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Vollmachtsauslegung zur Veräußerung von Grundeigentum

OLG München – Az.: 34 Wx 15/17 – Beschluss vom 27.01.2017

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) – Grundbuchamt – vom 24. November 2016 mit der Maßgabe abgeändert, dass der Eintragung der Rechtsänderung die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts entgegensteht und zur Behebung dieses Eintragungshindernisses die gesetzte Frist verlängert wird bis 24. Februar 2017 einschließlich.

II. Von einer Kostenerhebung für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.

Im Grundbuch sind die Beteiligte und deren Schwester Maria F. je zu 1/2 als Eigentümerinnen eines Grundstücks (Waldfläche) eingetragen. Maria F. ist nach Angabe der Beteiligten am 7.12.2010 verstorben.

Zu notarieller Urkunde vom 1.8.2016 übertrug die Beteiligte in eigenem Namen sowie zugleich als von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Bevollmächtigte ihrer Schwester die Miteigentumshälfte auf sich zu Alleineigentum. Die Auflassung wurde erklärt, die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch von der Veräußerin bewilligt und von der Erwerberin beantragt. Eine Gegenleistung ist nicht zu erbringen.

Bei der Beurkundung wurde in Urschrift eine von der Veräußerin der Beteiligten am 8.1.2008 in notariell beglaubigter Form erteilte, nicht durch den Tod des Vollmachtgebers erlöschende Vollmacht folgenden Inhalts vorgelegt (wörtlich), das vorstehend näher bezeichnete Grundeigentum zum beliebigen Bestimmungen zu veräußern, die Vertragsbedingungen zu vereinbaren, die Auflassung zu erklären und alle zur Durchführung des Vertrags erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen und Bewilligungen abzugeben und alle hierzu erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen.

Im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufpreises durch den Erwerber darf d. Bevollmächtigte auch die Eintragung von Grundpfandrechten bewilligen und den jeweiligen Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen, ohne dass eine persönliche Haftung für den Veräußerer übernommen wird. Untervollmacht im Rahmen der Abwicklung und zum Vollzug des Veräußerungsvertrags oder für die Bestellung von Grundpfandrechten darf erteilt werden.

Diese Vollmacht umfasst auch die Befugnis, einen abgeschlossenen Vertrag zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben und neue Kaufverträge abzuschließen. …

Auf den Eintragungsantrag hat das Grundbuchamt am 24.11.2016 folgende fristsetzende Zwischenverfügung erlassen:

Die Grundstücksvollmacht enthalte dem Wortlaut nach keine Befugnis, Verfügungen im Weg der Schenkung vorzunehmen. Vielmehr sei aufgrund ihres sonstigen Inhalts davon auszugehen, dass die Bevollmächtigte nur befugt sei, das Grundstück mit Gegenleistung zu verkaufen und aufzulassen. Eine etwaige Befugnis zur Vornahme von Schenkungen wäre ausdrücklich in der Vollmacht festgelegt worden. Wirksamkeit und Umfang der Vollmacht habe das Grundbuchamt selbständig zu prüfen.

Die Bevollmächtigte vertrete die Erben, nicht die Erblasserin, deshalb sei eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch die Erben der Veräußerin unter Vorlage entsprechender Erbnachweise erforderlich. Außerdem fehle die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts.

Die notariell eingelegte Beschwerde vom 2.1.2017 macht folgendes geltend:

Es handele sich zwar nicht um eine Generalvollmacht, wohl aber um eine Veräußerungsvollmacht. Diese sei nicht dahingehend eingeschränkt, das sie nur zur Vornahme entgeltlicher Geschäfte berechtige, vielmehr sei der Bevollmächtigte befugt, zu beliebigen Bedingungen zu veräußern, damit auch unentgeltliche Übertragungen vorzunehmen und diesbezügliche schuldrechtliche Verpflichtungen einzugehen. Die abschließende Passage („einen abgeschlossenen Vertrag zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben und neue Kaufverträge abzuschließen“) beinhalte wörtlich genommen nur die fehlende Befugnis, nach Aufhebung eines Schenkungsvertrags nicht erneut einen solchen, sondern nur einen neuen Kaufvertrag abschließen zu können. Das sei aber wohl nicht gewollt gewesen. Vielmehr entspreche der verwendete Vollmachtstext dem leider missglückten Muster aus der Textsammlung eines im württembergischen Bezirksnotariat eingesetzten Programms. Es sei anzunehmen, dass die Veräußerungsvollmacht aus einer ursprünglichen Verkaufsvollmacht generiert und es versäumt worden sei, den Text bis zum Ende der Vorlage anzupassen.

Schließlich habe die Bevollmächtigte dem beurkundenden Notar vorab erklärt, dass die Vollmachtgeberin auch die unentgeltliche Aneignung des Miteigentumsanteils durch die Bevollmächtigte gewollt habe, da letztere der Vollmachtgeberin jahrelang Unterstützung gewährt habe.

Das Grundbuchamt hat aus den in der Zwischenverfügung angeführten Gründen nicht abgeholfen.

II.

Das Rechtsmittel hat im Wesentlichen Erfolg.

1. Gegen die ergangene Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO ist die unbefristete Grundbuchbeschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthaft (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 1). Sie ist formgerecht und nach Sachlage vom beurkundenden und dazu nach § 15 Abs. 2 GBO befugten Notar für die Urkundsbeteiligte beim Grundbuchamt eingelegt (§ 73 GBO; Demharter § 15 Rn. 20). Dass die Entscheidung des Rechtspflegers über eine Abhilfe (vgl. § 75 GBO) nicht – wie es zutreffend gewesen wäre – in Beschlussform ergangen ist (vgl. Demharter § 75 Rn. 11) und auch nicht bekannt gegeben wurde (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 75 Rn. 20 mit 23), hindert den Anfall beim Beschwerdegericht und dessen Entscheidungsbefugnis nicht (z. B. OLG Düsseldorf FGPrax 2010, 274; zuletzt Senat vom 12.1.2017, 34 Wx 11/17). Wird – wie hier – eine Zwischenverfügung angefochten, so bildet jede einzelne Beanstandung eine Entscheidung i. S. v. § 71 Abs. 1 GBO (Demharter § 77 Rn. 12).

2. Anders als das Grundbuchamt hält der Senat die rechtsgeschäftliche Vollmacht (§§ 164, 167 BGB) zum Nachweis der Verfügungsbefugnis der Beteiligten für genügend. Dass ihrer Erteilung offenbar die unzutreffende Vorstellung der Vollmachtgeberin zugrunde lag, sie sei Alleineigentümerin des bezeichneten Grundstücks, ist nicht erheblich. Denn Bruchteilseigentum in Form eines Miteigentumsanteils ist dem Eigentum in diesem Sinne gleich (BGH NJW 2007, 2254 Rn. 11). Zutreffend geht das Grundbuchamt auch von der fortbestehenden Legitimationswirkung der (transmortalen) Vollmacht aus (dazu Senat vom 4.8.2016, 34 Wx 110/16 = FGPrax 2016, 205, und vom 31.8.2016, 34 Wx 273/16 = NJW 2016, 3381).

a) Die Vollmacht deckt nach dem Ergebnis der gebotenen Auslegung die gegenständliche Anteilsübertragung ab.

Das Grundbuchamt hat die Wirksamkeit einer Vollmacht und den Umfang der Vertretungsmacht selbständig zu prüfen, auch wenn der Urkundsnotar die Vollmacht für ausreichend angesehen hat (z. B. Senat vom 26.9.2012, 34 Wx 258/12 juris; BayObLG Rpfleger 1986, 216; Demharter § 19 Rn. 74.1; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 3579, 3580a).

Grundbuchvollmachten sind nach den für Grundbucherklärungen maßgeblichen Regeln entsprechend § 133 BGB auszulegen, wobei jedoch zu beachten ist, dass der das Grundbuchverfahren beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz und das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen der Auslegung durch das Grundbuchamt Grenzen setzen (Demharter § 19 Rn. 28 m. w. N.). Die Auslegung muss zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führen. Hierbei ist, wie bei der von Grundbucheintragungen selbst, auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (st. Rspr.; etwa BGH FGPrax 2015, 5; BGHZ 113, 374/378; Demharter § 19 Rn. 28 sowie Rn. 75; Hügel/Reetz V Rn. 12). Führt die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so ist, wenn der behauptete Umfang der Vollmacht nicht (in urkundlicher Form, § 29 GBO) nachgewiesen ist, von dem geringeren, eindeutig festgestellten Umfang auszugehen (ständige Rechtspr.; BayObLG Rpfleger 1996, 332; OLG Schleswig Rpfleger 1991, 17; OLG Hamm FGPrax 2005, 240/241; Demharter § 19 Rn. 75; Schöner/Stöber Rn. 3580a). Wegen der Beweismittelbeschränkung im Grundbuchverfahren kann die Meinung der Bevollmächtigten zum Umfang ihrer Vollmacht, die sie wohl aus einer Willensbekundung der Vollmachtgeberin herleiten will, von vorneherein keine Rolle spielen. Denn es handelt sich dabei um außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die nur im Rahmen eines urkundlichen Nachweises berücksichtigt werden könnten (OLG Hamm FGPrax 2005, 240/241).

aa) Die mit „Vollmacht“ unmittelbar nach der Bezeichnung der Bevollmächtigten eingeleitete Passage besagt zunächst, dass diese befugt sein soll, das bezeichnete Grundstück zu veräußern. Sofern nicht ohnehin die Begriffswahl ausschließlich auf das dingliche Rechtsgeschäft der Eigentumsübertragung hinweist, sind von diesem Abschnitt jedenfalls nicht nur schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte erfasst. Denn ausdrücklich ermächtigt die Vollmacht dazu, die Auflassung zu erklären, also das dingliche Grundstücksgeschäft gemäß § 925 BGB vorzunehmen, ohne dass der Bevollmächtigten ein bestimmtes Grund- oder Kausalgeschäft (§ 925 a BGB, wie Kauf, Schenkung, Tausch) vorgeschrieben wäre. Vielmehr darf sie „zum beliebigen Bestimmungen“ veräußern. Dass insoweit eine Vollmacht für das Außenverhältnis betreffende dingliche Übertragungsakte (vgl. Hügel/Reetz V Rn. 15), namentlich also für Zwecke des Grundbuchs, erteilt werden sollte, ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass die Abgabe von Bewilligungen (vgl. § 19 GBO) ausdrücklich neben offensichtlich den Grundbuchvollzug betreffenden Maßnahmen im weitesten Sinn genannt wird.

bb) Der anschließende Absatz behandelt die Kaufpreisfinanzierung durch den Erwerber und die ausdrückliche Befugnis der Bevollmächtigten, dazu auch die Eintragung von Grundpfandrechten zu bewilligen (vgl. jüngst BGH WM 2016, 1218). Gegenüber dem ersten Absatz werden der Bevollmächtigten erweiterte Befugnisse für den speziellen Fall eines Grundstückskaufvertrags (§§ 311b, 433 Abs. 2 BGB) im Hinblick auf die dabei häufig auftretende Notwendigkeit der Fremdfinanzierung eingeräumt, die nicht das Übertragungsgeschäft selbst betreffen und von einer Vollmacht zur Grundstücksveräußerung regelmäßig nicht umfasst sind (Hügel/Reetz V Rn. 14). Die Passage steht aber umgekehrt einer Auslegung nicht entgegen, wonach die Vollmacht insoweit nur speziell im Zusammenhang mit einem (nämlich dem Kaufvertrag) von mehreren denkbaren Grundgeschäften – praxisnah – erweitert wird, indessen eine Befugnis zu Grundstücksübertragungen aufgrund anderer Kausalgeschäfte damit nicht ausgeschlossen ist.

cc) Die nächstliegende Bedeutung der weiteren (dritten) Passage („Diese Vollmacht umfasst auch die Befugnis, …“) ergibt sich schließlich nicht schon aus deren wörtlicher Interpretation. Denn dies hieße, dass die Bevollmächtigte an einen zustande gekommenen beliebigen Vertrag nicht gebunden wäre, aber einen neuen Vertrag nur als Kaufvertrag abschließen könnte. Eine solche – durchaus überraschende – Beschränkung findet in der sonstigen Ausgestaltung der Vollmacht an keiner weiteren Stelle auch nur andeutungsweise einen Niederschlag. Aber selbst wörtlich genommen besagt der fragliche Passus nicht, dass eine erste Veräußerung nur auf kaufvertraglicher Grundlage gestattet wäre. Nächstliegend erscheint vielmehr, dass er sich nur auf schuldrechtliche Geschäfte bezieht und eine Erweiterung („auch“) oder Klarstellung beinhaltet. Das ergibt sich zum einen daraus, dass in der Aneinanderreihung abschließend kein dingliches Geschäft, sondern ein schuldrechtlicher Vertragstyp („Kaufverträge“) erwähnt ist, zum anderen, dass der erste Absatz seinen Sinn verlöre („zum beliebigen Bestimmungen zu veräußern“), wenn die Bevollmächtigte nur auf der Grundlage neuer Kaufverträge veräußern dürfte.

b) Selbst wenn die bezeichnete Passage als interne Beschränkung des im ersten Absatz umrissenen „weiten“ rechtlichen Dürfens zu verstehen sein sollte, so ergibt jedenfalls die objektive Urkundenlage keine Evidenz der Vollmachtsüberschreitung und damit des Missbrauchs (vgl. Senat vom 20.2.2013, 34 Wx 439/12 = FGPrax 2013, 111/112). Denn sie lässt sich aus den dargelegten Gründen nicht als eindeutig gefasste interne Bindungsklausel verstehen, die das Grundbuchamt wegen des geltenden Legalitätsprinzips zu beachten hätte (siehe Senat vom 20.2.2013).

c) Hiervon nicht betroffen besteht das vom Grundbuchamt zu Recht beanstandete weitere Eintragungshindernis – die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts (vgl. § 22 GrEStG) – fort.

3. Eine Kostenentscheidung erscheint nicht veranlasst, weil das Rechtsmittel der Beteiligten im wesentlichen Beanstandungspunkt erfolgreich ist. Im Hinblick auf § 25 Abs. 1 GNotKG spricht der Senat jedoch klarstellend aus, dass von einer Kostenerhebung abzusehen ist.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

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