14 m.w.N.; Palandt/Bassenge, BGB, 71. A. 2012, § 894 Rn. 8). Dieser Fall liegt hier ausweislich der Begründung der Antragsgegnerin S. 37/38 ihres Schriftsatzes vom 21.12.2011 in der Sache … vor, auf den der Klagerweiterungsschriftsatz vom 16.01.2012 Bezug nimmt.

b. Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts (im Anschluss an OLG Köln, B.v.02.01.2012, 2 Wx 240/11, juris) wonach zur Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks im Grundbuch nicht allein ein in entsprechender Anwendung von § 22 Abs. 1 GBO gegenüber dem Grundbuchamt zu führender Nachweis in der Form des § 29 GBO genügt, dass ein die eingetragene Rechtsposition betreffender dinglicher Anspruch rechtshängig geworden ist. Denn der gesetzlichen Wertung in § 899 BGB ist zu entnehmen, dass eine solche faktische Verfügungssperre erst ausgelöst werden kann, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs jedenfalls glaubhaft gemacht ist und ein Gericht dies geprüft und bejaht hat.

Allerdings ist in der Rechtsprechung verschiedentlich vertreten worden, ein Rechtshängigkeitsvermerk bedürfe zu seiner Eintragung weder der Bewilligung des Buchberechtigten noch einer einstweiligen Verfügung (mit der Notwendigkeit, die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft zu machen). Es genüge vielmehr der Nachweis der Rechtshängigkeit gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO (so auch der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in NJW-RR 1994, 1498 ff; zuletzt OLG Frankfurt FGPrax 2009, 250 ff bei juris Rn. 11 f; OLG Braunschweig NJW-RR 2005, 1099 ff bei juris Rn. 23 f – dort allerdings mit dem Hinweis, dass die Gegenmeinung gewichtige Argumente für sich in Anspruch nehmen könne; OLG München NJW-RR 2000, 384 f bei juris Rn. 7 – 9; OLG Zweibrücken, NJW 1989, 1098 f Rn. 13). Die Vertreter dieser Auffassung erkennen zwar an, dass der Rechtshängigkeitsvermerk praktisch die Wirkungen eines Widerspruchs hat, der seinerseits gemäß § 899 BGB nur aufgrund Bewilligung oder einstweiliger Verfügung eingetragen werden darf. Würde man aber entsprechende Anforderungen auch hier stellen, sei der Rechtshängigkeitsvermerk eigentlich überflüssig. Es bestehe aber inhaltlich doch ein Unterschied zum Widerspruch. Letzterer habe die Unrichtigkeit der materiellen Rechtslage zum Inhalt und solle umfassend jeden gutgläubigen Erwerb betreffend alle eintragungsfähigen Rechte hindern, während der Rechtshängigkeitsvermerk nur den Hinweis auf eine möglicherweise eintretende Unrichtigkeit des Grundbuchs je nach Prozessausgang beinhalte und deshalb „ein Sicherungsmittel von wesentlich geringerem Gewicht“ sei (OLG München a.a.O. bei juris Rn. 8; in der Sache ähnlich auch OLG Schleswig a.a.O. bei juris Rn. 12). Der Rechtshängigkeitsvermerk sei notwendig anzuerkennen, weil ohne eine solche Möglichkeit der Eintragung wegen der Regelung in § 325 Abs. 2 ZPO, die in Bezug auf Rechte an Grundstücken auf § 892 BGB verweist, eine planwidrige Gesetzeslücke im Bereich der Rechtskrafterstreckung auf Rechtsnachfolger bestehe. Die Eintragung dürfe nicht von weiteren Voraussetzungen wie der Glaubhaftmachung der Grundbuchunrichtigkeit abhängig gemacht werden, weil die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes für den möglicherweise Berechtigten schwerwiegender einzustufen sei, als die die nur zeitlich beschränkte Beeinträchtigung des Buchberechtigten (OLG München a.a.O. Rn. 9; OLG Schleswig a.a.O. Rn. 14).

Diese Auffassung hat bereits die ältere Rechtsprechung nicht geteilt und vielmehr für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks das Vorliegen einer einstweiligen Verfügung und mithin auch die Glaubhaftmachung der Grundbuchunrichtigkeit und richterliche Prüfung derselben gefordert (OLG München NJW 1966, 1030; OLG Stuttgart NJW 1960, 1109). Diese Ansicht der älteren Rechtsprechung wird von großen Teilen auch der jüngeren Literatur mit Nachdruck unterstützt (etwa Kohler in MüKo-BGB, a.a.O., § 899 Rn. 31; Gursky in Staudinger, Neubearb. 2008, § 899 Rn. 102; Dillberg/Fest ZEV 2009, 220, 223; ausführlich Lickleder in ZZP 2001, 195 ff). Entscheidend wird hervorgehoben, dass Interessenlage und Wirkung von Widerspruch und Rechtshängigkeitsvermerk doch sehr ähnlich seien, auch der Rechtshängigkeitsvermerk zu einer faktischen Grundbuchsperre führe und der Widerspruch mit seinen gesetzlich geregelten strengen Anforderungen praktisch bedeutungslos würde, wenn man dem Widersprechenden die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks zu leicht mache. Es gebe jedenfalls im Hinblick auf die die zu stellenden Anforderungen im Verhältnis zwischen dem im Grundbuch als Berechtigen Eingetragenen und demjenigen Dritten, der das Recht für sich in Anspruch nimmt, keine Lücke im Gesetz, weil das Gesetz diese Anforderungen in § 899 BGB in Verbindung mit den §§ 935, 940, 945 ZPO regele, insbesondere dann nach den §§ 899 BGB, 936, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft gemacht werden müsse.

Dieser Auffassung hat sich das OLG Köln mit dem auch vom Landgericht herangezogenem Beschluss vom 02.01.2012, 2 Wx 240/11 mit ausführlicher, überzeugender Begründung angeschlossen. Dem folgt auch der Senat. Im Ausgangspunkt mag es so sein, dass der Rechtshängigkeitsvermerk gegenüber dem Widerspruch ein Sicherungsmittel geringeren Gewichts ist. Entscheidend ist aber die weitgehend gleiche faktische Wirkung für den betroffenen Eingetragenen. Mit einem solchen Vermerk im Grundbuch wird in aller Regel weder die Veräußerung (zu angemessenen Bedingungen) noch eine Belastung zur Sicherung einer Kreditaufnahme gelingen, so dass die Interessen des Eingetragenen massiv negativ – und vergleichbar mit der Situation bei Eintragung eines Widerspruchs – betroffen sind. Zu Recht spricht etwa das OLG Oldenburg davon, dass die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks nicht anders als die Eintragung eines Widerspruchs faktisch einer „Registersperre“ gleichkomme und einen schweren Eingriff in die Rechtsposition des Betroffenen darstelle (a.a.O., bei juris Rn. 24).

Dennoch wertet die abweichende Auffassung dahin, die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes des möglicherweise berechtigten Dritten wiege schwerer als die zeitlich beschränkte Beeinträchtigung des Buchberechtigten, weshalb für die Eintragung eines Rechthängigkeitsvermerks nicht die Glaubhaftmachung der Grundbuchunrichtigkeit zu fordern sei, sondern der schlichte Nachweis der Rechtshängigkeit nach § 29 GBO genüge.

Diese Wertung mag als solche nachvollziehbar sein, ist aber nicht die Wertung des Gesetzgebers, der nämlich die Interessen eines im Grundbuch als Berechtigten Eingetragenen und diejenigen eines Dritten, der das Recht abweichend vom Inhalt des Grundbuchs für sich in Anspruch nimmt, in § 899 BGB und den zitierten Vorschriften der ZPO geregelt hat. Danach ist der schwere Eingriff in Form der faktischen Grundbuchsperre zu Lasten des Eingetragenen erst dann berechtigt, wenn ein Gericht geprüft und bejaht hat, dass der Dritte die Unrichtigkeit des Grundbuchs jedenfalls glaubhaft gemacht hat. Der Eingriff steht insoweit unter der Voraussetzung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung mit der Folge auch der möglichen späteren Schadensersatzpflicht nach § 945 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen, die den Buchberechtigten zusätzlich schützt.

Es mag sein, dass es dem Dritten in einigen Fällen trotz tatsächlich bestehender materieller Berechtigung nicht gelingen wird, diese Anforderungen zu erfüllen und rechtzeitig eine einstweilige Verfügung zu erlangen. Das aber hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, als er die genannten Voraussetzungen formuliert hat. Hat der Gesetzgeber aber diesen Interessenkonflikt umfassend geregelt, kann ein Gericht nicht allein vor dem Hintergrund des in richterlicher Rechtsfortbildung anerkannten Instituts des Rechtshängigkeitsvermerks hinsichtlich der Eintragungsvoraussetzungen anders werten, wenn insoweit keine durchschlagend abweichende Interessenlage – die der Gesetzgeber im Sinne einer unbewussten Lücke nicht gesehen haben müsste – feststellbar ist.

c. Die Antragstellerin hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Grundbuch im Hinblick auf die Eintragung der Antragsgegnerin unrichtig sein könnte, wie das Landgericht in dem Beschluss vom 28.02.2012 und ergänzend in dem Nichtabhilfebeschluss vom 08.03.2012 ausgeführt hat. Entscheidend ist dabei die Frage, ob die Wirksamkeit der Zweitveräußerung von der Fa. A auf die Antragsgegnerin und damit die Eintragung der Antragsgegnerin im Grundbuch in Frage gestellt sein könnte, wofür aber auch weiterhin nichts glaubhaft gemacht ist.

aa. Insoweit kommt es auf die Wirksamkeit des vorherigen Erwerbs durch die Fa. A nicht an, weshalb eine ausführliche Prüfung in diesem Verfahren nicht erforderlich ist. Soweit sich die Antragstellerin mit dem Erwerb der Fa. A auch in Ihrem Schriftsatz vom 12.03.2012 als Reaktion auf den Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts befasst (und soweit sie dort die Argumente aus ihrer Beschwerdebegründungsschrift aufrecht erhält bzw. vertieft) und dies nach Ihrer Meinung Auswirkungen auf den Zweiterwerb der Antragsgegnerin haben könnte, gilt kurz zusammengefasst Folgendes:

Die Antragstellerin räumt ein, dass die (frühere) Testamentsvollstreckerin grundsätzlich auch über das zum Nachlass gehörende Grundstück nach den §§ 2205, 2206 BGB verfügungsbefugt war. Sie will aber nun dahin argumentieren, aus dem Testament ergebe sich bereits in Bezug auf das fragliche Grundstück eine nach § 2208 BGB zu beachtende Einschränkung der Verfügungsbefugnis der Testamentsvollstreckerin. Das aber ist nicht richtig.

Zunächst ist zu bedenken, dass eine solche Einschränkung der Verfügungsbefugnis in dem der früheren Testamentsvollstreckerin erteilten Testamentsvollstreckerzeugnis vom 22.10.2009 nicht enthalten war. Der öffentliche Glaube dieses Zeugnisses gilt nach den §§ 2368 Abs. 3, 2366 BGB auch für alle davon gedeckten Verfügungsgeschäfte der Testamentsvollstreckerin (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 71. A. 2012, § 2368 Rn. 8). Kenntnisse der Fa. A von dem etwa abweichenden Inhalt des Testaments im Erwerbszeitpunkt sind nicht glaubhaft gemacht, erst Recht nicht Kenntnisse der Antragsgegnerin.

Unabhängig davon lässt sich dem Testament eine von der Erblasserin gewollte Einschränkung der Verfügungsbefugnis der Testamentsvollstreckerin in Bezug auf das „X-Haus“ nicht entnehmen. Wenn es dort heißt, dass „die Erbengemeinschaft für Groß-Reparaturen als Eigentümerin einzustehen hat“, ist mit dem Hinweis auf die Eigentumslage nach dem Erbfall nur wiedergegeben, was der Gesetzeslage entspricht (Grundsatz des Vonselbsterwerbs, §§ 1922, 1942 BGB). Mit dem Todesfall gehen alle Rechte und mithin auch das Grundstückseigentum auf die Erben über. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Testamentsvollstreckerin bei der ihr obliegenden Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses das nachlasszugehörige „X-Haus“-Grundstück nach Wegfall des Nießbrauchs nicht an einen Dritten veräußern durfte.

Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, dass sich eine weitere Grenze der Verfügungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs ergibt. Ein vom Testamentsvollstrecker eingegangenes Verpflichtungsgeschäft und die darauf beruhende Verfügung kann nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein, wenn Testamentsvollstrecker und Käufer bewusst zum Nachteil des Nachlasses und der Erben zusammenwirken. Erforderlich ist dazu nicht nur ein Treubruch des Testamentsvollstreckers unter Verstoß gegen § 2216 BGB, sondern hinzukommen muss eine bewusste Ausnutzung dieses Treubruchs durch den Käufer. Darüber hinausgehend ist anerkannt, dass die Unwirksamkeitsfolge auch dann greift, wenn zwar bei dem Käufer Vorsatz in diesem Sinne nicht festgestellt werden kann, sich der Testamentsvollstrecker aber ersichtlich verdächtig verhalten hat und der Vertragspartner den Missbrauch/Treubruch jedenfalls hätte erkennen müssen (BGH NJW-RR 1989, 642 f, bei juris Rn. 11 f; Zimmermann in MüKo-BGB, 5. A. 2010, § 2205 Rn. 68 und § 2206 Rn. 5; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2206 Rn. 2).

Das Vorliegen der so bezeichneten Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB ist hier aber nicht glaubhaft gemacht worden. Die Antragstellerin macht nun gerade ausdrücklich geltend (Schriftsatz vom 12.03.2012), sie habe kein kollusives Zusammenwirken der Fa. A mit der Testamentsvollstreckerin geargwöhnt. Sie beruft sich vielmehr zentral darauf, dass die Testamentsvollstreckerin anlässlich der Beurkundung bei dem Notar Dr. Y am 08.10.2010 bewusst unwahr angegeben habe, die Erben seien mit der Veräußerung der Immobilie einverstanden. Der Kaufvertrag sei deshalb durch Betrug der Testamentsvollstreckerin zustande gekommen. Dies hätte die Fa. A, handelnd durch ihren Geschäftsführer Z, aber jedenfalls ab Januar 2011 gewusst, als nämlich die Erben dem Verkauf widersprochen hätten. Dieser Umstand führt nun allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Ersterwerbs und zur Grundbuchunrichtigkeit. Denn zu diesem Zeitpunkt möglichen Wissens der Fa. A um die Unrichtigkeit der Angaben der Testamentsvollstreckerin war das Grundstücksgeschäft bereits vollständig abgewickelt und die Fa. A am 27.12.2010 als Eigentümerin im Grundbuch aufgrund der Auflassung vom 08.10.2010 eingetragen worden. Eine Bösgläubigkeit des für die Fa. A handelnden Geschäftsführers im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis der Testamentsvollstreckerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Verfügung ist damit gerade nicht dargelegt.

bb. Vor diesem Hintergrund ist erst recht nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht, warum der Zweiterwerb durch die Antragsgegnerin unwirksam und das Grundbuch in Ansehung der Eintragung der Antragsgegnerin als Eigentümerin falsch sein sollte.

Die Antragstellerin meint, wegen der Kenntnis des Geschäftsführers der Fa. A ab Januar 2011 von dem fehlenden Einverständnis der Erben mit dem Verkauf der Immobilie entgegen den Angaben der Testamentsvollstreckerin bei der Beurkundungsverhandlung im Oktober 2010 sei die Weiterveräußerung des Grundstücks von der Fa. A an die Antragsgegnerin nicht gutgläubig, sondern in vorsätzlicher Kenntnis über den zuvor unrechtmäßigen Erwerb mit Kaufvertrag vom 08.10.2010 geschehen. Eine Bösgläubigkeit des Geschäftsführers der Fa. A im maßgeblichen Zeitpunkt ergibt sich wie dargelegt daraus aber bereits nicht. Vor allem käme es für den Zweitverkauf in Ansehung der Eintragung der Fa. A als Eigentümerin im Grundbuch auf eine Bösgläubigkeit nicht der Fa. A sondern gerade der für die Antragsgegnerin handelnden Personen an, wofür nichts vorgetragen und ersichtlich ist.

Auf die Frage, ob die Herausgabe des Grundstücks für die Antragsgegnerin im Sinne des von der Antragstellerin mehrfach herangezogenen Urteils des BGH vom 16.03.2007 (V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 f) schlechthin unerträglich wäre, kommt es nicht an. Dieses Urteil befasst sich mit der Problematik, ob dem bestehenden Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks ausnahmsweise der Einwand der Verwirkung mit Erfolg entgegengehalten werden kann. Darum aber geht es hier nicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst sich auch im Fall der begehrten Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 3 ZPO – nicht anders als bei einem Widerspruch – nach dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der einstweiligen Verhinderung des Rechtsverlustes und ist deshalb mit einem Bruchteil des Hauptsachestreitwertes anzusetzen (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. A. 2011, Rn. 2048). Weil das Gewicht eines Rechtshängigkeitsvermerks immerhin etwas geringer als das eines Widerspruchs anzusetzen ist, werden in der Rechtsprechung 15 – 20 % des Hauptsachestreitwerts für angemessen gehalten (OLG Schleswig, NJW-RR 1994, 1498 f bei juris Rn. 16; BayObLG JurBüro 1993, 227 f Leitsatz 2). Geht es hier um die Sicherung eines Grundstücks mit einem Mindestwert von 325.000 € erscheint ein Wert von bis zu 65.000 € als angemessen.

Die Rechtsbeschwerde kann gemäß den §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen werden.

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